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Beiträge zur Heimatgeschichte Die Entstehung der Historienbilder im Rittersaal von Schloss Burg an der Wupper Andreas Sassen / Claudia Sassen © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Beiträge zur Heimatgeschichte Die Entstehung der Historienbilder im Rittersaal von Schloss Burg an der Wupper Andreas Sassen / Claudia Sassen Inhalt: Seite 1 Aus der Geschichte von Schloss Burg an der Wupper 3 Zerstörungen und Aufgabe der Burg 3 Der Wiederaufbau von Schloss Burg 5 Die ersten Gestaltungspläne zum Burginneren 7 Das Programm des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen 9 Der Künstlerwettbewerb zur Gestaltung des Rittersaals 10 Die Ausmalung des Rittersaals 12 Reihenfolge der Freskenentstehung 15 Beschreibung der Fresken und Einordnung in die bergische Geschichte Bilder 1 - 10 46 Veränderungen an den Malereien im Rittersaal 47 Vergleich der eingereichten Entwürfe von 1897 zu den ausgeführten Bildern im Rittersaal 48 Schloss Burg in der Kritik der Kunstgeschichte 53 Die Gemälde der anderen Räume Schloss Burgs 56 Abschlussbetrachtung 59 Exkurs/Anhang Düsseldorfer Malerschule Malerbiografien und Personen der Geschichte 88 Technik der Freskomalerei 94 Literatur Titelbild: C. Meyer, Maria und Johann aus der Kinderverlobung im Rittersaal Solingen 2009 2 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Aus der Geschichte von Schloss Burg Der Ort Burg befindet sich an der tief eingeschnittenen Mündung des Eschbachs in die Wupper - Schloss und Oberburg liegen malerisch auf der äußersten Kuppe eines Höhenzuges, das Fischerdorf Unterburg im schluchtartigen Eschbachtal. Ausgangspunkt der Siedlung war das zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtete Schloss der Grafen von Berg, die damals ihren bisherigen Stammsitz auf dem „alten Berge“ bei Odenthal den Zisterziensern überließen. Der im 15. Jahrhundert zur Freiheit erhobene Ort führte ursprünglich zum Unterschied von Altenberg den Namen Neuer Berg oder Neue Burg. Seit dem ausgehenden Mittelalter war Burg ein bedeutender Tuchmacherort, dessen Blütezeit vom Ende des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts andauerte.1 Nach der Überlieferung begann Graf Adolf II.2 von Berg um 1118 mit der Errichtung einer Burg auf den Grundmauern einer älteren Befestigungsanlage auf dem Neuen Berge. Die romanischen Bauten dieser ersten Burg über der Wupper bildeten das Kernstück der späteren großen Burganlage von Schloss Burg. Ihren alten Stammsitz übergaben Graf Adolf II. von Berg und sein Bruder Eberhard3 1133 einem Konvent des Zisterzienserordens aus Morimond (heute Bistum Langres, Frankreich). Entsprechend ihren Baugewohnheiten und ihrem Wirtschaftssystem verlegten die Zisterziensermönche das Kloster bald nach der Gründung ins Tal der Dhünn. Der Name des ehemaligen bergischen Grafenstammsitzes Altenberg wurde für den Konvent weitergeführt. Das Zisterzienserkloster Altenberg, eines der reichsten und berühmtesten Klöster des rheinisch-bergischen Raumes, bestand bis zur Säkularisation 1803. Etwa 100 Jahre nach der Gründung der Burg baute Graf Engelbert II.4 von Berg während seiner kurzen Herrschaft ab 1218 die Anlage zu einer weiträumigen Hofburg aus. Er war der Erzbischof Engelbert I. von Köln und wurde, nachdem sein älterer Bruder5 auf dem Kreuzzug bei der Belagerung Damiettes6 in Ägypten zu Tode gekommen war, bergischer Landesherr, Herzog von Westfalen und später Verweser des Heiligen Römischen Reiches. Als mächtigster Mann des Staates unter dem Staufer Friedrich II.7 ließ er den repräsentativen zweigeschossigen Palas mit dem sich unmittelbar anschließenden Kemenatenbau und Kapellenbau errichten. Engelbert wurde 1225 bei Gevelsberg ermordet8. Nach ihm blieb die Burg weiterhin eine bevorzugte Residenz der Grafen und späteren Herzöge von Berg. Erst nach der Verlegung der Hofhaltung in die neue Hauptstadt Düsseldorf im Jahre 1380 diente sie nur noch als gelegentlicher Aufenthaltsort der Herzöge. Zur Zeit der Spätgotik und der Renaissance lebte die Bautätigkeit in Burg wieder auf. Der Palas wurde umgestaltet und erweitert und 1485 mit Fachwerkaufbauten versehen. Seine Erdgeschoßfenster wurden vergrößert und mit einem Segmentbogen versehen und der Kemenatenbau nach Süden erweitert. Im Jahre 1528 entstand ein neues inneres Torhaus am Palas und in den weiteren Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts mit stärkeren äußeren Befestigungen auch ein Vorgänger des großen Batterieturms in der Burganlage.9 1 Dehio, Rheinland, 1967, S. 109. 2 Adolf II. *um 1090, 1115 Graf von Berg, nach 1160 Mönch in Altenberg, † 1160-1170. (n. Laute) 3 Eberhard (Everhard) * um 1090, urkundl. 1115-20 Laie, seit 1120-21 Mönch in Morimond, seit 1143 Abt in St. Georgenberg (Georgenthal) in Thüringen. † 1142-1152. (n. Laute) 4 Engelbert II. *8.11.1185 (*7.11.1186) 1216-25 als Engelbert I. Erzbischof v. Köln, seit 1218 Graf v. Berg, † 7.11.1225 bei Gevelsberg. (n.Laute). 5 Adolf III. Graf von Berg, *um 1175, †7.8.1218 bei Damiette in Ägypten (n. Laute) 6 Damietta, Verw.-Bez. Dumyat, Ägypten, liegt an der Mittelmeerküste, im Nildelta nahe Port Said. 7 Friedrich der II. (Kaiser d. Hl. Röm. Reich) 1194-1250. 8 Siehe auch das Wandbild zu Engelbert im Rittersaal, sowie die Angaben über sein Leben im Anhang. 9 Der heutige Batterieturm ist ein Neubau von 1914. 3 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Schloss Burg. Detail einer Ansicht aus Topographia Ducatus Montani von Erich Philipp Ploennies 1715. Diese älteste Ansicht von Schloss Burg war eine der Grundlagen für die Rekonstruktion des Palas von G. A. Fischer. Abb. Staatsarchiv Düsseldorf. Schloss Burg an der Wupper. Rekonstruktions-Vorstellung von Gerhard August Fischer aus dem Jahre 1887. Fischer hat hier die überlieferte Ansicht von Ploennies in seine Vorstellung vom Wiederaufbau des Palas von Burg übernommen. Dieser Plan ist so bis 1894 realisiert worden. 1920 wurde die gesamte Dachlandschaft durch Feuer zerstört. Archiv Schloss Burg. 4 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Zerstörungen und Aufgabe der Burg Am Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde Schloss Burg von schwedischen Truppen belagert, seine Befestigungsanlagen durch Beschuss weitgehend zerstört und auch ein Teil der Gebäude innerhalb der Burg beschädigt. Die kaiserliche Besatzung ließ bei ihrem Abzug den noch intakten Rest der Verteidigungsanlagen in Flammen aufgehen. Der Hauptbau mit dem Palas blieb davon aber verschont und ist um 1700 teilweise wieder instand gesetzt worden. Die von 1715 erhaltene Ansicht vom Kartographen Ploennies zeigt noch die Fachwerkaufbauten des 15. Jahrhunderts. Der Hauptbau diente bis 1807 als Sitz herzoglicher Rentmeister und Richter des Amtes Bornefeld.10 Während dieser Zeit fanden aber erhebliche Eingriffe in die Bausubstanz der Burg statt. Auf der Westseite legte man die großen Stall- und Wirtschaftsgebäude nieder und auch die spätgotischen Fachwerkaufbauten des Palas verschwanden. Ein Kupferstich von Schramm vom ausgehenden 18. Jahrhundert zeigt das Gebäude mit einem schlichten Satteldach. Danach benutzte man die großen Räume für gewerbliche Zwecke; im Rittersaal webte man Wolldecken, die „Burger Schaazen“. Doch der preußische Fiskus als Eigentümer der Burg war an einer weitergehenden Erhaltung nicht mehr interessiert und versuchte schon um 1820 die Anlage zu veräußern. 1839 kaufte die katholische Gemeinde die Burg und funktionierte sie zum Schulgebäude um. Der Schulbetrieb endete aber nach wenigen Jahren wegen Baufälligkeit der Gemäuer, und ein neues Schulhaus wurde am Burgplatz gebaut.11 Vermutlich waren die notwendigen Instandhaltungen an Dächern und Einrichtungen bereits länger unterblieben, als man die Gebäude 1849 aufgab. Zur Materialgewinnung für das neue preußische Landgericht in Elberfeld wurde das aus Eichenholz bestehende Dachwerk und die Zwischendecken ausgebaut und das übrige Mauerwerk dem Verfall preisgegeben. Nachdem die „Oberen“ mit entsprechendem Beispiel vorangegangen waren, wurde von den Bürgern der Umgebung alles, was dem eigenen Hausbau diente, fortgeschleppt und damit Schloss Burg in kürzester Zeit zur Ruine gemacht.12 Man benutzte die Burg als Steinbruch, wobei umfangreiche Mauerteile verschwanden. Eine Zeichnung von Heinrichs zeigt den Palas 1850 mit zerstörten Mauern. Der Wiederaufbau von Schloss Burg Etwa 30 Jahre nach Aufgabe der alten Burg regte sich im Bergischen Land der Wunsch nach dem Wiederaufbau der Burgruine. Auf Einladung des bergischen Geschichtsvereins traf sich am 18. Juni 1887 erstmalig eine engagierte Gruppe von Bürgern des Bergischen Landes, darunter der Wermelskirchener Fabrikant Julius Schumacher und der Architekt Gerhard August Fischer aus Barmen. Sie besprachen die Möglichkeiten zum Erhalt der Ruine oder gar den Wiederaufbau. Wenig später, am 3. August 1887 gründeten diese Männer mit 70 weiteren Personen aus der Umgebung einen „Verein zur Erhaltung der Schlossruine Burg an der Wupper“, aus dem später der Schlossbauverein Burg wurde. Den Vorsitz führte bis 1902 Julius Schumacher, der im Laufe der Zeit einen großen Teil seines Privatvermögens dem Verein zur Verfügung stellte. Schon 1890 begann man mit dem Wiederaufbau der Hauptteile der Burg; das innere Burgtor erstand zuerst, danach folgte der Palas mit seinem Rittersaal. Mit der Vollendung des Gebäude-Südteils im Jahre 1894 stand der Hauptbau mit Kemenate und Kapelle fertig da. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war die Burganlage soweit wiederhergestellt, wie sie heute zu sehen ist. Es war zwar im Wesentlichen eine Neuschöpfung entstanden, doch der Architekt Fischer aus Barmen, bemühte sich weitestgehend um eine Rekonstruktion der gotischen Burg. Seine Entwürfe und Zeichnungen fußten auf den Mauerresten, ergrabenen Fundamenten und der einzigen 10 Roselt, Schloss Burg, S. 8. 11 Das Gebäude nordwestlich vor dem Palas, kürzlich vom SBV gekauft, beherbergt zukünftig die Verwaltung. 12 Renate und Karl Morsbach (1987): Die sich wandelnden Architekturen von Schloss Burg an der Wupper, in: Für Kaiser Volk und Vaterland, Festschrift zum 100jährigen Bestehen Schloss Burgs, Köln, S.55. 5 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg erhaltenen Ansicht der Burg, der Zeichnung des Vermessungstechnikers Erich Philipp Ploennies aus dem Jahr 1715.13 Der Baumeister Gerhard August Fischer, der über fünfzig Jahre seines Lebens unzählige Kirchen im Rheinland und in Westfalen gebaut hatte14, wusste die Mitglieder des Vereins zur Erhaltung der Schlossruine mit seinen Entwürfen und visionären Ansichten des alten Grafenschlosses zu überzeugen. Seine Zeichnungen, darunter Idealvorstellungen von Schloss Burg im Mittelalter, gingen als Lithografien von Hand zu Hand und begeisterten die Menschen der Region für den Wiederaufbau. Fischer hatte die historische Ansicht der Burg im Sinne der Neugotik mit romantischem Einschlag neu geschaffen. Er war beim Wiederaufbau von Anfang an dabei und begleitete die Wiederherstellung der Anlage bis zur Errichtung des Bergfrieds im Januar 1902. Als dieser kurz vor seiner Vollendung in der Sturmnacht zum 5. Januar 1902 teilweise einstürzte, wurde er von seiner weiteren Tätigkeit in Burg entbunden. Er hatte nicht mehr die Möglichkeit, den Schaden zu beheben; den Wiederaufbau übernahm der Baumeister Blaue. Vom romantischen Erscheinungsbild der wieder aufgebauten Burg zeugt diese bislang unbekannte Zeichnung des Malers Hans Kohlschein aus dem Jahr 1903. Eine junge Frau verfolgt aus dem Giebel des Torhauses das Treiben mehrerer Reiter vor der Mauer am Diebsturm. Abb. Archiv Kohlschein, Dortmund. Alles, was die Arbeit Fischers über so viele Jahre in Burg empfohlen hatte, schien mit einem Schlag vergessen. Fischer empfand das als Kränkung und wandte sich anderen Denkmalobjekten zu. So entstanden zwischen 1900 und 1906 genau ausgearbeitete Pläne für das im Bauernkrieg zerstörte Kloster Georgenthal im Thüringer Wald.15 Durch seine Geschichtskenntnisse war Fischer auf dieses Zisterzienserkloster gestoßen; denn dort war 760 Jahre zuvor Everhard, der Bruder Adolfs II. von Berg, zum ersten Abt gewählt worden. 13 Ploennies Darstellung wird zuweilen infrage gestellt (A. Schyma, a.a.O.), da er „nicht Zeichner, sondern Kartograph und Techniker“ war. Seine Wiedergabe von Burg ist aber bei der geringen Größe zeichnerisch perfekt! Die Proportionen von vorn bis in die Tiefe des Bildes stimmen, die Perspektive ist einwandfrei und Einzelheiten gut erkennbar, sie machen die Überlieferung glaubhaft. 14 Gerhard August Fischer (1833-1906) Architekt, zu seinen Bauten siehe Weyres Mann, Köln 1968. 15 G. A. Fischer, das Kloster Georgenthal in: Thüringer Warte Nr. 11, Februar 1905. 6 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Doch der Lebensweg der ersten Generation des Wiederaufbaus von Schloss Burg neigte sich dem Ende zu. Am 28. Juni 1902 starb der langjährige Freund und Burger Weggefährte Julius Schumacher. Gerhard August Fischer arbeitete noch bis kurz vor seinem Tod; er starb am 11. November 1906 in Barmen. Die ersten Gestaltungspläne des Burginneren Um 1894 war das Hauptgebäude der Burg, der Palas wieder aufgerichtet, so dass man mit der Innenausstattung beginnen konnte. Der historisierende Wiederaufbau, der Schloss Burg zu einer Art Nationaldenkmal des Bergischen Landes machte, schloss auch die Ausstattung der Haupträume mit ein. G. A. Fischer wird nach eingehenden Studien von Vergleichsobjekten Rittersaal und Kemenate gestaltet haben. Erhaltene profane Innenräume des Spätmittelalters gab es kaum. Hier konnte er auf Ruinen, bestenfalls Fragmente zurückgreifen; eher waren große Räume dieser Zeit noch in Klöstern zu finden. Doch bestimmte Einzelheiten lassen erkennen, dass Fischer sich auf der Wartburg bei Eisenach umgesehen hatte, die nach 1840 vom Baumeister Hugo v. Ritgen im Auftrag des Erbgroßherzogs von Thüringen nach romantischen Vorstellungen restauriert worden war. Die Grundform des Innenraums in Burg ergab sich aus den vorhandenen alten Mauerzügen mit ihren Fenstern und den möglichen Deckenkonstruktionen. So entstand der große Rittersaal in spätromanischen rheinischen Formen, einem Übergangsstil in den schon weitgehend gotische Stilelemente einfließen. Diesen Weg wiesen die behäbig wirkenden Spitzbogenfenster, die in der Ruine erhalten waren. Nach Befund sind die Fensterlaibungen mit eingestellten Säulen und Wulstbögen so rekonstruiert worden, wie die Bauleute Engelberts sie um 1220 geschaffen hatten. Der Palas von Burg ist wahrscheinlich eines der frühesten Gebäude im Rheinland, der in gotischen Formen gestaltet wurde. Engelbert war vor seiner Zeit als Erzbischof in Frankreich gewesen und hatte dort die fortschrittlichen Kathedral- und Palastbauten gesehen. Er war der Erste, der Vorschläge zum Neubau des Kölner Doms unterbreitete und konkrete Stiftungen dazu machte. Die schwere Holzdecke des Rittersaals wird von einem Mittelbalken unterfangen, den vier Rundsäulen mit Schaftringen stützen. Als einzige feste Architekturteile fügte Fischer in diesen Raum nur die Fenstersitzplätze und den Kamin ein. Dieser Kamin ist ein Mitbringsel von der Wartburg, wo die Vorbilder im Sängersaal und im Festsaal des Landgrafenhauses wiederzufinden sind. Auch an der Burger Kapelle findet sich solch eine Reminiszenz: Das gotische Chörlein an der östlichen Außenseite ist nach dem Vorbild des Nürnberger Erkers an der Burgvogtei der Wartburg geschaffen.16 Mit dem Chörlein als spätgotische Zutat wollte Fischer gewachsene Baustrukturen aufzeigen. Den Innenraum der Kapelle gestaltete er als dreijochigen frühgotischen Saal mit Kreuzrippengewölben; ein typischer Zug des Neugotikers Fischer. Im Gegensatz zum Profanbau des Palas war man im Rheinland zur Zeit Engelberts mit dem Sakralbau aber noch längst nicht so weit, wie die erzbischöfliche Palastkirche in Hilden und die Mündelheimer Kirche als zeitgleiche Beispiele zeigen. Wie diese wird die Burgkapelle vermutlich einst spätromanisch gewesen sein. Mit einer entsprechend malerischen Ausschmückung sollten Rittersaal und Kemenate sowie die Burgkapelle als geschichtsträchtige Stätten der Vergangenheit hervorgehoben werden. Zu dieser Aufgabe konnte man die Meister der Düsseldorfer Malerschule gewinnen. An der Düsseldorfer Kunstakademie wurde schon seit Jahrzehnten die von den Nazarenern in Rom wieder belebte Kunst der Freskomalerei17 gelehrt. Peter Cornelius und Friedrich Wilhelm Schadow18 hatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts diese Maltechnik dort eingeführt. Neben den Fresken von Rethel im Rathaus zu Aachen entstand ein Zyklus aus 16 Der viel bewunderte romantische Erker der Wartburg stammt aus Nürnberg und wurde erst 1872 eingebaut. 17 Freskomalerei, Erklärung siehe Anhang. 18 Peter Cornelius, (1783-1867), Friedrich Wilhelm Schadow (1788-1862), (siehe Anhang) 7 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg dem Leben Barbarossas in Schloss Heltorf bei Angermund.19 Von Cornelius begonnen wurden sie von den Schadowschülern Stürmer, Mücke, Lessing und Plüddemann 1841 vollendet. Die Künstler, Ernst Deger, Andreas und Karl Müller sowie Franz Ittenbach malten zwischen 1843 und 1852 die Apollinariskirche20 in Remagen mit biblischen Monumentalbildern aus; ein Höhepunkt für die Düsseldorfer Malerschule. Zum Ende des Jahrhunderts war die Freskomalerei durch die vielfach gewünschten Historiendarstellungen nochmals zur Blüte gekommen. Begünstigt durch die nachromantische Kunstanschauung des Kaiserhauses entstanden zu dieser Zeit sehr viele Wandgemälde in Kirchen, Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden, aber auch in Privathäusern wohlhabender Bürger.21 So schufen die Düsseldorfer Künstler bis 1908 in allgemein volkstümlich-verständlicher Art die monumentalen Historienbilder. Sie sind der Geschichte der Burg, der bergischen Landesherren und dem mittelalterlichen Burgleben gewidmet. Ein erstmaliger Vorschlag, die Innenräume von Schloss Burg mit historischen Wandgemälden zu gestalten, erfolgt schon auf der 4. Hauptversammlung des Vereins zur Erhaltung der Schlossruine Burg am 13. August 1890. Das Vorstandsmitglied Adolf Werth macht darauf aufmerksam, in Schloss Burg ein Museum einzurichten und es gegenüber anderen Museen der Region ein eigenständiges Gepräge zu geben. Fresken der bergischen Geschichte könnten den Besuchern wichtige Eindrücke vermitteln. Die Idee zur Ausgestaltung der Innenräume des Palas wird auch in den folgenden Jahren des Wiederaufbaus beibehalten. Ständige Sorge des Vereins ist natürlich die Finanzierung des Vorhabens, weshalb man werbewirksam um Spenden in der Öffentlichkeit bittet. Den entscheidenden Schritt unternimmt aber letztlich der Vorsitzende des Vereins Julius Schumacher. Am 9. Mai 1896 schreibt der um den Wiederaufbau sehr verdiente Fabrikant einen Brief an den Königlichen Staatsminister und Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten, Herrn Dr. Bosse in Berlin22. In der damals üblichen sehr ergebenen Form trägt er seine Bitte vor, nicht ohne vorher auf die bisherigen Leistungen des Wiederaufbauvereins, seines Architekten Fischer und des für die Sache begeisterten bergischen Volkes hinzuweisen. Auch die Freude darüber, … dass Se. Majestät der Kaiser und König die Gnade hatte, sein allerhöchstes Interesse der Burg zuzuwenden; sind doch die bergischen Grafen und Herzöge zugleich die Ahnen und Vorfahren des erlauchten Hauses der Hohenzollern... kommt dabei zum Ausdruck. Schumacher verweist zudem auf die im Verein schon lang gehegten Pläne einer malerischen Dekoration der wiederhergestellten Innenräume: Schloss Burg scheint wie geschaffen dafür, einen ausgedehnten Zyklus historischer Wandgemälde aufzunehmen…. Wenn irgendwo die Historienmalerei einen volkserzieherischen und Begeisterung erweckenden Zweck erfüllen kann, so sicherlich hier. Die Bergische Geschichte ist voll von großen und packenden Momenten, die zugleich auch malerisch wirkungsvoll sind – von der ersten Ruhmesthat des bergischen Volkes, der Schlacht bei Worringen, bis zu den glänzenden Tagen des Kurfürsten Johann Wilhelm. Schumacher erwähnt weiterhin, Von Seiten der Düsseldorfer Künstlerschaft ist das lebhafteste Interesse an der Ausschmückung der Burg schon wiederholt dokumentiert worden. 19 Schloss Heltorf (Graf von Spee) klassizistisches Herrenhaus 1822-27 von Heinrich Theodor Freyse erbaut. Die Fresken befinden sich im Gartensaal und blieben als einzige aus romantischer Zeit am Niederrhein erhalten. 20 Apollinariskirche, ein Hauptwerk der neugotischen Rheinromantik vom Kölner Dombaumeister E.F. Zwirner. 21 Die meisten Freskowerke sind durch den Krieg und den sich ändernden Zeitgeschmack zerstört worden. 22 Brief wiedergegeben in Romerike Berge Heft 2, 1983, S. 28-29. 8 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Doch möchte Schumacher einem aufzustellenden Plane von höherer Stelle nicht vorgreifen und schlägt dem Minister die Entsendung einer Kommission vor, die Angelegenheit vor Ort zu prüfen. Die Freude der enthusiastischen Mitglieder des bergischen Schlossbauvereins war groß, als sie daraufhin in einem Schreiben vom 18. Dezember 1896 aus Berlin eine Zusage erhielten. Dr. Bosse teilte ihnen mit, dass das Ministerium die notwendigen Mittel zur Ausmalung der Schlosskapelle zur Verfügung stellen wird.23 Eine wirksame Weiterarbeit des Schlossbauvereins wurde zu dieser Zeit mit der rechtskräftigen Eigentumsübertragung des Schlosses auf den Kreis Lennep geschaffen. Bereits 1891 hatte der Kreis gegen einen Kaufpreis von 300 Mark das Schloss vom preußischen Staat übernommen, doch der Gang durch die Behörden dauerte bis zum Beginn 1897. Im Sitzungsprotokoll vom 10. Mai 1898 wurde wieder einmal die stets prekäre Kassenlage offenbar. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man 278 000 Mark verbaut, wovon 154 000 Mark gedeckt waren. Auf dem Schlossbauverein Burg lastete eine Schuld von 124 000 Mark. Das Programm des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalens Auch von privatwirtschaftlicher Seite kommt man dem Burger Verein entgegen: G.A. Fischer berichtet in seiner „Chronik vom Wiederaufbau des alten Schlosses Burg an der Wupper“: Im Jahr 1896 trat ein für Schloß Burg höchstbedeutsames Ereignis ein. Der Kunstverein von Rheinland und Westfalen beschloß die Mittel zur Ausmalung des Rittersaales in einer Höhe von 50000 Mrk. zu bewilligen, unter der Bedingung, daß der Burgbauverein nach Fertigstellen des großen Saals einen kleinen Saal mit figürlichen Darstellungen ausstatten ließe. Am 25. August 1896 fand eine Besprechung im Beisein der Prof. Janssen und Gebhard, Schill sowie einiger Vertreter des Kunstvereins und Dr. Clemen24 statt. Es kam zu dem Beschluß, eine Konkurrenz unter den Künstlern der Düsseldorfer Schule auszuschreiben, wozu noch 3000 Mrk. bewilligt wurden; der Stoff der Gemälde sollte der bergischen Geschichte entnommen werden. Es wurde nun eine Aufnahme der Wandmauerflächen veranstaltet, über die darzustellenden Ereignisse verhandelt und die Konkurrenz vorbereitet. So war das Jahr 1896 für die Baugeschichte von Burg von Bedeutung, wenn auch die eigentliche Bautätigkeit ruhte. In den Jahren 1897 und 1898 konnte wegen Mangel an Mitteln weder an die Ausstattung der Räume gedacht werden noch ein Weiterbau erfolgen….. Auf der 9. Hauptversammlung Mitte des Jahres 1897 – seit dieser Zeit nennt man sich Schlossbauverein - wird der Inhalt eines Schreibens des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalens bekannt gegeben. Die Verfasser sind – wie bei der Besprechung - der Landeskonservator Pof. Paul Clemen, die Mitglieder der Düsseldorfer Kunstakademie Prof. Eduard von Gebhardt, Prof. Adolf Schill und der Akademie-Direktor Prof. Peter Janssen25. Sie machen dem Schlossbauverein Burg nun schriftlich ihren Vorschlag: …Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalens übernimmt auf seine Kosten die künstlerische Ausschmückung des Rittersaals, das heißt, die Herstellung eines friesartigen Cyklus historischer Wandgemälde und die polychrome Herrichtung des genannten Raumes mit Einschluss der Decke, …“ unter der „ausdrücklichen Bedingung jedoch, dass sich der Schlossbauverein verpflichtet, innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren die künstlerische Ausgestaltung der sogenannten Kemenate (Grafensaal) zu übernehmen. Mit dem ausdrücklichen Anspruch, dass der Kunstverein in der weiteren gesamten künstlerischen Ausgestaltung – mit Ausschluss der bereits vergebenen Kapelle - 23 Die Ausmalung der Schlosskapelle übernimmt 1898-1902 Prof. Willy Spatz, Düsseldorf. 24 Clemen war zu dieser Zeit der Landeskonservator für die Denkmäler der Rheinprovinz in Köln. 25 Brief wiedergegeben a.a.O. S. 29-32. 9 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg uneingeschränkt freie Hand bekommt, sollte nach einem erstellten Programm der genannten Akademie-Professoren vorgegangen werden. So war geplant, nach Vollendung der Arbeiten im Rittersaal und der Kemenate möglichst bald in anderen geeignet erscheinenden Räumen der Burg die Sagen des Bergischen Landes darstellen zu lassen. Für den Rittersaal, der Kemenate und dem dazwischen liegenden Vorsaal gedachte der Kunstverein den Schmuck der Räume in einem bestimmten Zusammenhang zu konzipieren. Es sollte nicht nur in der Flächenaufteilung, im Maßstab und im Dekorationsprinzip eine künstlerische Einheit geschaffen werden, sondern diese Dinge waren jeweils in den verschiedenen Räumen in der Einheit eines gedanklichen Rahmens zu sichern. Die Ausschmückung des Grafen- und des Rittersaales hatte hierbei vorzugehen, der verbindende Raum sollte erst danach gestaltet werden. Man war sich mit allen interessierten Vereinen des Bergischen Landes einig, dass im Rittersaal die Heimatgeschichte zur Darstellung zu kommen hatte. Die bergische Geschichte selbstverständlich als die Geschichte des bergischen Volkes und seiner Fürsten in ihren Beziehungen zur engeren Heimat und zu Schloss Burg selbst. Die Unterzeichneten stimmen auch vollkommen der Ansicht bei, dass hierdurch in erster Linie eine große volkserzieherische und begeisterungserweckende Wirkung hervorgebracht werden könne und dass dieser Gesichtspunkt neben dem rein künstlerischen energisch zu betonen sei. Es ist zunächst durchaus nicht die Aufgabe, in solchen Räumen eine Art gemalter Geschichtstabelle zu geben und dem Besucher ein Repetitorium der gesamten Landesgeschichte zu bieten. Die darzustellenden Stoffe müssen in erster Linie künstlerisch auszudrücken und malerisch wirkungsvoll zu gestalten sein. Sodann muss eine natürliche Abwechslung zwischen kriegerischen und friedlichen Thaten und Scenen sich ergeben, um nicht durch Häufung von Darstellungen des höchsten Affektes zu ermüden und zugleich um Ruhepunkte der Schilderung und dadurch ein künstlerisches Gleichmaß zu schaffen.26 Für den Rittersaal sollten Bildthemen gewählt werden, die in engster Beziehung zu Schloss Burg selbst stehen und zum besseren Verständnis sollte das Schloss zuweilen auch im Hintergrund erscheinen. Das in seinen Einzelheiten von der Akademie akribisch geplante Programm enthält zwar feststehende Vorschläge für die Darstellungen in den großen Räumen des Palas, es wird aber zugestanden, dass „der Phantasie des mit der Ausführung zu beauftragten Künstlers keine zu engen Grenzen gezogen werden“. Außerdem dürften sich beim Studium der bergischen Geschichte durchaus …„noch geeignetere Momente finden lassen“. Die Darstellungen würden beim Eingang in den Rittersaal zu beginnen haben, sich in ununterbrochener Folge durch den ganzen Saal ziehen und wieder auf der Wand am Eingang … ihren Abschluss finden. Aus den von verschiedenen Seiten zur Verfügung gestellten Verzeichnissen wichtiger historischer Momente hatte man eine Auswahl getroffen und brachte folgende Darstellungen zum Vorschlag:27 1. Erbauung der Burg; 2. Graf Adolf III. von Berg, im Begriffe zum Kreuzzug aufzubrechen, nimmt auf dem Schlosse von den Seinigen Abschied. 3.Des ermordeten Erzbischofs Engelbert Leiche vor den Thoren von Schloss Burg, wo ihr der Einlass verwehrt wird. 4. Erzbischof Sigfrid von Köln wird nach der Schlacht von Worringen als Gefangener in Schloss Burg eingebracht; 5. Befreiung des Herzogs Wilhelm von Berg auf Schloss Burg durch seine Söhne Gerhard und Wilhelm; 6. Einnahme der Burg durch die schwedischen Truppen; 26 Aus dem Programm des Kunstvereins der Rheinlande und Westfalens. 27 A. a. O. S. 31. 10 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg 7. Scenen aus dem Aufstande der sog. Knüppelrussen in der Nähe von Burg, oder eine andere packende Scene aus der Zeit der Befreiungskriege.“ Für die Malereien würde durch eine in etwa zwei Drittel der Gesamthöhe durchzuziehende Horizontale eine gleichmäßige Zone zu schaffen sein. Die zwischen den Fenstern sich ergebenen Zwickel würden dabei ebenso wie die größeren Felder zu füllen sein. Die Ausfüllung dieser unregelmäßig kleinen Felder stellt zwar schwierige aber künstlerisch ganz besonders lockende Aufgaben. Bei dieser Art der Darstellung würde zugleich der cyklische Charakter am besten festzuhalten sein. Gegenüber dem Rittersaal als Hauptrepräsentationsraum mit Bildern großer geschichtlicher Ereignisse, plante man die Dekoration der Kemenate oder des Grafensaals als eines mehr intimen Wohnraums. Im Grafensaal würde im Gegensatz dazu das Leben der Burgbewohner zur Darstellung kommen. Auf den beiden größeren Wandflächen, die sich für die Malerei darbieten, würden über der Holzverkleidung zwei genreartig zu behandelnde große Festszenen zur Darstellung zu bringen sein: Die Hochzeit der Herzogin Sibylle28 mit dem Herzog Johann von Sachsen und ein Jagdfest unter Kürfürst Johann Wilhelm oder Karl Theodor in oder bei Schloß Burg. Bei diesen Darstellungen würde es sich um prunkvolle, festliche Scenerien handeln, die einen außerordentlich glücklichen Gegensatz und zugleich eine Ergänzung des im Rittersaal dargestellten Cyclus bilden würden. Beide Scenen würden ja als fürstliche Hochzeit und fürstliche Jagd ohne weiteres verständlich sein und einen passenden Hintergrund für kleine Feste, die in diesem Raume gefeiert werden könnten, bilden. Auf den übrigen Wandflächen dieses Raumes, auch in den Zwickeln der den Raum teilenden Pfeilerstellung könnten andere Darstellungen aus dem häuslichen Leben der Burgbewohner, Ritterspiele, Scenen aus dem Frauenleben, Kindererziehung u. v. w. Platz finden, die eine Verbindung zwischen den beiden Hauptbildern herstellen würden. Mit diesen zusammen würden sie das gesamte friedliche Leben der Burgbewohner zur Anschauung bringen. Der Künstler-Wettbewerb zur Gestaltung des Rittersaals Zur Deckung der Kosten für die Malereien im Rittersaal wollte der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen die enorme Summe von 50.000 Mark zur Verfügung stellen. Unter der deutschen Künstlerschaft sollte in einem Wettbewerb der Maler mit dem besten Entwurf gefunden werden. Dafür setzte man ein zusätzliches Preisgeld von 3.000 Mark aus. Daraufhin wurden zwölf Arbeiten eingereicht und bis zum 27. Februar 1898 von einer Kommission des Kunstvereins der beste Entwurf ermittelt. Den ersten Preis erhielt der Düsseldorfer Akademieprofessor Claus Meyer (1856-1919), der mit seinem ehemaligen Schüler Hermann Huisken (1861-1899) einen gemeinsamen Entwurf vorgelegt hatte. Zum Wettbewerb und den eingereichten Arbeiten schrieb ein Journalist in der Zeitschrift `Die Kunst für Alle´, daß beider Entwurf „wohl der ausgereifteste (sei), und was noch fehlt, namentlich an koloristischer Frische, das wird sich in der großen Ausführung wohl nachholen lassen“. Mit einem zweiten Preis wurde Albert Baur jr. (1868-1959) bedacht, dessen Entwurf zwar „viele hübsche Einzelheiten“ enthielte, „aber im ganzen etwas trocken“ wirke. Hinsichtlich der koloristischen Auffassung sei daher eigentlich der nur mit dem dritten Preis ausgezeichnete Entwurf von Ludwig Heupel (1864-1945) vorzuziehen, dessen Komposition jedoch weit weniger ausgearbeitet sei, als dies bei den zuvor genannten der Fall war. Den vierten Preis teilten sich gleichberechtigt die Maler Theodor Rocholl (1854-1933) und Fritz Neuhaus(1852-1922), wobei Rocholls koloristische Auffassung gelobt, jedoch die als zu nachlässig empfundene künstlerische Durchgestaltung von Neuhaus und Rocholl bemängelt wurde. Die übrigen eingereichten Arbeiten wurden zwar als beachtenswert, aber nicht als preiswürdig klassifiziert. „Eine gewisse Lahmheit ist den meisten dieser Entwürfe eigen“ berichtet weiter der Publizist, so daß er nicht einmal die Namen der verbleibenden Teilnehmer erwähnte. (nach Erika Günther 1992)29 28 Sibylle, Tochter des Herzogs Johann von Cleve,*11.7.1512, †21.2.1554, wurde 1527 mit dem späteren Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor. 29 Erika Günther, Historienbilder im Rittersaal von Schloss Burg, in: Romerike Berge Heft 2,1992, S. 16. 11 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Die ausgeschriebene Konkurrenz betreffend der Herstellung der Gemälde des Rittersaals hatte das günstige Ergebnis gehabt, daß der bedeutende Maler Claus Meyer mit seinem Schüler Huisken nach Erhaltung des Preises mit dem Auftrag betraut wurde und nunmehr an [der] Ausführung des Cartons beginnen konnte. Am 15. März war eine Zusammenkunft in Düsseldorf zur Besichtigung der ausgestellten Konkurrenzarbeiten. Dem Maler W. Spatz ist die Ausmalung der Burgkapelle durch das Kultusministerium aus Staatsmitteln übertragen, und wurden im Jahr 1898 die Entwürfe angefertigt. Die beauftragten Maler gehen anscheinend mit größter Freude an die Aufgabe, und dürfen wir in Anbetracht der Leistungsfähigkeit und der Begeisterung für die Sache wohl Hervorragendes erwarten. (G.A. Fischer, Chronik 1890-1902)30 Noch im Jahre 1898 begannen in Burg die Vorarbeiten zur Ausmalung der Wände im Rittersaal, in der Kapelle und in der Ahnengalerie. Nach Maßgabe des Kunstvereins hatte der Schlossbauverein die Vorbereitung des Malgrundes auf den Wänden nach Anweisung zu übernehmen. Dieser bestand aus dem Bewurf mehrerer Putzschichten aus möglichst sehr lange gelagertem eingesumpften Löschkalk. Die letzte, relativ dünne Putzschicht, wurde erst vor dem Malen aufgetragen. Als Kaiser Wilhelm II. Schloss Burg am 12. August 1899 besuchte, konnte man schon auf einige Arbeitsergebnisse der Künstler verweisen: Im Sommer 1899 hatte Professor Claus Meyer die südliche Wand des Rittersaales: „die Erhebung des bergischen Volkes 1813“ vollendet und Professor W. Spatz die nördliche Wand der Kapelle fast fertig gestellt. (Fischer, Chronik 1890-1902)31 Es hatte etwas ungemein Erhebendes, namentlich vom hohen Schlosse aus, den mit 4 Pferden bespannten Wagen mit dem Kaiser nebst Begleiter und den übrigen Wagen bewillkomment von Fanfarenmusik von hoher Schloßterrasse aus, sich den Schlossberg hinaufbewegen zu sehen, und hatte die Begrüßung durch die hervorragenden bergischen Industriellen und die Beamten etwas sehr Feierliches. Nach Ansprache durch Herrn Landrat Königs und Erwiderung des Kaisers nahm seine Majestät die Besichtigung des Schlosses, der Pläne des projektierten Bergfrieds, erläutert durch den Provinzialkonservator Prof. Clemen vor, wonach die Besichtigung der Bemalung von Kapelle und des Rittersaales erfolgte, und schied nach ca. einstündigem Aufenthalt anscheinend sehr befriedigt von der althistorischen Stätte, um sich über Müngsten nach Solingen und Abends nach Essen zu Herrn Krupp zu begeben (Fischer, Chronik 1890-1902).32 Aus Anlass des Besuchs Kaiser Wilhelms stiftete Freiherr v. der Heydt in Elberfeld die Bronzefigur des Grafen Adolf I., die mit einem Brunnen33 an der Treppe im Innenhof aufgestellt wurde. Durch den hohen Besuch, der in allen Zeitungen veröffentlicht wurde, ist Burg überall in Deutschland bekannt geworden. Das hatte den Erfolg, dass die allgemeinen Spenden für das Schloss viel reichlicher flossen. „Man spendete ja nun für das Ahnenschloss des Kaiserhauses.“34 Die Ausmalung des Rittersaals Claus Meyer (August Eduard Nicolaus Meyer) 1856 in Linden bei Hannover geboren, hatte seine Ausbildung in München bekommen und war bis 1895 Lehrer an der Kunstschule in Karlsruhe. Als Nachfolger Wilhelm Sohns wurde er an die Düsseldorfer Kunstakademie berufen. Seine solide Malweise, die virtuose Beherrschung der Münchener Schule und ihres 30 Über einen Vergleich der damals eingereichten Entwürfe aus heutiger Sicht siehe weiter unten. 31 Fischer, Chronik. 32 Fischer, Chronik. 33 Die Figur von F. Couvillier steht noch an der Treppe, das Brunnenbecken ist ersetzt worden. 34 Dirk Soechting, 1983, a. a. O. S. 32. 12 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg beliebten Motivenschatzes verschafften Meyer in Düsseldorf schnell Anerkennung und Popularität. Die Werke Meyers waren von der holländischen Malerei beeinflusst. Er war als Schöpfer zahlreicher intimer Interieurschilderungen bekannt geworden und wurde deshalb Professor für Genremalerei in Düsseldorf.35 Meyer hatte ein breit gefächertes Wissen, besaß den richtigen Blick für große Bildformate und beherrschte die unerlässlichen handwerklichen Kenntnisse der Freskomalerei. Er hatte sich offensichtlich lange vorher auch mit Historienmalerei befasst. Dirk Soechting macht im Romerike Berge auf eines der frühen Bilder Meyers, das mit „Ein schwerer Gang“ betitelt ist, aufmerksam36. Es ist laut Datierung 1879 entstanden und wirkt wie die Vorwegnahme des Freskobildes, das den besiegten Erzbischof von Köln auf seinem Weg in die Gefangenschaft nach Schloss Burg zeigt. Schloss Burg, Rittersaal. Nach der Ausmalung durch Claus Meyer und seiner Assistenten stellte sich der Saal 1906 in dieser Form dar. Der Blick geht nach Süden auf die Tür zum Ahnensaal, darüber das Gemälde der „Bergischen Freiwilligen 1813“ von Huisken. Links die „Ermordung Engelberts“ von Kohlschein und rechts die „Kinderverlobung“ von Meyer. Die Bemalung der Wände bis zum Boden ist noch sichtbar. Aufnahme: Archiv des Schlossbauvereins. Die Ausmalung des Rittersaals zog sich über fast sechs Jahre hin, einer relativ langen Zeit gemessen an der Anzahl der Gemälde. Claus Meyer musste neben dieser Arbeit selbstverständlich seinen Pflichten als Hochschullehrer nachkommen, konnte also nur zwischenzeitlich in Burg arbeiten und das vornehmlich in der warmen, lichtreichen Jahreszeit. Allein schon der Weg von Düsseldorf nach Schloss Burg war umständlich und zeitraubend. Seit 1890 bestand zwar eine Kleinbahn von Wermelskirchen nach Burg, doch der Schlossbauverein beklagte wiederholt die mangelhaften Anschlüsse an die Staatsbahn. Abgesehen von den unangenehmen Begleiterscheinungen, in unterkühlten Räumen und kurzen Tageslichtzeiten a fresko malen zu müssen, kamen verschiedene technische 35 Nach Thieme-Becker. 36 Dirk Soechting, R.B. Heft 1, 1996. 13 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Probleme dazu.37 Bei winterlichen Minustemperaturen stand kein Kalk für den Wandputz zur Verfügung, da sich die Kalklösch- und Lagergruben im Außenbereich befanden und zufroren. Zudem war im ungeheizten Rittersaal das Abbinden des Kalkputzes als Malgrund mit der Reaktion des Farbauftrags bei Untertemperaturen höchst problematisch. Aufgrund der gelungenen Wandbilder, die von 1899-1901 entstanden waren, nahm im September 1901 der Baumeister des Duisburger Rathauses Prof. Ratzel überraschend Kontakt zu Meyer auf. Man wünschte sich zwei große Gemälde zur Stadtgeschichte. Da diese aber termingerecht zur Einweihung des neuen Rathauses in wenigen Monaten fertig sein mussten, gewann Meyer seinen Kollegen Willy Spatz für eine gemeinsame Ausführung. Beide Künstler unterbrachen ihre Burger Arbeiten von September 1901 bis weit ins Jahr 1902 und malten für Duisburgs Rathaus die Historienbilder.38 So gesehen reduzierte sich für Meyer die tatsächliche Arbeitszeit an den Gemälden erheblich. Um vorwärts zu kommen war er auf Assistenten angewiesen, die zumindest den größten Teil der Nebenarbeiten übernehmen konnten39. Die Reihenfolge der Freskenentstehung Der Bildzyklus im Rittersaal ist als Gesamtkunstwerk in historischer Reihenfolge zu sehen und beginnt rechts vom Eingang mit der Erbauung der Burg. Die Bilder sind mit einer Ausnahme alle signiert und datiert, wobei zu ersehen ist, dass die Künstler nicht gemäß der historischen Reihenfolge vorgingen. So ist das große Fresko, das sich thematisch mit dem letzten bergischen Ereignis „aus den Freiheitskriegen“ befasst, schon 1899 – termingemäß für den Kaiserbesuch - zuerst entstanden. Direkt anschließend malte Claus Meyer die „Schlacht bei Worringen“ an die Nordwand des Rittersaals; sie ist mit dem Jahr 1900 datiert. Dieses Gemälde zog Claus Meyer zeitlich vor, um im Raum ausgewogene Verhältnisse zu schaffen. Die gesamte Gestaltung der Nordwand einschließlich der Sockelornamentik stellte Meyer zum Tag der Hauptversammlung des Schlossbauvereins am 5. Juni 1901 der Öffentlichkeit vor. Damit war zum Jahrestag der Schlacht bei Worringen auch das Gemälde zu diesem Thema vollendet. Für den Vorsitzenden Julius Schumacher ein Anlass, „auf die Treue und Tapferkeit der bergischen Bauern in dieser Schlacht“ hinzuweisen In gleichmäßiger Reihe folgten dann die anderen Bilder. Rechts vom Eingang in den Rittersaal, also auf der Ostseite sind alle Fresken 1901 entstanden, während die Bilder der gegenüberliegenden Westseite, soweit sichtbar, alle auf 1903 datiert sind. Aufgrund der Auftragsarbeiten für den Rathaussaal in Duisburg war Meyer 1902 in Burg nicht tätig gewesen. Dort arbeiteten aber Assistenten, die die übrige Raumdekoration im Sockelbereich, Fensterleibungen, Holzdecke und Säulen fassen mussten, was ebenfalls viel Zeit und Aufwand bedeutete. In ihrer künstlerischen Qualität und Aussagekraft treten manche Bilder sowohl in der Thematik, wie auch in der Ausführung deutlich hervor. Sie sind gleichsam Bildschwerpunkte im Raum, die Claus Meyer ganz bewusst als Hauptthemen so auf den Raum verteilt hat, dass sie sich kreuzförmig gegenüberstehen. Dabei nutzt er die unterschiedlich großen Wandflächen, die sich aus der Architektur des Raumes ergeben. Um die gedankliche Abfolge der Bilder im Raum nachvollziehen zu können, soll zunächst auf die dargestellte historische Reihenfolge eingegangen werden. Der Autor J. Christof Roselt, einstiger Leiter des Schlosses, der das Konzept „Burgmuseum des Mittelalters“ begann, 37 Siehe dazu auch die Technik der Freskomalerei im Exkurs. 38 Zu den Duisburger Arbeiten siehe auch weiter unten S. 30. 39 Siehe auch die Technik der Freskomalerei im Exkurs. 14 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg 15 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg erklärt in einem seiner Führer durch Schloss Burg:40 Die Folge beginnt mit der Erbauung der Burg 1133 und führt über den Auszug zum Kreuzzug 1217, die Ermordung Engelberts II. 1225, die Schlacht bei Worringen 1288, die Gefangenschaft Herzog Wilhelms 1402, die Kinderverlobung 1496, die Teilzerstörung der Burg 1648. Das abschließende Bild versetzt den Betrachter in die Zeit der Befreiungskriege. Claus Meyer hat die meist kriegerischen historischen Ereignisse in toniger Freskomalerei im Stil der Düsseldorfer Malerschule der Jahrhundertwende wiedergegeben. Kaminwand: Bild 1. Erbauung der Burg durch Graf Adolf von Berg (um 1118). Neben dem Grafen, sein Bruder der Zisterziensermönch Eberhard; beide gründeten das Kloster Altenberg. Im Hintergrund der Architekt G. A. Fischer, der den 1890 begonnenen Wiederaufbau von Schloss Burg leitete. Bild 2. Auszug zum Kreuzzug 1217. Mehrere bergische Grafen – als letzter Adolf III. - zogen als Kreuzfahrer ins Heilige Land und kehrten von dort nicht zurück. Adolf III. fiel 1218 vor Damiette in Ägypten. Bild 3. Ermordung Engelberts. Graf Engelbert II., der jüngere Bruder und Nachfolger Adolf III., war der größte und zugleich letzte unter den altbergischen Grafen. Er wurde 1225 als Vierzigjähriger das Opfer einer Adelsverschwörung unter seinem Vetter Friedrich von Isenburg; das Bild stellt Engelberts Ermordung in einem Hohlweg bei Gevelsberg dar. Bild 4. Dem Leichnam Engelberts wird der Einlass in die Burg verweigert – aus Furcht der Besatzung vor dem neuen Herrscher Heinrich von Limburg, der als Gemahl der bergischen Erbtochter Irmgard (Tochter Adolfs III.) von Engelbert ausgeschaltet worden war. Der Leichnam musste zu den Zisterziensern nach Altenberg gebracht werden; die Beisetzung erfolgte im Kölner Dom. Stirnwand: Bild 5. Schlacht bei Worringen 1288. Gegen den herrschsüchtigen Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg hatten sich mehrere Fürsten des Niederrhein- und Maasgebietes verbündet. In der Schlacht bei Worringen, an der auch der bergische Graf Adolf V. aus dem Hause Limburg und mit ihm die bergische Ritter- und Bauernschaft teilnahm, wurde die Übermacht des Erzbischofs vernichtend geschlagen; er selbst wurde gefangen genommen. Die Machtfrage am Niederrhein war zugunsten der bergischen Grafen entschieden. Westliche Fensterwand: Bild 6. Rückkehr der Sieger aus der Schlacht bei Worringen nach Schloss Burg. – Erzbischof Siegfried wird als Gefangener mitgebracht. Bild 7. Befreiung Herzog Wilhelms. Wilhelm II. aus dem Hause Jülich war 1380 von Kaiser Wenzel zum Herzog erhoben worden und hatte darauf Düsseldorf zur Hauptstadt seines Landes gemacht. Nach dem unglücklichen Ausgang der Schlacht von Cleverhamm wurde er von seinem ältesten Sohne Adolf abgesetzt und auf Schloß Burg in Gefangenschaft gehalten; das Bild zeigt die Befreiung des greisen Herzogs durch seine Getreuen aus dem Burgverlies. (1404). Bild 8. Die Verlobung der fünfjährigen Maria von Jülich-Berg mit dem sechsjährigen Johann von Kleve-Mark im Jahre 1496 auf Schloss Burg. Die frühzeitige Bindung der beiden erbberechtigten Kinder leitete die spätere Vereinigung von Jülich-Berg mit Kleve, Mark, Ravensberg und Ravenstein zu einem großen, den ganzen Niederrhein umfassenden Herzogtum ein. Unter der Regierung des hier als Knaben 40 Roselt, J. Christof, Führer durch Schloss Burg an der Wupper und das Bergische Museum, Remscheid. O. J., siebente Auflage. 16 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg dargestellten Herzogs Johann III. erlebte das Land politisch, wirtschaftlich und kulturell eine bedeutende Blütezeit. Bild 9. Die Schweden vor der Burg. Jülich und Berg - inzwischen dem Hause Pfalz-Neuburg zugefallen – erlebten die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges, und auch Schloß Burg hatte unter der Belagerung durch die Schweden und beim späteren Abzug der kaiserlichen Truppen schwer zu leiden. Mit der Beschießung und Zerstörung der Befestigungsanlagen wurde der Verfall der Burg eingeleitet. Eingangswand: Bild 10. Ausmarsch der Freiwilligen des Bergischen Landes zur Zeit der Befreiungskriege. Nach den Jahren der napoleonischen Herrschaft leitete der Krieg 1813/14 eine neue Phase der Geschichte des Bergischen Landes ein, das 1815 an Preußen fällt.“ Schloss Burg, Rittersaal. Blick nach Süden. Foto der Verfasser 2006 Beschreibung der Fresken und Einordnung in die Geschichte des Bergischen Landes J. Christof Roselt musste sich mit seinen Beschreibungen im Schlossführer kurz fassen, doch die knappe Darstellung der Bilder lässt sich mit dem entsprechenden Einblick in die Geschichte von Berg wesentlich erweitern. Dabei wird deutlich, wie ernsthaft sich die Künstler der Düsseldorfer Malerschule mit der Geschichte und den darin hervortretenden Personen des Bergischen Landes befasst haben. Besonders auf der Kamin- oder Ostseite des Rittersaals gelang es, die dargestellten Geschichtshandlungen chronologisch miteinander zu verketten. Mithilfe einer Stammtafel der Hauptlinie Berg41 sind die einzelnen historischen Persönlichkeiten problemlos wiederzuerkennen. Dagegen führen falsche Angaben auf dem Schriftzug des später eingebauten Holzsockels bei den ersten zwei Bildern zu Irritationen. 41 Siehe: Laute, Hansjürgen. Die Herren von Berg, Solingen 1988 im Exkurs. 17 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Claus Meyer hat es verstanden, einen wichtigen Augenblick im Leben der geschichtlichen Gestalten festzuhalten. Zur Steigerung der Glaubwürdigkeit komponierte er die historischen Begebenheiten in die Kulisse von Schloss Burg ein. Die im Vordergrund agierenden Personen waren Zeitgenossen Meyers und haben einen authentischen Bezug zum wiedererstandenen bergischen Schloss; ihre Gesichter besitzen Portraitcharakter. Die Art der Darstellung erinnert an einen im preußischen Königs- bzw. Kaiserhaus auf Festen sehr beliebten Brauch. Angehörige, Würdenträger und Freunde des Kaisers kleideten sich in historische Gewänder und bildeten unter Anleitung von Künstlern so genannte „Lebendige Bilder“, in denen historische Szenen nachgestellt wurden. Der Hauptzweck war, „Seiner Majestät damit eine Freude zu bereiten“.42 Diese Veranstaltungen hatten Tradition; so gab der Romantiker Friedrich Wilhelm IV. auf Schloss Stolzenfels bei Koblenz nach 1836 viele Empfänge zu denen man in mittelalterlichen Kostümen erschien. Eine ähnliche Darstellungsweise nutzte man in historischen Umzügen, die man vom 19. bis weit ins 20. Jahrhundert hinein vielerorts veranstaltete. Claus Meyer und seine Malerkollegen übernahmen dieses Prinzip in ihre Wandbilder, indem sie den historischen Personen Gesichtsstudien nach der Natur gaben und damit Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit der Darstellung steigerten. Bild I „Die Erbauung der Burg“ Bild 1. Claus Meyer, „Erbauung der Burg“. Eine Szene, wie sie sich um 1140 zugetragen haben könnte. Graf Adolf II. mit seinem Bruder, dem Zisterziensermönch Everhard und seinem Sohn Adolf im Hintergrund. Foto der Verfasser 2006 42 Carl Emil Doepler, ein Maler der Preußen, hatte eine große Zahl solcher „Bilder“ am Hof kreiert. Er beklagt sich in seinen Erinnerungen über den unmäßigen Zeitaufwand für die kurzlebigen Lebendigen Bilder, deren Vorbereitung ihn mehr Mühe kostete als seine Malereien. 18 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Das erste Bild im Rittersaal versetzt den Betrachter ins 12. Jahrhundert. Als Zeitpunkt der Szene werden allgemein die Jahreszahlen 1118 - Gründung Schloss Burgs, bzw. 1130 –Übergabe der Alten Burg an die Zisterzienser -- genannt. In der eingeschnitzten Schrift darunter ist fälschlich der Name Graf Adolf I. zu lesen. Diese Szene wird sich aber erst später abgespielt haben. Abgesehen von dem zurückstehenden sehr alten Mann in seinem kostbaren warmen Wollmantel, sind die beiden Männer in Vordergrund ebenfalls bereits als „im vorgerückten Alter“ zu bezeichnen. Es sind Graf Adolf II. und sein wenig jüngerer Bruder Everhard, die sich mit dem Fortgang der Bauarbeiten an ihrer Neuen Burg befassen. Setzt man das Alter der beiden auf über 50 Jahre an und denkt an ihre Geburtszeit um 1090, so dürfte sich diese Szene nach 1140 zugetragen haben. Bis 1145 rüstet sich Adolf II. zum Kreuzzug, aus dem er zwar zurückkehrt, jedoch seinen ältesten Sohn Adolf vor Damaskus verliert. Dieser Hoffnungsträger wartet auf dem Bild mit seinem Waffenlehrer im Hintergrund. Zu dieser Zeit war er etwa siebzehn Jahre und steht hier lässig in vornehmer Kleidung mit Kapuze und Pelerine, die Hand am Schwertknauf. Claus Meyer, Detail aus der „Erbauung der Burg“. Porträtiert sind hier Friedrich von Schmidt und hinter ihm Gerhard August Fischer. Der Träger der Mönchskutte ist bislang unbekannt. Die beiden Hauptpersonen sind ins Gespräch vertieft, ihr Blick richtet sich auf den im Bau halb aufgeführten Torturm. Die Person, die die Hand wie zur Erklärung hebt wird Bruder Everhard sein, als Zisterziensermönch vermutlich mit Bauaufgaben befasst. Es ist wohl ein Hinweis, dass Laienmönche des Klosters Altenberg als Steinmetze und Maurer maßgeblich am Ausbau der neuen Burg mitgearbeitet haben. Graf Adolf II. hält auf der Zinne ein 19 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Zeichenblatt vor dem Wind fest, das mit einem Spitzmeißel beschwert ist. Darauf ist ein Grundriss zu erkennen, offensichtlich aus der Hand des greisen Baumeisters, der zwar zurücksteht aber aufmerksam das Gespräch der Brüder verfolgt. Claus Meyer hat dieser Person das Porträt des Baumeisters Gerhard August Fischers verliehen, und damit dem Architekten des Wiederaufbaus von Schloss Burg ein Denkmal geschaffen. Doch nicht nur seiner wird hier gedacht, sondern auch Friedrich Freiherr von Schmidt, der in der Person des Grafen Adolf II. von Berg zu erkennen ist. Der Berufsweg dieses Baumeisters begann als Steinmetz an der Dombauhütte in Köln und ist als steile Karriere bis zum Lehrstuhl für Architektur in Mailand und Wien zu verfolgen, wo auch sein Hauptwerk der Rathausbau entstand. Für die Neugotik war er einer der Architekturpäpste, nach dessen Regeln auch G. A. Fischer seine Bauten plante. Auf dem Wandbild liegt vor ihm das Werkzeug „Spitzmeißel“ und er selbst legt seine Hand auf den Plan einer gotischen Kirche - ein untrügliches Indiz für den Steinmetz Schmidt. Der Dritte in der Fachrunde, als Mönch Everhard mit weißer Kutte der Zisterzienser, ist nicht mehr bekannt. Doch dürften seine charakteristischen Gesichtszüge ebenfalls auf einen Zeitgenossen zurückzuführen sein. Die aufgeführten Mauern, des hier sichtbaren Teils der Burg sind aus heimischer Grauwacke, die nur als Bruchstein zu verbauen ist. Trotz der Unregelmäßigkeit hat dieses Material einen besonderen Reiz, was auf dem Gemälde sehr schön deutlich wird. Mauerecken und Bogensegmente zeigen als architektonische Glieder romanische Formen. Man führte sie in Sandstein aus, der auch schon damals vom Siebengebirge heran geholt werden musste. Die Bauphase am Tor zeigt gerade die noch offen liegenden Kragsteine der entstehenden Pechnase über dem Torbogen. Meyer malte in den Schlussstein des Bogens das Wappen der Herren von Berg mit der Doppelzinne. Von Everhard ist überliefert, dass er 1143 der erste Abt des Zisterzienserklosters St. Georgenberg, des späteren Georgenthal im Thüringer Wald wird. Die hier festgehaltene Begebenheit dürfte sich also im Zeitfenster 1140-43 zugetragen haben; denn danach trennen sich die Wege der Brüder. Um 116043 entschließt sich auch Adolf II. in den Zisterzienserorden einzutreten, er wird Mönch in seiner Klostergründung Altenberg. Es ist vorstellbar, dass Altenberg damals enge Beziehungen zum Kloster Georgenthal pflegte. Nachdem Adolfs ältester Sohn Opfer des Kreuzzuges 1148 wird und zwei seiner Söhne in den geistlichen Stand treten, überlässt er die Grafschaft Berg mit dem Eintritt ins Kloster Altenberg seinem Sohn Engelbert I. Bild II „Aufbruch zum Kreuzzug“ Man erklärt das Bild zuweilen stellvertretend für alle kreuzfahrenden bergischen Grafen. Im Gemälde handelt es sich aber nicht, wie auf dem Schriftzug darunter zu lesen, um Adolf III. im Jahre 1217. Die Darstellung weist in ihren Einzelheiten auf Vorgänge bei der vorhergehenden Generation hin. Es sind Engelbert I. und seine Frau Margarethe von Geldern, die sich hier zu Beginn des Dritten Kreuzzugs im Frühjahr 1189 trennen müssen. Im Gesicht der jungen Frau steht die Vorahnung, dass sie ihren Mann nie mehr wieder sehen wird. Der Überlieferung nach wird Engelbert schon wenige Wochen später – Anfang Juli 1189 – bei Kovin44 in Serbien erschlagen45. Möglicherweise kommt er dort aber infolge eines Unfalls 43 In Altenberg nennt man schon 1137 seinen Eintritt ins Kloster. (?) 44 Kovin, Stadt in Serbien südöstlich von Belgrad an der Donau gelegen. 45 Laute, a.a.O. S. 15. 20 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg bei der Überquerung der Donau um. Er lässt seine Frau mit dem zu dieser Zeit etwa vierzehnjährigen Adolf, der jüngeren Tochter Gisela und dem vierjährigen Engelbert zurück. Adolf wird daraufhin 1189 noch minderjährig als Adolf III. zum bergischen Regenten ernannt. Im Jahre 1217 geht er selbst auf einen Kreuzzug, der nach Anordnung des Papstes per Schiff bis Ägypten und von dort nach Jerusalem führen soll. Seine Reise beginnt er von Bensberg aus, doch 1218 ereilt ihn der Tod als Anführer des deutschen Heeres bei der Belagerung von Damietta am Nildelta. Er hinterlässt seine Grafschaft der nicht näher bekannten Frau Berta mit der Tochter Irmgard als einziger Erbin. Diese hatte noch zu Lebzeiten ihres Vaters den Limburger Herzog Heinrich geheiratet. Würde sich das Wandgemälde auf Adolf III. beziehen, müsste es seine Frau Berta mit der erwachsenen und zu dieser Zeit bereits verheirateten Tochter Irmgard zeigen. Claus Meyer stellt in seinem Historienbild aber eindeutig Margarethe von Geldern, die Gattin Engelberts I. dar. Der kleine Junge, der sich in die Falte ihres Mantels klammert, ist der vierjährige Sohn Engelbert, der einmal als Erzbischof von Köln der mächtigste Mann nach dem Kaiser im Reich werden sollte und die Geschichte weitaus stärker prägte als sein Bruder Adolf III. Bild 2. Claus Meyer 1901. „Auszug zum Kreuzzug“. Der Blick geht von der Galerie des alten Palas der Burg auf die ausziehenden Kreuzritter, voran Engelbert I. – zurück bleibt Margarethe mit ihrem jüngsten Sohn Engelbert. Zusammengesetzte Aufnahme der Verfasser 2006 21 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Die Szenerie zeigt den Blick durch die Bogengalerie von Schloss Burg nach Norden. Es ist die Stelle des romanischen Palas der ersten Burg, den der Baumeister Fischer hier vermutet und auf seinen Plänen rekonstruiert hat. Bei der Darstellung der Architektur lässt er sich von den Arkaden des Sängersaals der Wartburg inspirieren. Die junge Frau, hier in der Rolle Margarethes von Geldern, begegnet uns als Modell noch auf weiteren Bildern des Rittersaals. Das Freskobild, das vom Kamin aus mit zwei Zwickelflächen ein Fenster umrahmt, ist sinngemäß als Vorgeschichte des nächsten Bildes gedacht, der Fluchtszene des Kölner Erzbischofs Engelbert I. und Grafen Engelbert II. von Berg, die letztlich mit seiner Ermordung endet. Bild III „Die Ermordung Engelberts II. von Berg“ Bild 3. Hans Kohlschein 1901. „Die Ermordung Engelberts II. von Berg.“ Die Szene zeigt den Kölner Erzbischof Engelbert, der im Hohlweg bei Gevelsberg seinen Mördern zu entkommen sucht. Aufnahme der Verfasser 22 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Das dritte Gemälde hat aber eine weitere, umfangreiche Vorgeschichte, deren Erwähnung für die Künstler der Düsseldorfer Malerschule von großer Bedeutung ist. Claus Meyer arbeitete bekanntlich mit Assistenten an der Ausmalung des Rittersaals. Dies waren Schüler der Kunstakademie, die sich als Düsseldorfer Malerschule in der Vergangenheit einen Namen gemacht hatte. Mit seinem ehemaligen Schüler aus der Akademiezeit in Karlsruhe und jetzigen Kollegen Hermann Huisken, hatte Meyer die Vorlagen zum Wettbewerb erarbeitet. Huisken wurde sofort eigenverantwortlich in Burg mit eingesetzt, erkrankte dann aber schwer und starb noch 1899. Sein Bild aus der napoleonischen Zeit konnte er nicht mehr fertig stellen. Unter den Assistenten Meyers kristallisierte sich schon zu Beginn der Arbeiten in Burg ein viel versprechendes Nachwuchstalent heraus: der damals gerade zwanzigjährige Hans Kohlschein, der aus einer Düsseldorfer Künstlerfamilie stammte. Hans Kohlschein hatte sich schon als Jugendlicher mit großen Bildformaten und historischen Themen befasst und erarbeitete sich in Schloss Burg das Rüstzeug zur traditionellen Freskomalerei. Meyer lernte bald die Leistungen seines Meisterschülers Kohlschein zu schätzen; denn dieser hatte die Gabe, sich ganz auf die künstlerische Handschrift, die Formen- und Farbenwahl seines Lehrers einzustellen46. Es ist wahrscheinlich, dass Kohlschein bestimmte Teile nach den vorbereiteten Kartons ausführte. Dies betrifft insbesondere die Pferdedarstellungen, vermutlich aber auch verschiedene Portraits, die in den Wandbildern zu finden sind. Hans Kohlschein 1901. Links aus dem Fresko „Ermordung Engelberts“ rechts aus der Studie „Angriff zu Pferde in der Schlacht bei Warburg“ Aufnahme der Verfasser und Abb. Archiv Kohlschein, Dortmund. Die Künstler erwogen, aufgrund noch freier Wandflächen das Themenfeld über die Vorschläge des Rheinischen Kunstvereins und den bisherigen Wettbewerbsvorlagen hinaus zu erweitern. Man hatte ihnen zugestanden „der Phantasie des mit der Ausführung zu beauftragenden Künstlers keine zu engen Grenzen [zu ziehen]“. Als Weiterführung der Geschichte nach dem Abschied zum Kreuzzug und zum bereits feststehenden Thema des ursprünglichen 3. Bildes, „Des ermordeten Erzbischofs Engelbert Leiche vor den Thoren von 46 Zum Vergleich, die 1903 erstellten Fresken Kohlscheins in der Villa Elmendorf. 23 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Schloss Burg, wo ihr der Einlass verwehrt wird“, ergab sich als „geeignetes Moment aus dem Studium der bergischen Geschichte“ das entsprechende Vorspiel: Der Geschichte nach wurde der Kölner Erzbischof Engelbert von Berg in einem Hohlweg zwischen Gevelsberg und Schwelm das Opfer einer Adelsverschwörung unter seinem Neffen Friedrich von Isenburg. Engelbert war auf der Reise von einem Soester Gerichtstag nach Köln, hatte bei seiner Schwester Gisela im Kloster Oelinghausen47 übernachtet und befand sich auf dem Weg zu einer Kirchenweihe in Schwelm, bevor er mit den Dienstmannen sein heimatliches Schloss Burg erreichen konnte. Der Bericht des Chronisten und die daraus erfolgte künstlerische Wiedergabe dieses dramatisch-historischen Geschehens verlangten, Engelbert und seine Meuchelmörder hoch zu Ross darzustellen. Pferde- und Reiterszenen gehörten aber bei aller Begabung Meyers nicht zu dessen bevorzugten Bildmotiven. Kohlschein dagegen hatte sich von jeher mit Pferdestudien aller Art befasst und auch schon im 1900 vollendeten Gemälde der „Schlacht bei Worringen“ diverse Pferde in den Bildteilen ausgeführt. Meyer besaß den notwendigen Großmut und außergewöhnlichen Weitblick, seinem Meisterschüler die Engelbertszene zur freien Gestaltung und Ausführung zu überlassen. Seine Entscheidung sollte sich auszahlen; denn die zeitgenössische Kritik nahm das Gemälde mit überwältigendem Lob auf. Das von Hans Kohlschein geschaffene Fresko gibt die Flucht Engelberts vor seinen Mördern wieder. Er versucht durch den engen Hohlweg zu entkommen, wo die Verfolger ihn zunächst nicht überholen können. Wie berichtet, trägt er den schwarzen Mantel, der ihm letztlich zum Verhängnis gereicht; er wird damit vom Pferd gerissen. So wie Kohlschein das Ereignis darstellt, hat er sich vorher eingehend mit dem Tathergang befasst; denn das Gemälde folgt genau der Schilderung des Mönchs Caesarius von Heisterbach.48 Die Begeisterung der Kritiker lässt sich auch heute noch nachvollziehen. So erwähnt Erika Günther die Engelbertszene anerkennend in ihrem Bericht: „Im Wesentlichen richtete sich Meyer [sic!] nach dem Vorschlag der Gutachterkommission. Hinzugefügt wurde von ihm die dramatische Schilderung des Überfalls auf Erzbischof Engelbert, wobei der Geistliche sein Pferd zum Äußersten treibt, um der ruchlosen Tat zu entkommen“.49 Tatsächlich entfaltet die Ermordung Engelberts eine Dynamik und Dramatik, wie sie auf keinem andern Gemälde im Rittersaal zu finden sind. Dieses Bild wird – wie gerade zitiert - heute aber als ein Werk Claus Meyers angesehen und traditionell als ein Glanzstück seines Schaffens in den Veröffentlichungen über Schloss Burg herausgestellt.50 Dass diese Zuschreibung so aber nicht stimmen kann, lässt sich mit den Arbeiten Kohlscheins belegen. Die größte Ähnlichkeit mit dem Burger Fresko weist eine aquarellierte Federzeichnung Kohlscheins auf, eine Studie, die 1901 entstanden ist. In diesem „Angriff zu Pferde“ aus der Schlacht bei Warburg im Siebenjährigen Krieg51 ist das voranjagende Pferd praktisch identisch mit dem in der Burger Darstellung. Hier zeigt sich seine Virtuosität nicht nur in allseitiger meisterlicher Beherrschung solcher Darstellungen, sondern verdeutlicht auch, dass er die Dramatik seiner Pferdeszenen zur Höchstform steigern konnte. Das Ungestüme der Szene ist nicht zu übertreffen. Kohlschein nutzt in diesen Bildern die Mittel der Psychologie. Im „Angriff zu Pferde“ fühlt sich der Betrachter instinktiv bedroht von den rechts vorpreschenden Reitern und möchte ihnen ausweichen. Obwohl eine im Prinzip ähnliche Szene, empfindet man die Flucht Engelberts 47 Das ehemalige Prämonstratenserkloster Oelinghausen hielt die Begebenheit der Ermordung Engelberts wach. 48 Der Mönch Caesar von Heisterbach, zeitgenössischer Chronist der Vita Engelberti. Vgl. Exkurs. 49 Erika Günther, a. a. O. S. 17. 50 Dirk Soechting, R.B. Heft 2, 1983, Katalogabbildungen 51 Die Zeichnung „Angriff zu Pferde“ (L70, 45x65, Tusche/Feder) ist zwar unsigniert, stellt die Vorzeichnung zur Schlacht bei Warburg dar (L73, 66x90, Öl/Leinwand), signiert Hans Kohlschein 1902. Privatbesitz Warburg. 24 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg ganz anders. Unwillkürlich gibt man dem von oben links nach rechts Vorbeijagenden den Weg frei. Auch wenn sich dieses Wandbild nahtlos in den Freskenzyklus einordnet, unterscheidet sich Kohlscheins Darstellungsweise grundlegend von den anderen Wandgemälden. Er weiß die Szene durch radikale Vereinfachung auf die wichtigen Dinge zu beschränken, abstrahiert die Umgebung und steigert damit das Tempo der Agierenden. Es ergibt sich der Effekt der „mitgezogenen Kamera“, den man erst Jahrzehnte später für die Sportfotografie wieder entdecken würde. Kohlscheins Farbenwahl ist wesentlich eng gefasst, er verwendet ungebrochene Farbtöne, die in grellen Kontrasten gegeneinander gesetzt sind. Verbindungen von Gelb und Rot dominieren zur expressiven Steigerung des dramatischen Geschehens. Der deutliche Einsatz von Violett lässt eine Hinwendung zum Jugendstil erkennen. Hans Kohlschein übertrifft in diesem Gemälde seinen Lehrer Claus Meyer, dessen Burger Bilder sich schon ansatzweise von den offiziellen Kunstvorstellungen lösen. Erst diese Engelbertszene weist konsequent einen Weg aus der akademisch erstarrten nationalen Malerei, die bisher mit der Unterstützung des kaiserlichen Hofes propagiert wurde. Ganz im Gegensatz zu allen anderen Gemälden im Rittersaal blieb dieses Bild jedoch unsigniert. Auch unter dem 1920 vorgebauten Holzsockel wird man vergeblich einen Namen suchen. Nach den Erinnerungen der Familie Kohlschein,52 forderte Claus Meyer seinen Schüler bei der Vollendung der Engelbertszene auf, seinen Namen darunter zu setzen. Hans Kohlschein lehnte dieses aber mit der Begründung ab, dass allein sein Lehrmeister mit den Arbeiten im Rittersaal Schloss Burgs beauftragt sei. Es war Kohlschein als Assistenten und Meisterschüler der Akademie nicht gestattet, an diesem Ort seine Unterschrift zu hinterlassen. Er musste sich den Regeln der Akademie fügen. Aus Solidarität und Respekt vor der Leistung seines Schülers hat Meyer das Bild ebenso nicht signiert. Es blieb bei dieser internen Regelung der Künstler, die in Burg kaum beachtet wurde und in Vergessenheit geriet.53 Eine frühe Bestätigung von Kohlscheins Urheberschaft auf die Engelbertszene ist im Schlossführer von 1906/07, dem ersten umfassenden Buch über Schloss Burg nachzulesen. Sein Verfasser, der Museumsleiter Rudolf Roth54 schreibt auf Seite 41: „Bild III: Ermordung Engelberts von Berg, … (Ausgeführt nach dem Entwurf Claus Meyers durch seinen Schüler Hans Kohlschein).“ Die Bestätigung dieser Aussage findet sich in einer Entwurfszeichnung Claus Meyers, die sich heute in Privatbesitz in Köln befindet. Die Malerei in der Größe 65 x 110 cm dürfte in Wasserfarben ausgeführt worden sein. (s.u.) In der Erinnerung der Freunde und Malerkollegen blieb diese Begebenheit auch nach dem Tode Kohlscheins am 28. Dezember 1948 lebendig. Schon in der Rede zu seinem 70. Geburtstag am 5. März 1949 in Warburg, der Heimat seiner Familie, wird auf die eigenständige Arbeit in Burg hingewiesen. Auch der Lebenslauf zu seiner Düsseldorfer Gedächtnisausstellung von 1952 verweist ausdrücklich auf die Malerei in Schloss Burg.55 Im Dezember 1957 erschien in den Düsseldorfer Malkastenblättern ein Aufsatz des Historikers Dr. August Dahm. Unter dem Titel „Berühmte und bemerkenswerte Mitglieder des Künstlervereins Malkasten“ ist über Hans Kohlschein zu lesen: „…Es traf sich günstig, daß Claus-Meyer (1897) bei dem Wettbewerb um die Ausmalung der fürstlichen Residenz in Schloss Burg den großen Auftrag erhielt, die Wandgemälde im Rittersaal auszuführen. Claus-Meyer zog den jungen Künstler [Kohlschein] mit heran; nicht nur dies, er 52 Auf diese Darstellung des Sachverhalts hat der jüngere Bruder Edmund Anton Kohlschein, der bis 1996 lebte, mehrfach hingewiesen. Nach freundlicher Auskunft von Birgitta Landsberg, einer Enkelin des Künstlers. 53 Den Autoren von Schloss Burg entsteht deshalb keinesfalls ein Vorwurf. 54 Rudolf Roth, Schloß Burg an der Wupper, a. a. O. S. 41. 55 Vgl. Zur Gedächtnisausstellung Professor Hans Kohlschein im Kunstverein v. 11.5.- 8.6.1952 in Düsseldorf. 25 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg gestattete ihm, eines der Bilder selbst zu entwerfen und auszuführen. Es ist dies nicht eines der großen, jedoch lebendigsten Bilder, das den Überfall Engelberts von Berg, des Erzbischofs von Köln, im Hohlweg zu Gevelsberg am 7. November 1225 darstellt. Claus-Meyer verstand sich weniger auf Pferde, mehr dagegen sein Schüler. Prachtvoll, wie Engelbert auf stürmendem Roß dem ihm nachsetzenden Mörder zu entfliehen sucht. Den jungen Künstler mochte es mit berechtigtem Stolz erfüllen, daß er mit so bedeutenden Malern wie Claus-Meyer und den mit der Ausmalung weiterer Säle beauftragten Peter Janssen, H. Huysken, A. Schill und W. Spatz in gemeinsamer Arbeit tätig sein durfte.“56 Im Jahr 1902, als Meyer seine Maltätigkeit in Burg unterbrach, begann Hans Kohlschein die Wandbilder „Aus Goethes Faust“ in der Villa Elmendorf in Isselhorst, für die er im folgenden Jahr den 1. Preis der Stiftung für Freskomalerei erhielt. Er bleibt aber nach dieser Unterbrechung bis 1903 als Assistent Meyers tätig. Claus Meyer. Entwurf zur „Ermordung Engelberts“ Malerei in Wasserfarben Größe 65 x 110 Privatbesitz in Köln Der Entwurf Meyers zur Ausführung Kohlscheins lässt einige Aussagen zu. Der Lehrer Claus Meyer überlässt einen eigenen Entwurf seinem Schüler Kohlschein und beauftragt ihn, nach persönlichen Vorstellungen das Fresko auszuführen. Hans Kohlschein übernimmt die Szenerie Meyers im Prinzip, versetzt und ergänzt aber die Staffagefiguren. So findet sich der verfolgende Reiter von Meyer im Wandbild wieder, doch Bewegung und Spannung sind deutlich gesteigert. Die Hauptfigur, den fliehenden Engelbert, schafft Kohlschein neu. Er lässt ihn mit seinem Ross aus tieferer Perspektive und damit wesentlich dynamischer auf uns zujagen. Sein Pferd - jetzt ein Schimmel ohne Mantel, gelingt Kohlschein in der gehetzten Bewegung muskulös und kraftvoll. Auch die Person des damals 40-jährigen Engelbert ist glaubwürdiger in Aussehen, Gestik und Haltung wiedergegeben. Für die Kunstgeschichte ist dieses Entwurfsblatt bedeutend, weil es neben der Kinderverlobung die einzige noch erhaltene Vorzeichnung Claus Meyers zur Gestaltung des Rittersaals von Schloss Burg ist. 56 Dahm, August, Hans Kohlschein, in Düsseldorfer Malkastenblätter, 12/1957 26 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Bild IV „Dem Leichnam Engelberts wird der Einlass in die Burg verweigert“ Bild 4. Dem Leichnam Engelberts wird der Einlass in die Burg verweigert. Foto der Verfasser Im 4. Bild auf der Ostseite des Rittersaals zeigt sich die neue politische Lage in der Grafschaft Berg. Das, was der Graf und Erzbischof Engelbert unter allen Umständen vermeiden wollte, war durch seinen vorzeitigen Tod eingetreten. Der Ehemann seiner Nichte Irmgard, der Tochter des in Ägypten umgekommenen Bruders Adolf III. stand vor seinem Machtantritt. Aus Angst, beim neuen Landesherrn Heinrich von Limburg gleich in Ungnade zu fallen, ließ die Besatzung von Schloss Burg die Zugbrücke oben und verweigerte den Einlass. Die Szenerie zeigt das Ereignis auf der Rampe zur Zugbrücke am Haupttor, wo vier Männer den toten Engelbert auf einer Bahre am Anfang eines Zuges tragen. Sie haben das schwarze Leichentuch zurückgeschlagen, so dass für die Torbesatzung das Gesicht ihres toten Burgherrn erkennbar ist. Doch dem Leichenzug bieten sich verschlossene Mauern und der Blick auf die abweisende Unterseite der hochgezogenen Zugbrücke. Auf Rufe und die Gestik des berittenen Truppführers reagiert oben hinter der Mauerzinne lediglich ein Mann, der sich aber nicht auf Diskussionen einlässt. Entsetzt stehen die Männer dem Schweigen der Burg gegenüber; ungläubig drängen die hinteren nach vorn und recken erwartungsvoll die Köpfe. Einer von ihnen ist wahrscheinlich bei dem Gevelsberger Überfall selbst verletzt worden. Mit durchgebluteter Binde am Kopf lehnt er sich ermüdet an die Rampenbrüstung und stützt sich auf einen Stock. Dienstmannen scheinen die Männer des Leichenzuges nicht zu sein; denn sie tragen einfache, teils bunte Kleidung. Nachdem die bewaffneten Gefolgsleute ihn am Gevelsberger Hohlweg verlassen hatten, trug wohl das Landvolk seinen erschlagenen Herrscher heim. Doch jetzt – vor verschlossenem Tor seines eigenen Hauses - stand ihnen noch ein weiter Weg bevor; der Leichnam musste zu den Mönchen nach Altenberg gebracht werden. 27 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Das Gemälde zeigt die bedrückende Situation einer verlorenen Gruppe vor der abweisenden Szenerie der Burgmauern. Das Pferd in der Mitte des Bildes ist deutlich in die Stimmung mit einbezogen und lässt müde den Kopf hängen. Das Fresko ist von Claus Meyer mit „Cl. M. 1901“ signiert, doch vermutlich hat Hans Kohlschein diesen Bildausschnitt gemalt. Unter seinen Skizzen befinden sich Pferde in der typischen Haltung, wie sie zuweilen in sommerlicher Mittagshitze auf den Weiden zu beobachten sind. Mit diesem Freskogemälde endet nicht nur die Linie, sondern auch die Geschichte der Grafen von Berg, die von 1101-1225 die Geschicke des Landes in ihren Händen hatten. Über die einzige Tochter Adolfs III, Irmgard von Berg, geht das Erbe an die Limburger von der Maas. Sie bringen den doppelschwänzigen Löwen als Wappen für die Zeit ihrer Dynastie mit. Die Romantik des 19. Jahrhunderts machte daraus den noch heute populären „Bergischen Löwen“. Graf Heinrich von Limburg, erbt nach dem Tode seines Vaters auch die Herzogswürde. Er nimmt aber die bergische Tradition auf und nennt seinen ältesten Sohn wieder Adolf, so dass dieser 1246 als Adolf IV. die Grafschaft Berg erhält. Seinem zweiten Sohn Walram vererbt Heinrich das Herzogtum Limburg. Graf Adolf IV. nimmt an den Grundsteinlegungen am Kölner Dom wie auch an der Zisterzienserklosterkirche von Altenberg, dem „Altenberger Dom“ teil. Seine Rauflust soll ihm zum Verhängnis geworden sein. Bei einem Turnier 1259 schlug er dem Pferd seines Gegners die Vorderläufe ab, worauf er selbst vom Pferd gestoßen und erschlagen wurde. Die Grafschaft Berg hinterließ er seiner Frau, die den noch unmündigen Sohn Adolf V. bis 1267 vertritt. Dieser Adolf V. macht 1288 Geschichte als einer der Sieger in der Schlacht von Worringen. Adolf Schill / J. Osten Die Ahnengalerie im Nebenraum des Rittersaals gibt noch einmal Auskunft über die Linie der ersten Grafen von Berg. Hier von Engelbert I. über Adolf III. und Engelbert II., bis Irmgard, durch die das Erbe an die Limburger geht. 28 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Bild V „Die Schlacht bei Worringen am 5. Juni 1288“ Bild 5. Claus Meyer 1900. Die Schlacht bei Worringen am 5. Juni 1288 Aufnahme der Verfasser 2006 Auf der Nordseite des Rittersaals nimmt dieses Freskogemälde abgesehen von einem Fenster die gesamte Wand ein. Die zunächst verworren erscheinende Szenerie lässt sich mit Hilfe eines geschichtlichen Überblicks erklären. Aus heutiger Sicht schreibt Dirk Soechting über die Ursachen und Hintergründe dieser militärischen Auseinandersetzung:57 Die Schlacht auf der Fühlinger Heide bei Worringen, eine der letzten und blutigsten Ritterschlachten des Mittelalters, gilt als bedeutender Einschnitt in die Geschichte Nordwesteuropas. Die Hauptkontrahenten waren zwei Repräsentanten der von der Zentralmacht sich absetzenden Territorialherrscher, die um die Vorherrschaft im Nordwesten des europäischen Festlandes stritten Siegfried von Westerburg, Erzbischof von Köln und Herzog Johann (oder Jan) I. von Brabant. Je nach Interessenlage ergriffen eine Reihe anderer Mächte Partei, so dass sich schließlich fast alle bedeutenden Adelsgeschlechter des Niederrheins und ihre Gefolgsleute auf der Fühlinger Heide gegenüberstanden. Ursache der Schlacht war der Limburger Erbfolgestreit. Nach dem Tode Herzog Walrams IV. von Limburg (1252) meldeten die Grafen Adolf von Berg und Harald von Geldern Ansprüche auf das Limburger Erbe an. Aus territorialpolitischen Gründen stellte sich Siegfried von Westerburg auf die Seite Gelderns, während der Graf von Berg seine Ansprüche an den Herzog von Brabant verkaufte. Beide Parteien bildeten in der Folgezeit umfangreiche Bündnissysteme mit Koalitionären, die aus einem Engagement ihrerseits Machtvorteile zu ziehen hofften. Die Konflikte entluden sich schließlich anlässlich des Streites um den Worringer Zoll. Siegfried von Westerburg hatte jahrelang der Stadt Köln gegenüber eine Politik des Interessenausgleichs betrieben. Dann aber erhob der Erzbischof bei seiner Burg Worringen einen neuen Landzoll, der die Handelsinteressen Kölns erheblich störte. Kurz entschlossen schlugen sich die Kölner auf die Seite der Brabanter, deren Truppen schon im Frühjahr ins Kölner Erzbistum eingefallen waren. Auf der Fühlinger Heide stellten sich die Gegner zur entscheidenden Schlacht. Sie endete mit der völligen Niederlage Siegfrieds und seiner Verbündeten. Nach älteren Überlieferungen sollen sich auf der Fühlinger Heide 50 000 Männer gegenübergestanden haben, von denen 8000 erschlagen und noch viel mehr verwundet 57 Soechting, a. a. O. S. VI/2 29 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg worden sind.58 Dirk Soechting relativiert die Zahl der Gegner bei diesem Ereignis auf insgesamt 7000 Reiter und Fußvolk.59 Welche verbündeten Gegner standen sich damals gegenüber?60 Reiterei: - Brabant - Berg/Mark/Kölner Stadtpatrizier Fußvolk - Bergische Bauern - Kölner Bürger ____________________________________________ Reiterei - Erzbischof von Köln - Luxemburg - Geldern Nassau Fußvolk - Erzbischöfliches Fußvolk und Fahnenwagen - Luxemburgisches Fußvolk - Geldrisches Fußvolk Soweit vorbereitet gelingt es schon eher, das zum Teil heillose Durcheinander dieses Schlachtenbildes zu durchschauen. Auch Soechting verweist darauf… dass nach dem Ausbruch des Kampfes nicht mehr nach einem Gefechtsplan verfahren wurde: die Befehlshaber, charismatische und kampfstarke Persönlichkeiten, befanden sich meist im dicksten Kampfgetümmel, wo sie sehr schnell jede Übersicht verloren. Die Geschichtsschreibung geht heute davon aus, dass der Erzbischof sich selbst am Kampf nicht beteiligte, sondern im Schutz eines schweren, hochbordigen Wagens die Schlacht verfolgte. Dieser Wagen wurde nach der Schlacht von den Kölner Bürgern als Siegestrophäe heimgeführt und im Zeughaus verwahrt. Erst 1796 hat die französische Besatzung der Stadt kurzsichtig das Erinnerungsstück zerstören lassen. Trotz besserer Erkenntnisse ist anzunehmen, dass Claus Meyer die künstlerische Darstellung möglichst in die Nähe der historischen Tatsachen bringen wollte und hat einen ganz bestimmten Zeitpunkt des Ereignisses festgehalten. Der Verlauf der Schlacht war unübersichtlich und die Überlieferungen entsprechend widersprüchlich. Infolge dessen versucht Soechting den Ablauf taktisch zu ordnen: Zwei Ereignisse aber dürften kampfentscheidend gewesen sein. Erstens der schnelle Tod des Grafen von Luxemburg und seiner Brüder, die im Zentrum der Erzbischofspartei fochten; die Nachricht hatte eine äußerst demoralisierende Wirkung. Zweitens ein schlimmer taktischer Fehler des Erzbischofs selbst. Er hatte zunächst über die alte Heerstraße hinweg einen Angriff auf den linken Brabanter Flügel vorgetragen; als dort die Reitereien der Grafen von Berg und von der Mark zurückwichen, schwenkte er über die Straße zurück auf das Brabanter Zentrum, richtete dort aber unter den eigenen Verbündeten eine heillose Verwirrung an. Als dann auch noch die geldrische Reiterei das Weite suchte, um das Brabanter Lager zu plündern, war die Schlacht praktisch schon entschieden. Erst jetzt, gegen 15 Uhr rückten vom linken Flügel die Kölner Bürger und die bergischen Bauern zu Fuß gegen die aufgelösten Reiterlinien des Gegners vor und besiegelten die Niederlage des Kölner Erzbischofs. Mit dieser Schilderung des Kampfverlaufs ist es durchaus möglich, eine Annäherung an die historische Darstellung vorzunehmen. Der Blick eröffnet uns die Szenerie des Frontverlaufs 58 Laute, Hansjörg. A. a. O.. Die modernere Geschichtsschreibung sieht so hohe Zahlen eher kritisch; denn zuweilen pflegten einstige Chronisten die Ereignisse mit einer zusätzlichen -0- aufzubauschen. 59 Soechting, Dirk. Die Schlacht von Worringen im Jahre 1288. in RB 2004, Heft 1, S.VI/1. 60 Nach Soechting, a. a. O. S.VI/4 30 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg an der Heerstraße, die diagonal nach links oben ins Bild verläuft. Das linke Bilddrittel zeigt dichtestes Kampfgetümmel, aus dem nach vorn erzbischöfliche Gefolgsleute ihr Heil in der Flucht suchen. Im Bildschwerpunkt eine zentrale Gruppe von Männern mit Schwert, Lanze und Bogen. Alle haben ihr Pferd eingebüßt. Wahrscheinlich sind es die Luxemburger, die allesamt Opfer der Kämpfe werden. Vor ihnen liegt ein Gefallener unter dem Kreuzwappenschild des Erzbischofs. Der Helm ist verloren, die Waffe ihm aus der Hand geglitten. Von rechts rücken über die Heerstraße im Laufschritt bergische und Klever Truppen vor, deren Hauptmacht der im Hintergrund zu Pferde vorpreschende Graf Adolf V. anführt. Ein Mönch in weißer Kutte feuert mit hochgerecktem Knüppel das nachrückende Fußvolk an - vermutlich der Zisterziensermönch Walter Dodde61, der in die Geschichte von Worringen eingegangen ist. Claus Meyer: Ausschnitte aus dem Fresko „Die Schlacht bei Worringen“ von 1900. Während seine Truppen die Flucht antreten, wird rechts Erzbischof Siegfried vom Pferd gerissen. Fotos der Verfasser 2006 Dodde hatte als Unbewaffneter beobachtet, dass es zunächst nicht gut für die Bergischen stand und sie sich zurückzogen. Als aber die Luxemburger gefallen waren, kippte die Lage des Erzbischofs, worauf Dodde die sich entfernenden bergischen Reiter und Fußtruppen zurückrief. In der Überlieferung kommt ihm eine Schlüsselstellung zu, was der Künstler in das Bild eingearbeitet hat. Im Bildmittelpunkt haben zwei einfache Männer bereits den Erzbischof erreicht, ein gezielter Wurf lässt das Pferd unter ihm zusammenbrechen, während ein bärtiger Mann nach ihm greift um ihn an seiner goldenen Kreuzkette vom Pferd zu zerren. Ein weiterer Angreifer wird von einem Lanzenstoß abgewehrt, doch der Erzbischof hat keine Chance, die Übermacht wird ihn überrennen. Lebensangst steht in den Gesichtern der nach links fliehenden Männer, Ernst und Sorge über das nun beginnende Unheil im Gesicht des Luxemburgers im Vordergrund. Hier ist Claus Meyer selbst porträtiert, wahrscheinlich von seinem Schüler Hans Kohlschein. Die fliehenden Bogenschützen ganz im linken Vordergrund sind ebenfalls nach Porträt gemalt. Einer von ihnen, mit voller dunkler Frisur, ist ein Mitglied der Remscheider Unternehmerfamilie Vaillant. Das vorwärts stürmende Pferd des Grafen von Berg, sowie die sich aufbäumenden Rosse im Gemetzel der Schlacht tragen in ihren typischen Bewegungen die Handschrift Hans Kohlscheins. Auf diesem Bild vermochte er bereits sein Können unter Beweis stellen, so dass Meyer ihm ein Jahr später die Szene mit Engelberts Tod übertrug. 61 Freundlicher Hinweis des Schlossführers Herr Friedrich Müller. 31 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Historienbilder, vor allem kriegerische Szenen, sehen wir heute mit Abstand; so wird auch zur Beurteilung dieses Bildes gesagt, Zur Zeit der Entstehung dieser Wandgemälde wurde die Bedeutung der bergischen Truppen für den Ausgang der Schlacht aus regionalpolitischen Motiven gerne etwas überbetont.62 In Vollendung und Übergabe der Kunstwerke am Worringer Jahrestag sah der Vorsitzende des Schlossbauvereins Julius Schumacher Anlass genug, „auf die Treue und Tapferkeit der bergischen Bauern in dieser Schlacht“ anzustoßen. Markige Worte, denen zwar zu allen Zeiten gern Gehör geschenkt wurde, deren Wichtigkeit jedoch nicht inflationär behandelt werden sollte. Einem bildenden Künstler ist durchaus ein weiterer Horizont zu unterstellen, was sich bei einer detaillierten Prüfung auch bei diesem Werk Meyers bewahrheitet: Das Bild bietet nichts Beschönigendes zum Thema Krieg. Meyer stellt realistisch die Hässlichkeit des Sterbens der Männer dar, die man auch im Mittelalter nur machtpolitischen Interessen geopfert hatte. Von Heldentod ist keine Spur. Im Vergleich zur Schilderung des Kampfverlaufs in der Zeit um 15 Uhr, souffliert auch das Bild den entscheidenden Moment der Schlacht wobei der Erzbischof mit seinen letzten Getreuen auf verlorenem Posten steht. Die von rechts heranstürmenden Männer, bergische Reiter und Fußvolk besorgen nur noch den Rest. Soweit ist die Darstellung zutreffend, die Rolle der Bergischen aber nicht überbewertet. Dazu kommt, dass Adolf V. von Berg in der Geschichte zwar als Sieger eine große Rolle spielt, in dem Gemälde aber nicht hervortritt. Er hat als reitender Akteur eher eine Statistenrolle. Claus Meyer, Selbstbildnis ( oder Hans Kohlschein?) Der Maler Claus Meyer in der Rolle des Grafen von Luxemburg Besonders tritt in diesem Bild die Rittergruppe hervor, die entsetzt bemerkt, dass ihr Schicksal besiegelt ist. Unter ihnen Claus Meyer in der Rolle des Grafen von Luxemburg. Gewöhnlich ist es leicht und angenehm sich auf die Seite der Sieger zu stellen, doch Meyer unter den Verlierern ist deutliches Indiz für Weitsicht und dem richtigen Gefühl für eine zeitlose, gute Darstellungskunst. Die heutige Situation, in der der Kopf des Grafen von der Holzdecke verdeckt wird, hat sich erst nach dem Brand von 1920 und durch die Senkung der Balken ergeben. In F. Schaarschmidts Düsseldorfer Kunst von 1902 ist das Wandbild noch vollständig wiedergegeben. 62 Soechting, a. a. O. 32 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Bild VI „Rückkehr der Sieger aus der Schlacht bei Worringen nach Schloss Burg. – Erzbischof Siegfried wird als Gefangener mitgebracht.“ Bild 6. Claus Meyer. Rückkehr der Sieger aus der Schlacht von Worringen. Erzbischof Siegfried als Gefangener. Zusammengesetzte Aufnahme der Verfasser 2008 Etwa 12 Monate nach Vollendung der Fresken auf der Ostwand des Rittersaals im Jahre 1901 malte Claus Meyer im Verlauf des Jahres 1903 die westliche Fensterwand aus. Abgesehen von einigen Besuchen vor Ort, gehörte sein Assistent Hans Kohlschein nicht mehr zu seinem festen Stab. 63 Als Sieger in der Schlacht von Worringen kehren die Bergischen nach Schloss Burg zurück. Reiter und Gefolgsleute drängen sich durch das innere Tor und füllen den Hof, freudig begrüßt von den Daheimgebliebenen. Im Mittelpunkt Graf Adolf V., der hoch zu Ross seiner am Tor wartenden Frau Elisabeth von Geldern die Hand reicht. Das Fresko, das mit zwei unterschiedlich großen Flächen ein Fenster umschließt, bezieht uns als Betrachter oben vom Wehrgang des inneren Burghofes in die Szene ein. Wir sind in Gesellschaft des Hofkochs, der im Bild links ebenfalls einen Blick auf die Ankommenden riskiert. Er trägt weiße Arbeitskleidung und ist sicherlich schon seit früher Stunde mit den Vorbereitungen zum Festmahl beschäftigt, doch diesen Moment möchte er sich wohl nicht entgehen lassen. Der Hofkoch ist ein typisches Beispiel für Meyers nachlebbare Darstellungskunst; er liefert uns nicht Geschichtsmonumentalität, sondern Geschichtsalltag. Er schafft Genreszenen aus der Geschichte. Im kleineren Bildfeld zwischen Fenster und Raumecke, sozusagen ganz am Rande, werden wir Zeuge der bedrückenden Abführung des gefangenen Erzbischofs Siegfried von Westerburg. Er geht als entwaffneter Kriegsmann im Kettenhemd und Waffenrock den Weg ins Burgverlies. Lanzenreiter, Dienstmannen und ein Träger der Standarte mit dem Bergisch- 63 Kohlschein malte im Jahr 1903 den Salon der Villa Elmendorf in Isselhorst aus, besuchte aber seinen Lehrer Meyer in Burg. Dabei entstand aus seiner Hand die Skizzenpostkarte von Schloss Burg (s. u.) an Trudy Meyer. 33 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Limburger Löwen zeigen, wer das Sagen hat. Ganz rechts am Fuß des Wehrturms wird ein kleines Mädchen von seiner Mutter zurückgehalten. Scheu aber neugierig schauen beide dem Gefangenen nach. Claus Meyer: Ausschnitte aus den Fresken „Rückkehr nach Burg“ und „Erzbischof Siegfried als Gefangener in Burg“ 1903, Fotos: Sassen. Rechts „Ein schwerer Gang“, Öl auf Leinen von 1879. Abb. RB. 55. 4 / 2005, S.29 Im Vergleich zu diesem Teil des Wandbildes macht Soechting 1996 auf ein früheres Ölgemälde Claus Meyers aufmerksam. 64. Das Werk von 1876, „Ein schwerer Gang“, zeigt ähnlich wie in Burg den Gang eines honorigen Mannes, dem zur Schande auch noch die Hände am Rücken gefesselt sind. Vor einem Schergen mit Bluthund und dem Lanzenträger auf einem Maultier geht er durch ein Spalier spottender Leute. Das Niveau der Bewacher zeigt besonders deutlich, in welch schmähliche Lage der alte Mann gekommen ist. Im Gegensatz zum Ölgemälde, wo sich die Szene auf Augenhöhe des Betrachters abspielt, musste Meyer bei der Gestaltung des Freskos zur Wehrgangsperspektive wechseln. Für einen Meister wie ihn kein Problem, doch eine Szenerie mit so vielen Beteiligten war auf dem kleinen Wandabschnitt im Rittersaal nicht unterzubringen. Er musste das Bild neu anlegen, auch um in der Freskotechnik eine deutliche Darstellung des gefangenen Erzbischofs zu realisieren. Die Darstellung im Rittersaal folgt dem historischen Ereignis, das für alle Beteiligten nachhaltige Folgen hat. Der Kölner Erzbischof war nach seiner Gefangennahme über den Rhein in das Städtchen Monheim gebracht worden. Am nächsten Tag trat er seinen Weg nach Schloss Burg an, wo er von Adolf V. von Berg 13 Monate lang –bis zum 6. Juli 1289-- festgehalten wurde. Für seine Freilassung zahlte Siegfried das enorme Lösegeld von 12 000 Kölnischer Mark und musste umfangreiche politische Zugeständnisse machen. Der Sieg in Worringen war für das Bergische Land ein wichtiger Schritt zu einem geschlossenen Herrschaftsgebiet. Für die Kölner Bürger bedeutete die Niederlage ihres Erzbischofs das Ende seiner weltlichen Herrschaft über die Stadt. Als zukünftig freie Reichsstadt führte Köln nun sein eigenes Stadtsiegel, hatte freie Versammlung auf dem Bürgerhaus, besaß Zunft- und Gewerbefreiheit sowie die Wehrhoheit über die Stadt. Dem bergischen Grafen Adolf V. werden damit in Burg zwei Bilder gewidmet. Er, der als Kind schon Herrscher werden musste, war zu Anfang seiner aktiven Regentschaft wenig erfolgreich. Der Sieg bei Worringen brachte ihm den Durchbruch zu weiteren Erfolgen in seinem Leben. Mit seiner Frau Elisabeth von Geldern blieb ihm aber der Kindersegen verwehrt. Nach seinem Tod am 28. September 1296 fand er, wie später auch seine Frau, die letzte Ruhestätte in der Gräfrather Stiftskirche. 64 Soechting, D. Zu den Wandgemälden im Rittersaal auf Schloss Burg, in RB Heft 1, 1996 u. RB Heft 2, 2005. 34 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Bild VII „Die Befreiung Herzog Wilhelms I“ Bild 7. Claus Meyer. Die Befreiung des Herzogs Wilhelm I. von Berg durch seine Söhne. 1903 Aufnahme der Verfasser 2008. Dieses Wandgemälde versetzt uns in das Jahr 1404, mithin 108 Jahre nach der Schlacht von Worringen. Nachdem in der Erbfolge mehrere Grafen kinderlos geblieben waren, ging die Grafschaft Berg –durch das Erbe der Grafschaft Ravensberg in Ostwestfalen bedeutend angewachsen-- an das Haus Jülich. Von nun an weht über Schloss Burg das Zeichen eines schwarzen Löwen im goldenen Feld. Aus diesem Hause geht Wilhelm II. von Berg hervor, der aufgrund seines großen Herrschaftsgebietes 1380 von Kaiser Wenzel zum Herzog erhoben wird. Als Herzog Wilhelm I. von Berg verlegt er seine Residenz kurz darauf nach Düsseldorf. Unter Wilhelms Regierung erhält Solingen Stadtrechte, wird Burg zur Freiheit und der Dom in Altenberg vollendet. An ihn erinnert das große Westfenster in der Klosterkirche. Die letzten 10 Jahre seiner Zeit sind mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Cleverhamm gerät er selbst in Gefangenschaft und kann sich nur gegen ein horrendes Lösegeld freikaufen. Zu den finanziellen Schwierigkeiten kommen schwere innerfamiliäre Probleme. Sein Sohn Adolf, von jeher auf Macht und Fehden bedacht, reißt frühzeitig die Grafschaft Ravensberg an sich und versucht durch einen Staatsstreich seinen Vater ganz auszuschalten. Es gelingt ihm durch eine Täuschung die Oberhand über Truppen und Gefolgsleute seines Vaters zu bekommen, diesen auf der Reise 35 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg von Benrath nach Köln am 28. November 1403 in Monheim zu verhaften und in Schloss Burg einzusperren. Die Öffentlichkeit wird dahingehend informiert, dass der Herzog mit den Staatsfinanzen nicht zurechtkommt, so dass seine Gefangenschaft in Burg allgemein toleriert wird. Nach elf Monaten, am 24. August 1404 eine Stunde nach Mitternacht wird Herzog Wilhelm in Burg befreit. Sein Koch und dessen Ehefrau helfen ihm aus dem Verlies. Die Herzogin hatte die Befreiung mit den beiden Söhnen Gerhard und Wilhelm vorbereitet und sich dafür Rückhalt beim Erzbischof von Köln und anderen einflussreichen Männern geben lassen. Durch Tätige Mithilfe des Ritters Heinrich von Oer, dessen Vater lange Zeit ein hochrangiger Ratgeber des Erzbischofs war, gelang Wilhelm I. von Berg die spektakuläre Flucht, die ihren Widerhall in den regionalen Chroniken fand.65 Claus Meyer hat die mitternächtliche Szenerie der Befreiungsaktion des alten Herzogs von Berg in die Wandfläche zwischen zwei Fenster platziert. Obwohl historisch nicht belegt, sind es hier die beiden Söhne Gerhard und Wilhelm, die den Vater aus der Gefangenschaft ihres Bruders Adolf von Ravensberg herausholen. Die dargestellte Räumlichkeit zeigt, dass der Herzog seine Gefangenschaft nicht gerade im vornehmen Teil der Burg verbringen durfte. Im oberen Winkel des Bildes lehnt sich eine Wächtergestalt mit Schlüsselbund auf die Holzbrüstung und beobachtet den Weggang des von der Haft geschwächten Herzogs. Schwer umarmt und stützt sich dieser mit seinem massigen Körper auf den noch jugendlichen Sohn. Im Vordergrund rechts hebt ein Helfer mit Mantel und Pelzmütze –wahrscheinlich der zweite Sohn-- seine Lampe und leuchtet die ausgetretenen Stufen der Treppe aus. Dramatisch beleben die Schatten von Vater und Sohn die Szene. Julius Schumacher, links in einer Fotografie als erfolgreicher Unternehmer um 1885 und rechts als alternder Herzog Wilhelm von Berg, gemalt 1903 von Claus Meyer in einem Wandbild der Rittersaals von Schloss Burg. Auch bei diesem Wandbild greift Meyer zu einem bewährten Mittel seiner Darstellungskunst und überträgt Julius Schumacher, dem Gründer des Schlossbauvereins die Rolle des greisen Herzogs und dessen Enkel die des Herzogsohns. Eine zufällig von Meyer aufgenommene Studie des alten Mannes, der zuletzt nur noch mit der Hilfe seines Enkels Schloss Burg aufsucht, wird zum Motiv dieses Bildes. Als das Freskogemälde 1903 entstand, war Schumacher nicht mehr in Burg dabei; er starb am 28. Juni 1902 und wurde unter großer Anteilnahme auf dem Wermelskirchener Friedhof beigesetzt. Ein Jahr später, weist Claus Meyer in diesem Bild auf das tragische Geschick Schumachers in seinen letzten Lebensmonaten hin.66 Meyer malt Schumacher als alternden Bergischen Herzog, wie diesen enttäuscht und ausgebrannt, jenseits aller Erfolge und Ehren. 65 Kolodziej, Axel, Herzog Wilhelm I. von Berg 1380-1408, Neustadt/Aisch 2005. S. 313. In der Dissertation gibt Kolodziej eine sehr genaue Analyse über Leben und Werk des ersten Bergischen Herzogs. 66 Siehe dazu auch die Hinweise im Porträt Schumacher im Exkurs. 36 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg . Bild VIII „Die Kinderverlobung von Schloss Burg 1496“ Bild 8. Claus Meyer 1903. Die Verlobung der Kinder Maria von Berg und Johann von Kleve auf Schloss Burg 1496. Aufnahme der Verfasser nach der Restaurierung des Gemäldes 2008. Zum vorangegangenen Bild hat diese historische Szene einen zeitlichen Abstand von über 90 Jahren, in denen drei Herrschergenerationen das Herzogtum Berg regierten. Nachdem Herzog Wilhelm II.67 erst in zweiter Ehe von Sibylle von Brandenburg eine Erbin, und zwar Tochter Maria bekommt, sieht er wohl ein, dass mit ihm sein Haus im Mannesstamm aussterben wird. Durch eine Männerfreundschaft mit Johann von Kleve68 kommt deshalb die „Klever Union“ zustande, ein Erbvertrag, der die Häuser Jülich-Berg und Kleve-Mark miteinander verbinden soll. Um diese Verbindung dauerhaft und fest zu schmieden, beschließen beide Familien ihre Kinder frühzeitig einander zu versprechen. Den kirchlichen Segen bekommen sie vom Kölner Erzbischof Hermann IV. den Friedsamen von Hessen. Dieser regierte von 1480-1508 und war auf Konsolidierung seines Erzbistums und um Ausgleich mit der Stadt Köln und der Region bemüht.69 67 Herzog Wilhelm II. von Jülich-Berg 1475-1511, im Altenberger Dom begraben. 68 Herzog Johann II. von Kleve-Mark †1521. 69 Siehe Werner Beutler, Hermann IV. der Friedsame. A. a. O. 37 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg So kommt es am 25. November 1496 zur Besiegelung des Erbvertrages und als äußeres Zeichen zu jener symbolträchtigen Verlobung der beiden Kinder, die tatsachlich Bestand haben wird. Der Verlobung der fünfjährigen Maria von Jülich-Berg mit dem sechsjährigen Johann von Kleve-Mark im Jahre 1496 auf Schloss Burg folgt am 1. Oktober 1510 die prunkvolle Hochzeit in Düsseldorf. Die frühzeitige Bindung der beiden erbberechtigten Kinder leitet die spätere Vereinigung von Jülich-Berg mit Kleve, Mark und Ravensberg zu einem großen, den ganzen Niederrhein umfassenden und bis Ostwestfalen reichenden Herzogtum ein. Unter der Regierung des hier als Knaben dargestellten Herzogs Johann III.70 erlebt das Land politisch, wirtschaftlich und kulturell eine bedeutende Blütezeit. Zur Klever Union schufen der Ornamentiker Schill und der Maler J. Osten in der Ahnengalerie das Allianzwappen. Das Wandgemälde in Schloss Burg, das als eines der Hauptwerke von Claus Meyer bezeichnet wird, datiert man bislang auf 1901/02. 71 Seine Signatur „ClM“ auf einem Siegel der „Urkunde“ am rechten unteren Bildrand ist halb vom Holzsockel verdeckt, eine Datierung nicht zu sehen. Vermutlich entstand es auch um 1903 wie die anderen Fresken rechts und links davon. Die Szenerie dieses Bildes ist ein in Schloss Burg nicht zu bestimmender Saal, vorn begrenzt von einer spätgotischen Maßwerkbrüstung, wie man sie sich in einem Treppenhaus oder an einer Kirchenempore vorstellen kann. Tatsächlich liefern Pfeiler und Bogen der Gerichtslaube des Rathauses in Lüneburg und Architekturteile eines Nürnberger Patrizierhauses, die am Vorhof der Wartburg eine Zweitverwendung fanden, den Rahmen des Gemäldes. Die Steinbrüstung hält in gestalterische Funktion den Blick auf das kleine Verlobungspaar frei, gibt dem Bild Tiefe und füllt den Vordergrund aus. Ihre Länge wird durch die darüber geworfene Urkunde mit dem Erklärungstext aufgelöst. Es sind von links bis zur Bildhälfte 70 Herzog Johann III. der Friedfertige von Jülich-Berg Kleve-Mark und Ravensberg *1490 †1539, liegt in Kleve begraben. 71 Dirk Soechting. RB Heft 1, 1996, u. Heft 2, 2005 38 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg zwei Bankreihen aufgestellt, auf denen die Eltern und Verwandte der beiden Kinder Platz genommen haben. Dahinter sind weitere Gäste bis in den oberen Bogenzwickel des linken Fensters gestaffelt dargestellt. Mit dem Fanfarenbläser, der sich im linken Vordergrund etwas über die Brüstung lehnt, folgen wir dem Blick der Anwesenden in Richtung des Geschehens. Die Aufmerksamkeit gilt dem sich erhobenen Erzbischof Hermann IV., der assistiert von zwei Zeugen zu seinen Seiten, den Erbvertrag vorliest und die Verlobung der Kinder absegnen wird. Vor ihm, quergestellt ein länglicher Tisch, über den ein grünes Tuch mit zwei Allianzwappen gebreitet ist. Rechts vom Erzbischof, ganz im Blick der versammelten Gesellschaft, das artig beisammen sitzende Verlobungspärchen. Claus Meyer: Kinderverlobung in Schloss Burg. Studie, Öl auf Leinen. Das Bild diente vermutlich als Vorentwurf zum Wandbild in Schloss Burg. Abb.: RB 55. H. 4 / 2005, S.28. Lüneburg, Gerichtslaube im Rathaus. Die Architektur dieses Raumes lieferte Claus Meyer den Rahmen für seine Kinderverlobung in Schloss Burg. 39 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Man hat den sechsjährigen Johann und rechts daneben die fünfjährige Maria auf einer mit roten und blauen Teppichen belegten Estrade platziert und sie dort auf, bzw. eher in einen hochlehnigen Kastenthron gesetzt. Über ihnen ein Baldachin mit einem Mariengruß in umlaufender goldener Schrift auf blauer Schabracke, von wo zwei nach hinten geraffte, goldfarbene Dekorationen herabhängen. Johann trägt ein dunkles Samtgewand, und Maria ein weißes langes Kleidchen. Beide haben die gleichen roten Samtschuhe an und lassen die Beine baumeln. Maria ist das lange blonde Haar mit einem blauen Reif zusammengefasst; sie hält die Hände im Schoß. Johann mit Pagenkopf, hat die linke Hand auf der Stuhllehne und die rechte zwischen sich und Maria abgelegt. Da sitzen die beiden allein und ein wenig verloren, nur ein kleiner Herold mit wappenbesticktem Hemd und Lanzenstab in der Hand steht ihnen zur Seite, eine Souffleuse hinter sich. Claus Meyer: Ausschnitte aus dem Fresko „Kinderverlobung auf Schloss Burg“ von 1903. Links im Hintergrund am Pfeiler: der Abt von Altenberg mit Herzog Johann II. v. Kleve, Vater Johanns. Mitte: Sybille v. Brandenburg, die Mutter Marias und die noch sichtbare Hand Herzog Wilhelms II. v. Berg. Rechts das Verlobungspärchen Maria und Johann. Die Gesellschaft der anwesenden Herrschaften stellt der Maler bunt und bewegt zusammen. Ganz vorn auf der ersten Bank vermutlich das Herzogspaar von Berg: Sibylle von Brandenburg, eine schöne dunkelhaarige Frau in langem tiefblauen Kleid und mit dem für die Zeit noch typischen spitzen Schleierhut. Vom Herzog Wilhelm II. ist nur die Hand am Schwertknauf wahrzunehmen. In der Bank hinter ihnen die Damen des Hofstaats in teils ganz verhüllenden Gewändern, aber auch einer jungen Frau mit einem für die Jahreszeit weit ausgeschnittenen Kleid und einem phantasievollen Hut. Sie wendet sich lächelnd halb zu einem hinter ihr stehenden Mann mit langem Wollmantel, der sie wohl anspricht. Die Frau, die uns hier begegnet, stand schon Modell für Elisabeth von Geldern, die an der Bogengalerie des zweiten Bildes den Kreuzfahrern nachschaut. Auch auf dem „Ausmarsch der Bergischen Freiwilligen“ ist sie als Junge Frau mit Haube auf der Treppe wiederzufinden. Hinter dieser Gruppe an den Ziegelpfeiler gelehnt, der Abt des Zisterzienserklosters Altenberg, Heinrich Rouffer von Brauweiler72, ein wohlgenährter Mann in weißer Mönchskutte mit goldenem Kreuz. Neben ihm ein großer vollbärtiger Kriegsmann mit Mantel über seiner Rüstung, der aufmerksam den Worten des Bischofs folgt; vermutlich Herzog Johann II. von Kleve, der Vater des kleinen Johann. Claus Meyer hat dem Herzog das Gesicht seines Kollegen Peter Janssen gegeben, der zwei Jahre später die Kemenate ausmalte. Unter den Personen im Hintergrund fällt ein Mann mit rotem Hut und Mantel besonders auf; seine Kleidung bildet gestalterisch das farbliche Pendant zum roten Teppich über der Estrade. Alle anderen sind unterschiedlich gekleidet, bestenfalls ähneln sich die pelzbesetzten 72 Heinrich Rouffer von Brauweiler, Abt von Altenberg 1496-1517. Vgl. Mosler, Urkundenbuch Abtei Altenberg 1955, unter Nr. 276 wird Abt Heinrich bereits zu Lichtmess, am 2. Februar 1496 genannt. 40 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Kopfbedeckungen der Männer. Verschiedene Köpfe beziehungsweise Gesichter treten durch ihren natürlichen Charakter hervor. Auch zu diesem Freskobild gibt es ein Ölgemälde, auf das Dirk Soechting hinweist.73 Leider werden im Kommentar dazu nicht das Entstehungsjahr und die Größe genannt. Es wird wohl vor 1900 geschaffen worden sein, doch bleibt unbekannt, ob dieses Bild als Entwurf beim Wettbewerb vorgelegt worden ist. Die Grundkonzeption des Ölgemäldes ist fast vollständig für Burg übernommen worden. Besonders die Perspektive des Raums, die Stellung von Maßwerkbrüstung, Tisch, Bänken sowie des Thronbaldachins und die Architektur des „Lüneburger“ Ziegelbogens hat Meyer wahrscheinlich mittels Aufrasterung auf seinen Wandbildkarton übertragen. Entsprechend der Größe, der im Rittersaal zur Verfügung stehenden Wandfläche, konnte Meyer sein Bild hier vorteilhaft weiterentwickeln. Er hat einzelne Figuren im Umriss übernommen und den ursprünglich kleinen familiären Kreis durch eine ganze Reihe von Akteuren erweitert. Die sich im Ölgemälde nachteilig zeigende Leere vor der Estrade schloss er geschickt im Monumentalbild, indem er dem Podium eine Stufe hinzufügte und mit dem Thron zum Publikum vorzog. Dadurch erhöhte sich auch der Bezug der Akteure zueinander. Das Verlobungspaar ist vorteilhaft verändert und dem ursprünglich etwas verloren wirkenden kleinen Herold wurden Hintergrundhelfer zugeordnet. Im Gegensatz zu allen anderen Personen, die sich ruhig verhalten, ist im linken Vordergrund des Ölgemäldes ein junger Mann in Bewegung dargestellt. Ursprünglich nur eine Randfigur, hat er im Burger Wandbild die Aufgabe eines Fanfarenbläsers bekommen, der wohl aufmerksam auf seinen nächsten Einsatz wartet. Claus Meyer nutzte im Rittersaal die drittgrößte Wandfläche für die Darstellung eines wohl außergewöhnlichen, weil friedlichen historischen Ereignisses, das er schöpferisch frei nachgestalten konnte. Das Thema seiner im Detail vielgestaltigen Kinderverlobung lag dem Künstler offenbar sehr am Herzen. Idee und Ausführung erinnern an das Karlsruher Bild „Kleinkinderschule in Überlingen“ von 1888, das unter seinen Genrebildern besonders hervortritt. „Die Kinderverlobung auf Schloss Burg 1496“, Die Abbildung zeigt das beschädigte Freskogemälde i im April 2007. 73 Dirk Soechting, a. a. O. S.28-29. 41 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Seit der Entstehung des Wandbildes traten an der Farbschicht immer wieder Beschädigungen auf, die durch den Kaminzug im Inneren des Mauerwerks hinter dem Gemälde hervorgerufen wurden. Besonders stark wurden die Zerstörungen im Winter 2007, als Regenwasser vom maroden Schornstein nach unten sickerte, mit den Verbrennungsstäuben sauer reagierte und durch das Mauerwerk hindurch die Kalkschicht mit dem Gemälde großflächig zerfraß. 2008 wurde der Schornstein entfernt, der Kaminzug geschlossen und das Gemälde nach Trockenlegung der Wand sorgfältig restauriert. Bild IX „Beschießung der Burg durch schwedische Truppen“ Das Freskogemälde zu diesem Thema erstreckt sich über zwei Fensterzwischenräume, relativ schmalen Zwickeln, bedingt durch die relativ enge Fensterfolge an dieser Stelle der Westseite. Claus Meyer hat dieses Wandgemälde vermutlich zuletzt gemalt. Wir finden seine Signatur, wie oftmals an solchen Zyklen am letzten Bild zu sehen, in voller Länge als „CLAUS MEYER 1903“. Da es sich um eine militärische Darstellung handelt, ist es vorstellbar, dass Meyer dieses Bildthema ursprünglich seinem Kollegen Hermann Huisken überlassen hätte. Bild 9. Claus Meyer 1903. Belagerung und Beschießung von Schloss Burg durch schwedische Truppen 1632 Zusammengesetzte Aufnahme der Verfasser 2008 Die Szenerie liegt im Blickfeld der Belagerer und wir sehen ihnen über die Schultern. Sie haben ihre Kanonen auf die alte Burg gerichtet, die im Hintergrund in ihrer spätgotischen Silhouette erkennbar ist. Pulverdampf, Staub und Brand der eingeschlagenen Geschosse vernebeln die Gemäuer. Während der linke Kanonier schon seinen Zündstab bereithält, um auf Befehl erneut zu feuern, ist im Bild rechts der Soldat beim Ausrichten seines Geschützes. Er folgt den Anweisungen des Ladeschützen, der wohl eine schwache Stelle im Gemäuer der Burg entdeckt hat, die es auszunutzen gilt. Der Fachwerkaufbau des rechten Flankenturms, dessen Schaft heute noch als Diebsturm vorhanden ist, hat bereits Feuer gefangen. Im Bildvordergrund liegen als Munition zur weiteren Beschießung Steinkugeln und 42 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg ein Pulverfass bereit, während im Hintergrund und ganz rechts die Wirkung des Beschusses von Befehlshabern der Truppe beobachtet wird. Das Ereignis fällt in die Regierungszeit des Pfalz–Neuburger Herzogs Wolfgang Wilhelm (1614-1653). Dieser versucht anfangs durch Bewahrung der Neutralität sein Herrschaftsgebiet am Rhein aus den Kriegshändeln herauszuhalten, was ihm auch für seine Residenzstadt Düsseldorf gelingt. Im übrigen Lande, mehren sich die Truppendurchzüge und die damit verbundenen Übergriffe, Räubereien und Ausschreitungen marodierender Soldaten. 1632 versuchen schwedische Belagerer Schloss Burg einzunehmen. Die Beschießung der Burg, so wie sie hier dargestellt wird, erfolgte von Norden, der gegenüberliegenden Höhe in der Landschaft. Auf dieser Seite, ihrer verletzlichsten Stelle, hatte die Burg eine verstärkte Schildmauer. Vermutlich hat man sich vom Burginneren erfolgreich gewehrt, denn einen Sturmangriff der Schweden hat es wohl nicht gegeben. Es ist nicht überliefert, dass die Schweden die Burg eingenommen oder übernommen hätten. Die Soldaten wählten vermutlich leichtere Ziele und plünderten während der Einschließung ungehindert die Gegend aus. Die Pfalz-Neuburger lassen die Schäden notdürftig ausbessern und nutzen Schloss Burg weiterhin als Jagdschloss. Um 1641 steht die Burg unter der Hoheit kaiserlicher Truppen, die sie als Festung ausbauen. Nach den Verhandlungen im Westfälischen Frieden verlassen die Truppen die Burg unter der Bedingung, dass ihre Wehrhaftigkeit aufgehoben wird. Die Kaiserlichen zünden die äußeren Verteidigungsanlagen an. Mauern werden geschleift und sogar der mächtige Bergfried dem Boden gleichgemacht.74 Bild X „Ausmarsch der Freiwilligen des Bergischen Landes zur Zeit der Befreiungskriege 1813“ Bild 10. Hermann Huisken und Claus Meyer 1899. Ausmarsch der Freiwilligen des Bergischen Landes 1813. Aufnahme der Verfasser 2008 Zum Verständnis dieses Bildes bedarf es wiederum eines Zeitsprungs von etwa 180 Jahren. Napoleon hatte die deutschen Staaten fest in der Hand und das Bergische Land war durch ihn zu einem Teil des Großherzogtums Berg geworden. Sein Schwager Joachim Murat hatte das Amt des Großherzogs von 1806-1808 inne, dann wurde er als König nach Neapel versetzt. Man sagt, er hätte sich der Bevölkerung zu menschlich gezeigt, den ständigen 74 Laute, Hansjörg, a. a. O. S39. 43 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Truppenaushebungen und den drückenden Steuerlasten Napoleons widersprochen. 1809 regiert Napoleon selbst das Land, offiziell ist sein vierjähriger Neffe Louis Napoleon Großherzog. Die Bevölkerung begrüßt anfangs die errungenen Freiheiten, die allen Menschen Gleichheit und die Aufhebung der bisherigen Feudal- und Sonderrechte versprechen. Das alte verkrustete Zunftgesetz wird aufgehoben, was der Wirtschaft zwar einen Aufschwung in Aussicht stellt, doch hohe Zölle und die Blockade Englands ersticken die Entwicklung im Keim. Die heimischen Unternehmer geraten an den Rand des Ruins was eine hohe Arbeitslosigkeit unter der Bevölkerung verursacht. Die Stimmung schlägt schnell um. Als im Januar 1813 Napoleons Große Armee in Russland vernichtet ist, will man weitere Truppen ausheben. Es kommt zu Aufständen in mehreren Städten des Großherzogtums, bei denen vor allem die Anwerbebüros Ziel der aufgebrachten Männer sind. Doch der Grund dafür sind nicht nationale Freiheitsgedanken, sondern die Not der Leute. Der Belagerungszustand wird verhängt und der Aufstand niedergeschlagen. Als sich die Franzosen nach den Wirren des Jahres 1813 auf die linke Rheinseite zurückziehen, sollen im November 1813 wieder Truppen im Bergischen rekrutiert werden, diesmal für die preußischen Regimenter. Die Männer waren vom Regen in die Traufe gekommen. Der Staatsmann Justus Gruner erließ eine „Aufforderung an deutsche Jünglinge und Männer zum Kampfe für Deutschlands Freiheit“, brachte aber unter der kriegsmüden Bevölkerung des Großherzogtums nur mit Mühe 7000 Mann zusammen. Erst der Ende 1813 ins Leben gerufene Landsturm hatte starken Zulauf; man blieb im Lande und wusste, was man zu verteidigen hatte. Claus Meyer / Hermann Huisken 1899. Eine seltene Situation in der Ernsthaftigkeit des großen Wandgemäldes: ein kleiner Junge nimmt Blickkontakt mit dem Betrachter auf. Das große Gemälde zu diesem geschichtlichen Thema war auf der geschlossenen Südwand im Rittersaal als erstes fertig gestellt worden. Als Kaiser Wilhelm sich am 12. August 1899 für eine Stunde in Schloss Burg einfand, konnte man ihm seine marschierenden bergischen Untertanen präsentieren. Freiherr von Troschke erinnerte das Bild in seiner Interpretation 1957 „an das Gedicht Liliencrons, bzw. der Komposition von Oscar Straus: Die Musik kommt!“75 Ähnlich könnte es Seine Majestät gesehen haben und wird für den Anfang zufrieden gewesen sein. Obwohl die Bergischen Männer 1813 nicht gerade enthusiastisch 75 Troschke, Frh. v. a. a. O. 44 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg zu den Waffen eilten, musste ein Geschichtsbild her, das zum Programm des preußischen Kaiserreichs passte. So huldigt dieses Gemälde oberflächlich betrachtet der damaligen Staatsmacht und plakatiert die Treue der bergischen Untertanen. Doch ließen sich die beiden Düsseldorfer Künstler so ohne weiteres vor den preußischen Glorienkarren spannen? Das Hauptmotiv des Gemäldes, das sich auf der linken Bildhälfte befindet, zeigt Details einer geschichtlich belegten Episode von 1796 – die im Zusammenhang mit dem Einmarsch der französischen Truppen in Solingen steht. In die Szenerie am Eingang einer Ortschaft im Bergischen Land zieht ein uniformierter Spielmannszug mit Trommeln und Pfeifen ein, gefolgt von zwei berittenen Offizieren und einem Unteroffizier zu Fuß. Sie führen einen langen Zug von Männern an, dessen Ende sich an der Biegung der Landstraße verliert. Die meist jungen Männer zeigen sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Kleidung als Angehörige verschiedenen Standes. In vorderster Reihe rechts ist ein alter Haudegen in zerschlissener Uniform zu erkennen. Direkt neben ihm lüftet ein jugendlicher Mann in Stiefeln und vornehmer Kleidung seinen Hut und grüßt mit ernster Miene eine Frau am gegenüberliegenden Straßenrand, die sich gerührt mit einem Tuch die Tränen wischt. Einer der Reiter beugt sich zu einem Herrn am Straßenrand herunter und reicht ihm begrüßend die Hand. Auf unserer Wegseite wendet sich eine junge blonde Frau, eine Ziege an der Leine haltend, den Heranmarschierenden zu. Ihr kleiner Sohn klammert sich an ihren Rockschoß und steckt - verwirrt aber neugierig - die Finger in den Mund. Ein größerer barfüßiger Junge begeistert aber wohl die Marschmusik. Mit kleiner Schwester an der Hand, die mit ihren Holzschuhen gar nicht so schnell folgen kann, versucht er den Spielzug einzuholen. Dicht gedrängt begrüßen die Bewohner des Ortes freudig die Marschierenden, die –ganz ihrer Würde bewusst-- fest geradeaus blicken. Nur einer von ihnen schaut auf und erwidert kurz den freundlichen Gruß des Handwerkers. Durch die Reihen der Musiker trifft uns überraschend der spitzbübische Blick eines kleinen rotschöpfigen Kerls. Claus Meyer: Links „Junge Frau mit Onkel“ Ausschnitt vom „Ausmarsch der Freiwilligen 1813“. Rechts seine ältere Oelstudie „Junge Friesin“ Größe 40x30 cm. Foto: A. Sassen und Abb. aus RB. 55 H.4/2005 S.29. Im Hintergrund verfolgen auf dem Podest der zweiläufigen Treppe zu einem bergischen Haus ein älterer Herr mit Kappe, Weste und Kniebundhose und eine junge Frau an seiner Seite das militärische Schauspiel. Die beiden stützen sich auf das eiserne Treppengeländer und schauen dem Aufmarsch nachdenklich entgegen, während sich die Hausmutter drinnen neben der beiseite gezogenen Gardine zurückhält. Solche Szenen mögen sich zu jeder Zeit und an vielen Orten zugetragen haben. Was sich hier beiläufig abspielt, deckt sich offensichtlich mit einer heimatgeschichtlichen Begebenheit, die aus Solingen überliefert ist. […] auf der Treppe des Patrizierhauses des Klingenkaufmannes Johann Abraham Knecht am 20. Januar 1796 in der Cölner Straße am Ortseingang von Solingen. Das Haus wurde wegen der sieben Stufen, die zum Eingangsportal führten, „Haus auf der Treppe“ genannt. … Solingen war [zu dieser 45 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Zeit] Grenzort und Sitz des Hauptquartiers der Brigade Soult, die zur französischen Rheinarmee des Generals Jourdan gehörte. Als der 28-jährige französische General Soult mit den Revolutionstruppen in Solingen einrückte, stand die 24-jährige Louise Berg auf der erwähnten Treppe und beobachtete den Einzug der Franzosen. Sie erblickte den jungen groß gewachsenen stolzen Reiter, der Würde, Prestige und zugleich vornehme Zurückhaltung ausstrahlte. Louise war von dieser imposanten Erscheinung so angetan, dass sie sich auf der Stelle in ihn verliebte.76 Die beiden heirateten in echter Zuneigung und aufgrund der steilen Karriere des Nicolas Soults und seiner späteren hohen politischen Stellung unter Napoleon und seinen Nachfolgern wurde Louise Berg im 19. Jahrhundert wohl eine der berühmtesten Frauen mit Solinger Wurzeln. Auch wenn sie in ihrem Geburtsland nicht so bekannt war, als Herzogin von Dalmatien wurde sie in Frankreich ein Begriff und wäre beinahe Königin von Portugal geworden. Den Düsseldorfer Künstlern dürfte die Geschichte der Louise von Berg bekannt gewesen sein, zumal diese sich mit ihrem Mann in ihrer Exilzeit von 1816 bis 1819 längere Zeit in Düsseldorf aufhielt. Claus Meyer war es sehr daran gelegen, sich an die geschichtliche Überlieferung zu halten. Die dargestellten Einzelheiten im Wandbild stimmen vollständig mit dem Text des Chronisten überein. Bezeichnend geht die Blickrichtung der jungen Frau eindeutig zum berittenen Offizier. Nur seine Uniform und die der aufmarschierenden Soldaten sind nicht französisch, sondern preußisch. Etwas anderes hätte man zum Besuch Kaiser Wilhelms II. natürlich nicht präsentieren können. Ob es von Anfang an geplant war, in das Bild diese Episode hereinzunehmen oder diese sogar zum Hauptthema zu machen, wird sich kaum noch klären lassen. Die entstehungsgeschichtliche Rekonstruktion wird dadurch erschwert, dass zwei Künstler daran gearbeitet haben. Doch bemerkenswert ist, dass beide Künstler keine „echten“ Preußen waren; Claus Meyer stammte aus Hannover und Huisken war Celler, der in Braunschweig lebte. Beiden Männern dürfte die Rolle Preußens im 19. Jahrhunderts in Bezug auf ihr Heimatland noch gegenwärtig gewesen sein.77 Claus Meyer / Hermann Huisken 1899. Der Spielmannszug und die Szene am Stadteingang von Solingen. Aufnahme der Verfasser 2008 76 Aus Axel Fuesers, Napoleons Marschall Soult und die Solingerin Louise Berg. 77 Die Hannoveraner fühlten sich nie als Preußen, ihr Land war nach 1866 von Berlin annektiert worden. 46 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Hermann Huisken hatte als Kollege Claus Meyers an der Ausarbeitung der Wettbewerbsentwürfe für den Rittersaal mitgewirkt. Als ehemaliger Schüler in Karlsruhe war er mit Meyer 1895 nach Düsseldorf übergesiedelt. Neben der Landschaftsmalerei hatte er sich auf die Darstellung militärischer Szenen spezialisiert. Die Anregungen dazu gewann er zumeist in den Manövergebieten zur Herbstzeit, wo er zahlreiche Skizzen und Studien für seine Schlachtendarstellungen machte. Für die geplante Szene stand Huisken mit der Stirnwand am Eingang des Rittersaals die größte Bildfläche zur Verfügung. Das Tragische war dabei, dass er am 22. September 1899 im 38. Lebensjahr starb. Als Kaiser Wilhelm am 12. August Schloss Burg besuchte, war Huisken schon nicht mehr dabei, Claus Meyer hatte das Bild zu diesem Termin aber vollendet. Da die Freskomalereien in senkrechten Wandabschnitten gearbeitet sind, kann man ungefähr nachvollziehen, welche Teile des Gemäldes Meyer noch ausführen musste.78 Huiskens Arbeit am Bild beginnt bei dem ersten Pfeifer des Spielmannszuges und endet irgendwo im rechten Bereich. Vermutlich gehört die junge Frau mit kleinem Sohn und Ziege wieder zu einem Gemäldeteil Claus Meyers. Im Gegensatz zu Huiskens Uniformierten sind die Bildteile Meyers mit weicherer Pinselführung gemalt. Dazu gehört das Kinderpaar, das den Vordergrund belebt, besonders aber die Szenerie vor dem Spielmannszug. Die Darstellung der jungen Frau mit Spitzenhaube, die sich auf das Treppengeländer des bergischen Hauses lehnt, ist ein untrüglicher Beweis für Meyers Urheberschaft. Eine dazu entstandene Vorstudie betitelt mit „junge Friesin von Claus Meyer“ – wurde von Dirk Soechting wieder- gefunden.79 Die Frau mit Spitzenhaube steht mit ihrem Begleiter zwar am Rande, ist im Bild aber Teil einer belebten Szene. So ist nachvollziehbar, dass Claus Meyer durch Einfügung der Figurengruppe „Louise Berg und Johann Abraham Knecht“, sowie in freier Wiedergabe des „Hauses auf der Treppe“ die Szenerie auf Solingen festlegen und dem Bild einen tieferen Sinn geben wollte. Claus Meyer hat Hermann Huiskens Marsch der sogenannten Freiwilligen nicht in der stets oberflächlichen Glorifizierung vollendet. In den Gesichtern einzelner Akteure spiegelt sich der Ernst der damaligen Situation wieder; denn niemand weiß, ob er diesen Weg jemals wieder zurückgehen wird. Dem Betrachter erschließt sich durchaus der ernste, nachdenklich machende Inhalt. Meyer hat bei Fertigstellung des Gemäldes nicht nur den Namen Huisken darunter verzeichnet, sondern auch mit seinem eigenen Namen signiert. Claus Meyer widmete sich den Gemälden im Rittersaal von Mitte des Jahres 1898 an. Nach einer Unterbrechung im Verlauf des Jahres 1902 hatte er alle Bilder zur Hauptversammlung des Schlossbauvereins 1904 vollendet. Er arbeitete viele Gesichter von Personen seiner Zeit in die Bilder ein, von denen die meisten leider nicht mehr zu bestimmen sind. Ihre Gegenwart und ansprechende Natürlichkeit in den Gemälden ist aber ausschlaggebend für die Botschaft, die den Betrachter erreichen soll. Die Ausmalung ist im Einklang mit der Architektur als ein Gesamtkunstwerk anzusehen und übertraf zu ihrer Zeit die höchsten Erwartungen. In einer Feierstunde am 15. Oktober 1904 übernahm der Nachfolger von Julius Schumacher, der Vorsitzende Moritz Hasenclever den fertigen Rittersaal im Namen des Schlossbauvereins. 78 Die senkrecht verlaufenden Ansätze der Arbeitsabschnitte werden zumeist erst auf den Fotografien sichtbar. 79 Dirk Soechting, R.B. Heft 2, 2005, S. 28/29. 47 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Veränderungen an den Malereien im Rittersaal Der Kunstverein hatte in seinem Programm festgelegt, die Wände im Rittersaal für die Gemälde mit einer horizontalen Trennlinie etwa 1/3 zu 2/3 aufzuteilen. Entsprechend sind damals die Wände nach der Aufteilung im Goldenen Schnitt nicht nur im oberen Bereich mit Historienbildern ausgestaltet worden, sondern auch die unteren Wandflächen wurden bis zum Boden dekoriert. In geschickter Weise hatte Claus Meyer die geschichtlichen Szenen in illusionistischer Perspektive hinter durchgehend gemalte Draperien gesetzt. Durch diese etwa halbhohen Vorhänge, die neben ihrem realistischen Faltenwurf ein kostbar erscheinendes Muster trugen, war der Betrachter fast selbst im Geschehen der Bilder. Er war nur durch ein leichtes Tuch von diesen getrennt, was die Wirkung der Darstellungen wesentlich gesteigert hat. Am oberen Rand der Vorhangtücher waren helle Schriftbänder malerisch angebracht, die auf den Inhalt der Szenen hinwiesen. Die Dekoration in dieser Form entsprach ganz der neugotischen Auffassung und gab dem Rittersaal weitestgehend den vom Architekten Fischer gewollten spätgotischen Charakter mit einer verspielten Festlichkeit. Bei der Brandkatastrophe im Jahre 1920 wurden die Bilder, und vermutlich besonders die umlaufenden Dekorationen durch Löschwasser beschädigt. Die bildlichen Darstellungen im oberen Wandbereich werden nur stark verschmutzt gewesen und aufgrund ihrer haltbaren Freskoausführung mit einer Reinigung wieder hergestellt worden sein. Dagegen war der untere ornamentale Wandbehang, der vermutlich in einem Farbauftrag auf die trockene Wand (a secco) entstand, wahrscheinlich verwaschen und somit stark beschädigt. Eine zeitraubende und damit teure Restaurierung wäre danach notwendig gewesen. Da man schon zu dieser Zeit ohnehin nicht mehr viel von der vorausgegangenen Epoche des Historismus hielt, ist es möglich, dass die unteren Wanddekorationen auch aus diesem Grund aufgegeben wurden. Man verkleidete sie mit einem profilierten Brettersockel und versah dessen Oberkante mit geschnitzten Erläuterungen zu den Gemälden. Aus Unkenntnis sind dabei die ersten zwei Bilder geschichtlich nicht korrekt beschriftet worden. Die Holzverkleidung nimmt mit ihrer Wucht und Schwere den Bildern viel von ihrer ursprünglichen Lebendigkeit und Wirkung. Zudem steht ihre Höhe nicht im ausgeglichenen Verhältnis zur Gesamthöhe des Raumes beziehungsweise zur Höhe der Wandbilder. Diese ist offenbar durch die später eingezogene neue Eichenholzdecke noch zusätzlich einschränkt worden. Besonders an der „Schlacht bei Worringen“ wird das durch die verdeckte Reiterfigur des bergischen Grafen deutlich. Auf alten Wiedergaben, so in F. Schaarschmidts „Geschichte der Düsseldorfer Kunst“, ist diese Figur noch als Ganzes zu erkennen. Bei den anderen Bildern fällt die Reduzierung im Allgemeinen nicht auf, in der Summe mit der Höhe der Holzverkleidung trägt sie aber mit zur Verzerrung des Goldenen Schnittes bei. Vermutlich ist dieser Zustand einer der Gründe dafür, dass sich die Kunsthistoriker über die gewisse Starre und Verhaltenheit der meisten Bilder Claus Meyers in Burg Gedanken machten und ihn in sein angestammtes Metier, das Genre verweisen wollten. (siehe unten). Die historischen Wandgemälde in Rittersaal und Kemenate wurden 1950 durch den Burger Maler Erich Hasenclever restauriert.80 50 Jahre später überarbeitete eine Restauratorengruppe aus Polen die Fresken erneut. Nach starken Feuchtigkeitsschäden im Verlauf von 2007/08 mussten Teile des Freskos „Kinderverlobung“ neu gemalt werden. 80 Lore Reinmöller, a. a. O. S. 94 48 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Vergleich der eingereichten Entwürfe von 1897 zu den ausgeführten Bildern im Rittersaal Für eine Ausstellung auf Schloss Burg, die vom 11. Juni bis zum 30. August 1992 dauerte, hatte man eine beträchtliche Zahl der Wettbewerbsarbeiten von 1897 aus weit verstreutem Besi
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Autor | Sassen, Andreas |
Titel | Die Entstehung der Historienbilder im Rittersaal von Schloss Burg an der Wupper |
Übergeordneter Titel | Beiträge zur Heimatgeschichte |
Erscheinungsjahr | 2009 |
Signatur | 17L1863 |
Katkey | 6514613 |
HBZ-ID | HT016716833 |
Katkey (Überordnung) | 6550992 |
HBZ-ID (Überordnung) | HT016938765 |
Typ | PDF; |
Dateiformat | application/pdf; |
Rechteinformation | Rechte vorbehalten - Freier Zugang; |
Volltext | Beiträge zur Heimatgeschichte Die Entstehung der Historienbilder im Rittersaal von Schloss Burg an der Wupper Andreas Sassen / Claudia Sassen © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Beiträge zur Heimatgeschichte Die Entstehung der Historienbilder im Rittersaal von Schloss Burg an der Wupper Andreas Sassen / Claudia Sassen Inhalt: Seite 1 Aus der Geschichte von Schloss Burg an der Wupper 3 Zerstörungen und Aufgabe der Burg 3 Der Wiederaufbau von Schloss Burg 5 Die ersten Gestaltungspläne zum Burginneren 7 Das Programm des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen 9 Der Künstlerwettbewerb zur Gestaltung des Rittersaals 10 Die Ausmalung des Rittersaals 12 Reihenfolge der Freskenentstehung 15 Beschreibung der Fresken und Einordnung in die bergische Geschichte Bilder 1 - 10 46 Veränderungen an den Malereien im Rittersaal 47 Vergleich der eingereichten Entwürfe von 1897 zu den ausgeführten Bildern im Rittersaal 48 Schloss Burg in der Kritik der Kunstgeschichte 53 Die Gemälde der anderen Räume Schloss Burgs 56 Abschlussbetrachtung 59 Exkurs/Anhang Düsseldorfer Malerschule Malerbiografien und Personen der Geschichte 88 Technik der Freskomalerei 94 Literatur Titelbild: C. Meyer, Maria und Johann aus der Kinderverlobung im Rittersaal Solingen 2009 2 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Aus der Geschichte von Schloss Burg Der Ort Burg befindet sich an der tief eingeschnittenen Mündung des Eschbachs in die Wupper - Schloss und Oberburg liegen malerisch auf der äußersten Kuppe eines Höhenzuges, das Fischerdorf Unterburg im schluchtartigen Eschbachtal. Ausgangspunkt der Siedlung war das zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtete Schloss der Grafen von Berg, die damals ihren bisherigen Stammsitz auf dem „alten Berge“ bei Odenthal den Zisterziensern überließen. Der im 15. Jahrhundert zur Freiheit erhobene Ort führte ursprünglich zum Unterschied von Altenberg den Namen Neuer Berg oder Neue Burg. Seit dem ausgehenden Mittelalter war Burg ein bedeutender Tuchmacherort, dessen Blütezeit vom Ende des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts andauerte.1 Nach der Überlieferung begann Graf Adolf II.2 von Berg um 1118 mit der Errichtung einer Burg auf den Grundmauern einer älteren Befestigungsanlage auf dem Neuen Berge. Die romanischen Bauten dieser ersten Burg über der Wupper bildeten das Kernstück der späteren großen Burganlage von Schloss Burg. Ihren alten Stammsitz übergaben Graf Adolf II. von Berg und sein Bruder Eberhard3 1133 einem Konvent des Zisterzienserordens aus Morimond (heute Bistum Langres, Frankreich). Entsprechend ihren Baugewohnheiten und ihrem Wirtschaftssystem verlegten die Zisterziensermönche das Kloster bald nach der Gründung ins Tal der Dhünn. Der Name des ehemaligen bergischen Grafenstammsitzes Altenberg wurde für den Konvent weitergeführt. Das Zisterzienserkloster Altenberg, eines der reichsten und berühmtesten Klöster des rheinisch-bergischen Raumes, bestand bis zur Säkularisation 1803. Etwa 100 Jahre nach der Gründung der Burg baute Graf Engelbert II.4 von Berg während seiner kurzen Herrschaft ab 1218 die Anlage zu einer weiträumigen Hofburg aus. Er war der Erzbischof Engelbert I. von Köln und wurde, nachdem sein älterer Bruder5 auf dem Kreuzzug bei der Belagerung Damiettes6 in Ägypten zu Tode gekommen war, bergischer Landesherr, Herzog von Westfalen und später Verweser des Heiligen Römischen Reiches. Als mächtigster Mann des Staates unter dem Staufer Friedrich II.7 ließ er den repräsentativen zweigeschossigen Palas mit dem sich unmittelbar anschließenden Kemenatenbau und Kapellenbau errichten. Engelbert wurde 1225 bei Gevelsberg ermordet8. Nach ihm blieb die Burg weiterhin eine bevorzugte Residenz der Grafen und späteren Herzöge von Berg. Erst nach der Verlegung der Hofhaltung in die neue Hauptstadt Düsseldorf im Jahre 1380 diente sie nur noch als gelegentlicher Aufenthaltsort der Herzöge. Zur Zeit der Spätgotik und der Renaissance lebte die Bautätigkeit in Burg wieder auf. Der Palas wurde umgestaltet und erweitert und 1485 mit Fachwerkaufbauten versehen. Seine Erdgeschoßfenster wurden vergrößert und mit einem Segmentbogen versehen und der Kemenatenbau nach Süden erweitert. Im Jahre 1528 entstand ein neues inneres Torhaus am Palas und in den weiteren Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts mit stärkeren äußeren Befestigungen auch ein Vorgänger des großen Batterieturms in der Burganlage.9 1 Dehio, Rheinland, 1967, S. 109. 2 Adolf II. *um 1090, 1115 Graf von Berg, nach 1160 Mönch in Altenberg, † 1160-1170. (n. Laute) 3 Eberhard (Everhard) * um 1090, urkundl. 1115-20 Laie, seit 1120-21 Mönch in Morimond, seit 1143 Abt in St. Georgenberg (Georgenthal) in Thüringen. † 1142-1152. (n. Laute) 4 Engelbert II. *8.11.1185 (*7.11.1186) 1216-25 als Engelbert I. Erzbischof v. Köln, seit 1218 Graf v. Berg, † 7.11.1225 bei Gevelsberg. (n.Laute). 5 Adolf III. Graf von Berg, *um 1175, †7.8.1218 bei Damiette in Ägypten (n. Laute) 6 Damietta, Verw.-Bez. Dumyat, Ägypten, liegt an der Mittelmeerküste, im Nildelta nahe Port Said. 7 Friedrich der II. (Kaiser d. Hl. Röm. Reich) 1194-1250. 8 Siehe auch das Wandbild zu Engelbert im Rittersaal, sowie die Angaben über sein Leben im Anhang. 9 Der heutige Batterieturm ist ein Neubau von 1914. 3 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Schloss Burg. Detail einer Ansicht aus Topographia Ducatus Montani von Erich Philipp Ploennies 1715. Diese älteste Ansicht von Schloss Burg war eine der Grundlagen für die Rekonstruktion des Palas von G. A. Fischer. Abb. Staatsarchiv Düsseldorf. Schloss Burg an der Wupper. Rekonstruktions-Vorstellung von Gerhard August Fischer aus dem Jahre 1887. Fischer hat hier die überlieferte Ansicht von Ploennies in seine Vorstellung vom Wiederaufbau des Palas von Burg übernommen. Dieser Plan ist so bis 1894 realisiert worden. 1920 wurde die gesamte Dachlandschaft durch Feuer zerstört. Archiv Schloss Burg. 4 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Zerstörungen und Aufgabe der Burg Am Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde Schloss Burg von schwedischen Truppen belagert, seine Befestigungsanlagen durch Beschuss weitgehend zerstört und auch ein Teil der Gebäude innerhalb der Burg beschädigt. Die kaiserliche Besatzung ließ bei ihrem Abzug den noch intakten Rest der Verteidigungsanlagen in Flammen aufgehen. Der Hauptbau mit dem Palas blieb davon aber verschont und ist um 1700 teilweise wieder instand gesetzt worden. Die von 1715 erhaltene Ansicht vom Kartographen Ploennies zeigt noch die Fachwerkaufbauten des 15. Jahrhunderts. Der Hauptbau diente bis 1807 als Sitz herzoglicher Rentmeister und Richter des Amtes Bornefeld.10 Während dieser Zeit fanden aber erhebliche Eingriffe in die Bausubstanz der Burg statt. Auf der Westseite legte man die großen Stall- und Wirtschaftsgebäude nieder und auch die spätgotischen Fachwerkaufbauten des Palas verschwanden. Ein Kupferstich von Schramm vom ausgehenden 18. Jahrhundert zeigt das Gebäude mit einem schlichten Satteldach. Danach benutzte man die großen Räume für gewerbliche Zwecke; im Rittersaal webte man Wolldecken, die „Burger Schaazen“. Doch der preußische Fiskus als Eigentümer der Burg war an einer weitergehenden Erhaltung nicht mehr interessiert und versuchte schon um 1820 die Anlage zu veräußern. 1839 kaufte die katholische Gemeinde die Burg und funktionierte sie zum Schulgebäude um. Der Schulbetrieb endete aber nach wenigen Jahren wegen Baufälligkeit der Gemäuer, und ein neues Schulhaus wurde am Burgplatz gebaut.11 Vermutlich waren die notwendigen Instandhaltungen an Dächern und Einrichtungen bereits länger unterblieben, als man die Gebäude 1849 aufgab. Zur Materialgewinnung für das neue preußische Landgericht in Elberfeld wurde das aus Eichenholz bestehende Dachwerk und die Zwischendecken ausgebaut und das übrige Mauerwerk dem Verfall preisgegeben. Nachdem die „Oberen“ mit entsprechendem Beispiel vorangegangen waren, wurde von den Bürgern der Umgebung alles, was dem eigenen Hausbau diente, fortgeschleppt und damit Schloss Burg in kürzester Zeit zur Ruine gemacht.12 Man benutzte die Burg als Steinbruch, wobei umfangreiche Mauerteile verschwanden. Eine Zeichnung von Heinrichs zeigt den Palas 1850 mit zerstörten Mauern. Der Wiederaufbau von Schloss Burg Etwa 30 Jahre nach Aufgabe der alten Burg regte sich im Bergischen Land der Wunsch nach dem Wiederaufbau der Burgruine. Auf Einladung des bergischen Geschichtsvereins traf sich am 18. Juni 1887 erstmalig eine engagierte Gruppe von Bürgern des Bergischen Landes, darunter der Wermelskirchener Fabrikant Julius Schumacher und der Architekt Gerhard August Fischer aus Barmen. Sie besprachen die Möglichkeiten zum Erhalt der Ruine oder gar den Wiederaufbau. Wenig später, am 3. August 1887 gründeten diese Männer mit 70 weiteren Personen aus der Umgebung einen „Verein zur Erhaltung der Schlossruine Burg an der Wupper“, aus dem später der Schlossbauverein Burg wurde. Den Vorsitz führte bis 1902 Julius Schumacher, der im Laufe der Zeit einen großen Teil seines Privatvermögens dem Verein zur Verfügung stellte. Schon 1890 begann man mit dem Wiederaufbau der Hauptteile der Burg; das innere Burgtor erstand zuerst, danach folgte der Palas mit seinem Rittersaal. Mit der Vollendung des Gebäude-Südteils im Jahre 1894 stand der Hauptbau mit Kemenate und Kapelle fertig da. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war die Burganlage soweit wiederhergestellt, wie sie heute zu sehen ist. Es war zwar im Wesentlichen eine Neuschöpfung entstanden, doch der Architekt Fischer aus Barmen, bemühte sich weitestgehend um eine Rekonstruktion der gotischen Burg. Seine Entwürfe und Zeichnungen fußten auf den Mauerresten, ergrabenen Fundamenten und der einzigen 10 Roselt, Schloss Burg, S. 8. 11 Das Gebäude nordwestlich vor dem Palas, kürzlich vom SBV gekauft, beherbergt zukünftig die Verwaltung. 12 Renate und Karl Morsbach (1987): Die sich wandelnden Architekturen von Schloss Burg an der Wupper, in: Für Kaiser Volk und Vaterland, Festschrift zum 100jährigen Bestehen Schloss Burgs, Köln, S.55. 5 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg erhaltenen Ansicht der Burg, der Zeichnung des Vermessungstechnikers Erich Philipp Ploennies aus dem Jahr 1715.13 Der Baumeister Gerhard August Fischer, der über fünfzig Jahre seines Lebens unzählige Kirchen im Rheinland und in Westfalen gebaut hatte14, wusste die Mitglieder des Vereins zur Erhaltung der Schlossruine mit seinen Entwürfen und visionären Ansichten des alten Grafenschlosses zu überzeugen. Seine Zeichnungen, darunter Idealvorstellungen von Schloss Burg im Mittelalter, gingen als Lithografien von Hand zu Hand und begeisterten die Menschen der Region für den Wiederaufbau. Fischer hatte die historische Ansicht der Burg im Sinne der Neugotik mit romantischem Einschlag neu geschaffen. Er war beim Wiederaufbau von Anfang an dabei und begleitete die Wiederherstellung der Anlage bis zur Errichtung des Bergfrieds im Januar 1902. Als dieser kurz vor seiner Vollendung in der Sturmnacht zum 5. Januar 1902 teilweise einstürzte, wurde er von seiner weiteren Tätigkeit in Burg entbunden. Er hatte nicht mehr die Möglichkeit, den Schaden zu beheben; den Wiederaufbau übernahm der Baumeister Blaue. Vom romantischen Erscheinungsbild der wieder aufgebauten Burg zeugt diese bislang unbekannte Zeichnung des Malers Hans Kohlschein aus dem Jahr 1903. Eine junge Frau verfolgt aus dem Giebel des Torhauses das Treiben mehrerer Reiter vor der Mauer am Diebsturm. Abb. Archiv Kohlschein, Dortmund. Alles, was die Arbeit Fischers über so viele Jahre in Burg empfohlen hatte, schien mit einem Schlag vergessen. Fischer empfand das als Kränkung und wandte sich anderen Denkmalobjekten zu. So entstanden zwischen 1900 und 1906 genau ausgearbeitete Pläne für das im Bauernkrieg zerstörte Kloster Georgenthal im Thüringer Wald.15 Durch seine Geschichtskenntnisse war Fischer auf dieses Zisterzienserkloster gestoßen; denn dort war 760 Jahre zuvor Everhard, der Bruder Adolfs II. von Berg, zum ersten Abt gewählt worden. 13 Ploennies Darstellung wird zuweilen infrage gestellt (A. Schyma, a.a.O.), da er „nicht Zeichner, sondern Kartograph und Techniker“ war. Seine Wiedergabe von Burg ist aber bei der geringen Größe zeichnerisch perfekt! Die Proportionen von vorn bis in die Tiefe des Bildes stimmen, die Perspektive ist einwandfrei und Einzelheiten gut erkennbar, sie machen die Überlieferung glaubhaft. 14 Gerhard August Fischer (1833-1906) Architekt, zu seinen Bauten siehe Weyres Mann, Köln 1968. 15 G. A. Fischer, das Kloster Georgenthal in: Thüringer Warte Nr. 11, Februar 1905. 6 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Doch der Lebensweg der ersten Generation des Wiederaufbaus von Schloss Burg neigte sich dem Ende zu. Am 28. Juni 1902 starb der langjährige Freund und Burger Weggefährte Julius Schumacher. Gerhard August Fischer arbeitete noch bis kurz vor seinem Tod; er starb am 11. November 1906 in Barmen. Die ersten Gestaltungspläne des Burginneren Um 1894 war das Hauptgebäude der Burg, der Palas wieder aufgerichtet, so dass man mit der Innenausstattung beginnen konnte. Der historisierende Wiederaufbau, der Schloss Burg zu einer Art Nationaldenkmal des Bergischen Landes machte, schloss auch die Ausstattung der Haupträume mit ein. G. A. Fischer wird nach eingehenden Studien von Vergleichsobjekten Rittersaal und Kemenate gestaltet haben. Erhaltene profane Innenräume des Spätmittelalters gab es kaum. Hier konnte er auf Ruinen, bestenfalls Fragmente zurückgreifen; eher waren große Räume dieser Zeit noch in Klöstern zu finden. Doch bestimmte Einzelheiten lassen erkennen, dass Fischer sich auf der Wartburg bei Eisenach umgesehen hatte, die nach 1840 vom Baumeister Hugo v. Ritgen im Auftrag des Erbgroßherzogs von Thüringen nach romantischen Vorstellungen restauriert worden war. Die Grundform des Innenraums in Burg ergab sich aus den vorhandenen alten Mauerzügen mit ihren Fenstern und den möglichen Deckenkonstruktionen. So entstand der große Rittersaal in spätromanischen rheinischen Formen, einem Übergangsstil in den schon weitgehend gotische Stilelemente einfließen. Diesen Weg wiesen die behäbig wirkenden Spitzbogenfenster, die in der Ruine erhalten waren. Nach Befund sind die Fensterlaibungen mit eingestellten Säulen und Wulstbögen so rekonstruiert worden, wie die Bauleute Engelberts sie um 1220 geschaffen hatten. Der Palas von Burg ist wahrscheinlich eines der frühesten Gebäude im Rheinland, der in gotischen Formen gestaltet wurde. Engelbert war vor seiner Zeit als Erzbischof in Frankreich gewesen und hatte dort die fortschrittlichen Kathedral- und Palastbauten gesehen. Er war der Erste, der Vorschläge zum Neubau des Kölner Doms unterbreitete und konkrete Stiftungen dazu machte. Die schwere Holzdecke des Rittersaals wird von einem Mittelbalken unterfangen, den vier Rundsäulen mit Schaftringen stützen. Als einzige feste Architekturteile fügte Fischer in diesen Raum nur die Fenstersitzplätze und den Kamin ein. Dieser Kamin ist ein Mitbringsel von der Wartburg, wo die Vorbilder im Sängersaal und im Festsaal des Landgrafenhauses wiederzufinden sind. Auch an der Burger Kapelle findet sich solch eine Reminiszenz: Das gotische Chörlein an der östlichen Außenseite ist nach dem Vorbild des Nürnberger Erkers an der Burgvogtei der Wartburg geschaffen.16 Mit dem Chörlein als spätgotische Zutat wollte Fischer gewachsene Baustrukturen aufzeigen. Den Innenraum der Kapelle gestaltete er als dreijochigen frühgotischen Saal mit Kreuzrippengewölben; ein typischer Zug des Neugotikers Fischer. Im Gegensatz zum Profanbau des Palas war man im Rheinland zur Zeit Engelberts mit dem Sakralbau aber noch längst nicht so weit, wie die erzbischöfliche Palastkirche in Hilden und die Mündelheimer Kirche als zeitgleiche Beispiele zeigen. Wie diese wird die Burgkapelle vermutlich einst spätromanisch gewesen sein. Mit einer entsprechend malerischen Ausschmückung sollten Rittersaal und Kemenate sowie die Burgkapelle als geschichtsträchtige Stätten der Vergangenheit hervorgehoben werden. Zu dieser Aufgabe konnte man die Meister der Düsseldorfer Malerschule gewinnen. An der Düsseldorfer Kunstakademie wurde schon seit Jahrzehnten die von den Nazarenern in Rom wieder belebte Kunst der Freskomalerei17 gelehrt. Peter Cornelius und Friedrich Wilhelm Schadow18 hatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts diese Maltechnik dort eingeführt. Neben den Fresken von Rethel im Rathaus zu Aachen entstand ein Zyklus aus 16 Der viel bewunderte romantische Erker der Wartburg stammt aus Nürnberg und wurde erst 1872 eingebaut. 17 Freskomalerei, Erklärung siehe Anhang. 18 Peter Cornelius, (1783-1867), Friedrich Wilhelm Schadow (1788-1862), (siehe Anhang) 7 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg dem Leben Barbarossas in Schloss Heltorf bei Angermund.19 Von Cornelius begonnen wurden sie von den Schadowschülern Stürmer, Mücke, Lessing und Plüddemann 1841 vollendet. Die Künstler, Ernst Deger, Andreas und Karl Müller sowie Franz Ittenbach malten zwischen 1843 und 1852 die Apollinariskirche20 in Remagen mit biblischen Monumentalbildern aus; ein Höhepunkt für die Düsseldorfer Malerschule. Zum Ende des Jahrhunderts war die Freskomalerei durch die vielfach gewünschten Historiendarstellungen nochmals zur Blüte gekommen. Begünstigt durch die nachromantische Kunstanschauung des Kaiserhauses entstanden zu dieser Zeit sehr viele Wandgemälde in Kirchen, Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden, aber auch in Privathäusern wohlhabender Bürger.21 So schufen die Düsseldorfer Künstler bis 1908 in allgemein volkstümlich-verständlicher Art die monumentalen Historienbilder. Sie sind der Geschichte der Burg, der bergischen Landesherren und dem mittelalterlichen Burgleben gewidmet. Ein erstmaliger Vorschlag, die Innenräume von Schloss Burg mit historischen Wandgemälden zu gestalten, erfolgt schon auf der 4. Hauptversammlung des Vereins zur Erhaltung der Schlossruine Burg am 13. August 1890. Das Vorstandsmitglied Adolf Werth macht darauf aufmerksam, in Schloss Burg ein Museum einzurichten und es gegenüber anderen Museen der Region ein eigenständiges Gepräge zu geben. Fresken der bergischen Geschichte könnten den Besuchern wichtige Eindrücke vermitteln. Die Idee zur Ausgestaltung der Innenräume des Palas wird auch in den folgenden Jahren des Wiederaufbaus beibehalten. Ständige Sorge des Vereins ist natürlich die Finanzierung des Vorhabens, weshalb man werbewirksam um Spenden in der Öffentlichkeit bittet. Den entscheidenden Schritt unternimmt aber letztlich der Vorsitzende des Vereins Julius Schumacher. Am 9. Mai 1896 schreibt der um den Wiederaufbau sehr verdiente Fabrikant einen Brief an den Königlichen Staatsminister und Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten, Herrn Dr. Bosse in Berlin22. In der damals üblichen sehr ergebenen Form trägt er seine Bitte vor, nicht ohne vorher auf die bisherigen Leistungen des Wiederaufbauvereins, seines Architekten Fischer und des für die Sache begeisterten bergischen Volkes hinzuweisen. Auch die Freude darüber, … dass Se. Majestät der Kaiser und König die Gnade hatte, sein allerhöchstes Interesse der Burg zuzuwenden; sind doch die bergischen Grafen und Herzöge zugleich die Ahnen und Vorfahren des erlauchten Hauses der Hohenzollern... kommt dabei zum Ausdruck. Schumacher verweist zudem auf die im Verein schon lang gehegten Pläne einer malerischen Dekoration der wiederhergestellten Innenräume: Schloss Burg scheint wie geschaffen dafür, einen ausgedehnten Zyklus historischer Wandgemälde aufzunehmen…. Wenn irgendwo die Historienmalerei einen volkserzieherischen und Begeisterung erweckenden Zweck erfüllen kann, so sicherlich hier. Die Bergische Geschichte ist voll von großen und packenden Momenten, die zugleich auch malerisch wirkungsvoll sind – von der ersten Ruhmesthat des bergischen Volkes, der Schlacht bei Worringen, bis zu den glänzenden Tagen des Kurfürsten Johann Wilhelm. Schumacher erwähnt weiterhin, Von Seiten der Düsseldorfer Künstlerschaft ist das lebhafteste Interesse an der Ausschmückung der Burg schon wiederholt dokumentiert worden. 19 Schloss Heltorf (Graf von Spee) klassizistisches Herrenhaus 1822-27 von Heinrich Theodor Freyse erbaut. Die Fresken befinden sich im Gartensaal und blieben als einzige aus romantischer Zeit am Niederrhein erhalten. 20 Apollinariskirche, ein Hauptwerk der neugotischen Rheinromantik vom Kölner Dombaumeister E.F. Zwirner. 21 Die meisten Freskowerke sind durch den Krieg und den sich ändernden Zeitgeschmack zerstört worden. 22 Brief wiedergegeben in Romerike Berge Heft 2, 1983, S. 28-29. 8 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Doch möchte Schumacher einem aufzustellenden Plane von höherer Stelle nicht vorgreifen und schlägt dem Minister die Entsendung einer Kommission vor, die Angelegenheit vor Ort zu prüfen. Die Freude der enthusiastischen Mitglieder des bergischen Schlossbauvereins war groß, als sie daraufhin in einem Schreiben vom 18. Dezember 1896 aus Berlin eine Zusage erhielten. Dr. Bosse teilte ihnen mit, dass das Ministerium die notwendigen Mittel zur Ausmalung der Schlosskapelle zur Verfügung stellen wird.23 Eine wirksame Weiterarbeit des Schlossbauvereins wurde zu dieser Zeit mit der rechtskräftigen Eigentumsübertragung des Schlosses auf den Kreis Lennep geschaffen. Bereits 1891 hatte der Kreis gegen einen Kaufpreis von 300 Mark das Schloss vom preußischen Staat übernommen, doch der Gang durch die Behörden dauerte bis zum Beginn 1897. Im Sitzungsprotokoll vom 10. Mai 1898 wurde wieder einmal die stets prekäre Kassenlage offenbar. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man 278 000 Mark verbaut, wovon 154 000 Mark gedeckt waren. Auf dem Schlossbauverein Burg lastete eine Schuld von 124 000 Mark. Das Programm des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalens Auch von privatwirtschaftlicher Seite kommt man dem Burger Verein entgegen: G.A. Fischer berichtet in seiner „Chronik vom Wiederaufbau des alten Schlosses Burg an der Wupper“: Im Jahr 1896 trat ein für Schloß Burg höchstbedeutsames Ereignis ein. Der Kunstverein von Rheinland und Westfalen beschloß die Mittel zur Ausmalung des Rittersaales in einer Höhe von 50000 Mrk. zu bewilligen, unter der Bedingung, daß der Burgbauverein nach Fertigstellen des großen Saals einen kleinen Saal mit figürlichen Darstellungen ausstatten ließe. Am 25. August 1896 fand eine Besprechung im Beisein der Prof. Janssen und Gebhard, Schill sowie einiger Vertreter des Kunstvereins und Dr. Clemen24 statt. Es kam zu dem Beschluß, eine Konkurrenz unter den Künstlern der Düsseldorfer Schule auszuschreiben, wozu noch 3000 Mrk. bewilligt wurden; der Stoff der Gemälde sollte der bergischen Geschichte entnommen werden. Es wurde nun eine Aufnahme der Wandmauerflächen veranstaltet, über die darzustellenden Ereignisse verhandelt und die Konkurrenz vorbereitet. So war das Jahr 1896 für die Baugeschichte von Burg von Bedeutung, wenn auch die eigentliche Bautätigkeit ruhte. In den Jahren 1897 und 1898 konnte wegen Mangel an Mitteln weder an die Ausstattung der Räume gedacht werden noch ein Weiterbau erfolgen….. Auf der 9. Hauptversammlung Mitte des Jahres 1897 – seit dieser Zeit nennt man sich Schlossbauverein - wird der Inhalt eines Schreibens des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalens bekannt gegeben. Die Verfasser sind – wie bei der Besprechung - der Landeskonservator Pof. Paul Clemen, die Mitglieder der Düsseldorfer Kunstakademie Prof. Eduard von Gebhardt, Prof. Adolf Schill und der Akademie-Direktor Prof. Peter Janssen25. Sie machen dem Schlossbauverein Burg nun schriftlich ihren Vorschlag: …Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalens übernimmt auf seine Kosten die künstlerische Ausschmückung des Rittersaals, das heißt, die Herstellung eines friesartigen Cyklus historischer Wandgemälde und die polychrome Herrichtung des genannten Raumes mit Einschluss der Decke, …“ unter der „ausdrücklichen Bedingung jedoch, dass sich der Schlossbauverein verpflichtet, innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren die künstlerische Ausgestaltung der sogenannten Kemenate (Grafensaal) zu übernehmen. Mit dem ausdrücklichen Anspruch, dass der Kunstverein in der weiteren gesamten künstlerischen Ausgestaltung – mit Ausschluss der bereits vergebenen Kapelle - 23 Die Ausmalung der Schlosskapelle übernimmt 1898-1902 Prof. Willy Spatz, Düsseldorf. 24 Clemen war zu dieser Zeit der Landeskonservator für die Denkmäler der Rheinprovinz in Köln. 25 Brief wiedergegeben a.a.O. S. 29-32. 9 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg uneingeschränkt freie Hand bekommt, sollte nach einem erstellten Programm der genannten Akademie-Professoren vorgegangen werden. So war geplant, nach Vollendung der Arbeiten im Rittersaal und der Kemenate möglichst bald in anderen geeignet erscheinenden Räumen der Burg die Sagen des Bergischen Landes darstellen zu lassen. Für den Rittersaal, der Kemenate und dem dazwischen liegenden Vorsaal gedachte der Kunstverein den Schmuck der Räume in einem bestimmten Zusammenhang zu konzipieren. Es sollte nicht nur in der Flächenaufteilung, im Maßstab und im Dekorationsprinzip eine künstlerische Einheit geschaffen werden, sondern diese Dinge waren jeweils in den verschiedenen Räumen in der Einheit eines gedanklichen Rahmens zu sichern. Die Ausschmückung des Grafen- und des Rittersaales hatte hierbei vorzugehen, der verbindende Raum sollte erst danach gestaltet werden. Man war sich mit allen interessierten Vereinen des Bergischen Landes einig, dass im Rittersaal die Heimatgeschichte zur Darstellung zu kommen hatte. Die bergische Geschichte selbstverständlich als die Geschichte des bergischen Volkes und seiner Fürsten in ihren Beziehungen zur engeren Heimat und zu Schloss Burg selbst. Die Unterzeichneten stimmen auch vollkommen der Ansicht bei, dass hierdurch in erster Linie eine große volkserzieherische und begeisterungserweckende Wirkung hervorgebracht werden könne und dass dieser Gesichtspunkt neben dem rein künstlerischen energisch zu betonen sei. Es ist zunächst durchaus nicht die Aufgabe, in solchen Räumen eine Art gemalter Geschichtstabelle zu geben und dem Besucher ein Repetitorium der gesamten Landesgeschichte zu bieten. Die darzustellenden Stoffe müssen in erster Linie künstlerisch auszudrücken und malerisch wirkungsvoll zu gestalten sein. Sodann muss eine natürliche Abwechslung zwischen kriegerischen und friedlichen Thaten und Scenen sich ergeben, um nicht durch Häufung von Darstellungen des höchsten Affektes zu ermüden und zugleich um Ruhepunkte der Schilderung und dadurch ein künstlerisches Gleichmaß zu schaffen.26 Für den Rittersaal sollten Bildthemen gewählt werden, die in engster Beziehung zu Schloss Burg selbst stehen und zum besseren Verständnis sollte das Schloss zuweilen auch im Hintergrund erscheinen. Das in seinen Einzelheiten von der Akademie akribisch geplante Programm enthält zwar feststehende Vorschläge für die Darstellungen in den großen Räumen des Palas, es wird aber zugestanden, dass „der Phantasie des mit der Ausführung zu beauftragten Künstlers keine zu engen Grenzen gezogen werden“. Außerdem dürften sich beim Studium der bergischen Geschichte durchaus …„noch geeignetere Momente finden lassen“. Die Darstellungen würden beim Eingang in den Rittersaal zu beginnen haben, sich in ununterbrochener Folge durch den ganzen Saal ziehen und wieder auf der Wand am Eingang … ihren Abschluss finden. Aus den von verschiedenen Seiten zur Verfügung gestellten Verzeichnissen wichtiger historischer Momente hatte man eine Auswahl getroffen und brachte folgende Darstellungen zum Vorschlag:27 1. Erbauung der Burg; 2. Graf Adolf III. von Berg, im Begriffe zum Kreuzzug aufzubrechen, nimmt auf dem Schlosse von den Seinigen Abschied. 3.Des ermordeten Erzbischofs Engelbert Leiche vor den Thoren von Schloss Burg, wo ihr der Einlass verwehrt wird. 4. Erzbischof Sigfrid von Köln wird nach der Schlacht von Worringen als Gefangener in Schloss Burg eingebracht; 5. Befreiung des Herzogs Wilhelm von Berg auf Schloss Burg durch seine Söhne Gerhard und Wilhelm; 6. Einnahme der Burg durch die schwedischen Truppen; 26 Aus dem Programm des Kunstvereins der Rheinlande und Westfalens. 27 A. a. O. S. 31. 10 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg 7. Scenen aus dem Aufstande der sog. Knüppelrussen in der Nähe von Burg, oder eine andere packende Scene aus der Zeit der Befreiungskriege.“ Für die Malereien würde durch eine in etwa zwei Drittel der Gesamthöhe durchzuziehende Horizontale eine gleichmäßige Zone zu schaffen sein. Die zwischen den Fenstern sich ergebenen Zwickel würden dabei ebenso wie die größeren Felder zu füllen sein. Die Ausfüllung dieser unregelmäßig kleinen Felder stellt zwar schwierige aber künstlerisch ganz besonders lockende Aufgaben. Bei dieser Art der Darstellung würde zugleich der cyklische Charakter am besten festzuhalten sein. Gegenüber dem Rittersaal als Hauptrepräsentationsraum mit Bildern großer geschichtlicher Ereignisse, plante man die Dekoration der Kemenate oder des Grafensaals als eines mehr intimen Wohnraums. Im Grafensaal würde im Gegensatz dazu das Leben der Burgbewohner zur Darstellung kommen. Auf den beiden größeren Wandflächen, die sich für die Malerei darbieten, würden über der Holzverkleidung zwei genreartig zu behandelnde große Festszenen zur Darstellung zu bringen sein: Die Hochzeit der Herzogin Sibylle28 mit dem Herzog Johann von Sachsen und ein Jagdfest unter Kürfürst Johann Wilhelm oder Karl Theodor in oder bei Schloß Burg. Bei diesen Darstellungen würde es sich um prunkvolle, festliche Scenerien handeln, die einen außerordentlich glücklichen Gegensatz und zugleich eine Ergänzung des im Rittersaal dargestellten Cyclus bilden würden. Beide Scenen würden ja als fürstliche Hochzeit und fürstliche Jagd ohne weiteres verständlich sein und einen passenden Hintergrund für kleine Feste, die in diesem Raume gefeiert werden könnten, bilden. Auf den übrigen Wandflächen dieses Raumes, auch in den Zwickeln der den Raum teilenden Pfeilerstellung könnten andere Darstellungen aus dem häuslichen Leben der Burgbewohner, Ritterspiele, Scenen aus dem Frauenleben, Kindererziehung u. v. w. Platz finden, die eine Verbindung zwischen den beiden Hauptbildern herstellen würden. Mit diesen zusammen würden sie das gesamte friedliche Leben der Burgbewohner zur Anschauung bringen. Der Künstler-Wettbewerb zur Gestaltung des Rittersaals Zur Deckung der Kosten für die Malereien im Rittersaal wollte der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen die enorme Summe von 50.000 Mark zur Verfügung stellen. Unter der deutschen Künstlerschaft sollte in einem Wettbewerb der Maler mit dem besten Entwurf gefunden werden. Dafür setzte man ein zusätzliches Preisgeld von 3.000 Mark aus. Daraufhin wurden zwölf Arbeiten eingereicht und bis zum 27. Februar 1898 von einer Kommission des Kunstvereins der beste Entwurf ermittelt. Den ersten Preis erhielt der Düsseldorfer Akademieprofessor Claus Meyer (1856-1919), der mit seinem ehemaligen Schüler Hermann Huisken (1861-1899) einen gemeinsamen Entwurf vorgelegt hatte. Zum Wettbewerb und den eingereichten Arbeiten schrieb ein Journalist in der Zeitschrift `Die Kunst für Alle´, daß beider Entwurf „wohl der ausgereifteste (sei), und was noch fehlt, namentlich an koloristischer Frische, das wird sich in der großen Ausführung wohl nachholen lassen“. Mit einem zweiten Preis wurde Albert Baur jr. (1868-1959) bedacht, dessen Entwurf zwar „viele hübsche Einzelheiten“ enthielte, „aber im ganzen etwas trocken“ wirke. Hinsichtlich der koloristischen Auffassung sei daher eigentlich der nur mit dem dritten Preis ausgezeichnete Entwurf von Ludwig Heupel (1864-1945) vorzuziehen, dessen Komposition jedoch weit weniger ausgearbeitet sei, als dies bei den zuvor genannten der Fall war. Den vierten Preis teilten sich gleichberechtigt die Maler Theodor Rocholl (1854-1933) und Fritz Neuhaus(1852-1922), wobei Rocholls koloristische Auffassung gelobt, jedoch die als zu nachlässig empfundene künstlerische Durchgestaltung von Neuhaus und Rocholl bemängelt wurde. Die übrigen eingereichten Arbeiten wurden zwar als beachtenswert, aber nicht als preiswürdig klassifiziert. „Eine gewisse Lahmheit ist den meisten dieser Entwürfe eigen“ berichtet weiter der Publizist, so daß er nicht einmal die Namen der verbleibenden Teilnehmer erwähnte. (nach Erika Günther 1992)29 28 Sibylle, Tochter des Herzogs Johann von Cleve,*11.7.1512, †21.2.1554, wurde 1527 mit dem späteren Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor. 29 Erika Günther, Historienbilder im Rittersaal von Schloss Burg, in: Romerike Berge Heft 2,1992, S. 16. 11 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Die ausgeschriebene Konkurrenz betreffend der Herstellung der Gemälde des Rittersaals hatte das günstige Ergebnis gehabt, daß der bedeutende Maler Claus Meyer mit seinem Schüler Huisken nach Erhaltung des Preises mit dem Auftrag betraut wurde und nunmehr an [der] Ausführung des Cartons beginnen konnte. Am 15. März war eine Zusammenkunft in Düsseldorf zur Besichtigung der ausgestellten Konkurrenzarbeiten. Dem Maler W. Spatz ist die Ausmalung der Burgkapelle durch das Kultusministerium aus Staatsmitteln übertragen, und wurden im Jahr 1898 die Entwürfe angefertigt. Die beauftragten Maler gehen anscheinend mit größter Freude an die Aufgabe, und dürfen wir in Anbetracht der Leistungsfähigkeit und der Begeisterung für die Sache wohl Hervorragendes erwarten. (G.A. Fischer, Chronik 1890-1902)30 Noch im Jahre 1898 begannen in Burg die Vorarbeiten zur Ausmalung der Wände im Rittersaal, in der Kapelle und in der Ahnengalerie. Nach Maßgabe des Kunstvereins hatte der Schlossbauverein die Vorbereitung des Malgrundes auf den Wänden nach Anweisung zu übernehmen. Dieser bestand aus dem Bewurf mehrerer Putzschichten aus möglichst sehr lange gelagertem eingesumpften Löschkalk. Die letzte, relativ dünne Putzschicht, wurde erst vor dem Malen aufgetragen. Als Kaiser Wilhelm II. Schloss Burg am 12. August 1899 besuchte, konnte man schon auf einige Arbeitsergebnisse der Künstler verweisen: Im Sommer 1899 hatte Professor Claus Meyer die südliche Wand des Rittersaales: „die Erhebung des bergischen Volkes 1813“ vollendet und Professor W. Spatz die nördliche Wand der Kapelle fast fertig gestellt. (Fischer, Chronik 1890-1902)31 Es hatte etwas ungemein Erhebendes, namentlich vom hohen Schlosse aus, den mit 4 Pferden bespannten Wagen mit dem Kaiser nebst Begleiter und den übrigen Wagen bewillkomment von Fanfarenmusik von hoher Schloßterrasse aus, sich den Schlossberg hinaufbewegen zu sehen, und hatte die Begrüßung durch die hervorragenden bergischen Industriellen und die Beamten etwas sehr Feierliches. Nach Ansprache durch Herrn Landrat Königs und Erwiderung des Kaisers nahm seine Majestät die Besichtigung des Schlosses, der Pläne des projektierten Bergfrieds, erläutert durch den Provinzialkonservator Prof. Clemen vor, wonach die Besichtigung der Bemalung von Kapelle und des Rittersaales erfolgte, und schied nach ca. einstündigem Aufenthalt anscheinend sehr befriedigt von der althistorischen Stätte, um sich über Müngsten nach Solingen und Abends nach Essen zu Herrn Krupp zu begeben (Fischer, Chronik 1890-1902).32 Aus Anlass des Besuchs Kaiser Wilhelms stiftete Freiherr v. der Heydt in Elberfeld die Bronzefigur des Grafen Adolf I., die mit einem Brunnen33 an der Treppe im Innenhof aufgestellt wurde. Durch den hohen Besuch, der in allen Zeitungen veröffentlicht wurde, ist Burg überall in Deutschland bekannt geworden. Das hatte den Erfolg, dass die allgemeinen Spenden für das Schloss viel reichlicher flossen. „Man spendete ja nun für das Ahnenschloss des Kaiserhauses.“34 Die Ausmalung des Rittersaals Claus Meyer (August Eduard Nicolaus Meyer) 1856 in Linden bei Hannover geboren, hatte seine Ausbildung in München bekommen und war bis 1895 Lehrer an der Kunstschule in Karlsruhe. Als Nachfolger Wilhelm Sohns wurde er an die Düsseldorfer Kunstakademie berufen. Seine solide Malweise, die virtuose Beherrschung der Münchener Schule und ihres 30 Über einen Vergleich der damals eingereichten Entwürfe aus heutiger Sicht siehe weiter unten. 31 Fischer, Chronik. 32 Fischer, Chronik. 33 Die Figur von F. Couvillier steht noch an der Treppe, das Brunnenbecken ist ersetzt worden. 34 Dirk Soechting, 1983, a. a. O. S. 32. 12 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg beliebten Motivenschatzes verschafften Meyer in Düsseldorf schnell Anerkennung und Popularität. Die Werke Meyers waren von der holländischen Malerei beeinflusst. Er war als Schöpfer zahlreicher intimer Interieurschilderungen bekannt geworden und wurde deshalb Professor für Genremalerei in Düsseldorf.35 Meyer hatte ein breit gefächertes Wissen, besaß den richtigen Blick für große Bildformate und beherrschte die unerlässlichen handwerklichen Kenntnisse der Freskomalerei. Er hatte sich offensichtlich lange vorher auch mit Historienmalerei befasst. Dirk Soechting macht im Romerike Berge auf eines der frühen Bilder Meyers, das mit „Ein schwerer Gang“ betitelt ist, aufmerksam36. Es ist laut Datierung 1879 entstanden und wirkt wie die Vorwegnahme des Freskobildes, das den besiegten Erzbischof von Köln auf seinem Weg in die Gefangenschaft nach Schloss Burg zeigt. Schloss Burg, Rittersaal. Nach der Ausmalung durch Claus Meyer und seiner Assistenten stellte sich der Saal 1906 in dieser Form dar. Der Blick geht nach Süden auf die Tür zum Ahnensaal, darüber das Gemälde der „Bergischen Freiwilligen 1813“ von Huisken. Links die „Ermordung Engelberts“ von Kohlschein und rechts die „Kinderverlobung“ von Meyer. Die Bemalung der Wände bis zum Boden ist noch sichtbar. Aufnahme: Archiv des Schlossbauvereins. Die Ausmalung des Rittersaals zog sich über fast sechs Jahre hin, einer relativ langen Zeit gemessen an der Anzahl der Gemälde. Claus Meyer musste neben dieser Arbeit selbstverständlich seinen Pflichten als Hochschullehrer nachkommen, konnte also nur zwischenzeitlich in Burg arbeiten und das vornehmlich in der warmen, lichtreichen Jahreszeit. Allein schon der Weg von Düsseldorf nach Schloss Burg war umständlich und zeitraubend. Seit 1890 bestand zwar eine Kleinbahn von Wermelskirchen nach Burg, doch der Schlossbauverein beklagte wiederholt die mangelhaften Anschlüsse an die Staatsbahn. Abgesehen von den unangenehmen Begleiterscheinungen, in unterkühlten Räumen und kurzen Tageslichtzeiten a fresko malen zu müssen, kamen verschiedene technische 35 Nach Thieme-Becker. 36 Dirk Soechting, R.B. Heft 1, 1996. 13 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Probleme dazu.37 Bei winterlichen Minustemperaturen stand kein Kalk für den Wandputz zur Verfügung, da sich die Kalklösch- und Lagergruben im Außenbereich befanden und zufroren. Zudem war im ungeheizten Rittersaal das Abbinden des Kalkputzes als Malgrund mit der Reaktion des Farbauftrags bei Untertemperaturen höchst problematisch. Aufgrund der gelungenen Wandbilder, die von 1899-1901 entstanden waren, nahm im September 1901 der Baumeister des Duisburger Rathauses Prof. Ratzel überraschend Kontakt zu Meyer auf. Man wünschte sich zwei große Gemälde zur Stadtgeschichte. Da diese aber termingerecht zur Einweihung des neuen Rathauses in wenigen Monaten fertig sein mussten, gewann Meyer seinen Kollegen Willy Spatz für eine gemeinsame Ausführung. Beide Künstler unterbrachen ihre Burger Arbeiten von September 1901 bis weit ins Jahr 1902 und malten für Duisburgs Rathaus die Historienbilder.38 So gesehen reduzierte sich für Meyer die tatsächliche Arbeitszeit an den Gemälden erheblich. Um vorwärts zu kommen war er auf Assistenten angewiesen, die zumindest den größten Teil der Nebenarbeiten übernehmen konnten39. Die Reihenfolge der Freskenentstehung Der Bildzyklus im Rittersaal ist als Gesamtkunstwerk in historischer Reihenfolge zu sehen und beginnt rechts vom Eingang mit der Erbauung der Burg. Die Bilder sind mit einer Ausnahme alle signiert und datiert, wobei zu ersehen ist, dass die Künstler nicht gemäß der historischen Reihenfolge vorgingen. So ist das große Fresko, das sich thematisch mit dem letzten bergischen Ereignis „aus den Freiheitskriegen“ befasst, schon 1899 – termingemäß für den Kaiserbesuch - zuerst entstanden. Direkt anschließend malte Claus Meyer die „Schlacht bei Worringen“ an die Nordwand des Rittersaals; sie ist mit dem Jahr 1900 datiert. Dieses Gemälde zog Claus Meyer zeitlich vor, um im Raum ausgewogene Verhältnisse zu schaffen. Die gesamte Gestaltung der Nordwand einschließlich der Sockelornamentik stellte Meyer zum Tag der Hauptversammlung des Schlossbauvereins am 5. Juni 1901 der Öffentlichkeit vor. Damit war zum Jahrestag der Schlacht bei Worringen auch das Gemälde zu diesem Thema vollendet. Für den Vorsitzenden Julius Schumacher ein Anlass, „auf die Treue und Tapferkeit der bergischen Bauern in dieser Schlacht“ hinzuweisen In gleichmäßiger Reihe folgten dann die anderen Bilder. Rechts vom Eingang in den Rittersaal, also auf der Ostseite sind alle Fresken 1901 entstanden, während die Bilder der gegenüberliegenden Westseite, soweit sichtbar, alle auf 1903 datiert sind. Aufgrund der Auftragsarbeiten für den Rathaussaal in Duisburg war Meyer 1902 in Burg nicht tätig gewesen. Dort arbeiteten aber Assistenten, die die übrige Raumdekoration im Sockelbereich, Fensterleibungen, Holzdecke und Säulen fassen mussten, was ebenfalls viel Zeit und Aufwand bedeutete. In ihrer künstlerischen Qualität und Aussagekraft treten manche Bilder sowohl in der Thematik, wie auch in der Ausführung deutlich hervor. Sie sind gleichsam Bildschwerpunkte im Raum, die Claus Meyer ganz bewusst als Hauptthemen so auf den Raum verteilt hat, dass sie sich kreuzförmig gegenüberstehen. Dabei nutzt er die unterschiedlich großen Wandflächen, die sich aus der Architektur des Raumes ergeben. Um die gedankliche Abfolge der Bilder im Raum nachvollziehen zu können, soll zunächst auf die dargestellte historische Reihenfolge eingegangen werden. Der Autor J. Christof Roselt, einstiger Leiter des Schlosses, der das Konzept „Burgmuseum des Mittelalters“ begann, 37 Siehe dazu auch die Technik der Freskomalerei im Exkurs. 38 Zu den Duisburger Arbeiten siehe auch weiter unten S. 30. 39 Siehe auch die Technik der Freskomalerei im Exkurs. 14 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg 15 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg erklärt in einem seiner Führer durch Schloss Burg:40 Die Folge beginnt mit der Erbauung der Burg 1133 und führt über den Auszug zum Kreuzzug 1217, die Ermordung Engelberts II. 1225, die Schlacht bei Worringen 1288, die Gefangenschaft Herzog Wilhelms 1402, die Kinderverlobung 1496, die Teilzerstörung der Burg 1648. Das abschließende Bild versetzt den Betrachter in die Zeit der Befreiungskriege. Claus Meyer hat die meist kriegerischen historischen Ereignisse in toniger Freskomalerei im Stil der Düsseldorfer Malerschule der Jahrhundertwende wiedergegeben. Kaminwand: Bild 1. Erbauung der Burg durch Graf Adolf von Berg (um 1118). Neben dem Grafen, sein Bruder der Zisterziensermönch Eberhard; beide gründeten das Kloster Altenberg. Im Hintergrund der Architekt G. A. Fischer, der den 1890 begonnenen Wiederaufbau von Schloss Burg leitete. Bild 2. Auszug zum Kreuzzug 1217. Mehrere bergische Grafen – als letzter Adolf III. - zogen als Kreuzfahrer ins Heilige Land und kehrten von dort nicht zurück. Adolf III. fiel 1218 vor Damiette in Ägypten. Bild 3. Ermordung Engelberts. Graf Engelbert II., der jüngere Bruder und Nachfolger Adolf III., war der größte und zugleich letzte unter den altbergischen Grafen. Er wurde 1225 als Vierzigjähriger das Opfer einer Adelsverschwörung unter seinem Vetter Friedrich von Isenburg; das Bild stellt Engelberts Ermordung in einem Hohlweg bei Gevelsberg dar. Bild 4. Dem Leichnam Engelberts wird der Einlass in die Burg verweigert – aus Furcht der Besatzung vor dem neuen Herrscher Heinrich von Limburg, der als Gemahl der bergischen Erbtochter Irmgard (Tochter Adolfs III.) von Engelbert ausgeschaltet worden war. Der Leichnam musste zu den Zisterziensern nach Altenberg gebracht werden; die Beisetzung erfolgte im Kölner Dom. Stirnwand: Bild 5. Schlacht bei Worringen 1288. Gegen den herrschsüchtigen Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg hatten sich mehrere Fürsten des Niederrhein- und Maasgebietes verbündet. In der Schlacht bei Worringen, an der auch der bergische Graf Adolf V. aus dem Hause Limburg und mit ihm die bergische Ritter- und Bauernschaft teilnahm, wurde die Übermacht des Erzbischofs vernichtend geschlagen; er selbst wurde gefangen genommen. Die Machtfrage am Niederrhein war zugunsten der bergischen Grafen entschieden. Westliche Fensterwand: Bild 6. Rückkehr der Sieger aus der Schlacht bei Worringen nach Schloss Burg. – Erzbischof Siegfried wird als Gefangener mitgebracht. Bild 7. Befreiung Herzog Wilhelms. Wilhelm II. aus dem Hause Jülich war 1380 von Kaiser Wenzel zum Herzog erhoben worden und hatte darauf Düsseldorf zur Hauptstadt seines Landes gemacht. Nach dem unglücklichen Ausgang der Schlacht von Cleverhamm wurde er von seinem ältesten Sohne Adolf abgesetzt und auf Schloß Burg in Gefangenschaft gehalten; das Bild zeigt die Befreiung des greisen Herzogs durch seine Getreuen aus dem Burgverlies. (1404). Bild 8. Die Verlobung der fünfjährigen Maria von Jülich-Berg mit dem sechsjährigen Johann von Kleve-Mark im Jahre 1496 auf Schloss Burg. Die frühzeitige Bindung der beiden erbberechtigten Kinder leitete die spätere Vereinigung von Jülich-Berg mit Kleve, Mark, Ravensberg und Ravenstein zu einem großen, den ganzen Niederrhein umfassenden Herzogtum ein. Unter der Regierung des hier als Knaben 40 Roselt, J. Christof, Führer durch Schloss Burg an der Wupper und das Bergische Museum, Remscheid. O. J., siebente Auflage. 16 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg dargestellten Herzogs Johann III. erlebte das Land politisch, wirtschaftlich und kulturell eine bedeutende Blütezeit. Bild 9. Die Schweden vor der Burg. Jülich und Berg - inzwischen dem Hause Pfalz-Neuburg zugefallen – erlebten die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges, und auch Schloß Burg hatte unter der Belagerung durch die Schweden und beim späteren Abzug der kaiserlichen Truppen schwer zu leiden. Mit der Beschießung und Zerstörung der Befestigungsanlagen wurde der Verfall der Burg eingeleitet. Eingangswand: Bild 10. Ausmarsch der Freiwilligen des Bergischen Landes zur Zeit der Befreiungskriege. Nach den Jahren der napoleonischen Herrschaft leitete der Krieg 1813/14 eine neue Phase der Geschichte des Bergischen Landes ein, das 1815 an Preußen fällt.“ Schloss Burg, Rittersaal. Blick nach Süden. Foto der Verfasser 2006 Beschreibung der Fresken und Einordnung in die Geschichte des Bergischen Landes J. Christof Roselt musste sich mit seinen Beschreibungen im Schlossführer kurz fassen, doch die knappe Darstellung der Bilder lässt sich mit dem entsprechenden Einblick in die Geschichte von Berg wesentlich erweitern. Dabei wird deutlich, wie ernsthaft sich die Künstler der Düsseldorfer Malerschule mit der Geschichte und den darin hervortretenden Personen des Bergischen Landes befasst haben. Besonders auf der Kamin- oder Ostseite des Rittersaals gelang es, die dargestellten Geschichtshandlungen chronologisch miteinander zu verketten. Mithilfe einer Stammtafel der Hauptlinie Berg41 sind die einzelnen historischen Persönlichkeiten problemlos wiederzuerkennen. Dagegen führen falsche Angaben auf dem Schriftzug des später eingebauten Holzsockels bei den ersten zwei Bildern zu Irritationen. 41 Siehe: Laute, Hansjürgen. Die Herren von Berg, Solingen 1988 im Exkurs. 17 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Claus Meyer hat es verstanden, einen wichtigen Augenblick im Leben der geschichtlichen Gestalten festzuhalten. Zur Steigerung der Glaubwürdigkeit komponierte er die historischen Begebenheiten in die Kulisse von Schloss Burg ein. Die im Vordergrund agierenden Personen waren Zeitgenossen Meyers und haben einen authentischen Bezug zum wiedererstandenen bergischen Schloss; ihre Gesichter besitzen Portraitcharakter. Die Art der Darstellung erinnert an einen im preußischen Königs- bzw. Kaiserhaus auf Festen sehr beliebten Brauch. Angehörige, Würdenträger und Freunde des Kaisers kleideten sich in historische Gewänder und bildeten unter Anleitung von Künstlern so genannte „Lebendige Bilder“, in denen historische Szenen nachgestellt wurden. Der Hauptzweck war, „Seiner Majestät damit eine Freude zu bereiten“.42 Diese Veranstaltungen hatten Tradition; so gab der Romantiker Friedrich Wilhelm IV. auf Schloss Stolzenfels bei Koblenz nach 1836 viele Empfänge zu denen man in mittelalterlichen Kostümen erschien. Eine ähnliche Darstellungsweise nutzte man in historischen Umzügen, die man vom 19. bis weit ins 20. Jahrhundert hinein vielerorts veranstaltete. Claus Meyer und seine Malerkollegen übernahmen dieses Prinzip in ihre Wandbilder, indem sie den historischen Personen Gesichtsstudien nach der Natur gaben und damit Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit der Darstellung steigerten. Bild I „Die Erbauung der Burg“ Bild 1. Claus Meyer, „Erbauung der Burg“. Eine Szene, wie sie sich um 1140 zugetragen haben könnte. Graf Adolf II. mit seinem Bruder, dem Zisterziensermönch Everhard und seinem Sohn Adolf im Hintergrund. Foto der Verfasser 2006 42 Carl Emil Doepler, ein Maler der Preußen, hatte eine große Zahl solcher „Bilder“ am Hof kreiert. Er beklagt sich in seinen Erinnerungen über den unmäßigen Zeitaufwand für die kurzlebigen Lebendigen Bilder, deren Vorbereitung ihn mehr Mühe kostete als seine Malereien. 18 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Das erste Bild im Rittersaal versetzt den Betrachter ins 12. Jahrhundert. Als Zeitpunkt der Szene werden allgemein die Jahreszahlen 1118 - Gründung Schloss Burgs, bzw. 1130 –Übergabe der Alten Burg an die Zisterzienser -- genannt. In der eingeschnitzten Schrift darunter ist fälschlich der Name Graf Adolf I. zu lesen. Diese Szene wird sich aber erst später abgespielt haben. Abgesehen von dem zurückstehenden sehr alten Mann in seinem kostbaren warmen Wollmantel, sind die beiden Männer in Vordergrund ebenfalls bereits als „im vorgerückten Alter“ zu bezeichnen. Es sind Graf Adolf II. und sein wenig jüngerer Bruder Everhard, die sich mit dem Fortgang der Bauarbeiten an ihrer Neuen Burg befassen. Setzt man das Alter der beiden auf über 50 Jahre an und denkt an ihre Geburtszeit um 1090, so dürfte sich diese Szene nach 1140 zugetragen haben. Bis 1145 rüstet sich Adolf II. zum Kreuzzug, aus dem er zwar zurückkehrt, jedoch seinen ältesten Sohn Adolf vor Damaskus verliert. Dieser Hoffnungsträger wartet auf dem Bild mit seinem Waffenlehrer im Hintergrund. Zu dieser Zeit war er etwa siebzehn Jahre und steht hier lässig in vornehmer Kleidung mit Kapuze und Pelerine, die Hand am Schwertknauf. Claus Meyer, Detail aus der „Erbauung der Burg“. Porträtiert sind hier Friedrich von Schmidt und hinter ihm Gerhard August Fischer. Der Träger der Mönchskutte ist bislang unbekannt. Die beiden Hauptpersonen sind ins Gespräch vertieft, ihr Blick richtet sich auf den im Bau halb aufgeführten Torturm. Die Person, die die Hand wie zur Erklärung hebt wird Bruder Everhard sein, als Zisterziensermönch vermutlich mit Bauaufgaben befasst. Es ist wohl ein Hinweis, dass Laienmönche des Klosters Altenberg als Steinmetze und Maurer maßgeblich am Ausbau der neuen Burg mitgearbeitet haben. Graf Adolf II. hält auf der Zinne ein 19 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Zeichenblatt vor dem Wind fest, das mit einem Spitzmeißel beschwert ist. Darauf ist ein Grundriss zu erkennen, offensichtlich aus der Hand des greisen Baumeisters, der zwar zurücksteht aber aufmerksam das Gespräch der Brüder verfolgt. Claus Meyer hat dieser Person das Porträt des Baumeisters Gerhard August Fischers verliehen, und damit dem Architekten des Wiederaufbaus von Schloss Burg ein Denkmal geschaffen. Doch nicht nur seiner wird hier gedacht, sondern auch Friedrich Freiherr von Schmidt, der in der Person des Grafen Adolf II. von Berg zu erkennen ist. Der Berufsweg dieses Baumeisters begann als Steinmetz an der Dombauhütte in Köln und ist als steile Karriere bis zum Lehrstuhl für Architektur in Mailand und Wien zu verfolgen, wo auch sein Hauptwerk der Rathausbau entstand. Für die Neugotik war er einer der Architekturpäpste, nach dessen Regeln auch G. A. Fischer seine Bauten plante. Auf dem Wandbild liegt vor ihm das Werkzeug „Spitzmeißel“ und er selbst legt seine Hand auf den Plan einer gotischen Kirche - ein untrügliches Indiz für den Steinmetz Schmidt. Der Dritte in der Fachrunde, als Mönch Everhard mit weißer Kutte der Zisterzienser, ist nicht mehr bekannt. Doch dürften seine charakteristischen Gesichtszüge ebenfalls auf einen Zeitgenossen zurückzuführen sein. Die aufgeführten Mauern, des hier sichtbaren Teils der Burg sind aus heimischer Grauwacke, die nur als Bruchstein zu verbauen ist. Trotz der Unregelmäßigkeit hat dieses Material einen besonderen Reiz, was auf dem Gemälde sehr schön deutlich wird. Mauerecken und Bogensegmente zeigen als architektonische Glieder romanische Formen. Man führte sie in Sandstein aus, der auch schon damals vom Siebengebirge heran geholt werden musste. Die Bauphase am Tor zeigt gerade die noch offen liegenden Kragsteine der entstehenden Pechnase über dem Torbogen. Meyer malte in den Schlussstein des Bogens das Wappen der Herren von Berg mit der Doppelzinne. Von Everhard ist überliefert, dass er 1143 der erste Abt des Zisterzienserklosters St. Georgenberg, des späteren Georgenthal im Thüringer Wald wird. Die hier festgehaltene Begebenheit dürfte sich also im Zeitfenster 1140-43 zugetragen haben; denn danach trennen sich die Wege der Brüder. Um 116043 entschließt sich auch Adolf II. in den Zisterzienserorden einzutreten, er wird Mönch in seiner Klostergründung Altenberg. Es ist vorstellbar, dass Altenberg damals enge Beziehungen zum Kloster Georgenthal pflegte. Nachdem Adolfs ältester Sohn Opfer des Kreuzzuges 1148 wird und zwei seiner Söhne in den geistlichen Stand treten, überlässt er die Grafschaft Berg mit dem Eintritt ins Kloster Altenberg seinem Sohn Engelbert I. Bild II „Aufbruch zum Kreuzzug“ Man erklärt das Bild zuweilen stellvertretend für alle kreuzfahrenden bergischen Grafen. Im Gemälde handelt es sich aber nicht, wie auf dem Schriftzug darunter zu lesen, um Adolf III. im Jahre 1217. Die Darstellung weist in ihren Einzelheiten auf Vorgänge bei der vorhergehenden Generation hin. Es sind Engelbert I. und seine Frau Margarethe von Geldern, die sich hier zu Beginn des Dritten Kreuzzugs im Frühjahr 1189 trennen müssen. Im Gesicht der jungen Frau steht die Vorahnung, dass sie ihren Mann nie mehr wieder sehen wird. Der Überlieferung nach wird Engelbert schon wenige Wochen später – Anfang Juli 1189 – bei Kovin44 in Serbien erschlagen45. Möglicherweise kommt er dort aber infolge eines Unfalls 43 In Altenberg nennt man schon 1137 seinen Eintritt ins Kloster. (?) 44 Kovin, Stadt in Serbien südöstlich von Belgrad an der Donau gelegen. 45 Laute, a.a.O. S. 15. 20 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg bei der Überquerung der Donau um. Er lässt seine Frau mit dem zu dieser Zeit etwa vierzehnjährigen Adolf, der jüngeren Tochter Gisela und dem vierjährigen Engelbert zurück. Adolf wird daraufhin 1189 noch minderjährig als Adolf III. zum bergischen Regenten ernannt. Im Jahre 1217 geht er selbst auf einen Kreuzzug, der nach Anordnung des Papstes per Schiff bis Ägypten und von dort nach Jerusalem führen soll. Seine Reise beginnt er von Bensberg aus, doch 1218 ereilt ihn der Tod als Anführer des deutschen Heeres bei der Belagerung von Damietta am Nildelta. Er hinterlässt seine Grafschaft der nicht näher bekannten Frau Berta mit der Tochter Irmgard als einziger Erbin. Diese hatte noch zu Lebzeiten ihres Vaters den Limburger Herzog Heinrich geheiratet. Würde sich das Wandgemälde auf Adolf III. beziehen, müsste es seine Frau Berta mit der erwachsenen und zu dieser Zeit bereits verheirateten Tochter Irmgard zeigen. Claus Meyer stellt in seinem Historienbild aber eindeutig Margarethe von Geldern, die Gattin Engelberts I. dar. Der kleine Junge, der sich in die Falte ihres Mantels klammert, ist der vierjährige Sohn Engelbert, der einmal als Erzbischof von Köln der mächtigste Mann nach dem Kaiser im Reich werden sollte und die Geschichte weitaus stärker prägte als sein Bruder Adolf III. Bild 2. Claus Meyer 1901. „Auszug zum Kreuzzug“. Der Blick geht von der Galerie des alten Palas der Burg auf die ausziehenden Kreuzritter, voran Engelbert I. – zurück bleibt Margarethe mit ihrem jüngsten Sohn Engelbert. Zusammengesetzte Aufnahme der Verfasser 2006 21 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Die Szenerie zeigt den Blick durch die Bogengalerie von Schloss Burg nach Norden. Es ist die Stelle des romanischen Palas der ersten Burg, den der Baumeister Fischer hier vermutet und auf seinen Plänen rekonstruiert hat. Bei der Darstellung der Architektur lässt er sich von den Arkaden des Sängersaals der Wartburg inspirieren. Die junge Frau, hier in der Rolle Margarethes von Geldern, begegnet uns als Modell noch auf weiteren Bildern des Rittersaals. Das Freskobild, das vom Kamin aus mit zwei Zwickelflächen ein Fenster umrahmt, ist sinngemäß als Vorgeschichte des nächsten Bildes gedacht, der Fluchtszene des Kölner Erzbischofs Engelbert I. und Grafen Engelbert II. von Berg, die letztlich mit seiner Ermordung endet. Bild III „Die Ermordung Engelberts II. von Berg“ Bild 3. Hans Kohlschein 1901. „Die Ermordung Engelberts II. von Berg.“ Die Szene zeigt den Kölner Erzbischof Engelbert, der im Hohlweg bei Gevelsberg seinen Mördern zu entkommen sucht. Aufnahme der Verfasser 22 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Das dritte Gemälde hat aber eine weitere, umfangreiche Vorgeschichte, deren Erwähnung für die Künstler der Düsseldorfer Malerschule von großer Bedeutung ist. Claus Meyer arbeitete bekanntlich mit Assistenten an der Ausmalung des Rittersaals. Dies waren Schüler der Kunstakademie, die sich als Düsseldorfer Malerschule in der Vergangenheit einen Namen gemacht hatte. Mit seinem ehemaligen Schüler aus der Akademiezeit in Karlsruhe und jetzigen Kollegen Hermann Huisken, hatte Meyer die Vorlagen zum Wettbewerb erarbeitet. Huisken wurde sofort eigenverantwortlich in Burg mit eingesetzt, erkrankte dann aber schwer und starb noch 1899. Sein Bild aus der napoleonischen Zeit konnte er nicht mehr fertig stellen. Unter den Assistenten Meyers kristallisierte sich schon zu Beginn der Arbeiten in Burg ein viel versprechendes Nachwuchstalent heraus: der damals gerade zwanzigjährige Hans Kohlschein, der aus einer Düsseldorfer Künstlerfamilie stammte. Hans Kohlschein hatte sich schon als Jugendlicher mit großen Bildformaten und historischen Themen befasst und erarbeitete sich in Schloss Burg das Rüstzeug zur traditionellen Freskomalerei. Meyer lernte bald die Leistungen seines Meisterschülers Kohlschein zu schätzen; denn dieser hatte die Gabe, sich ganz auf die künstlerische Handschrift, die Formen- und Farbenwahl seines Lehrers einzustellen46. Es ist wahrscheinlich, dass Kohlschein bestimmte Teile nach den vorbereiteten Kartons ausführte. Dies betrifft insbesondere die Pferdedarstellungen, vermutlich aber auch verschiedene Portraits, die in den Wandbildern zu finden sind. Hans Kohlschein 1901. Links aus dem Fresko „Ermordung Engelberts“ rechts aus der Studie „Angriff zu Pferde in der Schlacht bei Warburg“ Aufnahme der Verfasser und Abb. Archiv Kohlschein, Dortmund. Die Künstler erwogen, aufgrund noch freier Wandflächen das Themenfeld über die Vorschläge des Rheinischen Kunstvereins und den bisherigen Wettbewerbsvorlagen hinaus zu erweitern. Man hatte ihnen zugestanden „der Phantasie des mit der Ausführung zu beauftragenden Künstlers keine zu engen Grenzen [zu ziehen]“. Als Weiterführung der Geschichte nach dem Abschied zum Kreuzzug und zum bereits feststehenden Thema des ursprünglichen 3. Bildes, „Des ermordeten Erzbischofs Engelbert Leiche vor den Thoren von 46 Zum Vergleich, die 1903 erstellten Fresken Kohlscheins in der Villa Elmendorf. 23 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Schloss Burg, wo ihr der Einlass verwehrt wird“, ergab sich als „geeignetes Moment aus dem Studium der bergischen Geschichte“ das entsprechende Vorspiel: Der Geschichte nach wurde der Kölner Erzbischof Engelbert von Berg in einem Hohlweg zwischen Gevelsberg und Schwelm das Opfer einer Adelsverschwörung unter seinem Neffen Friedrich von Isenburg. Engelbert war auf der Reise von einem Soester Gerichtstag nach Köln, hatte bei seiner Schwester Gisela im Kloster Oelinghausen47 übernachtet und befand sich auf dem Weg zu einer Kirchenweihe in Schwelm, bevor er mit den Dienstmannen sein heimatliches Schloss Burg erreichen konnte. Der Bericht des Chronisten und die daraus erfolgte künstlerische Wiedergabe dieses dramatisch-historischen Geschehens verlangten, Engelbert und seine Meuchelmörder hoch zu Ross darzustellen. Pferde- und Reiterszenen gehörten aber bei aller Begabung Meyers nicht zu dessen bevorzugten Bildmotiven. Kohlschein dagegen hatte sich von jeher mit Pferdestudien aller Art befasst und auch schon im 1900 vollendeten Gemälde der „Schlacht bei Worringen“ diverse Pferde in den Bildteilen ausgeführt. Meyer besaß den notwendigen Großmut und außergewöhnlichen Weitblick, seinem Meisterschüler die Engelbertszene zur freien Gestaltung und Ausführung zu überlassen. Seine Entscheidung sollte sich auszahlen; denn die zeitgenössische Kritik nahm das Gemälde mit überwältigendem Lob auf. Das von Hans Kohlschein geschaffene Fresko gibt die Flucht Engelberts vor seinen Mördern wieder. Er versucht durch den engen Hohlweg zu entkommen, wo die Verfolger ihn zunächst nicht überholen können. Wie berichtet, trägt er den schwarzen Mantel, der ihm letztlich zum Verhängnis gereicht; er wird damit vom Pferd gerissen. So wie Kohlschein das Ereignis darstellt, hat er sich vorher eingehend mit dem Tathergang befasst; denn das Gemälde folgt genau der Schilderung des Mönchs Caesarius von Heisterbach.48 Die Begeisterung der Kritiker lässt sich auch heute noch nachvollziehen. So erwähnt Erika Günther die Engelbertszene anerkennend in ihrem Bericht: „Im Wesentlichen richtete sich Meyer [sic!] nach dem Vorschlag der Gutachterkommission. Hinzugefügt wurde von ihm die dramatische Schilderung des Überfalls auf Erzbischof Engelbert, wobei der Geistliche sein Pferd zum Äußersten treibt, um der ruchlosen Tat zu entkommen“.49 Tatsächlich entfaltet die Ermordung Engelberts eine Dynamik und Dramatik, wie sie auf keinem andern Gemälde im Rittersaal zu finden sind. Dieses Bild wird – wie gerade zitiert - heute aber als ein Werk Claus Meyers angesehen und traditionell als ein Glanzstück seines Schaffens in den Veröffentlichungen über Schloss Burg herausgestellt.50 Dass diese Zuschreibung so aber nicht stimmen kann, lässt sich mit den Arbeiten Kohlscheins belegen. Die größte Ähnlichkeit mit dem Burger Fresko weist eine aquarellierte Federzeichnung Kohlscheins auf, eine Studie, die 1901 entstanden ist. In diesem „Angriff zu Pferde“ aus der Schlacht bei Warburg im Siebenjährigen Krieg51 ist das voranjagende Pferd praktisch identisch mit dem in der Burger Darstellung. Hier zeigt sich seine Virtuosität nicht nur in allseitiger meisterlicher Beherrschung solcher Darstellungen, sondern verdeutlicht auch, dass er die Dramatik seiner Pferdeszenen zur Höchstform steigern konnte. Das Ungestüme der Szene ist nicht zu übertreffen. Kohlschein nutzt in diesen Bildern die Mittel der Psychologie. Im „Angriff zu Pferde“ fühlt sich der Betrachter instinktiv bedroht von den rechts vorpreschenden Reitern und möchte ihnen ausweichen. Obwohl eine im Prinzip ähnliche Szene, empfindet man die Flucht Engelberts 47 Das ehemalige Prämonstratenserkloster Oelinghausen hielt die Begebenheit der Ermordung Engelberts wach. 48 Der Mönch Caesar von Heisterbach, zeitgenössischer Chronist der Vita Engelberti. Vgl. Exkurs. 49 Erika Günther, a. a. O. S. 17. 50 Dirk Soechting, R.B. Heft 2, 1983, Katalogabbildungen 51 Die Zeichnung „Angriff zu Pferde“ (L70, 45x65, Tusche/Feder) ist zwar unsigniert, stellt die Vorzeichnung zur Schlacht bei Warburg dar (L73, 66x90, Öl/Leinwand), signiert Hans Kohlschein 1902. Privatbesitz Warburg. 24 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg ganz anders. Unwillkürlich gibt man dem von oben links nach rechts Vorbeijagenden den Weg frei. Auch wenn sich dieses Wandbild nahtlos in den Freskenzyklus einordnet, unterscheidet sich Kohlscheins Darstellungsweise grundlegend von den anderen Wandgemälden. Er weiß die Szene durch radikale Vereinfachung auf die wichtigen Dinge zu beschränken, abstrahiert die Umgebung und steigert damit das Tempo der Agierenden. Es ergibt sich der Effekt der „mitgezogenen Kamera“, den man erst Jahrzehnte später für die Sportfotografie wieder entdecken würde. Kohlscheins Farbenwahl ist wesentlich eng gefasst, er verwendet ungebrochene Farbtöne, die in grellen Kontrasten gegeneinander gesetzt sind. Verbindungen von Gelb und Rot dominieren zur expressiven Steigerung des dramatischen Geschehens. Der deutliche Einsatz von Violett lässt eine Hinwendung zum Jugendstil erkennen. Hans Kohlschein übertrifft in diesem Gemälde seinen Lehrer Claus Meyer, dessen Burger Bilder sich schon ansatzweise von den offiziellen Kunstvorstellungen lösen. Erst diese Engelbertszene weist konsequent einen Weg aus der akademisch erstarrten nationalen Malerei, die bisher mit der Unterstützung des kaiserlichen Hofes propagiert wurde. Ganz im Gegensatz zu allen anderen Gemälden im Rittersaal blieb dieses Bild jedoch unsigniert. Auch unter dem 1920 vorgebauten Holzsockel wird man vergeblich einen Namen suchen. Nach den Erinnerungen der Familie Kohlschein,52 forderte Claus Meyer seinen Schüler bei der Vollendung der Engelbertszene auf, seinen Namen darunter zu setzen. Hans Kohlschein lehnte dieses aber mit der Begründung ab, dass allein sein Lehrmeister mit den Arbeiten im Rittersaal Schloss Burgs beauftragt sei. Es war Kohlschein als Assistenten und Meisterschüler der Akademie nicht gestattet, an diesem Ort seine Unterschrift zu hinterlassen. Er musste sich den Regeln der Akademie fügen. Aus Solidarität und Respekt vor der Leistung seines Schülers hat Meyer das Bild ebenso nicht signiert. Es blieb bei dieser internen Regelung der Künstler, die in Burg kaum beachtet wurde und in Vergessenheit geriet.53 Eine frühe Bestätigung von Kohlscheins Urheberschaft auf die Engelbertszene ist im Schlossführer von 1906/07, dem ersten umfassenden Buch über Schloss Burg nachzulesen. Sein Verfasser, der Museumsleiter Rudolf Roth54 schreibt auf Seite 41: „Bild III: Ermordung Engelberts von Berg, … (Ausgeführt nach dem Entwurf Claus Meyers durch seinen Schüler Hans Kohlschein).“ Die Bestätigung dieser Aussage findet sich in einer Entwurfszeichnung Claus Meyers, die sich heute in Privatbesitz in Köln befindet. Die Malerei in der Größe 65 x 110 cm dürfte in Wasserfarben ausgeführt worden sein. (s.u.) In der Erinnerung der Freunde und Malerkollegen blieb diese Begebenheit auch nach dem Tode Kohlscheins am 28. Dezember 1948 lebendig. Schon in der Rede zu seinem 70. Geburtstag am 5. März 1949 in Warburg, der Heimat seiner Familie, wird auf die eigenständige Arbeit in Burg hingewiesen. Auch der Lebenslauf zu seiner Düsseldorfer Gedächtnisausstellung von 1952 verweist ausdrücklich auf die Malerei in Schloss Burg.55 Im Dezember 1957 erschien in den Düsseldorfer Malkastenblättern ein Aufsatz des Historikers Dr. August Dahm. Unter dem Titel „Berühmte und bemerkenswerte Mitglieder des Künstlervereins Malkasten“ ist über Hans Kohlschein zu lesen: „…Es traf sich günstig, daß Claus-Meyer (1897) bei dem Wettbewerb um die Ausmalung der fürstlichen Residenz in Schloss Burg den großen Auftrag erhielt, die Wandgemälde im Rittersaal auszuführen. Claus-Meyer zog den jungen Künstler [Kohlschein] mit heran; nicht nur dies, er 52 Auf diese Darstellung des Sachverhalts hat der jüngere Bruder Edmund Anton Kohlschein, der bis 1996 lebte, mehrfach hingewiesen. Nach freundlicher Auskunft von Birgitta Landsberg, einer Enkelin des Künstlers. 53 Den Autoren von Schloss Burg entsteht deshalb keinesfalls ein Vorwurf. 54 Rudolf Roth, Schloß Burg an der Wupper, a. a. O. S. 41. 55 Vgl. Zur Gedächtnisausstellung Professor Hans Kohlschein im Kunstverein v. 11.5.- 8.6.1952 in Düsseldorf. 25 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg gestattete ihm, eines der Bilder selbst zu entwerfen und auszuführen. Es ist dies nicht eines der großen, jedoch lebendigsten Bilder, das den Überfall Engelberts von Berg, des Erzbischofs von Köln, im Hohlweg zu Gevelsberg am 7. November 1225 darstellt. Claus-Meyer verstand sich weniger auf Pferde, mehr dagegen sein Schüler. Prachtvoll, wie Engelbert auf stürmendem Roß dem ihm nachsetzenden Mörder zu entfliehen sucht. Den jungen Künstler mochte es mit berechtigtem Stolz erfüllen, daß er mit so bedeutenden Malern wie Claus-Meyer und den mit der Ausmalung weiterer Säle beauftragten Peter Janssen, H. Huysken, A. Schill und W. Spatz in gemeinsamer Arbeit tätig sein durfte.“56 Im Jahr 1902, als Meyer seine Maltätigkeit in Burg unterbrach, begann Hans Kohlschein die Wandbilder „Aus Goethes Faust“ in der Villa Elmendorf in Isselhorst, für die er im folgenden Jahr den 1. Preis der Stiftung für Freskomalerei erhielt. Er bleibt aber nach dieser Unterbrechung bis 1903 als Assistent Meyers tätig. Claus Meyer. Entwurf zur „Ermordung Engelberts“ Malerei in Wasserfarben Größe 65 x 110 Privatbesitz in Köln Der Entwurf Meyers zur Ausführung Kohlscheins lässt einige Aussagen zu. Der Lehrer Claus Meyer überlässt einen eigenen Entwurf seinem Schüler Kohlschein und beauftragt ihn, nach persönlichen Vorstellungen das Fresko auszuführen. Hans Kohlschein übernimmt die Szenerie Meyers im Prinzip, versetzt und ergänzt aber die Staffagefiguren. So findet sich der verfolgende Reiter von Meyer im Wandbild wieder, doch Bewegung und Spannung sind deutlich gesteigert. Die Hauptfigur, den fliehenden Engelbert, schafft Kohlschein neu. Er lässt ihn mit seinem Ross aus tieferer Perspektive und damit wesentlich dynamischer auf uns zujagen. Sein Pferd - jetzt ein Schimmel ohne Mantel, gelingt Kohlschein in der gehetzten Bewegung muskulös und kraftvoll. Auch die Person des damals 40-jährigen Engelbert ist glaubwürdiger in Aussehen, Gestik und Haltung wiedergegeben. Für die Kunstgeschichte ist dieses Entwurfsblatt bedeutend, weil es neben der Kinderverlobung die einzige noch erhaltene Vorzeichnung Claus Meyers zur Gestaltung des Rittersaals von Schloss Burg ist. 56 Dahm, August, Hans Kohlschein, in Düsseldorfer Malkastenblätter, 12/1957 26 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Bild IV „Dem Leichnam Engelberts wird der Einlass in die Burg verweigert“ Bild 4. Dem Leichnam Engelberts wird der Einlass in die Burg verweigert. Foto der Verfasser Im 4. Bild auf der Ostseite des Rittersaals zeigt sich die neue politische Lage in der Grafschaft Berg. Das, was der Graf und Erzbischof Engelbert unter allen Umständen vermeiden wollte, war durch seinen vorzeitigen Tod eingetreten. Der Ehemann seiner Nichte Irmgard, der Tochter des in Ägypten umgekommenen Bruders Adolf III. stand vor seinem Machtantritt. Aus Angst, beim neuen Landesherrn Heinrich von Limburg gleich in Ungnade zu fallen, ließ die Besatzung von Schloss Burg die Zugbrücke oben und verweigerte den Einlass. Die Szenerie zeigt das Ereignis auf der Rampe zur Zugbrücke am Haupttor, wo vier Männer den toten Engelbert auf einer Bahre am Anfang eines Zuges tragen. Sie haben das schwarze Leichentuch zurückgeschlagen, so dass für die Torbesatzung das Gesicht ihres toten Burgherrn erkennbar ist. Doch dem Leichenzug bieten sich verschlossene Mauern und der Blick auf die abweisende Unterseite der hochgezogenen Zugbrücke. Auf Rufe und die Gestik des berittenen Truppführers reagiert oben hinter der Mauerzinne lediglich ein Mann, der sich aber nicht auf Diskussionen einlässt. Entsetzt stehen die Männer dem Schweigen der Burg gegenüber; ungläubig drängen die hinteren nach vorn und recken erwartungsvoll die Köpfe. Einer von ihnen ist wahrscheinlich bei dem Gevelsberger Überfall selbst verletzt worden. Mit durchgebluteter Binde am Kopf lehnt er sich ermüdet an die Rampenbrüstung und stützt sich auf einen Stock. Dienstmannen scheinen die Männer des Leichenzuges nicht zu sein; denn sie tragen einfache, teils bunte Kleidung. Nachdem die bewaffneten Gefolgsleute ihn am Gevelsberger Hohlweg verlassen hatten, trug wohl das Landvolk seinen erschlagenen Herrscher heim. Doch jetzt – vor verschlossenem Tor seines eigenen Hauses - stand ihnen noch ein weiter Weg bevor; der Leichnam musste zu den Mönchen nach Altenberg gebracht werden. 27 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Das Gemälde zeigt die bedrückende Situation einer verlorenen Gruppe vor der abweisenden Szenerie der Burgmauern. Das Pferd in der Mitte des Bildes ist deutlich in die Stimmung mit einbezogen und lässt müde den Kopf hängen. Das Fresko ist von Claus Meyer mit „Cl. M. 1901“ signiert, doch vermutlich hat Hans Kohlschein diesen Bildausschnitt gemalt. Unter seinen Skizzen befinden sich Pferde in der typischen Haltung, wie sie zuweilen in sommerlicher Mittagshitze auf den Weiden zu beobachten sind. Mit diesem Freskogemälde endet nicht nur die Linie, sondern auch die Geschichte der Grafen von Berg, die von 1101-1225 die Geschicke des Landes in ihren Händen hatten. Über die einzige Tochter Adolfs III, Irmgard von Berg, geht das Erbe an die Limburger von der Maas. Sie bringen den doppelschwänzigen Löwen als Wappen für die Zeit ihrer Dynastie mit. Die Romantik des 19. Jahrhunderts machte daraus den noch heute populären „Bergischen Löwen“. Graf Heinrich von Limburg, erbt nach dem Tode seines Vaters auch die Herzogswürde. Er nimmt aber die bergische Tradition auf und nennt seinen ältesten Sohn wieder Adolf, so dass dieser 1246 als Adolf IV. die Grafschaft Berg erhält. Seinem zweiten Sohn Walram vererbt Heinrich das Herzogtum Limburg. Graf Adolf IV. nimmt an den Grundsteinlegungen am Kölner Dom wie auch an der Zisterzienserklosterkirche von Altenberg, dem „Altenberger Dom“ teil. Seine Rauflust soll ihm zum Verhängnis geworden sein. Bei einem Turnier 1259 schlug er dem Pferd seines Gegners die Vorderläufe ab, worauf er selbst vom Pferd gestoßen und erschlagen wurde. Die Grafschaft Berg hinterließ er seiner Frau, die den noch unmündigen Sohn Adolf V. bis 1267 vertritt. Dieser Adolf V. macht 1288 Geschichte als einer der Sieger in der Schlacht von Worringen. Adolf Schill / J. Osten Die Ahnengalerie im Nebenraum des Rittersaals gibt noch einmal Auskunft über die Linie der ersten Grafen von Berg. Hier von Engelbert I. über Adolf III. und Engelbert II., bis Irmgard, durch die das Erbe an die Limburger geht. 28 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Bild V „Die Schlacht bei Worringen am 5. Juni 1288“ Bild 5. Claus Meyer 1900. Die Schlacht bei Worringen am 5. Juni 1288 Aufnahme der Verfasser 2006 Auf der Nordseite des Rittersaals nimmt dieses Freskogemälde abgesehen von einem Fenster die gesamte Wand ein. Die zunächst verworren erscheinende Szenerie lässt sich mit Hilfe eines geschichtlichen Überblicks erklären. Aus heutiger Sicht schreibt Dirk Soechting über die Ursachen und Hintergründe dieser militärischen Auseinandersetzung:57 Die Schlacht auf der Fühlinger Heide bei Worringen, eine der letzten und blutigsten Ritterschlachten des Mittelalters, gilt als bedeutender Einschnitt in die Geschichte Nordwesteuropas. Die Hauptkontrahenten waren zwei Repräsentanten der von der Zentralmacht sich absetzenden Territorialherrscher, die um die Vorherrschaft im Nordwesten des europäischen Festlandes stritten Siegfried von Westerburg, Erzbischof von Köln und Herzog Johann (oder Jan) I. von Brabant. Je nach Interessenlage ergriffen eine Reihe anderer Mächte Partei, so dass sich schließlich fast alle bedeutenden Adelsgeschlechter des Niederrheins und ihre Gefolgsleute auf der Fühlinger Heide gegenüberstanden. Ursache der Schlacht war der Limburger Erbfolgestreit. Nach dem Tode Herzog Walrams IV. von Limburg (1252) meldeten die Grafen Adolf von Berg und Harald von Geldern Ansprüche auf das Limburger Erbe an. Aus territorialpolitischen Gründen stellte sich Siegfried von Westerburg auf die Seite Gelderns, während der Graf von Berg seine Ansprüche an den Herzog von Brabant verkaufte. Beide Parteien bildeten in der Folgezeit umfangreiche Bündnissysteme mit Koalitionären, die aus einem Engagement ihrerseits Machtvorteile zu ziehen hofften. Die Konflikte entluden sich schließlich anlässlich des Streites um den Worringer Zoll. Siegfried von Westerburg hatte jahrelang der Stadt Köln gegenüber eine Politik des Interessenausgleichs betrieben. Dann aber erhob der Erzbischof bei seiner Burg Worringen einen neuen Landzoll, der die Handelsinteressen Kölns erheblich störte. Kurz entschlossen schlugen sich die Kölner auf die Seite der Brabanter, deren Truppen schon im Frühjahr ins Kölner Erzbistum eingefallen waren. Auf der Fühlinger Heide stellten sich die Gegner zur entscheidenden Schlacht. Sie endete mit der völligen Niederlage Siegfrieds und seiner Verbündeten. Nach älteren Überlieferungen sollen sich auf der Fühlinger Heide 50 000 Männer gegenübergestanden haben, von denen 8000 erschlagen und noch viel mehr verwundet 57 Soechting, a. a. O. S. VI/2 29 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg worden sind.58 Dirk Soechting relativiert die Zahl der Gegner bei diesem Ereignis auf insgesamt 7000 Reiter und Fußvolk.59 Welche verbündeten Gegner standen sich damals gegenüber?60 Reiterei: - Brabant - Berg/Mark/Kölner Stadtpatrizier Fußvolk - Bergische Bauern - Kölner Bürger ____________________________________________ Reiterei - Erzbischof von Köln - Luxemburg - Geldern Nassau Fußvolk - Erzbischöfliches Fußvolk und Fahnenwagen - Luxemburgisches Fußvolk - Geldrisches Fußvolk Soweit vorbereitet gelingt es schon eher, das zum Teil heillose Durcheinander dieses Schlachtenbildes zu durchschauen. Auch Soechting verweist darauf… dass nach dem Ausbruch des Kampfes nicht mehr nach einem Gefechtsplan verfahren wurde: die Befehlshaber, charismatische und kampfstarke Persönlichkeiten, befanden sich meist im dicksten Kampfgetümmel, wo sie sehr schnell jede Übersicht verloren. Die Geschichtsschreibung geht heute davon aus, dass der Erzbischof sich selbst am Kampf nicht beteiligte, sondern im Schutz eines schweren, hochbordigen Wagens die Schlacht verfolgte. Dieser Wagen wurde nach der Schlacht von den Kölner Bürgern als Siegestrophäe heimgeführt und im Zeughaus verwahrt. Erst 1796 hat die französische Besatzung der Stadt kurzsichtig das Erinnerungsstück zerstören lassen. Trotz besserer Erkenntnisse ist anzunehmen, dass Claus Meyer die künstlerische Darstellung möglichst in die Nähe der historischen Tatsachen bringen wollte und hat einen ganz bestimmten Zeitpunkt des Ereignisses festgehalten. Der Verlauf der Schlacht war unübersichtlich und die Überlieferungen entsprechend widersprüchlich. Infolge dessen versucht Soechting den Ablauf taktisch zu ordnen: Zwei Ereignisse aber dürften kampfentscheidend gewesen sein. Erstens der schnelle Tod des Grafen von Luxemburg und seiner Brüder, die im Zentrum der Erzbischofspartei fochten; die Nachricht hatte eine äußerst demoralisierende Wirkung. Zweitens ein schlimmer taktischer Fehler des Erzbischofs selbst. Er hatte zunächst über die alte Heerstraße hinweg einen Angriff auf den linken Brabanter Flügel vorgetragen; als dort die Reitereien der Grafen von Berg und von der Mark zurückwichen, schwenkte er über die Straße zurück auf das Brabanter Zentrum, richtete dort aber unter den eigenen Verbündeten eine heillose Verwirrung an. Als dann auch noch die geldrische Reiterei das Weite suchte, um das Brabanter Lager zu plündern, war die Schlacht praktisch schon entschieden. Erst jetzt, gegen 15 Uhr rückten vom linken Flügel die Kölner Bürger und die bergischen Bauern zu Fuß gegen die aufgelösten Reiterlinien des Gegners vor und besiegelten die Niederlage des Kölner Erzbischofs. Mit dieser Schilderung des Kampfverlaufs ist es durchaus möglich, eine Annäherung an die historische Darstellung vorzunehmen. Der Blick eröffnet uns die Szenerie des Frontverlaufs 58 Laute, Hansjörg. A. a. O.. Die modernere Geschichtsschreibung sieht so hohe Zahlen eher kritisch; denn zuweilen pflegten einstige Chronisten die Ereignisse mit einer zusätzlichen -0- aufzubauschen. 59 Soechting, Dirk. Die Schlacht von Worringen im Jahre 1288. in RB 2004, Heft 1, S.VI/1. 60 Nach Soechting, a. a. O. S.VI/4 30 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg an der Heerstraße, die diagonal nach links oben ins Bild verläuft. Das linke Bilddrittel zeigt dichtestes Kampfgetümmel, aus dem nach vorn erzbischöfliche Gefolgsleute ihr Heil in der Flucht suchen. Im Bildschwerpunkt eine zentrale Gruppe von Männern mit Schwert, Lanze und Bogen. Alle haben ihr Pferd eingebüßt. Wahrscheinlich sind es die Luxemburger, die allesamt Opfer der Kämpfe werden. Vor ihnen liegt ein Gefallener unter dem Kreuzwappenschild des Erzbischofs. Der Helm ist verloren, die Waffe ihm aus der Hand geglitten. Von rechts rücken über die Heerstraße im Laufschritt bergische und Klever Truppen vor, deren Hauptmacht der im Hintergrund zu Pferde vorpreschende Graf Adolf V. anführt. Ein Mönch in weißer Kutte feuert mit hochgerecktem Knüppel das nachrückende Fußvolk an - vermutlich der Zisterziensermönch Walter Dodde61, der in die Geschichte von Worringen eingegangen ist. Claus Meyer: Ausschnitte aus dem Fresko „Die Schlacht bei Worringen“ von 1900. Während seine Truppen die Flucht antreten, wird rechts Erzbischof Siegfried vom Pferd gerissen. Fotos der Verfasser 2006 Dodde hatte als Unbewaffneter beobachtet, dass es zunächst nicht gut für die Bergischen stand und sie sich zurückzogen. Als aber die Luxemburger gefallen waren, kippte die Lage des Erzbischofs, worauf Dodde die sich entfernenden bergischen Reiter und Fußtruppen zurückrief. In der Überlieferung kommt ihm eine Schlüsselstellung zu, was der Künstler in das Bild eingearbeitet hat. Im Bildmittelpunkt haben zwei einfache Männer bereits den Erzbischof erreicht, ein gezielter Wurf lässt das Pferd unter ihm zusammenbrechen, während ein bärtiger Mann nach ihm greift um ihn an seiner goldenen Kreuzkette vom Pferd zu zerren. Ein weiterer Angreifer wird von einem Lanzenstoß abgewehrt, doch der Erzbischof hat keine Chance, die Übermacht wird ihn überrennen. Lebensangst steht in den Gesichtern der nach links fliehenden Männer, Ernst und Sorge über das nun beginnende Unheil im Gesicht des Luxemburgers im Vordergrund. Hier ist Claus Meyer selbst porträtiert, wahrscheinlich von seinem Schüler Hans Kohlschein. Die fliehenden Bogenschützen ganz im linken Vordergrund sind ebenfalls nach Porträt gemalt. Einer von ihnen, mit voller dunkler Frisur, ist ein Mitglied der Remscheider Unternehmerfamilie Vaillant. Das vorwärts stürmende Pferd des Grafen von Berg, sowie die sich aufbäumenden Rosse im Gemetzel der Schlacht tragen in ihren typischen Bewegungen die Handschrift Hans Kohlscheins. Auf diesem Bild vermochte er bereits sein Können unter Beweis stellen, so dass Meyer ihm ein Jahr später die Szene mit Engelberts Tod übertrug. 61 Freundlicher Hinweis des Schlossführers Herr Friedrich Müller. 31 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Historienbilder, vor allem kriegerische Szenen, sehen wir heute mit Abstand; so wird auch zur Beurteilung dieses Bildes gesagt, Zur Zeit der Entstehung dieser Wandgemälde wurde die Bedeutung der bergischen Truppen für den Ausgang der Schlacht aus regionalpolitischen Motiven gerne etwas überbetont.62 In Vollendung und Übergabe der Kunstwerke am Worringer Jahrestag sah der Vorsitzende des Schlossbauvereins Julius Schumacher Anlass genug, „auf die Treue und Tapferkeit der bergischen Bauern in dieser Schlacht“ anzustoßen. Markige Worte, denen zwar zu allen Zeiten gern Gehör geschenkt wurde, deren Wichtigkeit jedoch nicht inflationär behandelt werden sollte. Einem bildenden Künstler ist durchaus ein weiterer Horizont zu unterstellen, was sich bei einer detaillierten Prüfung auch bei diesem Werk Meyers bewahrheitet: Das Bild bietet nichts Beschönigendes zum Thema Krieg. Meyer stellt realistisch die Hässlichkeit des Sterbens der Männer dar, die man auch im Mittelalter nur machtpolitischen Interessen geopfert hatte. Von Heldentod ist keine Spur. Im Vergleich zur Schilderung des Kampfverlaufs in der Zeit um 15 Uhr, souffliert auch das Bild den entscheidenden Moment der Schlacht wobei der Erzbischof mit seinen letzten Getreuen auf verlorenem Posten steht. Die von rechts heranstürmenden Männer, bergische Reiter und Fußvolk besorgen nur noch den Rest. Soweit ist die Darstellung zutreffend, die Rolle der Bergischen aber nicht überbewertet. Dazu kommt, dass Adolf V. von Berg in der Geschichte zwar als Sieger eine große Rolle spielt, in dem Gemälde aber nicht hervortritt. Er hat als reitender Akteur eher eine Statistenrolle. Claus Meyer, Selbstbildnis ( oder Hans Kohlschein?) Der Maler Claus Meyer in der Rolle des Grafen von Luxemburg Besonders tritt in diesem Bild die Rittergruppe hervor, die entsetzt bemerkt, dass ihr Schicksal besiegelt ist. Unter ihnen Claus Meyer in der Rolle des Grafen von Luxemburg. Gewöhnlich ist es leicht und angenehm sich auf die Seite der Sieger zu stellen, doch Meyer unter den Verlierern ist deutliches Indiz für Weitsicht und dem richtigen Gefühl für eine zeitlose, gute Darstellungskunst. Die heutige Situation, in der der Kopf des Grafen von der Holzdecke verdeckt wird, hat sich erst nach dem Brand von 1920 und durch die Senkung der Balken ergeben. In F. Schaarschmidts Düsseldorfer Kunst von 1902 ist das Wandbild noch vollständig wiedergegeben. 62 Soechting, a. a. O. 32 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Bild VI „Rückkehr der Sieger aus der Schlacht bei Worringen nach Schloss Burg. – Erzbischof Siegfried wird als Gefangener mitgebracht.“ Bild 6. Claus Meyer. Rückkehr der Sieger aus der Schlacht von Worringen. Erzbischof Siegfried als Gefangener. Zusammengesetzte Aufnahme der Verfasser 2008 Etwa 12 Monate nach Vollendung der Fresken auf der Ostwand des Rittersaals im Jahre 1901 malte Claus Meyer im Verlauf des Jahres 1903 die westliche Fensterwand aus. Abgesehen von einigen Besuchen vor Ort, gehörte sein Assistent Hans Kohlschein nicht mehr zu seinem festen Stab. 63 Als Sieger in der Schlacht von Worringen kehren die Bergischen nach Schloss Burg zurück. Reiter und Gefolgsleute drängen sich durch das innere Tor und füllen den Hof, freudig begrüßt von den Daheimgebliebenen. Im Mittelpunkt Graf Adolf V., der hoch zu Ross seiner am Tor wartenden Frau Elisabeth von Geldern die Hand reicht. Das Fresko, das mit zwei unterschiedlich großen Flächen ein Fenster umschließt, bezieht uns als Betrachter oben vom Wehrgang des inneren Burghofes in die Szene ein. Wir sind in Gesellschaft des Hofkochs, der im Bild links ebenfalls einen Blick auf die Ankommenden riskiert. Er trägt weiße Arbeitskleidung und ist sicherlich schon seit früher Stunde mit den Vorbereitungen zum Festmahl beschäftigt, doch diesen Moment möchte er sich wohl nicht entgehen lassen. Der Hofkoch ist ein typisches Beispiel für Meyers nachlebbare Darstellungskunst; er liefert uns nicht Geschichtsmonumentalität, sondern Geschichtsalltag. Er schafft Genreszenen aus der Geschichte. Im kleineren Bildfeld zwischen Fenster und Raumecke, sozusagen ganz am Rande, werden wir Zeuge der bedrückenden Abführung des gefangenen Erzbischofs Siegfried von Westerburg. Er geht als entwaffneter Kriegsmann im Kettenhemd und Waffenrock den Weg ins Burgverlies. Lanzenreiter, Dienstmannen und ein Träger der Standarte mit dem Bergisch- 63 Kohlschein malte im Jahr 1903 den Salon der Villa Elmendorf in Isselhorst aus, besuchte aber seinen Lehrer Meyer in Burg. Dabei entstand aus seiner Hand die Skizzenpostkarte von Schloss Burg (s. u.) an Trudy Meyer. 33 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Limburger Löwen zeigen, wer das Sagen hat. Ganz rechts am Fuß des Wehrturms wird ein kleines Mädchen von seiner Mutter zurückgehalten. Scheu aber neugierig schauen beide dem Gefangenen nach. Claus Meyer: Ausschnitte aus den Fresken „Rückkehr nach Burg“ und „Erzbischof Siegfried als Gefangener in Burg“ 1903, Fotos: Sassen. Rechts „Ein schwerer Gang“, Öl auf Leinen von 1879. Abb. RB. 55. 4 / 2005, S.29 Im Vergleich zu diesem Teil des Wandbildes macht Soechting 1996 auf ein früheres Ölgemälde Claus Meyers aufmerksam. 64. Das Werk von 1876, „Ein schwerer Gang“, zeigt ähnlich wie in Burg den Gang eines honorigen Mannes, dem zur Schande auch noch die Hände am Rücken gefesselt sind. Vor einem Schergen mit Bluthund und dem Lanzenträger auf einem Maultier geht er durch ein Spalier spottender Leute. Das Niveau der Bewacher zeigt besonders deutlich, in welch schmähliche Lage der alte Mann gekommen ist. Im Gegensatz zum Ölgemälde, wo sich die Szene auf Augenhöhe des Betrachters abspielt, musste Meyer bei der Gestaltung des Freskos zur Wehrgangsperspektive wechseln. Für einen Meister wie ihn kein Problem, doch eine Szenerie mit so vielen Beteiligten war auf dem kleinen Wandabschnitt im Rittersaal nicht unterzubringen. Er musste das Bild neu anlegen, auch um in der Freskotechnik eine deutliche Darstellung des gefangenen Erzbischofs zu realisieren. Die Darstellung im Rittersaal folgt dem historischen Ereignis, das für alle Beteiligten nachhaltige Folgen hat. Der Kölner Erzbischof war nach seiner Gefangennahme über den Rhein in das Städtchen Monheim gebracht worden. Am nächsten Tag trat er seinen Weg nach Schloss Burg an, wo er von Adolf V. von Berg 13 Monate lang –bis zum 6. Juli 1289-- festgehalten wurde. Für seine Freilassung zahlte Siegfried das enorme Lösegeld von 12 000 Kölnischer Mark und musste umfangreiche politische Zugeständnisse machen. Der Sieg in Worringen war für das Bergische Land ein wichtiger Schritt zu einem geschlossenen Herrschaftsgebiet. Für die Kölner Bürger bedeutete die Niederlage ihres Erzbischofs das Ende seiner weltlichen Herrschaft über die Stadt. Als zukünftig freie Reichsstadt führte Köln nun sein eigenes Stadtsiegel, hatte freie Versammlung auf dem Bürgerhaus, besaß Zunft- und Gewerbefreiheit sowie die Wehrhoheit über die Stadt. Dem bergischen Grafen Adolf V. werden damit in Burg zwei Bilder gewidmet. Er, der als Kind schon Herrscher werden musste, war zu Anfang seiner aktiven Regentschaft wenig erfolgreich. Der Sieg bei Worringen brachte ihm den Durchbruch zu weiteren Erfolgen in seinem Leben. Mit seiner Frau Elisabeth von Geldern blieb ihm aber der Kindersegen verwehrt. Nach seinem Tod am 28. September 1296 fand er, wie später auch seine Frau, die letzte Ruhestätte in der Gräfrather Stiftskirche. 64 Soechting, D. Zu den Wandgemälden im Rittersaal auf Schloss Burg, in RB Heft 1, 1996 u. RB Heft 2, 2005. 34 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Bild VII „Die Befreiung Herzog Wilhelms I“ Bild 7. Claus Meyer. Die Befreiung des Herzogs Wilhelm I. von Berg durch seine Söhne. 1903 Aufnahme der Verfasser 2008. Dieses Wandgemälde versetzt uns in das Jahr 1404, mithin 108 Jahre nach der Schlacht von Worringen. Nachdem in der Erbfolge mehrere Grafen kinderlos geblieben waren, ging die Grafschaft Berg –durch das Erbe der Grafschaft Ravensberg in Ostwestfalen bedeutend angewachsen-- an das Haus Jülich. Von nun an weht über Schloss Burg das Zeichen eines schwarzen Löwen im goldenen Feld. Aus diesem Hause geht Wilhelm II. von Berg hervor, der aufgrund seines großen Herrschaftsgebietes 1380 von Kaiser Wenzel zum Herzog erhoben wird. Als Herzog Wilhelm I. von Berg verlegt er seine Residenz kurz darauf nach Düsseldorf. Unter Wilhelms Regierung erhält Solingen Stadtrechte, wird Burg zur Freiheit und der Dom in Altenberg vollendet. An ihn erinnert das große Westfenster in der Klosterkirche. Die letzten 10 Jahre seiner Zeit sind mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Cleverhamm gerät er selbst in Gefangenschaft und kann sich nur gegen ein horrendes Lösegeld freikaufen. Zu den finanziellen Schwierigkeiten kommen schwere innerfamiliäre Probleme. Sein Sohn Adolf, von jeher auf Macht und Fehden bedacht, reißt frühzeitig die Grafschaft Ravensberg an sich und versucht durch einen Staatsstreich seinen Vater ganz auszuschalten. Es gelingt ihm durch eine Täuschung die Oberhand über Truppen und Gefolgsleute seines Vaters zu bekommen, diesen auf der Reise 35 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg von Benrath nach Köln am 28. November 1403 in Monheim zu verhaften und in Schloss Burg einzusperren. Die Öffentlichkeit wird dahingehend informiert, dass der Herzog mit den Staatsfinanzen nicht zurechtkommt, so dass seine Gefangenschaft in Burg allgemein toleriert wird. Nach elf Monaten, am 24. August 1404 eine Stunde nach Mitternacht wird Herzog Wilhelm in Burg befreit. Sein Koch und dessen Ehefrau helfen ihm aus dem Verlies. Die Herzogin hatte die Befreiung mit den beiden Söhnen Gerhard und Wilhelm vorbereitet und sich dafür Rückhalt beim Erzbischof von Köln und anderen einflussreichen Männern geben lassen. Durch Tätige Mithilfe des Ritters Heinrich von Oer, dessen Vater lange Zeit ein hochrangiger Ratgeber des Erzbischofs war, gelang Wilhelm I. von Berg die spektakuläre Flucht, die ihren Widerhall in den regionalen Chroniken fand.65 Claus Meyer hat die mitternächtliche Szenerie der Befreiungsaktion des alten Herzogs von Berg in die Wandfläche zwischen zwei Fenster platziert. Obwohl historisch nicht belegt, sind es hier die beiden Söhne Gerhard und Wilhelm, die den Vater aus der Gefangenschaft ihres Bruders Adolf von Ravensberg herausholen. Die dargestellte Räumlichkeit zeigt, dass der Herzog seine Gefangenschaft nicht gerade im vornehmen Teil der Burg verbringen durfte. Im oberen Winkel des Bildes lehnt sich eine Wächtergestalt mit Schlüsselbund auf die Holzbrüstung und beobachtet den Weggang des von der Haft geschwächten Herzogs. Schwer umarmt und stützt sich dieser mit seinem massigen Körper auf den noch jugendlichen Sohn. Im Vordergrund rechts hebt ein Helfer mit Mantel und Pelzmütze –wahrscheinlich der zweite Sohn-- seine Lampe und leuchtet die ausgetretenen Stufen der Treppe aus. Dramatisch beleben die Schatten von Vater und Sohn die Szene. Julius Schumacher, links in einer Fotografie als erfolgreicher Unternehmer um 1885 und rechts als alternder Herzog Wilhelm von Berg, gemalt 1903 von Claus Meyer in einem Wandbild der Rittersaals von Schloss Burg. Auch bei diesem Wandbild greift Meyer zu einem bewährten Mittel seiner Darstellungskunst und überträgt Julius Schumacher, dem Gründer des Schlossbauvereins die Rolle des greisen Herzogs und dessen Enkel die des Herzogsohns. Eine zufällig von Meyer aufgenommene Studie des alten Mannes, der zuletzt nur noch mit der Hilfe seines Enkels Schloss Burg aufsucht, wird zum Motiv dieses Bildes. Als das Freskogemälde 1903 entstand, war Schumacher nicht mehr in Burg dabei; er starb am 28. Juni 1902 und wurde unter großer Anteilnahme auf dem Wermelskirchener Friedhof beigesetzt. Ein Jahr später, weist Claus Meyer in diesem Bild auf das tragische Geschick Schumachers in seinen letzten Lebensmonaten hin.66 Meyer malt Schumacher als alternden Bergischen Herzog, wie diesen enttäuscht und ausgebrannt, jenseits aller Erfolge und Ehren. 65 Kolodziej, Axel, Herzog Wilhelm I. von Berg 1380-1408, Neustadt/Aisch 2005. S. 313. In der Dissertation gibt Kolodziej eine sehr genaue Analyse über Leben und Werk des ersten Bergischen Herzogs. 66 Siehe dazu auch die Hinweise im Porträt Schumacher im Exkurs. 36 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg . Bild VIII „Die Kinderverlobung von Schloss Burg 1496“ Bild 8. Claus Meyer 1903. Die Verlobung der Kinder Maria von Berg und Johann von Kleve auf Schloss Burg 1496. Aufnahme der Verfasser nach der Restaurierung des Gemäldes 2008. Zum vorangegangenen Bild hat diese historische Szene einen zeitlichen Abstand von über 90 Jahren, in denen drei Herrschergenerationen das Herzogtum Berg regierten. Nachdem Herzog Wilhelm II.67 erst in zweiter Ehe von Sibylle von Brandenburg eine Erbin, und zwar Tochter Maria bekommt, sieht er wohl ein, dass mit ihm sein Haus im Mannesstamm aussterben wird. Durch eine Männerfreundschaft mit Johann von Kleve68 kommt deshalb die „Klever Union“ zustande, ein Erbvertrag, der die Häuser Jülich-Berg und Kleve-Mark miteinander verbinden soll. Um diese Verbindung dauerhaft und fest zu schmieden, beschließen beide Familien ihre Kinder frühzeitig einander zu versprechen. Den kirchlichen Segen bekommen sie vom Kölner Erzbischof Hermann IV. den Friedsamen von Hessen. Dieser regierte von 1480-1508 und war auf Konsolidierung seines Erzbistums und um Ausgleich mit der Stadt Köln und der Region bemüht.69 67 Herzog Wilhelm II. von Jülich-Berg 1475-1511, im Altenberger Dom begraben. 68 Herzog Johann II. von Kleve-Mark †1521. 69 Siehe Werner Beutler, Hermann IV. der Friedsame. A. a. O. 37 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg So kommt es am 25. November 1496 zur Besiegelung des Erbvertrages und als äußeres Zeichen zu jener symbolträchtigen Verlobung der beiden Kinder, die tatsachlich Bestand haben wird. Der Verlobung der fünfjährigen Maria von Jülich-Berg mit dem sechsjährigen Johann von Kleve-Mark im Jahre 1496 auf Schloss Burg folgt am 1. Oktober 1510 die prunkvolle Hochzeit in Düsseldorf. Die frühzeitige Bindung der beiden erbberechtigten Kinder leitet die spätere Vereinigung von Jülich-Berg mit Kleve, Mark und Ravensberg zu einem großen, den ganzen Niederrhein umfassenden und bis Ostwestfalen reichenden Herzogtum ein. Unter der Regierung des hier als Knaben dargestellten Herzogs Johann III.70 erlebt das Land politisch, wirtschaftlich und kulturell eine bedeutende Blütezeit. Zur Klever Union schufen der Ornamentiker Schill und der Maler J. Osten in der Ahnengalerie das Allianzwappen. Das Wandgemälde in Schloss Burg, das als eines der Hauptwerke von Claus Meyer bezeichnet wird, datiert man bislang auf 1901/02. 71 Seine Signatur „ClM“ auf einem Siegel der „Urkunde“ am rechten unteren Bildrand ist halb vom Holzsockel verdeckt, eine Datierung nicht zu sehen. Vermutlich entstand es auch um 1903 wie die anderen Fresken rechts und links davon. Die Szenerie dieses Bildes ist ein in Schloss Burg nicht zu bestimmender Saal, vorn begrenzt von einer spätgotischen Maßwerkbrüstung, wie man sie sich in einem Treppenhaus oder an einer Kirchenempore vorstellen kann. Tatsächlich liefern Pfeiler und Bogen der Gerichtslaube des Rathauses in Lüneburg und Architekturteile eines Nürnberger Patrizierhauses, die am Vorhof der Wartburg eine Zweitverwendung fanden, den Rahmen des Gemäldes. Die Steinbrüstung hält in gestalterische Funktion den Blick auf das kleine Verlobungspaar frei, gibt dem Bild Tiefe und füllt den Vordergrund aus. Ihre Länge wird durch die darüber geworfene Urkunde mit dem Erklärungstext aufgelöst. Es sind von links bis zur Bildhälfte 70 Herzog Johann III. der Friedfertige von Jülich-Berg Kleve-Mark und Ravensberg *1490 †1539, liegt in Kleve begraben. 71 Dirk Soechting. RB Heft 1, 1996, u. Heft 2, 2005 38 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg zwei Bankreihen aufgestellt, auf denen die Eltern und Verwandte der beiden Kinder Platz genommen haben. Dahinter sind weitere Gäste bis in den oberen Bogenzwickel des linken Fensters gestaffelt dargestellt. Mit dem Fanfarenbläser, der sich im linken Vordergrund etwas über die Brüstung lehnt, folgen wir dem Blick der Anwesenden in Richtung des Geschehens. Die Aufmerksamkeit gilt dem sich erhobenen Erzbischof Hermann IV., der assistiert von zwei Zeugen zu seinen Seiten, den Erbvertrag vorliest und die Verlobung der Kinder absegnen wird. Vor ihm, quergestellt ein länglicher Tisch, über den ein grünes Tuch mit zwei Allianzwappen gebreitet ist. Rechts vom Erzbischof, ganz im Blick der versammelten Gesellschaft, das artig beisammen sitzende Verlobungspärchen. Claus Meyer: Kinderverlobung in Schloss Burg. Studie, Öl auf Leinen. Das Bild diente vermutlich als Vorentwurf zum Wandbild in Schloss Burg. Abb.: RB 55. H. 4 / 2005, S.28. Lüneburg, Gerichtslaube im Rathaus. Die Architektur dieses Raumes lieferte Claus Meyer den Rahmen für seine Kinderverlobung in Schloss Burg. 39 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Man hat den sechsjährigen Johann und rechts daneben die fünfjährige Maria auf einer mit roten und blauen Teppichen belegten Estrade platziert und sie dort auf, bzw. eher in einen hochlehnigen Kastenthron gesetzt. Über ihnen ein Baldachin mit einem Mariengruß in umlaufender goldener Schrift auf blauer Schabracke, von wo zwei nach hinten geraffte, goldfarbene Dekorationen herabhängen. Johann trägt ein dunkles Samtgewand, und Maria ein weißes langes Kleidchen. Beide haben die gleichen roten Samtschuhe an und lassen die Beine baumeln. Maria ist das lange blonde Haar mit einem blauen Reif zusammengefasst; sie hält die Hände im Schoß. Johann mit Pagenkopf, hat die linke Hand auf der Stuhllehne und die rechte zwischen sich und Maria abgelegt. Da sitzen die beiden allein und ein wenig verloren, nur ein kleiner Herold mit wappenbesticktem Hemd und Lanzenstab in der Hand steht ihnen zur Seite, eine Souffleuse hinter sich. Claus Meyer: Ausschnitte aus dem Fresko „Kinderverlobung auf Schloss Burg“ von 1903. Links im Hintergrund am Pfeiler: der Abt von Altenberg mit Herzog Johann II. v. Kleve, Vater Johanns. Mitte: Sybille v. Brandenburg, die Mutter Marias und die noch sichtbare Hand Herzog Wilhelms II. v. Berg. Rechts das Verlobungspärchen Maria und Johann. Die Gesellschaft der anwesenden Herrschaften stellt der Maler bunt und bewegt zusammen. Ganz vorn auf der ersten Bank vermutlich das Herzogspaar von Berg: Sibylle von Brandenburg, eine schöne dunkelhaarige Frau in langem tiefblauen Kleid und mit dem für die Zeit noch typischen spitzen Schleierhut. Vom Herzog Wilhelm II. ist nur die Hand am Schwertknauf wahrzunehmen. In der Bank hinter ihnen die Damen des Hofstaats in teils ganz verhüllenden Gewändern, aber auch einer jungen Frau mit einem für die Jahreszeit weit ausgeschnittenen Kleid und einem phantasievollen Hut. Sie wendet sich lächelnd halb zu einem hinter ihr stehenden Mann mit langem Wollmantel, der sie wohl anspricht. Die Frau, die uns hier begegnet, stand schon Modell für Elisabeth von Geldern, die an der Bogengalerie des zweiten Bildes den Kreuzfahrern nachschaut. Auch auf dem „Ausmarsch der Bergischen Freiwilligen“ ist sie als Junge Frau mit Haube auf der Treppe wiederzufinden. Hinter dieser Gruppe an den Ziegelpfeiler gelehnt, der Abt des Zisterzienserklosters Altenberg, Heinrich Rouffer von Brauweiler72, ein wohlgenährter Mann in weißer Mönchskutte mit goldenem Kreuz. Neben ihm ein großer vollbärtiger Kriegsmann mit Mantel über seiner Rüstung, der aufmerksam den Worten des Bischofs folgt; vermutlich Herzog Johann II. von Kleve, der Vater des kleinen Johann. Claus Meyer hat dem Herzog das Gesicht seines Kollegen Peter Janssen gegeben, der zwei Jahre später die Kemenate ausmalte. Unter den Personen im Hintergrund fällt ein Mann mit rotem Hut und Mantel besonders auf; seine Kleidung bildet gestalterisch das farbliche Pendant zum roten Teppich über der Estrade. Alle anderen sind unterschiedlich gekleidet, bestenfalls ähneln sich die pelzbesetzten 72 Heinrich Rouffer von Brauweiler, Abt von Altenberg 1496-1517. Vgl. Mosler, Urkundenbuch Abtei Altenberg 1955, unter Nr. 276 wird Abt Heinrich bereits zu Lichtmess, am 2. Februar 1496 genannt. 40 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Kopfbedeckungen der Männer. Verschiedene Köpfe beziehungsweise Gesichter treten durch ihren natürlichen Charakter hervor. Auch zu diesem Freskobild gibt es ein Ölgemälde, auf das Dirk Soechting hinweist.73 Leider werden im Kommentar dazu nicht das Entstehungsjahr und die Größe genannt. Es wird wohl vor 1900 geschaffen worden sein, doch bleibt unbekannt, ob dieses Bild als Entwurf beim Wettbewerb vorgelegt worden ist. Die Grundkonzeption des Ölgemäldes ist fast vollständig für Burg übernommen worden. Besonders die Perspektive des Raums, die Stellung von Maßwerkbrüstung, Tisch, Bänken sowie des Thronbaldachins und die Architektur des „Lüneburger“ Ziegelbogens hat Meyer wahrscheinlich mittels Aufrasterung auf seinen Wandbildkarton übertragen. Entsprechend der Größe, der im Rittersaal zur Verfügung stehenden Wandfläche, konnte Meyer sein Bild hier vorteilhaft weiterentwickeln. Er hat einzelne Figuren im Umriss übernommen und den ursprünglich kleinen familiären Kreis durch eine ganze Reihe von Akteuren erweitert. Die sich im Ölgemälde nachteilig zeigende Leere vor der Estrade schloss er geschickt im Monumentalbild, indem er dem Podium eine Stufe hinzufügte und mit dem Thron zum Publikum vorzog. Dadurch erhöhte sich auch der Bezug der Akteure zueinander. Das Verlobungspaar ist vorteilhaft verändert und dem ursprünglich etwas verloren wirkenden kleinen Herold wurden Hintergrundhelfer zugeordnet. Im Gegensatz zu allen anderen Personen, die sich ruhig verhalten, ist im linken Vordergrund des Ölgemäldes ein junger Mann in Bewegung dargestellt. Ursprünglich nur eine Randfigur, hat er im Burger Wandbild die Aufgabe eines Fanfarenbläsers bekommen, der wohl aufmerksam auf seinen nächsten Einsatz wartet. Claus Meyer nutzte im Rittersaal die drittgrößte Wandfläche für die Darstellung eines wohl außergewöhnlichen, weil friedlichen historischen Ereignisses, das er schöpferisch frei nachgestalten konnte. Das Thema seiner im Detail vielgestaltigen Kinderverlobung lag dem Künstler offenbar sehr am Herzen. Idee und Ausführung erinnern an das Karlsruher Bild „Kleinkinderschule in Überlingen“ von 1888, das unter seinen Genrebildern besonders hervortritt. „Die Kinderverlobung auf Schloss Burg 1496“, Die Abbildung zeigt das beschädigte Freskogemälde i im April 2007. 73 Dirk Soechting, a. a. O. S.28-29. 41 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Seit der Entstehung des Wandbildes traten an der Farbschicht immer wieder Beschädigungen auf, die durch den Kaminzug im Inneren des Mauerwerks hinter dem Gemälde hervorgerufen wurden. Besonders stark wurden die Zerstörungen im Winter 2007, als Regenwasser vom maroden Schornstein nach unten sickerte, mit den Verbrennungsstäuben sauer reagierte und durch das Mauerwerk hindurch die Kalkschicht mit dem Gemälde großflächig zerfraß. 2008 wurde der Schornstein entfernt, der Kaminzug geschlossen und das Gemälde nach Trockenlegung der Wand sorgfältig restauriert. Bild IX „Beschießung der Burg durch schwedische Truppen“ Das Freskogemälde zu diesem Thema erstreckt sich über zwei Fensterzwischenräume, relativ schmalen Zwickeln, bedingt durch die relativ enge Fensterfolge an dieser Stelle der Westseite. Claus Meyer hat dieses Wandgemälde vermutlich zuletzt gemalt. Wir finden seine Signatur, wie oftmals an solchen Zyklen am letzten Bild zu sehen, in voller Länge als „CLAUS MEYER 1903“. Da es sich um eine militärische Darstellung handelt, ist es vorstellbar, dass Meyer dieses Bildthema ursprünglich seinem Kollegen Hermann Huisken überlassen hätte. Bild 9. Claus Meyer 1903. Belagerung und Beschießung von Schloss Burg durch schwedische Truppen 1632 Zusammengesetzte Aufnahme der Verfasser 2008 Die Szenerie liegt im Blickfeld der Belagerer und wir sehen ihnen über die Schultern. Sie haben ihre Kanonen auf die alte Burg gerichtet, die im Hintergrund in ihrer spätgotischen Silhouette erkennbar ist. Pulverdampf, Staub und Brand der eingeschlagenen Geschosse vernebeln die Gemäuer. Während der linke Kanonier schon seinen Zündstab bereithält, um auf Befehl erneut zu feuern, ist im Bild rechts der Soldat beim Ausrichten seines Geschützes. Er folgt den Anweisungen des Ladeschützen, der wohl eine schwache Stelle im Gemäuer der Burg entdeckt hat, die es auszunutzen gilt. Der Fachwerkaufbau des rechten Flankenturms, dessen Schaft heute noch als Diebsturm vorhanden ist, hat bereits Feuer gefangen. Im Bildvordergrund liegen als Munition zur weiteren Beschießung Steinkugeln und 42 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg ein Pulverfass bereit, während im Hintergrund und ganz rechts die Wirkung des Beschusses von Befehlshabern der Truppe beobachtet wird. Das Ereignis fällt in die Regierungszeit des Pfalz–Neuburger Herzogs Wolfgang Wilhelm (1614-1653). Dieser versucht anfangs durch Bewahrung der Neutralität sein Herrschaftsgebiet am Rhein aus den Kriegshändeln herauszuhalten, was ihm auch für seine Residenzstadt Düsseldorf gelingt. Im übrigen Lande, mehren sich die Truppendurchzüge und die damit verbundenen Übergriffe, Räubereien und Ausschreitungen marodierender Soldaten. 1632 versuchen schwedische Belagerer Schloss Burg einzunehmen. Die Beschießung der Burg, so wie sie hier dargestellt wird, erfolgte von Norden, der gegenüberliegenden Höhe in der Landschaft. Auf dieser Seite, ihrer verletzlichsten Stelle, hatte die Burg eine verstärkte Schildmauer. Vermutlich hat man sich vom Burginneren erfolgreich gewehrt, denn einen Sturmangriff der Schweden hat es wohl nicht gegeben. Es ist nicht überliefert, dass die Schweden die Burg eingenommen oder übernommen hätten. Die Soldaten wählten vermutlich leichtere Ziele und plünderten während der Einschließung ungehindert die Gegend aus. Die Pfalz-Neuburger lassen die Schäden notdürftig ausbessern und nutzen Schloss Burg weiterhin als Jagdschloss. Um 1641 steht die Burg unter der Hoheit kaiserlicher Truppen, die sie als Festung ausbauen. Nach den Verhandlungen im Westfälischen Frieden verlassen die Truppen die Burg unter der Bedingung, dass ihre Wehrhaftigkeit aufgehoben wird. Die Kaiserlichen zünden die äußeren Verteidigungsanlagen an. Mauern werden geschleift und sogar der mächtige Bergfried dem Boden gleichgemacht.74 Bild X „Ausmarsch der Freiwilligen des Bergischen Landes zur Zeit der Befreiungskriege 1813“ Bild 10. Hermann Huisken und Claus Meyer 1899. Ausmarsch der Freiwilligen des Bergischen Landes 1813. Aufnahme der Verfasser 2008 Zum Verständnis dieses Bildes bedarf es wiederum eines Zeitsprungs von etwa 180 Jahren. Napoleon hatte die deutschen Staaten fest in der Hand und das Bergische Land war durch ihn zu einem Teil des Großherzogtums Berg geworden. Sein Schwager Joachim Murat hatte das Amt des Großherzogs von 1806-1808 inne, dann wurde er als König nach Neapel versetzt. Man sagt, er hätte sich der Bevölkerung zu menschlich gezeigt, den ständigen 74 Laute, Hansjörg, a. a. O. S39. 43 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Truppenaushebungen und den drückenden Steuerlasten Napoleons widersprochen. 1809 regiert Napoleon selbst das Land, offiziell ist sein vierjähriger Neffe Louis Napoleon Großherzog. Die Bevölkerung begrüßt anfangs die errungenen Freiheiten, die allen Menschen Gleichheit und die Aufhebung der bisherigen Feudal- und Sonderrechte versprechen. Das alte verkrustete Zunftgesetz wird aufgehoben, was der Wirtschaft zwar einen Aufschwung in Aussicht stellt, doch hohe Zölle und die Blockade Englands ersticken die Entwicklung im Keim. Die heimischen Unternehmer geraten an den Rand des Ruins was eine hohe Arbeitslosigkeit unter der Bevölkerung verursacht. Die Stimmung schlägt schnell um. Als im Januar 1813 Napoleons Große Armee in Russland vernichtet ist, will man weitere Truppen ausheben. Es kommt zu Aufständen in mehreren Städten des Großherzogtums, bei denen vor allem die Anwerbebüros Ziel der aufgebrachten Männer sind. Doch der Grund dafür sind nicht nationale Freiheitsgedanken, sondern die Not der Leute. Der Belagerungszustand wird verhängt und der Aufstand niedergeschlagen. Als sich die Franzosen nach den Wirren des Jahres 1813 auf die linke Rheinseite zurückziehen, sollen im November 1813 wieder Truppen im Bergischen rekrutiert werden, diesmal für die preußischen Regimenter. Die Männer waren vom Regen in die Traufe gekommen. Der Staatsmann Justus Gruner erließ eine „Aufforderung an deutsche Jünglinge und Männer zum Kampfe für Deutschlands Freiheit“, brachte aber unter der kriegsmüden Bevölkerung des Großherzogtums nur mit Mühe 7000 Mann zusammen. Erst der Ende 1813 ins Leben gerufene Landsturm hatte starken Zulauf; man blieb im Lande und wusste, was man zu verteidigen hatte. Claus Meyer / Hermann Huisken 1899. Eine seltene Situation in der Ernsthaftigkeit des großen Wandgemäldes: ein kleiner Junge nimmt Blickkontakt mit dem Betrachter auf. Das große Gemälde zu diesem geschichtlichen Thema war auf der geschlossenen Südwand im Rittersaal als erstes fertig gestellt worden. Als Kaiser Wilhelm sich am 12. August 1899 für eine Stunde in Schloss Burg einfand, konnte man ihm seine marschierenden bergischen Untertanen präsentieren. Freiherr von Troschke erinnerte das Bild in seiner Interpretation 1957 „an das Gedicht Liliencrons, bzw. der Komposition von Oscar Straus: Die Musik kommt!“75 Ähnlich könnte es Seine Majestät gesehen haben und wird für den Anfang zufrieden gewesen sein. Obwohl die Bergischen Männer 1813 nicht gerade enthusiastisch 75 Troschke, Frh. v. a. a. O. 44 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg zu den Waffen eilten, musste ein Geschichtsbild her, das zum Programm des preußischen Kaiserreichs passte. So huldigt dieses Gemälde oberflächlich betrachtet der damaligen Staatsmacht und plakatiert die Treue der bergischen Untertanen. Doch ließen sich die beiden Düsseldorfer Künstler so ohne weiteres vor den preußischen Glorienkarren spannen? Das Hauptmotiv des Gemäldes, das sich auf der linken Bildhälfte befindet, zeigt Details einer geschichtlich belegten Episode von 1796 – die im Zusammenhang mit dem Einmarsch der französischen Truppen in Solingen steht. In die Szenerie am Eingang einer Ortschaft im Bergischen Land zieht ein uniformierter Spielmannszug mit Trommeln und Pfeifen ein, gefolgt von zwei berittenen Offizieren und einem Unteroffizier zu Fuß. Sie führen einen langen Zug von Männern an, dessen Ende sich an der Biegung der Landstraße verliert. Die meist jungen Männer zeigen sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Kleidung als Angehörige verschiedenen Standes. In vorderster Reihe rechts ist ein alter Haudegen in zerschlissener Uniform zu erkennen. Direkt neben ihm lüftet ein jugendlicher Mann in Stiefeln und vornehmer Kleidung seinen Hut und grüßt mit ernster Miene eine Frau am gegenüberliegenden Straßenrand, die sich gerührt mit einem Tuch die Tränen wischt. Einer der Reiter beugt sich zu einem Herrn am Straßenrand herunter und reicht ihm begrüßend die Hand. Auf unserer Wegseite wendet sich eine junge blonde Frau, eine Ziege an der Leine haltend, den Heranmarschierenden zu. Ihr kleiner Sohn klammert sich an ihren Rockschoß und steckt - verwirrt aber neugierig - die Finger in den Mund. Ein größerer barfüßiger Junge begeistert aber wohl die Marschmusik. Mit kleiner Schwester an der Hand, die mit ihren Holzschuhen gar nicht so schnell folgen kann, versucht er den Spielzug einzuholen. Dicht gedrängt begrüßen die Bewohner des Ortes freudig die Marschierenden, die –ganz ihrer Würde bewusst-- fest geradeaus blicken. Nur einer von ihnen schaut auf und erwidert kurz den freundlichen Gruß des Handwerkers. Durch die Reihen der Musiker trifft uns überraschend der spitzbübische Blick eines kleinen rotschöpfigen Kerls. Claus Meyer: Links „Junge Frau mit Onkel“ Ausschnitt vom „Ausmarsch der Freiwilligen 1813“. Rechts seine ältere Oelstudie „Junge Friesin“ Größe 40x30 cm. Foto: A. Sassen und Abb. aus RB. 55 H.4/2005 S.29. Im Hintergrund verfolgen auf dem Podest der zweiläufigen Treppe zu einem bergischen Haus ein älterer Herr mit Kappe, Weste und Kniebundhose und eine junge Frau an seiner Seite das militärische Schauspiel. Die beiden stützen sich auf das eiserne Treppengeländer und schauen dem Aufmarsch nachdenklich entgegen, während sich die Hausmutter drinnen neben der beiseite gezogenen Gardine zurückhält. Solche Szenen mögen sich zu jeder Zeit und an vielen Orten zugetragen haben. Was sich hier beiläufig abspielt, deckt sich offensichtlich mit einer heimatgeschichtlichen Begebenheit, die aus Solingen überliefert ist. […] auf der Treppe des Patrizierhauses des Klingenkaufmannes Johann Abraham Knecht am 20. Januar 1796 in der Cölner Straße am Ortseingang von Solingen. Das Haus wurde wegen der sieben Stufen, die zum Eingangsportal führten, „Haus auf der Treppe“ genannt. … Solingen war [zu dieser 45 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Zeit] Grenzort und Sitz des Hauptquartiers der Brigade Soult, die zur französischen Rheinarmee des Generals Jourdan gehörte. Als der 28-jährige französische General Soult mit den Revolutionstruppen in Solingen einrückte, stand die 24-jährige Louise Berg auf der erwähnten Treppe und beobachtete den Einzug der Franzosen. Sie erblickte den jungen groß gewachsenen stolzen Reiter, der Würde, Prestige und zugleich vornehme Zurückhaltung ausstrahlte. Louise war von dieser imposanten Erscheinung so angetan, dass sie sich auf der Stelle in ihn verliebte.76 Die beiden heirateten in echter Zuneigung und aufgrund der steilen Karriere des Nicolas Soults und seiner späteren hohen politischen Stellung unter Napoleon und seinen Nachfolgern wurde Louise Berg im 19. Jahrhundert wohl eine der berühmtesten Frauen mit Solinger Wurzeln. Auch wenn sie in ihrem Geburtsland nicht so bekannt war, als Herzogin von Dalmatien wurde sie in Frankreich ein Begriff und wäre beinahe Königin von Portugal geworden. Den Düsseldorfer Künstlern dürfte die Geschichte der Louise von Berg bekannt gewesen sein, zumal diese sich mit ihrem Mann in ihrer Exilzeit von 1816 bis 1819 längere Zeit in Düsseldorf aufhielt. Claus Meyer war es sehr daran gelegen, sich an die geschichtliche Überlieferung zu halten. Die dargestellten Einzelheiten im Wandbild stimmen vollständig mit dem Text des Chronisten überein. Bezeichnend geht die Blickrichtung der jungen Frau eindeutig zum berittenen Offizier. Nur seine Uniform und die der aufmarschierenden Soldaten sind nicht französisch, sondern preußisch. Etwas anderes hätte man zum Besuch Kaiser Wilhelms II. natürlich nicht präsentieren können. Ob es von Anfang an geplant war, in das Bild diese Episode hereinzunehmen oder diese sogar zum Hauptthema zu machen, wird sich kaum noch klären lassen. Die entstehungsgeschichtliche Rekonstruktion wird dadurch erschwert, dass zwei Künstler daran gearbeitet haben. Doch bemerkenswert ist, dass beide Künstler keine „echten“ Preußen waren; Claus Meyer stammte aus Hannover und Huisken war Celler, der in Braunschweig lebte. Beiden Männern dürfte die Rolle Preußens im 19. Jahrhunderts in Bezug auf ihr Heimatland noch gegenwärtig gewesen sein.77 Claus Meyer / Hermann Huisken 1899. Der Spielmannszug und die Szene am Stadteingang von Solingen. Aufnahme der Verfasser 2008 76 Aus Axel Fuesers, Napoleons Marschall Soult und die Solingerin Louise Berg. 77 Die Hannoveraner fühlten sich nie als Preußen, ihr Land war nach 1866 von Berlin annektiert worden. 46 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Hermann Huisken hatte als Kollege Claus Meyers an der Ausarbeitung der Wettbewerbsentwürfe für den Rittersaal mitgewirkt. Als ehemaliger Schüler in Karlsruhe war er mit Meyer 1895 nach Düsseldorf übergesiedelt. Neben der Landschaftsmalerei hatte er sich auf die Darstellung militärischer Szenen spezialisiert. Die Anregungen dazu gewann er zumeist in den Manövergebieten zur Herbstzeit, wo er zahlreiche Skizzen und Studien für seine Schlachtendarstellungen machte. Für die geplante Szene stand Huisken mit der Stirnwand am Eingang des Rittersaals die größte Bildfläche zur Verfügung. Das Tragische war dabei, dass er am 22. September 1899 im 38. Lebensjahr starb. Als Kaiser Wilhelm am 12. August Schloss Burg besuchte, war Huisken schon nicht mehr dabei, Claus Meyer hatte das Bild zu diesem Termin aber vollendet. Da die Freskomalereien in senkrechten Wandabschnitten gearbeitet sind, kann man ungefähr nachvollziehen, welche Teile des Gemäldes Meyer noch ausführen musste.78 Huiskens Arbeit am Bild beginnt bei dem ersten Pfeifer des Spielmannszuges und endet irgendwo im rechten Bereich. Vermutlich gehört die junge Frau mit kleinem Sohn und Ziege wieder zu einem Gemäldeteil Claus Meyers. Im Gegensatz zu Huiskens Uniformierten sind die Bildteile Meyers mit weicherer Pinselführung gemalt. Dazu gehört das Kinderpaar, das den Vordergrund belebt, besonders aber die Szenerie vor dem Spielmannszug. Die Darstellung der jungen Frau mit Spitzenhaube, die sich auf das Treppengeländer des bergischen Hauses lehnt, ist ein untrüglicher Beweis für Meyers Urheberschaft. Eine dazu entstandene Vorstudie betitelt mit „junge Friesin von Claus Meyer“ – wurde von Dirk Soechting wieder- gefunden.79 Die Frau mit Spitzenhaube steht mit ihrem Begleiter zwar am Rande, ist im Bild aber Teil einer belebten Szene. So ist nachvollziehbar, dass Claus Meyer durch Einfügung der Figurengruppe „Louise Berg und Johann Abraham Knecht“, sowie in freier Wiedergabe des „Hauses auf der Treppe“ die Szenerie auf Solingen festlegen und dem Bild einen tieferen Sinn geben wollte. Claus Meyer hat Hermann Huiskens Marsch der sogenannten Freiwilligen nicht in der stets oberflächlichen Glorifizierung vollendet. In den Gesichtern einzelner Akteure spiegelt sich der Ernst der damaligen Situation wieder; denn niemand weiß, ob er diesen Weg jemals wieder zurückgehen wird. Dem Betrachter erschließt sich durchaus der ernste, nachdenklich machende Inhalt. Meyer hat bei Fertigstellung des Gemäldes nicht nur den Namen Huisken darunter verzeichnet, sondern auch mit seinem eigenen Namen signiert. Claus Meyer widmete sich den Gemälden im Rittersaal von Mitte des Jahres 1898 an. Nach einer Unterbrechung im Verlauf des Jahres 1902 hatte er alle Bilder zur Hauptversammlung des Schlossbauvereins 1904 vollendet. Er arbeitete viele Gesichter von Personen seiner Zeit in die Bilder ein, von denen die meisten leider nicht mehr zu bestimmen sind. Ihre Gegenwart und ansprechende Natürlichkeit in den Gemälden ist aber ausschlaggebend für die Botschaft, die den Betrachter erreichen soll. Die Ausmalung ist im Einklang mit der Architektur als ein Gesamtkunstwerk anzusehen und übertraf zu ihrer Zeit die höchsten Erwartungen. In einer Feierstunde am 15. Oktober 1904 übernahm der Nachfolger von Julius Schumacher, der Vorsitzende Moritz Hasenclever den fertigen Rittersaal im Namen des Schlossbauvereins. 78 Die senkrecht verlaufenden Ansätze der Arbeitsabschnitte werden zumeist erst auf den Fotografien sichtbar. 79 Dirk Soechting, R.B. Heft 2, 2005, S. 28/29. 47 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Veränderungen an den Malereien im Rittersaal Der Kunstverein hatte in seinem Programm festgelegt, die Wände im Rittersaal für die Gemälde mit einer horizontalen Trennlinie etwa 1/3 zu 2/3 aufzuteilen. Entsprechend sind damals die Wände nach der Aufteilung im Goldenen Schnitt nicht nur im oberen Bereich mit Historienbildern ausgestaltet worden, sondern auch die unteren Wandflächen wurden bis zum Boden dekoriert. In geschickter Weise hatte Claus Meyer die geschichtlichen Szenen in illusionistischer Perspektive hinter durchgehend gemalte Draperien gesetzt. Durch diese etwa halbhohen Vorhänge, die neben ihrem realistischen Faltenwurf ein kostbar erscheinendes Muster trugen, war der Betrachter fast selbst im Geschehen der Bilder. Er war nur durch ein leichtes Tuch von diesen getrennt, was die Wirkung der Darstellungen wesentlich gesteigert hat. Am oberen Rand der Vorhangtücher waren helle Schriftbänder malerisch angebracht, die auf den Inhalt der Szenen hinwiesen. Die Dekoration in dieser Form entsprach ganz der neugotischen Auffassung und gab dem Rittersaal weitestgehend den vom Architekten Fischer gewollten spätgotischen Charakter mit einer verspielten Festlichkeit. Bei der Brandkatastrophe im Jahre 1920 wurden die Bilder, und vermutlich besonders die umlaufenden Dekorationen durch Löschwasser beschädigt. Die bildlichen Darstellungen im oberen Wandbereich werden nur stark verschmutzt gewesen und aufgrund ihrer haltbaren Freskoausführung mit einer Reinigung wieder hergestellt worden sein. Dagegen war der untere ornamentale Wandbehang, der vermutlich in einem Farbauftrag auf die trockene Wand (a secco) entstand, wahrscheinlich verwaschen und somit stark beschädigt. Eine zeitraubende und damit teure Restaurierung wäre danach notwendig gewesen. Da man schon zu dieser Zeit ohnehin nicht mehr viel von der vorausgegangenen Epoche des Historismus hielt, ist es möglich, dass die unteren Wanddekorationen auch aus diesem Grund aufgegeben wurden. Man verkleidete sie mit einem profilierten Brettersockel und versah dessen Oberkante mit geschnitzten Erläuterungen zu den Gemälden. Aus Unkenntnis sind dabei die ersten zwei Bilder geschichtlich nicht korrekt beschriftet worden. Die Holzverkleidung nimmt mit ihrer Wucht und Schwere den Bildern viel von ihrer ursprünglichen Lebendigkeit und Wirkung. Zudem steht ihre Höhe nicht im ausgeglichenen Verhältnis zur Gesamthöhe des Raumes beziehungsweise zur Höhe der Wandbilder. Diese ist offenbar durch die später eingezogene neue Eichenholzdecke noch zusätzlich einschränkt worden. Besonders an der „Schlacht bei Worringen“ wird das durch die verdeckte Reiterfigur des bergischen Grafen deutlich. Auf alten Wiedergaben, so in F. Schaarschmidts „Geschichte der Düsseldorfer Kunst“, ist diese Figur noch als Ganzes zu erkennen. Bei den anderen Bildern fällt die Reduzierung im Allgemeinen nicht auf, in der Summe mit der Höhe der Holzverkleidung trägt sie aber mit zur Verzerrung des Goldenen Schnittes bei. Vermutlich ist dieser Zustand einer der Gründe dafür, dass sich die Kunsthistoriker über die gewisse Starre und Verhaltenheit der meisten Bilder Claus Meyers in Burg Gedanken machten und ihn in sein angestammtes Metier, das Genre verweisen wollten. (siehe unten). Die historischen Wandgemälde in Rittersaal und Kemenate wurden 1950 durch den Burger Maler Erich Hasenclever restauriert.80 50 Jahre später überarbeitete eine Restauratorengruppe aus Polen die Fresken erneut. Nach starken Feuchtigkeitsschäden im Verlauf von 2007/08 mussten Teile des Freskos „Kinderverlobung“ neu gemalt werden. 80 Lore Reinmöller, a. a. O. S. 94 48 © Andreas Sassen, 42651 Solingen und Dr. Claudia Sassen, 47057 Duisburg Vergleich der eingereichten Entwürfe von 1897 zu den ausgeführten Bildern im Rittersaal Für eine Ausstellung auf Schloss Burg, die vom 11. Juni bis zum 30. August 1992 dauerte, hatte man eine beträchtliche Zahl der Wettbewerbsarbeiten von 1897 aus weit verstreutem Besi |
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