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Beiträge zur Heimatgeschichte Band 14 Zur Geschichte des Isselhorster Altars Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 20132 3 Andreas Sassen / Claudia Sassen Zur Geschichte des Isselhorster Altars im Landesmuseum Münster und in der Pfarrkirche zu Isselhorst ISSN 2192-68404 5 Beiträge zur Heimatgeschichte Band 14 Andreas Sassen / Claudia Sassen Zur Geschichte des Isselhorster Altars im Landesmuseum Münster und in der Pfarrkirche zu Isselhorst ISSN 2192-6840 Solingen 20136 Beiträge zur Heimatgeschichte Beiträge zur Heimatgeschichte ist eine Schriftenreihe zu Themen von Kunst und Architektur in NRW herausgegeben von Andreas Sassen und Claudia Sassen. Impressum: © 2013 Andreas Sassen / Claudia Sassen Hasselstr. 4, 42651 Solingen claudia.sassen@uni-dortmund.de ISSN 2192-6840 Redaktion Claudia Sassen Fotos Ingbert Drews / Rudolf Wakonigg / Helmut Kerkeling / Ceres-Verlag / Sabine Ahlbrand-Dornseif, LWL-Museum für Kunst und Kultur / Andreas Sassen Zeichnungen Andreas Sassen Titelfoto Begegnung Annas und Joachims von Ingbert Drews Druck- und Verlagsort Solingen, Selbstverlag der Herausgeber Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.7 Inhalt: 9 Zur Geschichte der Kirche in Isselhorst 11 Entdeckung des Isselhorster Altars 12 Überstellung der Bildtafeln nach Münster 13 Zustand der Malerei nach der Aufdeckung 14 Beschreibung der mittelalterlichen Darstellungen 23 Rekonstruktion des einstigen Gesamtkunstwerks 25 Ikonographie der Darstellungen auf dem linken Flügel 26 Stilistische Zuordnung des Isselhorster Altars Bisheriger Stand der Forschung 28 Stilistische Zuweisung auf einen Meister von Münster und die Reihenfolge der Entstehung der Altarbilder 34 Motive vom Bielefelder- und Berswordt-Altar beim Meister von Münster 48 Eine Darstellung der Klosterkirche Marienfeld im Isselhorster Altar 49 Der erste Aufstellungsort des Isselhorster Altars 51 Die Weitergabe des Flügelaltars nach Isselhorst 55 Die manieristisch-frühbarocke Zweitfassung des Isselhorster Altars 55 Die Entwicklung des Abendmahlsmotivs zum protestantischen Altarbild 56 Stilistische Zuordnung der Zweitfassung des Isselhorster Altars 58 Die Gemälde der Zweitfassung nach Vorlagen Matthäus Merians und Hans von Aachens 61 Beschreibung der manieristisch-frühbarocken Bildtafeln 65 Versuch des Rückkaufs des gotischen Altarbildes und Anfertigung der Bildkopien durch den Maler Paulhermann Schoedder 66 Verbleib der Altarbild-Kopien 66 Der rechte Altarflügel in Isselhorst 69 Exkurs: Der Maler Paulhermann Schoedder und sein Werk 71 Literatur und Danksagung der Verfasser8 9 Zur Geschichte der Kirche in Isselhorst Das Dorf Isselhorst, seit der kommunalen Neuordnung Westfalens 1970 ein Ortsteil der Kreisstadt Gütersloh, war Kirchspielort mit langer Tradition und einst selbständige Gemeinde unter der Landesherrschaft Ravensbergs mit dem Oberzentrum Bielefeld. Nach wie vor ist die Kirche das kulturgeschichtlich bedeutsamste Gebäude der Gemeinde und in ihrer heutigen Form ein noch ganz erhaltenes neugotisches Gesamtkunstwerk aus dem 19. Jahrhundert. Die Kirche zu Isselhorst. Außenansicht und Längsschnitt des Kirchenbaus im Jahre 1879. Bauaufnahme des Baurats Hartmann aus Münster. Umzeichnung der Verfasser Ursprünglich gehörte das Kirchdorf zum Münsterland und war Grenzort zum Gebiet des Erzbistums Paderborn. Um diesen Platz abzusichern, bestimmte Bischof Hermann II. von Münster Ende des 12. Jahrhunderts, die Kirche von Isselhorst dem neu gegründeten Zisterzienserklosters Marienfeld zu 10 unterstellen. Die Gründungsurkunde Marienfelds von 1185 1 erwähnt Isselhorst zwar nicht, doch die Maßnahme wird von seinem Nachfolger Bischof Otto in einer undatierten Urkunde bestätigt.2 "Otto, von Gottes Gnaden Bischof von Münster, (gebietet) allen, die zur Christenheit zählen, was sie durch ihren Namen bekennen, durch die Wahrheit ihrer Taten zu bewähren. Es möge die Welt wissen, die die vorliegende Schrift sieht oder (von ihr) hört, daß, nachdem der Bischof Hermann, frommen Angedenkens, die Kapelle in Hislehorst dem Marienfeld in lobenswerter Freigibigkeit übertragen hat, wir bei unserer Nachfolge nicht nur wünschten, daß die Tat der Frömmigkeit nicht nur rechtskräftig ist, sondern sie auch mit unserer Schenkung begleitet haben. Damit niemand in Zukunft aus Bosheit sich anmaßt, was aus Frömmigkeit entstanden ist, zu stören, haben wir die vorliegende Urkunde mit unserem Siegel bestätigen lassen, unter der Herrschaft des Herrn Jesu Christi, der uns für dieses gute Werk im ewigen Leben vergelten wird und der in Ewigkeit lebt. Amen.".3 Zweifellos war die Gründung der Kapelle schon wesentlich früher geschehen und ging wahrscheinlich auf die bis dahin übergeordnete Benediktinerabtei Liesborn zurück.4 Ihre Erhebung zur Pfarrkirche und ihre Unterhaltung, sowie alle baulichen Veränderungen und Ausstattungsmaßnahmen erfolgten durch die Zisterzienser von Marienfeld. Obwohl der Orden grundsätzlich keine Kleriker außerhalb der Klostermauern beschäftigte, dürfte anfangs die geistliche Betreuung der Gemeinde vom Kloster aus erfolgt sein. Später wurden vom Kapitel bestimmte weltliche Priester für Isselhorst eingestellt und auch nach der Einführung der lutherischen Konfession im 16. Jahrhundert hatte der Abt noch bis 1803 ein Mitspracherecht bei der Einsetzung des Pfarrers. So stand in Isselhorst aus der Klosterzeit Marienfelds bis 1878 eine zweischiffige gotische Hallenkirche mit einem älteren eingezogenen quadratischen Chorraum. Wie der Kirchenbau aus Teilen der Romanik und frühen Gotik zusammengesetzt war, dabei spätgotische und barockzeitliche Veränderungen erfahren hatte, war auch die Ausstattung seines Innenaums ein Ergebnis aus vielen Jahrhunderten. Bis in den letzten Winkel füllten ihn Erb- und Kastengestühle, Emporen mit Orgel und geschlossenen Priechen, Kronleuchter, Totenkränze, Totentafeln und andere Kunstwerke. Zudem lagen am Boden des Kirchenschiffs eng aneinander Begräbnisplatten aus allen Jahrhunderten. Isselhorst war ein typisches Beispiel der alten Kirchen, die vielerorts zur „Guten Stube“ des Dorfes geworden waren. Die maßgebenden Familien im Dorf, die ihren angestammten Platz im Gestühl hatten, achteten darauf, dass ihre Stiftungen und Erinnerungsstücke nicht angetastet wurden. Doch als am 24. Dezember 1877 Steine aus dem Chorgewölbe herabfielen und Einsturz drohte, bedeutete es das Ende des hochromantischen alten Gotteshauses. Angesichts auseinanderdriftender Mauern und aufreißender Gewölbe sah sich kein Baumeister mehr in der Lage, dem Zerfall der Kirche Einhalt zu gebieten. Zunächst wurde nur der Chorraum abgerissen. Als daraufhin die Schiffsgewölbe nach Osten auswichen und die Säulen in Schiefstellung gerieten, wurde auch der Kirchenraum abgetragen, zuvor aber noch von Münster aus eine Bauaufnahme angefertigt und kunsthistorische Beobachtungen durch-geführt.5 Bis 1882 ist nach Plänen des Barkhausener Architekten Heinrich Hutze6 an den verbliebenen Turm die heutige neugotische Hallenkirche auf einem kreuzförmigen Grundriss angebaut worden. 1 Erhard, Regesta Historiae Westfaliae, Codex dipl. Nr. 451. 2 Westf. Urk.-Buch III Nr. 30. 3 Die Übersetzung und Publizierung der Urkunde Ottos I. (II.?) veranlasste ersmals Otto Wiehage, 1950. 4 Liesborn, 956 als Kanonissenstift gegründet, 1130 Neugründung mit Benediktinern der Hirsauer Verfassung. 5 Bauaufnahme in Isselhorst durch den Regierungsbaumeister Hartmann aus Münster, kunsthistorische Untersuchungen von einem Herrn Frankenberg-Proschlitz. 6 Heinrich Hutze, * 1853 Barkhausen, † 1913 Barkhausen, Architekt und Kirchenbaumeister. 11 Die ev. Kirche zu Isselhorst im 19. Jahrhundert vor ihrem Abbruch. Blick durch das zweischiffige Langhaus zum Chor. Ein stetes Anwachsen der Gemeinde hatte den Einbau mehrerer Emporen notwendig gemacht. Der Altar mit dem Triptychon stand im Chor unter der Orgel. Rekonstruktionszeichnung der Verfasser. Die Entdeckung des Isselhorster Altars Unter den verwahrten Ausstattungsstücken der alten Kirche befand sich ein Flügelaltar mit einer früh-barocken Malerei aus dem 17. Jahrhundert. Im Mittelteil des Triptychons war eine Darstellung des „Letzten Abendmahls“ geschaffen worden,7 auf dem linken Innenflügel die „Kreuzigung Christi“ und rechts gegenüber die „Grablegung Christi“. Schloss man die Flügel, waren außen links das „Ecce ho mo“, Christus vor Pilatus mit einer Kreuztragung im Hintergrund und rechts die „Geißelung Christi“ zu sehen. Bei der Einrichtung der neuen Pfarrkirche 1882 wurde eine Wiederverwendung des Altarbildes nicht beschlossen. Es befand sich in einem schlechten Zustand und war zudem als barockes Kunstwerk in einem Stil, den man zu dieser Zeit nicht schätzte. Die Neugotik verstand sich puristisch – duldete also in ihrem konsequenten Streben nach Reinheit keinen Stilbruch in der Ausstattung einer Kirche. So 7 Maße des Mittelteils: 1,38 m hoch, 1,78 m breit12 fristete der Flügelaltar noch 20 Jahre ein unbeachtetes Dasein, bis 1904 der westfälische Provinzial-konservator Albert Ludorff seine Denkmal-Inventarisation im Kreis Bielefeld erstellte. 8 Er nahm in Isselhorst den verbliebenen mittelalterlichen Turm messtechnisch und fotografisch auf. In der Halle oder im Oberstock des Turms stieß er auf das dort abgestellte Triptychon, dessen Bilder weiterhin gelitten hatten und die Farben stellenweise abgeblättert waren. Eine darunter zum Vorschein kommen-de wesentlich ältere Malerei war allgemein unbeachtet geblieben, doch für Ludorff eine Aufsehen erregende Entdeckung. Der barockzeitliche Künstler hatte mit seinen Gemälden sehr alte aus der Gotik stammende Tafelbilder übermalt. Überstellung der Bildtafeln nach Münster Ludorff hätte den Fund sofort für das neue Provinzialmuseum in Münster erworben, das für seine Sammlung Exponate der gotischen Kunstepoche suchte. Besonders das Isselhorster Bild versprach nach ersten Untersuchungen eine Lücke zur Kunst Conrads von Soest zu füllen. Doch die preußische Aufsichtsbehörde verweigerte die Genehmigung mit der Anordnung, das Bild solle restauriert werden und an seinem Ursprungsort verbleiben. Der Flügelaltar kam daraufhin in die Werkstatt des Provin-zialmuseums nach Münster, wo der Restaurator Sötebier die jüngere Übermalung abnahm und die noch vorhandenen mittelalterlichen Darstellungen freilegte.9 Auf der Mitteltafel trat die Passion Christi in fünf Bildern wieder zutage, während auf der Innenseite des linken Flügels zwei Szenen aus der Legende Annas, der Mutter Marias sichtbar wurden. Leider ließen sich auf allen anderen Flügel-seiten nur noch unkenntliche Farbspuren der alten Fassung nachweisen, so dass der Restaurator darauf die Malerei des 17. Jahrhunderts beließ. Nach Isselhorst wurden die Bilder aber nicht wieder zurückgegeben. Man unterrichtete die Gemeinde von einem sehr schlechten Zustand der Tafeln, wies auf die fehlende Ausgewogenheit der nun teils gotischen und teils barocken Altarflügel hin und riet von einer Wiederverwendung in der Kirche ab. Auch ein Gutachten des Provinzialkonservators der Rheinlande Prof. Dr. Clemen lautete dahingehend. Anscheinend machte das Museum aber Werbung mit dem Flügelaltar in der Provinz; denn inzwischen wurde der Altar sogar auf einer Ausstellung für mittelalterliche Kunst, „Die Schule Conrad von Soest“ in Soest gezeigt. Ein Bielefelder Pastor hatte das Altarbild dort gesehen10 und vertrat nun auch die Meinung, ein beschädigtes Kunstwerk könne zu liturgischen Zwecken nicht mehr verwendet werden. Nach diesen Beurteilungen drängte das Konsistorium in Münster wie auch die Regierung in Minden auf den Verkauf an das Provinzialmuseum. Der westfälische Provinzialausschuss bewilligte unter der Bedingung des Verkaufes den Betrag von 2800 Mark für die Erhaltung des Altarbildes. Als man sich in Isselhorst nach langem Zögern 1908 zur Abgabe des Kunstbesitzes entschloss, ging eine Welle der Empörung durch die regionale Presse. Besonders der Historische Verein in Bielefeld erhob gegen diesen Kunstraub lebhaften Protest: Auf ähnliche Weise seien bereits aus vielen Kirchen Minden-Ravensbergs die angestammten Kunstwerke abhanden gekommen. Das Presbyterium in Isselhorst rechtfertigte öffentlich seine Entscheidung, ausschließlich nach dem Rat der Sachverständigen gehandelt zu haben.11 Der Kirchengemeinde ging aber durch den Verkauf des Altarbildes der nicht geringe Betrag von 3000 Mark zu. 8 Ludorff, Albert, (1892 Provinzialkonservator, †1915) Isselhorst, Kreis Bielefeld Land in: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Band Bielefeld, Münster 1906. S. 20. 9 Von der entfernten Barockfassung wurden keine Abbildungen angefertigt, in Münster finden sich keine Fotos. 10 Anscheinend wurden die Bildtafeln ohne Wissen der Isselhorster an anderen Orten gezeigt. 11 Richter, Dr. Das Altarbild in Isselhorst. Gütersloh 1930. Otto Wiehage. Aus der Geschichte des Kirchspiels Isselhorst. Bethel 1933. Plöger Renate / Ortwin Schwengelbeck. Kirche und Gemeinde Isselhorst im Wandel der Zeit. Isselhorst 1980. Evangelische Kirche Isselhorst. Kleiner Kirchenführer. Isselhorst (ohne Datum).13 Isselhorster Altar. Diese rekonstruierte Form zeigt das Triptychon, würde man es aus gotischer Tafelmalerei und frühbarocken Gemälden zusammenstellen. Zustand der Malerei nach der Aufdeckung Letztlich war nicht zu verkennen: die Kunstsammler von Münster hatten Isselhorst bewusst einseitig informiert. Entgegen der Begründung an die Isselhorster Kirchengemeinde schrieb A. Brüning, der erste Direktor des Provinzialmuseums in seinem Erwerbungsbericht: Durch sorgsames Ablösen der rohen Malerei des 17. Jahrhunderts wurde die alte Malerei freigelegt, die im Wesentlichen gut erhalten ist. Die Restaurierung hat sich auf ein Auskitten der ausgebröckelten Stellen des Kreidegrundes beschränkt, der zum größten Teil auf Leinwand liegt.12Die Fehlstellen wurden durch einen der Umgebung angepassten Ton gedeckt. Auf alten Fotos, die den Zustand der gotischen Gemälde nach der Freilegung zeigen, ist zu sehen, dass die Bildflächen mit kleinen Fehlstellen übersät waren. Entsprechend spricht der Restaurierungsbefund von abgeriebenen Flächen in Farb- und Goldbereichen.Vermutlich hatte an diesen Stellen durch die Farbschicht eindringende Feuchtigkeit den Kreidegrund quellen lassen und unzählige Blasen an der Farboberfläche hervorgerufen. Der Künstler der dann im 17. Jahrhundert das Tryptichon neu bemalen wollte, hat die aufgeworfenen Unebenheiten einfach abgeschliffen und damit die Farbe der alten Darstellungen an diesen Stellen entfernt. Die Innenseite des rechten Flügels und die Außenseiten beider Flügel hatten wohl so gelitten, dass hier selbst kein Kreidegrund und damit keine mittelalterliche Malerei mehr vorhanden war. Die Barockdarstellungen sind auf allen drei Flügelseiten direkt auf den Holzgrund aufgemalt worden. Pieper meint zwar, dass eine heute durchgeführte Restaurierung wesentlich mehr von der alten Substanz hätte retten können. Vermutlich waren aber durch Witterungsschäden und das Abschleifen im 17. Jahrhundert nicht mehr von der ursprünglichen Farbschicht geblieben, so dass man Sötebier diesen Umstand nicht anlasten kann. Vermutlich war dieser Restaurator aber noch im Handwerk mit 12 Pieper, Paul, (ehem. Direktor des Landesmuseums), Meister von Münster – Der Isselhorster Altar, in: Die deutschen, niederländischen und italienischen Tafelbilder bis um 1530. Münster. S. 78-85. 14 Isselhorster Altar, Innenseite des linken Flügels nach Freilegung der gotischen Tafelmalerei. Die Bildfläche ist mit zahllosen Fehlstellen übersät, die durch das Abschleifen für die Zweitfassung entstanden waren Abb. aus: Paul Pieper, Tafelbilder. historischen Malmitteln geschult. Dagegen ist eine 1961 erneut durchgeführte Restaurierung des Malers F. Kuchel mit modernen Ölfarben nicht gelungen. Nach Angaben Piepers haben sich die Retuschen bereits so stark verfärbt, dass sie den Gesamteindruck empfindlich stören. Vom Isselhorster Triptychon kamen damals Mittelteil und linker Flügel in die Abteilung der mittel-alterlichen Tafelmalerei des Provinzialmuseums, dem heutigen LWL-Museum für Kunst und Kultur - Münster. Der rechte Flügel blieb mit seiner barocken Malerei unverändert und wurde der Isselhorster Pfarrkirche in einem offiziellen Verfahren zurückgegeben.13 Nach damaliger Auffassung der Kunstsachverständigen waren die groben Darstellungen des Barockstils ohne Wert.14 Beschreibung der mittelalterlichen Darstellungen Das Triptychon, bestehend aus Mitteltafel, linkem Flügel und rechtem Flügel, ist aus Eichenholztafeln in einem Rahmenwerk zusammengesetzt. Die Holzträger wurden mit Leinwand überspannt und mit Kreide geschlämmt. Zur Vorbereitung des Bildgrundes hat man den Kreidegrund geschliffen und gegen zu starkes Saugen mit einem Firnis eingelassen. Dadurch erhielt man einen hochfeinen, flexiblen und damit rissfesten Malgrund. Der Farbauftrag erfolgte dann auf dem angetrockneten und nur langsam abbindenden Firnis-Untergrund. Dadurch konnten sich die Farben in einem langen Trockenvorgang unlösbar mit dem Öl-Kreidegrund verbinden und haben dadurch sogar ein Ablösen der späteren Übermalung überstanden. 13 Nach preußischer Gründlichkeit ist der Vorgang als Verhandlung dokumentiert, die in Münster vorliegt. 14 Ludorff, Baudenkmäler, Isselhorst, S. 20.15 Rekonstruierte Aufmessung des Isselhorster Altars mit Mensa, Predella und Triptychon. Zeichnung der Verfasser Die Größe des Triptychons bei geöffnetem Zustand war mit fast 3,60 m Breite schon beeindruckend und seine Höhe von 1,36 m wurde durch die Aufstellung auf der steinernen Altarmensa erheblich gesteigert. Dazu kommt, dass das Flügelbild mit einer Predella auf den Altartisch stand, einem Unterbau, der in Isselhorst etwa 40-50 cm Höhe gehabt haben dürfte. Dadurch blieben die Bilder für die Gläubigen im Kirchenschiff über dem Kopf des zelebierenden Priesters sichtbar, ermöglichten auch jederzeit ein Schließen der Flügel, ohne den Altartisch leerräumen zu müssen. Bei einer Höhe der Mensa von 1.0 m + 0,40 m für die Predella + 1.36 m für das Altarbild erreichte der Hauptaltar in der Isselhorster Kirche die beachtliche Größe von 2,80 m Höhe und 3,60 m Breite. In der Spätgotik erhielten die Flügelaltäre vielfach noch einen filigranen Aufsatz, das Gesprenge, mit dem die Wirkung der Altaranlage noch gesteigert wurde. Vermutlich ist dies beim Altar in Isselhorst aber noch nicht geschehen. Die erhaltenen Bilder sind nun in chronologischer Folge der neutestamentarischen Schilderungen im Programmverlauf des Triptychons von außen nach innen beschrieben und enden entsprechend der erhaltenen Bilder mit der Kreuzigung Christi. Unter den Überschriften folgen in der Reihenfolge Höhe mal Breite die Maße der einzelnen Bilder. 15 Die Tafelblder des Flügels und des Mittelteils sind mit einem rot-goldenen Rahmenstreifen von 14 cm umgeben und mit einem roten Trennstreifen von 3 cm voneinander abgesetzt. 15 Maße und Teile der Beschreibung nach Pieper, Tafelbilder, S.78-80. Inv. Nr. 7 LM16 Linker Flügel: Maße: Mit Rahmen 136,0 x 89,2 cm. Bildfeld ohne Rahmen: 109.5 x 60.8 cm. Oberes Bild: Begegnung Joachims und Annas an der Goldenen Pforte. Maße: 49,7 x 54 cm. Foto: Ingbert Drews Joachim und Anna begegnen sich vor der Goldenen Pforte und legen ihre Hände ineinander, beide sind im schon vorgerückten Alter. Er trägt eine blaue Kappe und einen blauen, grüngefütterten Mantel über violettem Gewand. Sie hat ein weißes Tuch zu einem Turban um Kopf und Hals gebunden und trägt einen roten, blau gefütterten Mantel über einem graublauem Gewand. Rechts hinter ihnen das Tor mit einer rundbogigen goldenen Öffnung. Der Bau in der Form einer grau gehaltenen gotischen Kirche. Die Bedachung der Schiffe aus blauen Schindeln. Das Mittelschiff mit rundbogigen Seiten-fenstern, das Seitenschiff mit einem gotischen Maßwerkfenster und Blendbogenfriesen darunter Der Künstler nutzt hier die in der Geschichte vorkommende Baulichkeit des Tores zur Darstellung der damals beliebten Idealarchitektur, wie sie aus der französischen Kunst vorgegeben wurde. Ein mit Krabben besetzter Giebel und Fialen zu beiden Seiten, die bis in den roten Bildrahmen reichen, sowie Zinnen als Abschluss des Pultdachs am Seitenschiff. . In der linken oberen Bildhälfte Joachim, der bei seinen Schafen in grüner Landschaft hockt. Erstaunt hebt er die Hände und blickt nach oben auf einen zu ihm schwebenden Engel, dessen weisende Hand gestisch seine Verkündigung andeutet. Der Engel aus blauem Wolkenkranz schwebend, in blauem Gewand mit blauen Flügeln. Der Himmel im Goldgrund mit sieben sternenartigen plastischen Zierden. In der Landschaft mit Bäumen, vier davon als Silhouette am Horizont, verteilt sich eine Schafherde mit Bock, der vorn neben einem Busch Marienblumen grast. Dabei zwei klein dargestellte Hirten als Nebenfiguren. Sie tragen Umhang, Filzhut und Kapuze, einer kniet im Gras und der andere stützt sich auf seinen Stab.17 Unteres Bild: Die Geburt Mariens Maße: 50,5 x 54 cm. Foto: Ingbert Drews Das Bett der Wöchnerin Anna steht schräg in einem durch blaue Vorhänge abgeteilten Raum. Die Stoffbahnen sind faltenreich links und recht zur Seite geschoben und geben den Blick frei auf die liegende Anna. Ihr Kopf ruht auf weiß bezogener Kissenrolle mit roter Füllung und ihr Körper unter einem weißen Laken, das von einer braun-violetten Decke belegt ist. Sie hält die hellblau bekleideten Arme auf der Bettdecke, kreuzt die Hände und blickt zur Seite auf ihr neugeborenes nacktes Kind, das eine Magd auf ihrem Schoß hält. Diese sitzt auf einem Hocker, trägt eine grünes Gewand und auf dem Kopf ein perlenbesetztes Schapel. Eine zweite weißgekleidete Magd rechts von ihr bereitet ein Bad in einem runden Holzzuber und prüft mit den Fingerspitzen die Temperatur des Wassers. Davor ein kleineres Gefäß zum Wassertragen und hinter ihr neben dem Bett in einem Gestell ein violetter Kessel, der von einem offenen Feuer beheizt wird. Am Fußende des Bettes ein Tisch mit einer hochgeklappten Platte, ein in diesem Umfeld originelles Möbelstück. Unmittelbar bei Anna neben dem Bett ein Stuhl mit geflochtenem Binsensitz. Das Bild umrahmt ein roter Trennstreifen, der nur auf dem Mittelstreifen goldene Rosetten trägt.18 Mitteltafel Die Größe der Mitteltafel entspricht etwa der Fläche der beiden Flügel, so dass im geschlossenen Zustand die Bilder der Mitteltafel bedeckt waren. Maße mit Rahmen: 137,0 x 175,1 cm. Maße Ohne Rahmen: 109,5 x 146, 5 cm Mitteltafel, Bild links oben: Die Geißelung Christi Maße: 50,0 x 47,5 cm. Foto: Ingbert Drews In einem Raum mit einem grau-violett gemusterten Fliesenboden steht die Geißelsäule, an die der nur mit einem Lendentuch bekleidete Christus an Händen und Füßen gefesselt ist. Links von ihm ein kniender junger Mann, der den Strick fest zieht und ein weiterer Scherge in knappen violettem Wams und blauen Beinkleidern, der mit einer grünen Rute zum Schlag ausholt. Ebenso verhält sich ein Mann im Vordergrund mit hellgelbem Gewand und weißem sogenannten „Judenhut“. Ein vierter Scherge in blauem Gewand schlägt von hinten mit einem Stock auf Christus ein. In der Gruppe rechts im Bild der dunkelbärtige Pilatus mit einem weißen spitzen Turban. Er trägt ein hellrotes geschlitztes Gewand, umgürtet mit einem weißen Tuch , das von einem goldenem Schloss zusammengehalten wird sowie blaue Beinkleider und rote hohe Schuhe. Links von ihm ein dickbauchiger bärtiger Begleiter mit grünem Hut und grünem Wams, der eine Anzahl Ruten in seiner rechten Hand trägt. Dahinter die Köpfe zwei weiterer Männer mit roten Hüten. Der Hintergrund des Bildes golden belegt, mit gepunzten Rosetten umrahmt. Der Nimbus des Christus durch gepunzten Kreis und Rosetten vom Hintergrund abgehoben. 19 Mitteltafel, Bild rechts oben: Dornenkrönung und Verspottung Christi. Maße: 50,0 x 48,0 cm. Foto: Ingbert Drews Ein weiterer Raum mit kunstvoll gemustertem grau-viotettem Boden und goldenem Hintergrund in dem auf erhöhtem Thron Christus in blaugrauem weitem Gewand Christus sitzt und die Hände auf die Beine stützt. Hinter ihm ein Scherge mit rotem Knaufhut in grünem Gewand, der ihm die Augen mit einer Binde zuhält und zum Schlag ausholt. Ein weiterer Scherge rechts im Hintergrund ist im Begriff, ihm mit ausgestreckten Händen die Dornenkrone aufzusetzen. Der links neben ihm kniende hellgelb gekleidete Knecht fasst ihn am Ärmel und bedroht ihn mit der Faust. Rechts im Vordergrund zwei weitere Schergen, einer im roten Gewand und blauen Beinkleidern kniet vor Christus und hält ihm eine Rute entgegen. Der andere tritt auf ihn zu, schürzt zum Beugen des Knies sein rosa Gewand, die linke Hand am Dolch in seinem Gürtel.20 Mitteltafel, Bild links unten: Die Kreuztragung Christi. Maße: 43,0 x 47,5 cm. Foto: Ingbert Drews Christus das Kreuz tragend auf dem Weg nach Golgatha. Er schreitet in grauem Gewand blutüberströmt unter dem mächtigen Kreuz voran, gezogen und getrieben von zwei Knechten. Der eine hinter ihm im gelben Gewand, blauem Halstuch und rosa Kappe greift ihn an die Schulter und stößt ihm dabei eine Keule in den Rücken. Der zweite Scherge in rosa Gewand und gelben Beinkleidern zieht Christus an einem Strick um die Taille voran, während ihm ein weiterer von der linken Seite in die Haare greift. Dahinter verspottet ihn ein Mann in Narrengewand und mit Narrenkappe und reißt ihm ein Maul.In der linken Bildhälfte wird mit dem Mann am linken Kreuzbalken Simon von Cyrene gedacht. Er hilft beim Tragen des Kreuzes, ist mit einem braungelben Gewand bekleidet, das mit einem Gürtel zusammengehalten wird und blaugrüne Beinkleider. Vor dem goldenen Hintergrund die Gruppe der drei Trauernden, mit der Mutter Maria, die die Hände vor der Brust kreuzt, ihrer Schwester sowie dem Jünger Johannes. Der Zug schreitet auf grünem Boden mit einzelnen Steinen und Pflanzen. 21 Mitteltafel, Bild rechts unten: Christus wird ans Kreuz geschlagen Maße: 53,0 x 58,0 cm. Foto: Ingbert Drews Vor goldenem Hintergrund eine dunkle zu einem Hügel ansteigende Landschaft, die mit Marienblumen und Pflanzen besetzt ist. Christus, der nur noch ein dünnes Lendentuch trägt, liegt auf dem Kreuz, wird von drei Schergen mit Stricken daran festgebunden, während ihm ein vierter einen großen Nagel durch die rechte Hand treibt. Besonders der gelb gewandete Mann links zurrt mit aller Kraft die Beine an den Holzbalken. Der zweite vor ihm mit rosarotem Rock assitiert dem grüngekleideten Knecht der auf der anderen Seite des Kreuzbalkens mit dem Hammer zum Schlag ausholt. Im Vordergrund der vierte Knecht, der im orangefarbenem Rock mit unbeweglicher Miene den Strick hält. In seinem Gürtel eine braune Tasche in der ein Dolch steckt. Wie im Bild der Kreuztragung ist der Kreuzstamm diagonal ins Bild gesetzt. Diesmal entgegengesetzt übergeht er den linken Bildrand und weist als Überleitung auf die endgültige Szene der Kreuzigung hin.22 Haupttafel, Mittelbild: Die Kreuzigung Christi Maße: 106,0 x 41,5 cm. Foto: I. Drews Gegenüber den vier quadratischen Begleitbildern ein relaiv schlankes hochrechteckiges Bildformat in der Mitte der Haupttafel.. Auf goldenem Hintergrund Christus an einem schlichten Balkenkreuz mit drei Nägeln befestigt. Er hängt mit geschlossenen Augen, das Haupt mit einem goldenen, gepunzten Nimbus zur Seite geneigt. Gesicht und Körper wirken schlank und jugendlich, das weiße Lendentuch 23 knapp, fast durchsichtig. Aus seinen Wunden rinnt Blut über den Leib und über den Fuß des Kreuzstammes. Das Blut aus den Wunden seiner Hände und seiner Seite wird von drei Engeln in Kelchen aufgefangen. Unter dem Kreuz die Szenerie der eng aneinander gedrängt stehenden Menschen. Links vom Kreuz die Mariengruppe, an zentraler Stelle die Mutter Jesu in einem bemerkenswert faltenreichem blauen, grüngefütterten Mantel, darunter ein weißes Kopftuch und ein violettes Kleid. Rechts wird sie von Johannes gestützt, der zum Gekreuzigten aufblickt. Links vermutlich Maria Magdalena in einem hellroten Mantelgewand. Hinter der Gruppe zwei weitere Marien, eine mit einer gerüschten weißen Haube, die zweite mit einem hellblauem Kopftuch. Alle Marien und Johannes mit goldenem gepunztem Nimbus. In der Gruppenmitte rechts vom Kreuz der Gute Hauptmann mit langem, kunstvoll geflochtenem Bart, der in eine rote, mit Schmuck besetzte Kordel übergeht dessen Quastende von seiner linken Hand gehalten wird. Seinen Kopf bedeckt ein großer, weißer, dreistufiger Turban. Der Hauptmann trägt einen grün gemusterten, geschlitzten Rock mit braunem Pelzbesatz, rosafarbene Beinkleider umd um die Hüften ein gedrehtes weißes Tuch, das von einer goldenen Rhombenschließe zusammengehalten wird. Er weist mit seiner rechten Hand auf Christus, während von ihm ein Spruchband ausgeht, dessen vere einzig erhalten blieb und wohl mit dei filius erat iste ergänzt werden müsste. Ganz rechts ein graubärtiger ernst wirkender Greis mit Turban, der dem Hauptmann seine Hand auf den Arm legt. Links ein jüngerer blonder Mann. Hinter der Gruppe zwei grobe spottende Schergen, von denen einer ein Maul reißt und den Gekeuzigten verhöhnt. Das Kreuz steht auf einer grünen, felsigen Erhebung, auf der Marienblumen wachsen und vorn die Eingänge zu zwei Felsengräbern zu sehen sind. Die Kreuzigung rahmt ein roter Trennstreifen mit silbernem Bandwerk. Der goldene Bildbereich ist zusätzlich mit gepunzten Rosetten umgeben. Rekonstruktion des einstigen Gesamtkunstwerkes. Da das Bildprogramm des Isselhorster Altars auf der Innenseite des linken Flügels mit der Annen-legende, bzw. der Herkunft und Geburt Mariens beginnt, stellt sich die Frage, wie das neutesta-mentarische Thema auf der Innenseite des rechten Flügels wohl weitergeführt wurde. Bei geöffneten Flügeln präsentiert sich die Mitteltafel mit der Leidensgeschichte Christi, womit sich zwischen Mariae Geburt und der Passion Christi eine Themenlücke einstellt, die geschlossen werden müsste. Das geschlossene Triptychon bietet die beiden hochrecheckigen Flächen der äußeren Bildflügel, die in der Regel ebenfalls für Darstellungen der Heilsgeschichte genutzt wurden. Auch diese sind untergegan-gen; denn bei der Restaurierung fanden sich zu den Themen der einstigen Bilder keine Hinweise mehr. Pieper hält das Programm des Altars insofern für ungewöhnlich, als auf der Innenseite des linken Flügels zwei Szenen aus der Geschichte Annas, also der Vorgeschichte Mariens erscheinen. Nach seiner Meinung wäre es überzeugender, wenn diese Darstellungen sich auf der Außenseite des linken Flügels befänden und sich etwa mit Verkündigung und Heimsuchung auf dem rechten Flügel zu einem marianischen Zyklus verbinden würden. Doch spricht der Befund dafür, dass die Begegnung und die Geburt auch ursprünglich auf der Innenseite zu sehen waren.(!) Die Geschichte der Anna im Programm des Altars - für Pieper so ungewöhnlich - hatte einen bestimmten Grund, auf den die Verfasser weiter unten eingehen werden. Über die Gestaltung der Innenseite des rechten Flügels stellt auch Pieper nur Vermutungen an. Nach ihm ließe sich an Grablegung und Auferstehung oder an Auferstehung und Himmelfahrt Christi denken. Möglicher-weise wurde aber auch die marianische Thematik, wie sie auf dem linken Flügel einsetzt, weiterge-führt, etwa mit Marientod und Marienkrönung.16 Diese Vorstellungen führen aber wohl zu einer Verzettelung der Thematik, zur Ergänzung oder zum Abschluss des Programms tragen sie nicht zufriedenstellend bei. Ein Triptychon bot aufgrund der zahlreichen Bildfelder zwar eine Ausbreitung der biblischen Themen, doch sind diese in der Regel je 16 Pieper, Tafelbilder, S. 83.24 nach Stellung der Seitenflügel in sich abgeschlossen. Der Künstler musste auf vorhandenem Platz den vom Betrachter gewünschten Abschluss eines Teils der Heilsgeschichte in Szene setzen, wenn eine Öffnung des Altarbildes beibehalten wurde. Da bei der Schaffung und Aufstellung der Bildaltäre des 15. Jahrhunderts vielfach auch der Wunsch nach einer „Bibel der Armen“ vorhanden war, mussten sich die Bildwerke in übersichtlicher und ausgewogener Form dem gläubigen Betrachter zeigen. Auch der Isselhorster Altar war ein Bildwerk für die Kirche armer, wenig gebildeter Menschen und musste diesen Anforderungen genügen. Nach diesen Voraussetzungen lässt sich die fehlende Malerei auf dem rechten Flügel durch Fortset-zung des marianischen Themas ersetzen. Es stehen zwei kleine Felder auf der Innenseite zur Verfü-gung, auf denen bei geöffneten Flügeln die Thematik ergänzt, bzw. vervollständigt werden müsste. So wie die Isselhorster Annenszenen durch ihre Alleinstellung auf dem linken Flügel hervortreten, stellen sich die Verfasser dazu die weitere Vorgeschichte Jesu vor: oben das Bildthema „Mariae Verkündigung“ und darunter die „Geburt Christi“. Diese beiden Bilder würden gegenüber des Annenthemas ausgewogen auf dem rechten Flügel die vorhandene Lücke schließen und das vorhandene Prinzip des Programms bei geöffneten Flügeln an dieser Stelle nahtlos weiterführen. Die Heilsgeschichte beginnt also auf dem linken Flügel bei Anna und Joachim und erfüllt sich mit der Geburt der Tochter Maria. Die Fortsetzung auf dem rechten Flügel würde mit Maria und der Verkündigung durch den Engel weitergehen und sich ebenfalls mit der Geburt Jesu erfüllen. Beide Themen zur Herkunft Jesu würden sich dann ausgewogen auf den geöffneten Bildflügeln finden und sich ergänzen. Mit ihnen wäre sowohl das marianische Thema abgeschlossen als auch die Herkunft des Gottessohnes erschöpfend dargestellt. Nach diesem Prinzip lassen sich auch die Darstellungen auf der Mitteltafel geschlossen in chronologischer Folge von außen nach innen bis zum Hauptthema, der Kreuzigung Christi verfolgen. Die Diagonalstellung der Kreuze auf den beiden unteren Bildern führen den Betrachter durch die Szenenfolge. In der Kreuztragung endet der Kreuzstamm mit seinem unteren Ende hinter dem Mittelbild – der Betrachter wird also zum folgenden Bild, der Kreuzannagelung geführt. Erst in dieser Szene weist der Fuß des Kreuzstammes geschickt über den Bildrahmen zum mittleren Hauptbild, des Sterbens Christi am Kreuz. Die Bildfolge auf dem Isselhorster Altar, geschah also nach einem bestimmten System. Da er eher zu den kleineren Altarbildern zu rechnen ist, musste der Meister sich mit seinen Darstellungen auf die Hauptthemen beschränken. Außerdem sollten die Einzelbilder auch noch auf Entfernung erkennbar sein und wirken. Dies geschieht auch auf der Isselhorster Mitteltafel durch relativ breite Seitenbilder, wodurch zwar eine Reduzierung des Mittelbildes erfolgt, was dort aber durch die Beschränkung der Personenzahl bzw. auf die wichtigsten Zeugen unter dem Kreuz ausgeglichen wird. Bei geöffnetem Triptychon wurden dem Betrachter die wichtigsten Themen der Herkunft Jesu und sein Leiden und Sterben vor Augen geführt, wobei der Tod Christi am Kreuz als Hauptthema großformatig dargestellt wurde. Vermutlich führte man die Heilsgeschichte des Gottessohnes in diesem Sinne bei geschlosse-nem Triptychon weiter. Dabei blieben den Außenseiten der Flügel die Themen Auferstehung und Himmelfahrt Christi vorbehalten, die wie der Tod Christi am Kreuz als Glaubenswahrheiten gelten und aufgrund dessen ebenfalls als große hochrechteckige Bilder ausgeführt gewesen sein könnten. Waren die Außenseiten aber in vier Tafeln aufgeteilt, könnte man sich zu den genannten Themen noch das Pfingstwunder und das Weltgericht vorstellen. Eine Zusammenstellung, wie sie ehedem auf dem rechten Innenflügel des Warendorfer Altars zu sehen war. Nach Erkenntnisssen des Kunsthistorikers Georg Habenicht blieben die beiden Seitenflügel der Bildaltäre meist geschlossen, die Gläubigen sahen den geöffneten Altar nur an hohen Feiertagen. Dies kann aus alten Anweisungen an den Mesner oder Küster, den sogenannten Mesnerbüchern anderer Kirchen geschlossen werden.17 Die Schließung behielt man in der Fastenzeit bzw. der Karwoche ganz bei, verhüllte durch Aufspannen des Hungertuches vor dem Altar dann aber auch die äußere Ansicht. Auch der Marienfelder Mönch Hartmann berichtet in seiner Chronik von 1715, dass der einst im Chor 17 Habenicht, Georg / Walter Suwelack, Meditation und Kunsthistorische Betrachtungen über den Warendorfer Altar, Warendorf am 29. 11. 2009.25 stehende große Altar von Johann Körbecke an den kirchlichen Festtagen geöffnet und wieder geschlossen wurde. Der Hochaltar hatte je nach Festtag ein schlichtes, festliches oder sogar hochfestliches Aussehen, allein durch durch das Auf- und Zuklappen der Bildtafeln. An Wochentagen blieben alle Flügel einfach geschlossen, an Sonntagen und Duplex-Festen oder, wie wir sagen, Festtagen mit zwei Messen standen lediglich die beiden ersten Bildtafeln offen und führten dann beiderseits die gesamte Passion des Herrn vor Augen. An Festtagen mit zwei Predigten jedoch wurden auch die zweiten Bilderflügel geöffnet – von denen dann jene ersten verdeckt wurden: sie stellten die glorreichen Mysterien Christi dar. Dabei kam auch jener vergoldete Schrein in der Mitte mit seinen hochheiligen Reliquien großartig und in wundersamer Weise andachtgebietend zum Vorschein. 18 Ikonographie der Darstellungen auf dem linken Flügel Die Gestaltung der Innenseite des linken Flügels blieb der Legende der heiligen Anna vorbehalten, deren Geschichte man in der Heiligen Schrift nicht nachlesen kann. Trotzdem hat ihre Erwähnung eine lange Tradition und geht von dem apokryphen Protoevangelium Jacobi und dem Pseudo-Matthäus-Evangelium aus.19 Die Geschichte der hl. Anna, der Mutter der Gottesmutter Maria, ist wenig bekannt, weshalb es um ihre Gestalt still ist. In alten syrischen Schriften wird ihr ursprünglicher Name mit „Dina“ angegeben, doch nach der Geburt Mariens heißt sie „Hanna“ (die Begnadete). Die Verehrung der hl. Anna ist sehr alt, bereits im Jahre 550 wurde zu Konstantinopel ihr zu Ehren eine Kirche erbaut. Im Jahre 1558 wurde ihr Fest für die ganze Kirche vorgeschrieben. Sie ist zum Inbegriff der Mütterlichkeit geworden, und wir sehen sie in unzähligen Darstellungen zusammen mit der Gottes-mutter und dem Kinde Jesu in der sogenannten „Anna Selbdritt“ vereint. Joachim und Anna, die Eltern der Gottesmutter, stammen beide aus dem königlichen Geschlechte Davids, dem der Messias verheißen war. Sie führten ein gottesfüchtiges Leben, aber es blieb ihnen das versagt, wonach sie sich am meisten sehnten: ein Kind. In Israel galt Unfruchtbarkeit als Schande, so dass sogar der Hohepriester die Opfergabe Joachims zurückwies. Beschämt und betrübt über diese Schmach floh Joachim in die Berge zu seinen Herden. Schließlich gelobte Anna mit dem Wissen ihres Mannes, dass sie, wenn ihr Gott ein Kind schenken würde, es ihm und seinem Dienst weihen wollte. Nach zwanzig Jahren Gebets und vergeblichen Wartens erschien dem Joachim in der Wüste und der Anna in der Kammer zur gleichen Stunde ein Engel mit der frohen Botschaft, dass Gott ihr Flehen erhört habe: „Anna, du wirst empfangen und eines Kindes genesen, das auf der ganzen Erde verherr-licht werden wird.“ In ihrer großen Freude eilten die Gatten zum Tempel und trafen sich an der „Goldenen Pforte“, um den Herrn ihren Dank darzubringen. Und Maria wurde geboren – die neue Eva, das Meisterwerk Gottes. Drei Jahre später brachten die Eltern Maria in Erfüllung ihres Gelübdes gehorsam in den Tempel nach Jerusalem, damit das Mädchen in dem Heiligtum zum Dienste Gottes erzogen wurde. Von da an schweigt der Bericht – es wird still um Anna und Joachim.20 Pseudo-Matthäus und die Legenda Aurea nennen als Ort der Begegnung nach der Verkündigung der Geburt an Anna und Joachim die „Goldene Pforte“. Die Pforte ist das Osttor des Tempels, das nach der Prophezeiung verschlossen bleibt, bis der Messias einzieht. Ebenso war eine Öffnung der verschlossenen Pforte des Tempels mit der Geburt des Herrn zu erwarten (Hesek. 44, 2). Das Fest der Geburt Marias feiert die Kirche seit dem Konzil von Reims 630 am 8. September. Schon in frühen byzantinischen Darstellungen des 10. Jahrhunderts liegt Anna auf dem Lager und beobachtet das Baden des Neugeborenen durch Mägde. Auch das Motiv des Prüfens des Badewassers durch die Hand einer Magd kommt schon in dem 980 entstandenen Menologion Basileos` II. vor. Das Fest der Empfängnis der heiligen Anna, das am 8. Dezember gefeiert wird, war seit der Mitte des 9. Jahrhunderts zunächst in Italien verbreitet, seit dem Ende des 12. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa. Im Abendland gilt seit etwa 1300 die Begegnung an der Pforte als Sinnbild der Empfängnis, und zwar 18 Böhmer / Leidinger, Chroniken, S. 162-163. 19 Zur Ikonographie der Begenung ausführlich H. Aurenhammer, Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. I, Wien 1959-1967, S. 312. 20 Text aus: Melchers, E. u. H., Das Große Buch der Heiligen, S. 561.26 der „Unbefleckten Empfängnis“, 21 die das Konzil von Basel 1439 zum Dogma erklärte. Die Szenen der Begegnung der Anna mit Joachim und die Geburt Marias, wie auf dem linken Flügel in Isselhorst vorhanden, sind in der westfälischen und niederrheinischen Tafelmalerei eher selten. Pieper nennt das Beispiel von Jan (Derick?) Baegerts „Altar aus dem Clemenshospital“. Im Unter-schied zu den Darstellungen vor allem in der italienischen Kunst verlegt der Maler das Geschehen nicht in einen feierlichen, sondern in einen bürgerlich ausgestatteten Raum, ähnlich wie der Meister des Marienlebens. Zuweilen verbanden die Künstler die Begegnung mit der Darstellung der Verkündi-gung der Geburt Marias an Joachim durch den Engel. So etwa bei dem um 1465 entstandenen Bilde vom Meister des Marienlebens.22 Pieper nennt das Bild des Isselhorster Altares in der Deutschen Tafelmalerei als ein besonders frühes Beispiel für die Kombination beider Szenen.23 Verkündigung und Begegnung gemeinsam sind aber bereits im Marienaltar der Stadtkirche Schotten zu finden, dessen Entstehung man auf die Zeit um 1375 datiert, also ca. 40 Jahre vor dem Isselhorster Altar. Als Zwischenglied führen die Verfasser noch zwei Tafeln mit diesem Themen aus dem Altar der Neu-städter Kirche in Bielefeld an, der um 1400 entstand. Die genannten Bilder sind im Detail den Annen-darstellungen im Isselhorster Altar sehr ähnlich angelegt und dürften dazu eine Vorbildfunktion gehabt haben. Stilistische Zuordnung des Isselhorster Altars Bisheriger Stand der Forschung Schon kurz nach der Entdeckung des Isselhorster Altars und im weiteren Verlauf haben sich immer wieder Kunsthistoriker mit der Herkunft des Kunstwerks befasst.24 Pieper führt die Meinungen in seinen „Tafelbildern“ an und ergänzt sie mit eigenen Vorstellungen:25 H. Schmitz brachte erstmalig, kurz nach seiner Entdeckung, den Isselhorster Altar mit den Altären von Darup und Warendorf in Verbindung und meinte, alle drei seien um 1410-1420 von einem Schüler des Konrad von Soest gemalt worden. A. Brüning stellt die Verwandtschaft mit dem Wildunger Altar des Konrad von Soest fest, muss aber einschränkend sagen, das dessen prächtige Effekte in der Wiedergabe von reichen Brokatstoffen fehlen. Der Meinung von Schmitz für den engen Zusammenhang mit den Altären von Darup und Warendorf schließt er sich an, um besonders auf den Mann rechts unter dem Kreuz hinzuweisen. – in Isselhorst der Gute Hauptmann – der in allen drei Altären in ähnlicher Form wiederkehrt. Brüning verweist auf den „bemerkenswerten Versuch“, die fünf Bilder auf der Mitteltafel „in Linie und Farbe zu einer Einheit zusammenzuziehen“. Dabei bezieht er sich vor allem auf das Kreuz Christi in der Mitteltafel, mit dem die diagonalgestellten Kreuze der beiden unteren Seitenbilder korrespondieren, wodurch der „Eindruck der qualvoll ausgespannten Arme Christi am Kreuz in der Mitte noch verstärkt wird“. Außerdem verweist er auf die viermal aus den Seitenbildern „herausgellenden schwefelgelben Koller der Schergen“, die das Entsetzliche der Szenen betonen. C. Hölker wies auf den engen Zusammenhang der Kreuztragung mit der Kreuztragung des Warendorfer Altares hin, die an gleicher Stelle auf der Mitteltafel links unten neben dem Mittelbild erscheint. In der Tat stimmen die zentralen Figuren: Christus mit dem Schergen vor ihm und dem 21 Jungmann, Symbolik der katholischen Kirche, Symbolik der spätantiken Kirche. 22 H.M. Schmidt, Der Meister des Marienlebens und sein Kreis, Düsseldorf 1978, Abb. 10. 23 Pieper, Tafelbilder, S. 84. 24 Schmitz, H., Soest, in: Berühmte Kunststätten, Bd. 45, Leipzig 1908, S. 85. Hölker, C., Meister Conrad von Soest, Münster 1921, S. 41. P. J. Meyer, Werk und Wirkung des Meisters Conrad von Soest, Münster 1921, S. 29. A. Stange, DMG, III, S. 40. R. Fritz, Katalog der Ausstellung Conrad von Soest und sein Kreis, Schloss Cappenberg 1950, Nr 103, 109. G. Langemeyer, Katalog der Ausstellung Köln - Westfalen 1180-1980, Münster 1981, Bd. 1, S. 394, Bd.2, S. 90. R. Blaschke,,Studien zur Malerei der Lüneburger „Goldenen Tafel“, Phil. Diss. Bochum 1976, S. 63. W. Pilz, Das Triptychon als Kompositions- und Erzählform, München 1970, S. 51. 25 Pieper Tafelbilder, S. 84-85.27 Schergen hinter ihm so eng überein, dass ein Bild von dem anderen abhängig sein muss. Abweichend ist das Hochformat in Warendorf im Isselhorster Bild in die Breite gezogen, fast zum Quadrat geworden. Hölker findet weiter, dass Christus am Kreuz und Maria unter dem Kreuz abweichend von den übrigen Figuren „ von so edlem Ausdruck“ sind, dass man hier die Hand des Hauptmeisters, des Konrad von Soest erkennen möchte. Diese Meinung bestätigt sich vor dem Original nicht. P.J. Meier nahm an, dass die Kalvarienberge von Darup und Warendorf und auch damit die reduzierte Fassung in Isselhorst auf einen verlorenen Kalvarienberg von Konrad von Soest zurückgehen. Auch noch Stange schloss sich dieser Meinung an. Gleichzeitig aber bahnte Meier eine Neubewertung der Gruppe Darup-Warendorf-Isselhorst dadurch an, dass er wegen der Nähe von Darup westlich Waren-dorf und Isselhorst östlich von Münster den Schuss zog, dass die drei Altäre in einer Münsterschen Werkstatt entstanden sind. Er spricht von einem „Meister von Münster“. Dabei setzt er diesen Maler vor allem wegen der abweichenden Farbgebung von Konrad ab und betont, dass der Isselhorster Altar am besten seine ursprüngliche Farbigkeit bewahrt habe. „Oft wird Moosgrün gern unmittelbar neben Hellblau verwendet, daneben finden sich in großen Flächen Grau, Weiß, Dunkelgrau, Hellbraun, Violett, stets in heller, lebhafter Tönung und mit einem sehr feinem Empfinden zusammengestellt“. Damit bahnt sich die Beurteilung des Anonymus als eines selbständigen Meisters neben Konrad von Soest an. Stange schließt sich dieser Tendenz im Großen und Ganzen an, wobei er betont, dass durchaus Zusammenhänge mit dem Werk des Hauptmeisters bestehen. R, Fritz benennt im Katalog von 1950 einen besonderen „Meister des Isselhorster Altares“ indem er sagt, Stange habe von der einer Verschiedenheit der Ausführung gesprochen, was aber nicht zutrifft. P. Pieper hat in seine Behandlung des Daruper Altares den Altar von Isselhorst einbezogen. Er analysiert das Isselhorster Mittelbild als eine Reduktion von Darup und Warendorf, was dazu führt, dass die Mariengruppe stehen muss, der elegante Spötter im unteren Teil von Darup und Warendorf zum Guten Hauptmann gemacht wird. Daraus meint Pieper den Schluss ziehen zu können, das Daruper Kreuzigungsbild, das er an den Anfang der Gruppe setzt, sei Vorbild für Isselhorst gewesen. Der Gekreuzigte in Isselhorst steht nach Pieper dem Gekreuzigten des Wildunger Altares besonders nahe. Auch der Engel links von Christus sei in Isselhorst dem Wildunger Vorbild eng verwandt. Eingehend vergleicht Pieper die Kreuztragung auf den drei Altären, wobei er Darup für die erste Fassung hält, während Isselhorst eher auf das Vorbild von Warendorf zurückgehe, die Figur des Simon von Cyrene wieder mehr mit Darup zusammenhänge, „woraus man erkennt, dass es sich um austauschbare Formeln einer Werkstatt handelt“, in der alle drei Altäre, wenn auch wohl nicht in der gleichen Zeit, entstanden sind. Auch beim Vergleich der Geißelung auf den drei Altären kommt Pieper zu ähnlichen Ergebnissen: Christus steht nahe bei Darup, Pilatus gleicht seltsamerweise dem Guten Hauptmann der Kreuzigung“. Von den Schergen und dem Begleiter des Pilatus bemerkt Pieper, dass sie von den anderen Altären abweichen und wohl auf andere Traditionen zurückgehen. Pieper datiert den Daruper Altar „um 1420“, Warendorf und Isselhorst etwas später. Zu einer abweichenden Auffassung kommt G. Langemeyer. Er meint, anknüpfend an eine Bemerkung von O. Kerber, der die Felsterassen und Figurengruppen als noch dem Stil des 14. Jahrhunderts nahestehend empfunden hatte, die Altäre von Darup und Warendorf könnten schon kurz vor oder kurz nach 1400 entstanden sein, der Isselhorster Altar etwa zwischen 1410 und 1420. Diese Frühdatierung folgt einer allgemeinen Tendenz – noch Stange datierte den Daruper Altar „um 1440“- doch meine ich, (Pieper) dass die ganze Gruppe keinesfalls vor dem Wildunger Altar, also vor 1403, entstanden sein kann. R. Blaschke hat die Reihenfolge der Altäre umzukehren, den Isselhorster Altar an den Anfang zu setzen versucht, was schon G. Langemeyer abgelehnt hat. Eine interessante Analyse der Mitteltafel als Gesamtkomposition gab W. Pilz. Er bezeichnet den Typ einer Mitteltafel mit einem großen Mittelbild und je zwei Seitenbildern als Quinkunx.26 Pilz meint, durch das schlanke Format des Mittelbildes werde der Zusammenhang der Teile gesteigert. Die unten neben der Kreuzigung erscheinenden Szenen seien neben der Kreuzigung nach vorn gerückt, der 26 Aus lat. quincunx, „Anordnung auf Lücke, schräge Reihe“, eigtl. „die Fünf (des Würfels)“. (Duden)28 Landschaftsboden setze sich dagegen über alle drei Bilder hinweg fort. „Mittelbild und untere Seitenbilder geben eigentlich ein Thema, das Geschehen auf dem Kalvarienberg, in drei Phasen wieder.“ Damit wird, wie es schon Brüning angedeutet hatte, vorausgesetzt, dass die Einzelbilder, wenigstens in dieser Zone, aufeinander bezogen sind. Zu den jüngeren Wissenschaftlern zählt Werner Freitag, der 2000 in einem Vortrag in der Isselhorster Pfarrkirche durch reichliche Bildvergleiche eine eindeutige Verwandtschaft des Isselhorster Altars mit Warendorf aufzeigte. Gegenüber den vielfältigen und komplizierten Interpretationen der Kunsthistorik bringt er die Zusammenhänge beider Gesamtkunstwerke „mit persönlicher Note“ auf den Punkt: Für Warendorf entstand eine Prachtausgabe, in Isselhorst befindet sich das schlichte Gegenstück für weniger Geld. 27 Stilistische Zuweisung auf einen Meister von Münster und die Reihenfolge der Entstehung der Bildaltäre Isselhorst Warendorf Darup Der Name des infrage kommenden Künstlers „Meister von Münster“, bezeichnet einen Anonymus, der ursprünglich nach seinem umfangreichsten Werk, dem Flügelaltar in der Pfarrkirche von Warendorf „Meister des Warendorfer Altars“ genannt wurde. Aus seiner Hand stammen auch die Altäre von Darup und Isselhorst, wobei nach Auffassung der Kunstforschung der Isselhorster Altar wohl zuletzt unter starker Beteiligung seiner Werkstatt entstand.28 Nach Auskunft Piepers hat neben Conrad von Soest auch Meister Francke in Hamburg den Meister beeinflusst, der wohl etwa von 1420-1440 in Münster tätig war.29 Die Vergleiche der genannten Werke mit dem Isselhorster Altarbild beschränken sich auf die Mittel-tafel. Bestimmte Elemente eines Bildes finden sich deckungsgleich oder abgewandelt in einem der beiden anderen Altäre wieder, wobei eine besondere Nähe des Isselhorster Bildes zu Warendorf erkennbar ist. Auf allen drei Bildern ist der Gekreuzigte in Physiognomie, Haltung, Kopfneigung, Nagelung und durchscheinenden Lendentuch vergleichbar ähnlich dargestellt. Allein in Darup sind die Hände von Christus gestreckt. Die Beschriftung der Rolle / Tafel „INRI“ ist auf allen drei Bildern mit gleichen Lettern zu sehen. Isselhorst und Warendorf zeigen zwei der drei Engel in gleicher Form. 27 Freitag, Werner, (Universität Wittenberg-Halle, später Münster), Der Isselhorster Altar, Festvortrag zum Ortsjubiläum in Isselhorst, Juni 2000. 28 Diese Meinung soll hier zunächst stehen bleiben. Eine Beurteilung, insbesondere der Entwicklung von Gesichtern und Händen, ist nur im genauen Vergleich von Gemäldedetails möglich. 29 Paul Pieper, Tafelbilder, S. 70.29 Die Kreuztragung in Isselhorst. Foto I. Drews Warendorf, Foto: R. Wakonigg Darup, Foto: H. Kerkeling Erst durch die Gegenüberstellung der Einzelszene „Kreuztragung“ von Isselhorst, Warendorf und Darup wird deutlich, wie der Meister von Münster seine kunsthandwerklichen Fähigkeiten weiterentwickelte. Allein diese Bilder lassen die vorherrschende Meinung über die Reihenfolge der Entstehung der Altäre in Zweifel kommen. Weitgehende Übereinstimmung ergibt sich von der Kreuztragung in Isselhorst zu Warendorf. Die Figurengruppe Knecht mit Keule - Christus mit Kreuz – Knecht mit Strick und zuschlagender Mann, 30 sowie die Gruppe der zwei Marien mit Johannes sind deckungsgleich. Auch der Faltenwurf, besonders am Gewand von Christus ist gleichartig gestaltet. Allein das Format des Bildes in Warendorf ist zugunsten der Kreuzigungsszene in der Mitte der Haupttafel schmaler und höher als in Isselhorst angelegt. Kaum erkennbar hat der Künstler die Einzelfiguren gegenüber Isselhorst näher zusammen-gerückt um die Szene ins schmalere Format unterzubringen. Hier ist schon spürbar, wie sich die Arbeit des Malers entwickelt und in welcher Reihenfolge die Altäre entstanden sind. Diese Weiterentwicklung wird erst recht am Altar von Darup deutlich, dessen Kreuztragung mit denen von Isselhorst und Warendorf vergleichbar ist. Die Figuren mit ihren Eigenheiten, Haltungen und Ein-zelheiten kehren auf allen Bildern wieder. Da im Vergleich zu Warendorf das Daruper Bildformat der Kreuztragung noch schlanker angelegt ist, erforderte dies im Gemälde eine maximale Verdichtung der Figurenanordnung. Der Künstler erreicht dieses durch Weglassen des zweiten Schergen mit der Keule und der zweiten Frau in der Marien-Johannes Gruppe im Hintergrund. Die Reduzierung auf das We-sentliche ermöglichte ihm die Figuren „heranzuzoomen“, im Verhältnis zum Bildformat zu vergrößern und Christus als Hauptperson herauszustellen. Die Arbeit gelingt, ohne die Figuren zusammenge-pfercht erscheinen zu lassen, wie dies bei den Personen unter dem Kreuz in Isselhorst geschieht. Während Paul Pieper der Überzeugung ist, Der Isselhorster Maler erweitert und verbreitert das Programm (von Darup und Warendorf), halten die Verfasser diese Aufreihung von Einzelfiguren, eher als eine entwicklungsgegebene Eigenheit des Frühwerks, die sich ähnlich auch noch im Warendorfer Bild zeigt. Dagegen erleben wir im Daruper Bild eine wesentliche Weiterentwicklung der Insze-nierung. Die Figuren schauen sich gegenseitig in die Augen, kommunizieren deutlich miteinander und steigern dadurch die Dynamik der Szene. Die Fortentwicklung der Bilder zeigt sich auch im Detail der einzelnen Figuren, besonders beim Schergen, der Christus mit einem Strick vorwärtszerrt. Seine auf allen Bildern gleiche Ausrüstung mit einem Schultergurt lässt im Daruper Bild deutliche Einzelheiten der Schnallen und Beschläge und ein daranhängendes Schwert erkennen. Die unübersehbare Steige-rung der Darstellung der verschiedenen Kreuztragungen, zeigt eindeutig eine Weiterentwicklung der Kunst des Malers. Hier erscheint die von Pieper und anderen Kunsthistorikern aufgestellte Ansicht bedenklich zu werden, Darup an den Anfang, Warendorf als folgend und Isselhorst an das Ende der Arbeiten des Meisters von Münster zu stellen. Als eine der originellsten Figuren ist der „Gute Hauptmann“ in der Kreuzigungsszene von Isselhorst zu bezeichnen. In kostbarem grünen Gewand mit weißem Gürtel und weißem vierstufigem Turban steht er rechts direkt unter dem Kreuz. Seine rechte Hand verweist auf das fliegende Band mit den Worten über die Göttlichkeit des Gekreuzigten. Den Mann ziert ein seltsam geflochtener Bart, der mit Kordel verlängert in Windungen durch seine linke Hand geht. Mit seiner eleganten, dabei ganz typischen Beinstellung unter dem geschlitzten Rock ist er im Isselhorster Altar eine hervortretende Figur, die man in ihrer Darstellungsqualität wohl als ausentwickelt bezeichnen darf. Ein schulendes Beispiel für Erscheinung und Haltung des Hauptmanns stand dem Meister von Münster bereits im Berswordt-Altar zur Verfügung, doch dazu später. Bemerkenswert tritt der Gute Hauptmann als eine Nebenfigur in zweiter Reihe auf den Kreuzigungen sowohl in Warendorf als auch in Darup wieder auf. Er wird dadurch zu einer eindeutigen Identifikationsfigur in den drei Gemälden des Meisters von Münster. ImWarendorfer Altar spielt er die eher unscheinbare Rolle als ein Beobachter des die INRI-Tafel malenden Schreibers. Dort ist er ist im Unterbereich verdeckt, doch seine elegante Beinstellung übernimmt eine andere Figur neben ihm. Im Daruper Altar tritt der gut gekleidete Mann zwar auch als Nebenfigur, aber deutlich unter den Schmähern des Gekreuzigten auf. Seine Haltung ist identisch zu den entsprechenden Figuren der anderen Altarbilder, doch ist er hier noch feiner und reicher ausstaf-fiert. Der „Gute Hauptmann von Isselhorst“ ist eine komplett ausgearbeitete Figur des Meisters von Münster, auf die er in seinen Gemälden von Warendorf und Darup nicht verzichten möchte und in anderer Funktion wiederkehren lässt. Die Beibehaltung als farblich variierte und reicher ausgestattete Nebenfigur in diesen Altären ist ein Indiz dafür, den Isselhorster Altar an den Anfang der Arbeit des Künstlers zu stellen, bzw. diesen als Frühwerk zu bezeichnen. Der Meister von Münster verzichtete auf eine Signierung und Datierung seiner Gemälde. Abgesehen von Datierungen auf dem Bielefelder Altar (1400) und auf dem Wildunger Altar (1403), die vermutlich an die Aufstellung der Altarretabel 31 erinnern sollten, waren solche Angaben nicht üblich. Der Künstler trat damals bescheiden hinter seinem Werk zur Ehre Gottes und der Gottesmutter zurück. Warendorf Darup Isselhorst Die Kunstforschung sucht natürlich nach solchen Zeichen, doch die Übereinstimmungen in den Bildern ergeben zweifelsfrei, dass die Altäre für Isselhorst, Warendorf und Darup aus einer Werkstatt stammen. Den Maler und sein Atelier in Münster zu suchen, ergibt sich durch die Nähe von Darup und Warendorf zu der aufstrebenden Bischofs- und Hansestadt. Als Zentrum der Hanse erlebte Münster im späten Mittelalter eine Blütezeit, die sich noch heute an den vorhandenen Zeugen der spätgotischen Baukunst ablesen lässt. Zur Ausstattung der damals vielfach neu gebauten Chor- und Altarräume an den Kirchen wurden die in Mode gekommenen Bildaltäre gebraucht. In der Stadt hat sich davon fast nichts erhalten, da schon 100 Jahre später die Wiedertäufer alle sakralen Kunstwerke zerstörten, deren sie habhaft wurden. Wir können davon ausgehen, dass der Meister vermutlich seine Ausbildung in Dortmund erhalten hatte. In Münster sicherlich klein angefangen, hatte er sich bereits durch verschie-dene Arbeiten für Kirchen und Kapellen einen Namen gemacht, bevor er vom Kloster Marienfeld einen Auftrag für einen Flügelaltar bekam. Dieser Entstehungsweg dürfte für den Isselhorster Altar zweifelsfrei sein, zumal das Zisterzienserkloster Marienfeld grundsätzlich im westfälischen Oberzentrum Münster arbeiten und sich von dort versorgen ließ. Die Tatsache, dass vom Abt Hermann des Klosters (1410-1443), dort ein weiter Flügelaltar bestellt wurde, lässt auf bewährte Verbindungen und Erfahrungen schließen.30 Als dann zur Zeit seines Nachfolgers Arnold (von Bevern 1443-1478) dieser Altar am 6. Februar 1457 in der Klosterkirche errichtet und am 25. Mai 1458 geweiht wurde, hieß der Maler Johann Körbecke.31 Diese Hinweise führen zwar nicht beweiskräftig, aber wohl doch ernsthaft zur Vermutung eines unmittelbaren Bezugs zwischen dem Meister von Münster und dem Meister Johann Körbecke aus Münster. Géza Jászai macht dazu nachdrücklich auf den Namen Hinrich Körbecke aufmerksam. 32 Beachtenswerte Hinweise lieferten bereits Joseph Prinz (1941) und Karl- 30 Böhmer / Leidinger, Chroniken, S. 76: „In seiner (Abt Arnolds) Zeit wurde das von seinem Vorgänger (Abt Herrman) begonnene Tafelbild des Hochaltars vollendet. 31 Böhmer / Leidinger, Chroniken, S. 164. Pieper, Tafelbilder, S. 166. 32 Géza Jászai, Der Warendorfer Altar, S. 16.32 Heinz Kirchhoff (1977), die auf den biographisch relevanten Bezug des Hinrich Körbecke in Münster verweisen, dem Vater des um die Jahrhundertmitte in Münster tätigen Malers Johann Körbecke. Möglicherweise ist dieser Hinrich Körbecke identisch mit dem Meister von Münster. Von der Zeit und der Generationsfolge könnte die Verbindung zutreffen, zudem sind manche deutlich wahrnehmbare Züge des Meisters von Münster in den Gemälden Johann Körbeckes wiederzufinden. Die Tatsache der Bestellung von zwei Altarretabeln für das Kloster Marienfeld in Münster und die nachweisliche Lieferung durch Johann Körbecke könnten auf einen Familienbetrieb über zwei Generationen in Münster deuten. Die Erstellung eines Flügelaltars für eine namhafte kirchliche Einrichtung im Münsterland, wie das Zisterzerkloster Marienfeld, zog durchaus weitere Aufträge nach sich. Logischerweise folgte einer kleinen Arbeit des Künstlers eine größere. Als man in Warendorf nach dem großen Stadtbrand 1404 die Bürgerkirche St. Laurentius als neue gotische Hallenkirche mit einem durchlichteten polygonalen Chorraum errichtet hatte, plante man dafür einen großen Wandelaltar. Wohlhabenheit, Bürgerstolz und das tonangebende Münster in unmittelbarer Nähe waren wohl Triebfeder solcher Beschlüsse. Der dann vom Meister von Münster geschaffene Flügelaltar enthielt gemäß des Namenspatrons der Kirche auf den Flügeln des geschlossenen Retabels Szenen aus der Legende des Heiligen Laurentius. Aufgrund der Stattlichkeit seines Werkes und ohne zunächst die Verbindungen zu den anderen Bildaltären zu kennen, nannte die Kunstwelt den Maler anfangs sogar den Meister von Warendorf. Darup Warendorf Auch im münsterländischen Dorf Darup, unweit von Nottuln, sprach man zunächst von einem Meister von Darup, bevor die Kunsthistorik den Meister von Münster nannte, auf den das Mittelteil eines Altartriptychons zurückgeht. Auch hier wieder ähnlich den Altarretabeln von Isselhorst und Warendorf als Kernstück eine große, figurenreiche Kreuzigung, seitlich eingefasst von kleineren übereinander angeordneten Bildern der Geißelung, Kreuztragung, Grabruhe und Auferstehung Christi. Am Grabe des Auferstandenen blühen symbolhaft leuchtend gelbe Osterglocken und blaue Akelei. Die beiden Flügel des Daruper Altarretabels sind verlorengegangen, ihre Gestaltung ist nicht mehr bekannt. Ebenso liegt die Herkunftsgeschichte des Bildes weitgehend im Dunkel. Man vermutet bereits, dass der Flügelaltar ursprünglich nicht für die Daruper Kirche gemalt wurde, sondern aus einer anderen Kirche der Umgebung stammt. Die spätgotische Pfarrkirche von Darup entstand erst nach 1500, also wesentlich später als der Flügelaltar. Vielleicht ist seine Mitteltafel ein Überbleibsel des Bildersturms der Wiedertäufer in Münster oder stammt aus dem Vorgängerbau der einstigen Damenstiftskirche in Nottuln. Das adelige Stift aus dem 9. Jahrhundert könnte bei seiner Wohlhaben-heit im 15. Jahrhundert Auftraggeber für ein solches Kunstwerk gewesen sein. 1489-1515 entstand der kostbare Neubau der Stiftskirche, die um 1600 durch Brand beschädigt wurde und danach eine barocke Ausstattung bekam, die wiederum im 19. Jahrhundert bis auf die Orgel neugotisch ersetzt wurde. Vielleicht sollte man der Vermutung nachgehen, ob der Flügelaltar aus Nottuln schon bei der barocken Neuausstattung der Stiftskirche nach Darup gekommen sein könnte . Die Gestaltung und Komposition der Mitteltafel des Daruper Altars kommen dem Mittelbild des Warendorfer Altars nahe. Auf beiden ist zentral die Kreuzigung in einen Talausschnitt gestellt, wobei die Staffelung der agieren Personen in zwei Reihen übereinander geschieht. Hier wie dort sind Reiter mit ihren Pferden unter dem Kreuz tonangebend, wobei das frontal stehende Pferd rechts vom Kreuz 33 mit dem „Guten Hauptmann“ deckungsgleich auf beiden Bildern wiederzufinden ist. Ebenso ist der „Gute Hauptmann“ der in Isselhorst als hervortretende Figur unter dem Kreuz erscheint, in gleich-artiger Form, jedoch anderer Farbgebung, in Warendorf und Darup als Nebenfigur rechts unten wiederzufinden. Warendorfer Altar, Freckenhorst. Detail, Apostel aus dem Pfingstwunder. Aufnahme der Verfasser 2013 Vom Meister von Münster blieb auch das Tafelbild im Burgmuseum Altena, das Maria im Kreise der Apostel zeigt. Die gleiche Komposition des „Pfingstwunders“ kehrt mit wesentlich verbesserten Einzelheiten im Warendorfer Altar wieder. Das Altenaer Gemäldes muss also ein Vorgängerbild gewesen sein. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Meister von Münster, der vielleicht identisch mit Hinrich Koerbecke, dem Vater des Johann Koerbecke in Münster ist, Maler der Flügelaltäre von Isselhorst, Warendorf und Darup ist. Außerdem blieb ein einzelnes Tafelbild in Altena erhalten. Die Bilder entstanden wahrscheinlich zwischen 1410 und 1430. Bis heute nennt die Mehrheit der Kunst-historiker sie in einer Reihenfolge, in der man den Daruper Altar an den Beginn setzt, ebenso das Altenaer Pfingstwunder, dann den Warendorfer Altar folgen lässt und zum Schluss den Isselhorster Altar nennt. Den Grund seiner offensichtlichen Unzulänglichkeiten gegenüber den anderen Bildaltären erklärt man mit der Entstehung als Werkstattarbeit. Im Gegensatz dazu kommen die Verfasser im Verlauf ihrer Arbeit zu dem Schluss, den Isselhorster Altar ähnlich wie das Altenaer Pfingswunder als Frühwerk des Meisters anzusehen. Der Spruch „jeder fängt einmal klein an“, offenbart sich selten mehr als in der bildenden Kunst. Im Verlauf der Tätigkeit eines Malers steigert sich meist in seinen Werke das Können in Komposition und Ausführung. So ist vom Isselhorster Retabel zum folgenden Flügelaltar in Warendorf und dem Daruper Altarbild am Ende eindeutig eine Weiterentwicklung im Szenenaufbau und im Detail festzustellen. Die Beurteilung wird dadurch erleichtert, weil der Künstler die in der Komposition gleich angelegten Bildthemen der Geißelung und Kreuztragung in allen drei Altarbildern wiederholt. In der Nebeneinanderstellung auf Seite 29 ist deutlich festzustellen, dass der Meister in den Bildern des Daruper Altars eine gewisse Vollendung der Darstellung erreicht. Damit stellen sich die Verfasser hinter R. Blaschke, der in seiner Dissertation „Studien zur Malerei der Lüneburger Goldenen Tafel“, Bochum 1976, S.13, den Isselhorster Altar bereits an den Anfang stetzte. Diese Meinung wurde aber allgemein verworfen.33 33 Was die Kunsthistoriker analysierten, wäre ein zunehmender Rückschritt des Künstlers gewesen. Ihre Interpretationen sind kompliziert und nicht nachvollziehbar. 34 Motive vom Bielefelder- und Berswordt-Altar beim Meister von Münster Isselhorst, Meister von Münster Wildungen, Conrad von Soest Im Hinblick auf Vorbildhaftes für die Altäre in Darup, Warendorf und Isselhorst nennt die Kunst-historik allgemein die Arbeiten des Conrad von Soest. Die Erklärungen der verschiedenen Autoren dazu erscheinen insgesamt aber nicht zufriedenstellend, der Wunsch nach deutlichen Übereinstim-mungen erfüllt sich nicht. Die Qualität der Darstellungen entwickelt der Meisters von Münster gegenüber der Vorgängergeneration zwar weiter, wobei er im Niveau nahe zu Conrad von Soest aufrückt, doch darüber hinaus gibt es kaum einen deutlich wahrnehmbaren Einfluss Meister Conrads auf die drei Altäre des Meisters von Münster. Die Ausnahme bildet aber der Gekreuzigte in Darup, Warendorf und Isselhorst, dessen Darstellungsart dem Christus im Wildunger Altar nahekommt. Inmitten der dort prächtig gekleideten Menschen erscheint Christus am Kreuz nicht in naturalistischer Marter, sondern in seltsam verklärter Weise. Wahrscheinlich ist es die ruhende Haltung durch seinen bereits eingetretenen Tod und wohl die schmähliche Nacktheit unter dem kostbaren, ganz durchschei-nenden Lendentuch, die diesen Eindruck erwecken. Diese Art der Darstellung verbindet die Altäre des Meisters von Münster mit dem Wildunger Altar des Conrad von Soest und ist vermutlich mit der Absicht der Künstler verbunden, den edlen, unschuldig verurteilten Heiland hervorzuheben, zu verklären und zu verherrlichen. Die Engel, die Meister Conrad dem Gekreuzigten beigegeben hat, unterstreichen dies eindeutig, vermutlich ein Grund für den Meister von Münster, sie sehr ähnlich in seine Darstellungen zu übernehmen. Abgesehen von der hohen Qualität der Darstellungsausführung scheint sich mit diesem Bilddetail der Einfluss Meister Conrads auf die Arbeiten des Meisters von Münster zu beschränken. Weitere Bezüge zwischen den Gemälden werden nicht deutlich und müssen auf Bildwerken anderer Meister gesucht werden. Aus diesem Grund stellen die Verfasser neben den Vorstellungen aus der Sekundärliteratur hier ihre eigenen Forschungsergebnisse vor. Das Thema der Annenlegende auf dem linken Flügel des Isselhorster Altars wird in Westfalen von den Kunsthistorikern als selten geschildert und damit von ihnen auch schon ausgeblendet. Auf dem Altar in Warendorf beschränken sich die Heiligenszenen auf die Legende des Laurentius, dem Patron der Warendorfer Stadtkirche. Wäre der Daruper Altar für die dortige Dorfkirche geschaffen worden, hätten Darstellungen des hl. Sebastians auf den verlorenen Seitenflügeln gewesen sein können.34 Ein bildlicher Hinweis auf den Kirchenpatron klärt zumeist, für welche Kirche ein Altarbild geschaffen worden ist. Unter dem Meister von Münster blieb das Annenthema aber wohl allein auf Isselhorst beschränkt. Pieper erwähnt zwar eine Darstellung der Annenlegende vom Meister des Marienlebens, 34 Die Anschaffung des Altarbildes für Darup ist nicht geklärt. Freundlicher Hinweis durch Herrn Helmut Kerkeling, Darup.35 die um 1465 entstand. Dieser bedeutende Maler arbeitete 1463-1480 in Köln, etwa zwei Generationen nach dem Meister von Münster und ist deshalb für unsere Bilder nicht mehr relevant. Die rätselhaft seltenen Annenthemen in Isselhorst, die Begegnung Joachims und Annas am Tor des Tempels und die Geburt Mariens, eröffnen aber einen neuen Weg. Wahrscheinlich sind sie nicht nur der Schlüssel zur Schule oder zum Einfluss in dem der Meister von Münster stand, sondern sogar zum ersten Aufstellungsort des Altarbildes. Im Hinblick auf die Schule entdeckten die Verfasser vergleichbare Motive in zwei Flügelaltären, die in Abständen von jeweils 20 Jahren vor dem Isselhorster Altar entstanden waren: Der Marienaltar in der Stadtkirche von Schotten von 1380 und der Marienaltar in der Neustädter Marienkirche in Bielefeld von 1400. Schotten, Stadtkirche. Annenlegende aus dem Altar des Marienlebens, um 1380. Ohne hier mit einer Nachfolgeerkenntnis auftreten zu wollen, verweisen die Verfasser auf den bedeutenden Altar in der Stadtkirche von Schotten, einem dreiteiligen Flügelaltar, der im geöffneten Zustand 16 Bildtafeln aus dem Marienleben zeigt. Der Meister ist nicht bekannt, sein Werk wird teils dem mittelrheinischen, teils dem westfälischen Kunstkreis, bzw. der Schule des Meisters Bertram von Minden zugerechnet.35 Hier ist eine Begegnung Joachims und Annas an der Goldenen Pforte des Tempels dargestellt, kombiniert mit der Erscheinung des Engels für Joachim auf dem Feld. Vor einer Torarchitektur steht ein Engel hinter Joachim und berührt diesen an der Schulter zum Zeichen, dass er ihn den Weg über geleitete. Joachim umarmt Anna eng, während seine rechte Hand in Höhe der Arme unter ihren Mantel greift. Zwischen ihnen ein blankes Schwert – ein Hinweis dafür, dass die Kirche seit 1300 die Begegnung vor dem Tempeltor als Sinnbild der „Unbefleckten Empfängnis“ sieht. Die Legende der Anna geht auf dem nächsten Bild mit der Geburt Mariens weiter und bildet mit der Verkündigung Mariens wieder eine Einheit, was weiter unten noch einmal erwähnt werden soll. Vor dem Bett der Wöchnerin Anna sitzt eine Magd mit der Neugeborenen am Schoß und prüft das Wasser im kleinen Badezuber vor sich. Bemerkenswert kehrt diese Szenenstellung, die in Schotten in einem kostbaren pavillonartigen Baldachin stattfindet, 40 Jahre später in einfacher bürgerlicher Fassung im Isselhorster Altar wieder. Doch schon 20 Jahre eher wird die Annenlegende im Bielefelder Altar vergleichbar mit Schotten aufgeführt und lässt vermuten, wie sehr sich die Künstler wohl untereinander beeinflusst haben. Der Flügelaltar der Neustädter Marienstiftskirche in Bielefeld ist eines der Hauptstücke der gotischen Malerei Westfalens in der Zeit des sogenannten Weichen Stils.36 Irgendwelche Maler- oder Bildhauer-werkstätten sind in Bielefeld um 1400 nicht anzunehmen, weshalb der Auftrag für ein Altargemälde vom Marienstift sicherlich nach außerhalb vergeben wurde. Üblicherweise wandte man sich dabei an 35 Backes, Magnus, Hessen, S. 99 und 127. 36 Eckert, Ingeborg, Ein Altargemälde der Gotik, Bielefeld 1956, S. 27-29, 38-39.36 einen Meister, der in nicht allzuweiter Entfernung lebte und über die Handelsstraßen gut erreichbar war. So steht der Bielefelder Altar in enger Beziehung zum Kreuzigungsaltar in der Berswordtkapelle der Marienkirche in Dortmund. 37 Beide Flügelaltäre stammen von einem Künstler, dessen Name nicht mehr bekannt ist. Durch Friedrich Jacobs wurde nachgewiesen, dass er in Dortmund seine Werkstatt unterhielt und sowohl den Marienaltar in Bielefeld als auch den Dortmunder Kreuzigungsaltar angefertigt hat. Er wird seither der Berswordt-Meister genannt.38 Hinweise zu einer glaubhaften Datierung und damit stilistischen Einordnung des Bielefelder Altars finden sich in den Beschreibungen Leopold von Ledeburs.39 Dieser hatte 1825 die Gelegenheit, am Rahmen des noch vollständigen Altars in Bielefeld die Jahreszahl „1400“ zu lesen. Ingborg Eckert weist sogar auf eine Bestätigung für die Angaben des Datums am Rahmen durch Förster im „Stuttgart-Tübinger Kunstblatt“ des Jahres 1847.40 Aufträge für solche großen Wandelaltäre bekamen in der Regel nur Meister, die bereits auf ein erfolgreiches Schaffen verweisen konnten. Für Angebot, The-menbesprechung, Entwürfe, Probeansichten und weiteren Verhandlungen bis zur Auftragsvergabe sind durchaus mehrere Jahre anzurechnen. Der Dortmunder Künstler bekam also geraume Zeit vor 1400 den Auftrag für einen großen Flügelaltar vom wohlhabenden Marienstift in Bielefeld und dürfte nach dessen Fertigstellung auch den Altar im Auftrag des Dortmunder Handelsherrn Berswordt gemalt haben. Die Reihenfolge erscheint realistisch und ergibt sich auch aus den weiterentwickelten und deutlich reiferen Bildern in Dortmund. Im Bielefelder Altar, der selbst im heute reduzierten Zustand noch einen reichen szenerischen Aufbau besitzt, zieht das Hauptbild mit Betonung der Gottesmutter Maria eindeutig die Blicke auf sich. Die Darstellung der thronenden Madonna mit feinster Architektur setzt, ebenso wie die höfisch geklei-deten, geziert gestikulierenden mädchenhaften Frauen bei dem Meister die Kenntnis des damals aktuellen Malstils in Frankreich voraus. Nach Ingeborg Eckert ging sein vorbildhafter Einfluss auf das Königs-haus der Valois zurück, das in Nebenlinie auch das Herzogtum Burgund beherrschte und damals als Mäzen viele Künstler aus Westeuropa nach Dijon zog.41 Dagegen schreibt Pieper, dass der Konzeption dieses Bildes zweifellos eine Vorlage aus dem franco-flämischen Kunstkreis zugrunde lag.42Allerdings muss er bei diesem Meister und auch bei Conrad von Soest einschränkend sagen, dass die Beziehungen zur nordfranzösich-burgundischen Kunst bislang nicht genügend geklärt wurden. Der Berswordt-Meister wird sich der vorherrschenden Mode angeschlossen haben, seine direkte Schulung in Frankreich nimmt man nicht an. Dies dürfte eher auf Conrad von Soest zutreffen, da in allen seinen Gemälden der französich-höfische Einfluss wesentlich deutlicher hervortritt. Eine andere Auffassung vertreten Georg Gmelin (†) und seine Mitautoren im Bielefeld- Neustädter Kirchenführer. Für sie macht die stilistische Stellung den Bielefeld-Berswordter Meister in Verbin-dung mit dem überlieferten Datum 1400, zu einem älteren Zeitgenossen Conrads von Soest. Sie vermuten in ihm sogar den Lehrer des im Wildunger Altar von 1403 ganz aus dem internationalen Hofstil in Paris und Burgund schöpfenden Conrad von Soest. Der Berswordt-Altar und eine gemalte Staffel mit der Wurzel Jesse aus der Marienkirche von Osnabrück sollen ihrer Meinung nach deshalb früher – schon 1390 - gemalt worden sein. Doch nach Vorstellung Ingeborg Eckerts lassen die Reife der Darstellung und die Verwendung größerer Bildformate für die Einzelszenen den Dortmunder Berswordt-Altar wesentlich jünger erscheinen. Er dürfte also erst nach dem Bielefelder Altar, vielleicht gleichzeitig mit dem Wildunger Altar des Conrad von Soest entstanden sein. Gegenüber der bewegt gestaffelten Mariendarstellung vor architektonischem Hintergrund im Mittelfeld des Bielefelder Altars zeigen die Flügelbilder größtenteils figürlich betonte Szenen vor einem Goldhintergrund. Sie erinnern an die Darstellungen des Schottener Altars, entfernt auch noch an 37 Die Bezeichnung Berswordt geht auf den Ratsherrn und Stifter Lambert Berswordt zurück. 38 Jacobs, Friedrich, Der Meister des Berswordt-Altares, in: Göppinger Akademische Beiträge Nr. 117, Göppingen 1983. 39 Leopold von Ledebur, Das Fürstentum Minden und die Grafschaft Ravensberg, 1825 40 Eckert, Ingeborg, Ein Altarbild der Gotik, S. 93, 94. 41 Eckert, S. 88, 89. 42 Paul Pieper, Tafelbilder, S. 8.37 Bielefeld, Neustädter Marienkirche. Annenlegende aus dem Marienaltar des Berswordt-Meisters um 1400. Fotos: Ceres-Verlag Isselhorst, Pfarrkirche, Annenlegende aus dem Flügelaltar des Meisters von Münster, um 1420. Foto: Drews.38 die von der Kunst Meister Bertrams abhängigen Altäre in Netze und Osnabrück.43 Vielleicht war der Berswordt-Maler noch in der Art Meister Bertrams ausgebildet, so dass er traditionell ältere komposi-torische Züge anwendete, die den Vorteil hatten, auch noch auf Entfernung zu wirken. Eine Entwick-lung seiner Kunst wie sie im verdichteten Mittelbild erscheint, wird die Wechselwirkung zwischen Conrad von Soest und ihm ergeben haben, wenngleich Conrads Figuren anmutiger gebildet und reicher gekleidet sind. Die angeführten Tatsachen machen deutlich, dass der Berswordt-Meister wahrscheinlich ein Zeitgenosse des Conrad von Soest44 war. Durch sein zeitgleiches Schaffen war er mit Sicherheit weder Schüler noch Lehrer Conrads sondern muss als dessen Mitbewerber angesehen werden. Dagegen muss der Berswordt-Meister für den Meister von Münster aber von großer Bedeutung gewesen sein. Die Verfasser haben festgestellt, dass sowohl der Bielefelder Altar wie auch der Berswordt-Altar eine Reihe von Inszenierungmerkmalen besitzt, die ähnlich, verwandt oder vergleichbar in den Werken von Darup, Warendorf und Isselhorst wiederkehren. Bemerkenswert hat die Kunsthistorik diese beiden Altarbilder bislang nicht in Bezug zu den Arbeiten des Meisters von Münster erwähnt, so dass hier erstmals darauf aufmerksam gemacht wird. Auf der Haupttafel des Bielefelder Altars beginnt nach dem Geschehen im Paradies die Erlösungs-geschichte mit der Begegnung Annas und Joachims an der Pforte des Tempels als 4. Bild links oben. Das schon im reifen Alter dargestellte Paar steht links vor einem rundbogigen Tor und ist im Begriff sich in die Arme zu nehmen. Dieses geschieht ähnlich wie es schon auf dem Altar in Schotten vorge-geben wurde, auch hier berührt ein Engel Joachim von hinten. Im Vergleich zur Darstellung der „Begegnung“ auf dem Isselhorster-Altar ist es keinesfalls das gleiche Bild, aber die Idee der Gestaltung – die Annäherung Joachims von links zur rechts wartenden Anna und die Wiedergabe des großen rundbogigen Tors scheinen von Bielefeld aus gewirkt zu haben. Ganz ähnlich erwächst dieser Eindruck auch bei der nächsten Szene, der Geburt der Tochter Maria. Auch hier ist wie in Isselhorst das Bett der Wöchnerin Anna von links oben nach rechts unten diagonal ins Bild gestellt, um die Vorstellung einer Bildtiefe zu erzeugen. Ebenso umgibt ein Baldachin mit Vorhängen das Bett der Mutter Anna. Die reiche Schnitzarbeit des Baldachinoberteils und die kostbaren Vorhänge aus Brokat stehen zwar im Gegensatz zur Schlichtheit des Isselhorster Baldachinbettes, doch dort ist dafür die Raffung und Faltung der Vorhänge weitaus reicher ausgebildet. Auch die Umhüllung der Matratze, wie die Art der Zudecke für Anna finden ihre Parallele. Die Szene, dass Joachim das neugeborene Kind von der Dienerin in Empfang nimmt, ist eine andere, doch auffallend ist Annas Kopf von einem einfachen Tuch umschlungen, während die Magd einen reichen Kopfputz trägt, eine Hervorhebung wie es auch mit dem Schapel der Dienerin in Isselhorst geschehen ist. Darüber hinaus wird in Isselhorst das Streben nach neuer bildmäßiger Gestaltung der Szene erkennbar. Wie schon im Schottener Altar angedeutet, lässt der Meister von Münster hier die gleichmäßige Bewertung jeder Figur fallen und hebt eine einzige die Szene beherrschend heraus. Er weicht vom herkömmlichen Kompositionsschema ab um nachrangige Personen auszuscheiden. So stellt er in der Geburtsszene Mariens die beiden Mägde zur Versorgung der kleinen Tochter wesentlich kleiner dar, als die Mutter Anna im Wochenbett. 43 Meister Bertram, * 1340 in Minden, † 1414 in Hamburg, 1367 Stadtmaler in Hamburg, Grabower Altar in Hamburger Kunsthalle, Passionsaltar im Landesmuseum Hannover. 44 Conrad von Soest, * 1370 in Dortmund, † 1425 in Dortmund. Hauptmeister der westfälischen Malerschule des 15.Jh.s, Meister des weichen Stils; schuf als Hauptwerk 1404 den großen Altar in der Kirche in Wildungen, Christus am Kreuz, Passionsszenen und weibliche Heilige.39 Darstellungen der Verkündigung Schotten Bielefeld Warendorf Auf dem rechten Flügel in Isselhorst sind die beiden Gemälde untergegangen. Möglicherweise waren hier die von den Verfassern angenommenen Szenen der Verkündigung Mariens und die Geburt Christi. Auch in Bielefeld sind diese Szenen verschollen, sie könnten aber auch für Isselhorst Vorbild gewesen sein. Von der Verkündigung gibt es in Bielefeld noch eine Umrisszeichnung, in der die feine, spätgotisch idealisierte Architektur des Interieurs mitbestimmend ist. Setzt man dieses Bild neben die Verkündi-gung des Warendorfer Altars, so ist trotz ihres fragmentarischen Zustands wiederum eine Verwandt-schaft spürbar. Der Berswordt-Meister läßt Maria links auf einem Betstuhl knien und von rechts den blondlockigen Engel herantreten. Dabei erscheint dieser größer als Maria. Der Meister von Münster dreht die Szene um und lässt Maria stehend größer erscheinen als den Engel, ebenfalls blondlockig, der ihr jetzt von rechts entgegentritt. Auffallend sind die Ähnlichkeiten der Gewänder. Hier wie dort trägt Maria einen langen fließend fallenden Mantel, der Engel ein hemdartiges Gewand mit weiten Ärmeln. Auf beiden Bildern fliegt Maria aus dem geöffneten Himmel eine Taube entgegen. Zwischen den Personen in Bielefeld zwei Spruchbänder, in Warendorf eines: aue gratia plena d(omi)n(u)s, dafür aber eine Vase mit drei Lilienblüten als Zeichen der Unbefleckten Empfängnis. Die Verkündigungsszene von Warendorf ist in ihren Einzelheiten auch im Schottener Altar vorgegeben. Auch dort zwischen den Personen ein Spruchband und die Vase mit drei Lilienblüten.40 Gefangennahme Jesu Bielefeld Fotos: Ceres-Verlag Warendorf Vom rechten Flügel in Bielefeld ist die Gefangennahme Jesu erhalten geblieben. Für unsere Vergleiche wohl eines der besten Beispiele, denn seine Inszenierung wiederholt sich vorbildlich (im wahrsten Sinne des Wortes) auf dem Flügelaltar in Warendorf – nur mit anderen Figuren. Ihre Stellung zueinander und ihre Handlungen kehren im Warendorfer Bild völlig gleichartig wieder. Von allen Seiten dringen die Häscher auf die drei Hauptpersonen ein. Petrus steckt sein Schwert in die Scheide, der von ihm verletzte Lampenträger Malchus ist zu Boden gegangen. Judas umarmt Christus und küsst ihn auf die Wange, während dieser mit der rechten Hand dem Häscher Malchus das abgeschlagene Ohr wieder anheilt. 41 Bielefeld Foto: Ceres-Verlag Warendorf Foto:Wakonigg Darup Foto. H.Kerkeling In weiteren Szenen Bielefelds, die bestimmte Dinge aus den späteren Bildern von Darup, Warendorf und Isselhorst vorwegnehmen, fällt die Geißelung Christi auf. In dieser Szene kniet seitlich von der Säule am Boden ein Scherge, der das Bein Christi mit einem Seil umschlingt - von der Idee her wiederum ähnlich dem Seil haltenden Mann in der Geißelung in Isselhorst, Warendorf und Darup. 42 Bielefeld Foto: Ceres-Verlag Darup Foto: H.Kerkeling Auch die Kreuztragungen in Isselhorst, Warendorf und Darup übernehmen Aufteilung und Szenenideen vom Bielefelder- und auch vom Berswordt-Altar. Wie der Vergleich der beiden Abbildungen zeigt, ist die Nähe zur Kreuztragung in Darup auffallend. Der das Kreuz schleppende Christus wird an einem Strick vorwärtsgezerrt, während er von hinten tätlich angegriffen wird. Ebenso ist das Motiv, wie Simon von Cyrene unter den linken Kreuzbalken greift um Christus zu entlasten, in Bielefeld ähnlich vorgegeben. Auch die Gestik Marias, die dem Zug mit Maria Magdalene folgt, nimmt die Darstellung der schmerzhaft auf die Brust gepresste Hand vorweg. Die Kreuzigung ist auf dem Marienaltar in Bielefeld als ein Reihenbild nur wenig aussagekräftig. Im Berswordt-Altar dagegen bildet diese Szene das Hauptthema und füllt das breit gelagerte Rechteck der Mitteltafel voll aus. Im Gegensatz zur Enge des Mittelbildes in Isselhorst steht den Figuren viel Platz zu ihrer Entfaltung zur Verfügung. Der Gekreuzigte im Mittelpunkt stimmt mit dem Christus der Tafeln des Meisters von Münster in Kopfneigung sowie Körper- und Beinhaltung im Prinzip überein. Variiert sind Armhaltung, offene Handflächen, die die Nagelung zeigen oder geschlossene Hände, die wie in Isselhorst und Warendorf die Nägel umfassen. Im Übrigen ist es auf allen Bildern wie in Wildungen ein verklärter Christus, der entschlafen ist. Vermutlich ist diese Art der schon überirdi-schen Darstellung des Gekreuzigten auf französischen Einfluss zurückzuführen, dem sich Meister Conrad ebenso wie der Berswordt-Meister zugewandt hatten. Es ist sehr aufschlussreich, die Inszenierung der Berswordt-Kreuzigung mit den Arbeiten des Meisters von Münster zu vergleichen. Außer in Isselhorst, wo das schmale Format des Mittelbildes für die Kreuzigung es nicht ermöglicht, übernimmt der Meister von Münster für die Bühne in Warendorf und Darup die landschaftliche Konzeption vom Berswordt-Altar. In diesen drei Bildern ist der Ort der Kreuzigung ein Tal, während rechts und links Anhöhen zu sehen sind. In Darup sind sie felsig und mit Bäumen bestanden, in Warendorf mit Kirche und Häusern bebaut. Die besondere Szenerie, die in gleicher Form auf dem Wildunger Altar nicht zu finden ist, läßt Christus am Kreuz vor einem unverstellten Himmel erscheinen. 43 Berswordt-Altar Warendorfer Altar Wildunger Altar Der „einsichtige Schächer“ im Berswordt-Altar findet eine bemerkenswerte Wiederholung im Waren-dorfer Bild. Beide Male ist der nach oben blickende Verurteilte in übereinstimmender Form eng und stramm an den Kreuzbalken geknüpft. Hinter ihm wird seine Zukunft angedeutet – in Dortmund eine fromme Seele vor dem Himmel, in Warendorf eine Kirche, nach dem Verständnis das Symbol für das himmlische Jerusalem. Vergleicht man diese Bilder mit dem Schächer im Wildunger Altar, so findet sich dort eine andere Art der „Aufknüpfung“. Im Detail von Wildungen bekommen dessen Arme eine unnatürliche Stellung, anscheinend sind dem Schächer die Armknochen gebrochen worden. Daruper Altar Foto: H.Kerkeling Berswordt-Altar Foto: Wikipedia Im Berswordt-Altar findet sich vorbildhaft die Darstellung des „Guten Hauptmanns“, der frei rechts neben dem Kreuz steht und mit erhobener Hand auf das fliegende Band seines Ausspruches weist. Es ist vor allem die Hervorhebung der Persönlichkeit des Hauptmanns, der von groben, dummen Schergen umgeben ist, ein Prinzip, das auch für Isselhorst übernommen wurde. Der Isselhorster Hauptmann ist mit seinem auffallenden Turban sowohl in Darup als auch in Warendorf als Nebenfigur rechts unter dem Kreuz wiederzufinden. In Warendorf ist er dort zwar halb verdeckt, doch seine ele-gante Beinstellung ist dem Mann neben ihm mitgegeben worden. Die etwas freiere Stellung dieser Figur im Daruper Altar ist zum Vergleich besser geeignet, als in der gedrängten Szenerie in Isselhorst. 44 Bielefeld Isselhorst Ebenfalls vorbildhaft für Isselhorst war die Berswordt-Gruppe der fünf Trauernden. Sie nehmen die Stellung zueinander, Haltung, Gestik und Blickrichtung dem Isselhorster Bild vorweg. Der Meister von Münster musste sie dort aufgrund der geringen Breite unter dem Kreuz eng zusammen aufreihen. Die Komposition der Figuren, die Kleidung und die Haltung zueinander, insbesondere die Ausrichtung des Johannes ist prinzipiell die gleiche. Zum Vergleich ist auch die Kreuzabnahme in Warendorf hervorzuheben, die in gewisser Ähnlichkeit sowohl in Bielefeld als auch in Dortmund vorgebildet wurde. Auf allen drei Bildern wiederholt sich die Darstellung des auf einer Leiter stehenden Helfers, der den leblosen Körper Christi dem vornehm gekleideten Josef von Arimathäa vorsichtig in seine mit einem weißen Tuch bedeckten Arme gleiten lässt. Ebenso zieht in allen drei Fällen im Vordergrund ein Helfer mit einer großen Zange noch den letzten Nagel aus den Füßen Christi. Die Inszenierung im Berswordt-Altar kommt dabei dem Seitenbild auf der Mitteltafel des Warendorfer Altars sehr nahe. Erwähnenswert ist dazu auch die Kreuzabnahme im Marienfelder Altar des Johann Körbecke, der hervortretende Teile der Bildinszenierung übernimmt. Die Gegenwart der Bielefelder, Dortmunder und Warendorfer Kreuzabnahme ist auch bei Johann Körbecke allenthalben spürbar. Hier soll noch einmal auf die vermuteten familiären Beziehungen des Meisters von Münster alias Hinrich Körbecke zu seinem Sohn Johann Körbecke aufmerksam gemacht werden. 45 Berswordt-Meister, Dortmund Foto: Ceres-Verlag Meister von Münster, Warendorf. Foto R. Wakonigg Johann Körbecke, Marienfelder Altar46 Berswordt-Meister Bielefeld Das Pfingstwunder im Bielefelder Altar Meister von Münster, Das Pfingstwunder Burg Altena Foto:Burgmuseum Warendorf / Freckenhorst Foto der Verfasser47 Oelbergszene Bielefelder Altar Foto: Ceres-Verlag Warendorfer Altar Foto: R.Wakonigg Im Vergleich der Bilder des Meisters von Münster in Isselhorst, Warendorf und Darup mit denen des Berswordt-Meisters in Bielefeld und Dortmund wird deutlich, wie Gedanken, Vorstellungen und Einfälle zur Einrichtung einer Szene durch künstlerische Verbindungen weitergereicht wurden. Offensichtlich hatte der Meister von Münster eine direkte Verbindung zum Berswordt-Meister. Er muss dessen Altarbilder gesehen, sehr genau studiert oder sogar selbst daran mitgearbeitet haben. Als eigenständiger Künstler in Münster kopierte er aber nicht das Gesehene in seinen Werken, sondern setzte die Themen mit eigenen Mitteln in Szene. In der Kunstszene der damaligen Zeit, in der eine sehr große Anzahl von religiösen Bildern entstand, blieb es nicht aus, dass Kundenwünsche berücksichtigt wurden und untereinander ein lebendiger Austausch von Ideen herrschte. So ist auch der Einfluss des Conrad von Soest in den Bildern des Berswordt-Meisters und auch in den Arbeiten des Meisters von Münster spürbar. Enge Verbindungen der Werkstätten untereinander, gegenseitige Inspiration, mit Sicherheit auch eine lebhafte Gesellenwanderung über weite Distanzen, verbreiteten neue Ideen und sorgten für eine ständige Weiterentwicklung der bildenden Künste. Mit Blick auf die Arbeiten des Meisters von Münster, seine Flügelaltäre von Darup, Warendorf und Isselhorst, liefern die Altarbilder der Marienkirche in Bielefeld und der Berswodt-Kapelle in Dortmund weitaus mehr Vorbildhaftes als der vielfach zitierte Wildunger Altar des Conrad von Soest. Allerdings ist das Vorbild des Gekreuzigten von Conrad beim Meister von Münster deutlich spürbar. Conrad tritt in der Darstellung seiner höfischen Kultur auch mit einer anderen Bildbühne hervor. Nicht zu übersehen ist auch die Qualität des handwerklichen Könnens - zum Teil mit portäthaften Gesichtern - in der er sich von den Gemälden des Berswordt-Meisters deutlich abhebt. Eine Annäherung schafft erst der Meister von Münster, wie sich in der Verkündigungsszene in Warendorf herausstellt. Möglicherweise war die Darstellung dieser feinen höfischen Art auf anderen Bildern auch nicht gewollt. Seine Auftraggeber in Warendorf, Darup und dem Kloster Marienfeld wünschten vermutlich eine biblische Geschichte, mit deren Figuren sich die Gläubigen ihrer Gemeinden identifizieren konnten. 48 Eine Darstellung der Klosterkirche Marienfeld im Isselhorster Altar Die für die Schule des Meisters von Münster so aufschlussreiche Darstellung Annas und Joachims, die nach der Legende beide an verschiedenen Orten von einem Engel die Kunde vom zu erwartenden Kind „Maria“ bekamen, verdient noch einmal unsere Aufmerksamkeit. Sie treffen sich an der Goldenen Pforte des Tempels, die sich nach der Weissagung öffnet, wenn der Messias erscheint. In der römischen Kirche ist aus diesem Gedanken heraus die Symbolik auf die Ostung der Kirchen übertragen worden. Mit dem Aufgang der Sonne ist das Ostfenster der Ort der Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag.45 Um auf dieses Detail genauer einzugehen, hier noch einmal die schon oben erfolgte Beschreibung: Im Isselhorster Altarbild ist die Goldene Pforte ohne Zweifel der Ostteil einer Kirche mit einem großen Fenster. Der Bau ist in der Form einer hellgrauen dreischiffigen gotischen Kirche gehalten. Die Bedachung ihrer Schiffe besteht aus blauen Schindeln. Das Mittelschiff ist mit rundbogigen Seitenfenstern, das Seitenschiff mit einem gotischen Maßwerkfenster und Blendbogenfriesen darunter dargestellt. Der Künstler nutzt hier die in der Annengeschichte vorkommende Baulichkeit des Tores zur Darstellung der damals beliebten Idealarchitektur, wie sie aus der französischen Kunst vorgegeben wurde. Hervortretend sind nicht nur die Maßwerkfenster und Blendbogen, sondern auch ein mit Krabben besetzter Giebel und Fialen zu beiden Seiten, die bis in den roten Bildrahmen reichen, sowie Zinnen als Giebelabschluss des Pultdachs am Seitenschiff. Das Detail der Annenlegende im Isselhorster Altar im Vergleich mit den Stifterbildern Marienfelds aus dem 17. Jh. Lässt man die idealisierten spätgotischen Architekturzugaben fort, ist hier tatsächlich der Ostteil der Klosterkirche von Marienfeld zu sehen. Uns stehen zwar Aufnahmen moderner Fototechnik der heutigen Abteikirche zur Verfügung, doch die Nähe zur idealisierten und hier auch modellhaften Wiedergabe vermittelt eher eine Reihe aus dem 17. Jahrhundert stammender Stifterbilder des Klosters. Die drei malerischen Wiedergaben der Klosterkirche, etwa 250 Jahre nach dem Isselhorster Altar entstanden, liefern die besten Übereinstimmungen und machen den Eindruck nachvollziehbar: Es sind das Stifterbild am Hof Meier-Westmeier in Marienfeld, das ähnliche, aber zeitlich jüngere Bild im Bistumsarchiv Münster und ein weiteres, etwas später entstandenes Bild, dass sich heute in Schloss Harkotten bei Füchtorf befindet. Die Bildkomposition auf dem Gemälde vom Hof Meier-Westmeier 45 Jungmann, Josef Andreas, Die Ostung, in: Symbolik der katholischen Kirche, Stuttgart 1960.49 zeigt die Kirche sogar modellhaft wie die Darstellung auf dem Isselhorster Tafelbild. Eines der Stifterbilder bringt die Wiedergabe der Klosterkirche mit dem großen Ostfenster, 46 so wie der Meister von Münster es auf dem Isselhorster Altar abgebildet hat. Zudem erscheinen bei ihm im Obergaden der Kirche die romanischen Fenster,47 die mit Ausnahme des östlichen Fensters erst nach 1500 vom Abt Münstermann vergrößert wurden. Zeitgeschichtlich korrekt fügte der Maler auch die gotischen Maßwerkfenster der Chorseitenschiffe ein, die die Kirche im 14. Jahrhundert bekommen hatte. Ebenso hat es um diese Zeit in Marienfeld noch eine hölzerne Schindelbedachung gegeben,48 bis die Kirche mit Blei und Kupfer eingedeckt wurde.49 Die mittelalterlichen Kirchen in Westfalen sind so individuell gebaut, dass im Vergleich ganz sicher nur die Klosterkirche Marienfeld für dieses Abbildungsdetail infrage kommt. Zudem war das Kapitel des Zisterzienserklosters Auftraggeber des Altars beim Meister von Münster. Was lag also näher, dass dieser in dem Altarbild eine Reminiszenz für das Kloster unterbrachte. Durch die charakteristischen Einzelheiten, die im Grunde dem noch heute vorhandenen Erscheinungsbild entsprechen, kommt dem Einzelbild des Isselhorster Altars sogar ein dokumentarischer Wert zu. Dieser versetzt uns um 1420 in die Amtszeit des wohl auftraggebenden Marienfelder Abtes Hermann (1410-1443), von dem die Klosterchronik berichtet, dass er zahlreiche Neuerwerbungen tätigte und viel in den geistlichen Belangen innerhalb und außerhalb des Klosters erreichte.50 Der erste Aufstellungsort des Isselhorster Altars Die Anschaffung eines Flügelaltars war auch damals schon sehr teuer und entsprach etwa dem Wert eines Bauernhofes. Entsprechend stellt sich die Frage, ob das Kloster ein solches Wertobjekt dem Isselhorster Kirchspiel zur Verfügung stellte. Die damals im Vorfeld der Reformation allgemeine Verbreitung der Tafelbilder als „Bibel der Armen“ für eine des Lesens unkundige Landgemeinde spricht für diese Vorstellung. Doch die gleichen Bedürfnisse hatten auch die einfachen Laienbrüder und Knechte des Klosters, so ist es möglich, dass Abt Hermann das Flügelbild nicht für die Isselhorster Kirche, sondern für den Laienaltar vor dem Lettner der Klosterkirche gedacht hatte. Vermutlich machte er erstmals von der um 1400 vom obersten Ordenskapitel beschlossenen Erlaubnis Gebrauch, bildliche Darstellungen in die Zisterzienserkirchen hereinzunehmen. Entsprechend der seltenen Annenbilder auf dem Isselhorster Flügelaltar scheint dieses Thema für Marienfeld von besonderem Interesse gewesen zu sein; denn der Klosterchronist erwähnt zur Zeit Hermanns die Aufstellung eines Annenaltars vor dem Lettner. Vorstellbar ist diese Bezeichnung aber wohl nur in Verbindung mit einem Altaraufsatz, dessen Bilder Szenen aus der Annenlegende zeigten, die ja ein Teil der bei den Zisterziensern bevorzugten marianischen Themen waren. Aus dieser Sicht entsprach der Isselhorster Altar den Anforderungen des Ordens, im Mittelpunkt die Kreuzigung Christi als das traditionelle Thema vor dem Lettner beizubehalten. Die Darstellungen zur Legende Annas sowie aus dem Leben Marias mit Verkündigung und Geburt Jesu erweiterten die Mitteltafel namensgebend als Annenaltar. 46 Böhmer, Rudolf / Paul Leidinger, (Universität Münster), Chroniken und Dokumente zu der Geschichte der Zisterzienserabtei Marienfeld 1185 – 1803 in deutscher Übersetzung. (Die Chronik des Mönchs Hartmann von 1715) Marienfeld 1998. S. 54: Abt Nikolaus (1318-1344) ließ das Ostfenster einbauen und die südliche, wie die nördliche Chorseite verbreitern „wo es zuvor sehr eng und dunkel war“. siehe auch: Hölker, Karl, Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Kreises Warendorf, Münster 1936, S. 218. 47 Böhmer/Leidinger. Chronik. S. 88: Münstermann ließ durch Erneuerung und Restaurierung der Fenster die Kirche aufhellen. Sigrist/Strohmann, Befunde bei der Außenrestaurierung Marienfelds, in: Westfalen Bd. 72, Münster 1994. 48 Pieper, Tafelbilder, Beschreibung linker Flügel, S. 78. 49 Böhmer/Leidinger, Chronik, S. 54, Abt Nikolaus (1318-1344) ließ einen großen Teil der Kirche, die vorher nur mit Holzschindeln gedeckt war, mit Blei decken. Unter Abt Hermann und Abt Münstermann wird berichtet, dass Nikolaus zunächst das Langhaus mit Blei eindecken ließ. 1826 verbrannte dieses Dach, nach einem Strohdach kam die Ziegeleindeckung im Jahr 1830. siehe: Hölker, Marienfeld, S.222. 50 50 Böhmer / Leidinger, Chronik, S. 68 ff. und Pieper, Tafelbilder, S.166.50 Marienfeld, Querschnitt durch den Chor der Klosterkirche. Die versuchsweise Anordnung des Isselhorster Altars vor dem damals romanischen Lettner zeigt, dass das Triptychon eine annehmbare Größe für die Laienkirche aufwies und dort gestanden haben könnte. M = 1 : 100 Zeichnung der Verfasser51 Vermutlich entwickelte Abt Hermann eine Vorliebe für die damals aufkommenden Wandel-Bildaltäre. Nach Aufstellung des Annenaltars erteilte er noch in seiner Amtszeit bei einem Meister in Münster einen weiteren Altarauftrag. Diesesmal einen großen Flügelaltar für den Hochaltar der Kleriker im Chorraum, der als berühmter Marienfelder Altar in die Kunstgeschichte einging. Der Marienfelder Altar ist von dem Maler Johann Körbecke gemalt worden und erst zur Zeit des Abtes Arnold von Bevern (1443-1478) am 6. Februar 1457 geliefert worden.51 Die Weihe erfolgte im Juni 1458.52 Der später folgende Abt Münstermann (1498-1536) ließ die heute noch größtenteils vorhandenen spätgotischen Chorschranken mit dem filigranen Sakramentsturm aus Baumberger Sandstein anfertigen. Für den damals auch neu entstandenen Lettner, den man aufgrund seines Figurenreichtums „Apostelgang“ bezeichnete, wurden drei Altäre mit steinernen Retabeln geschaffen, die vollplastische Szenen aus dem Neuen Testament zeigten.53 Einer dieser Altäre ist noch im Südqueurhaus vorhanden, das Gegenstück dazu befindet sich im Landesmuseum Münster. Der dritte Altar vor der Mitte des Lettners wurde nach seinem Abbau im 17. Jahrhundert vermutlich zum Kloster Hardehausen weitergegeben, wo er nach der Säkularisation mit der Kirche unterging. Nach der Marienfelder Chronik ist für diesen Altar der Laienkirche aber die Thematik der Annenlegende beibehalten worden. Statt des gemalten Flügelaltars vom Meister von Münster, stellte das Kapitel ein steinernes Retabel auf, dem wahrscheinlich bemalte Holzflügel angefügt waren. Gleichzeitig ließ Münstermann die romanischen Doppelfenster im Obergaden zu einem Spitzbogenfenster vergrößern, um mehr Licht in die Kirche zu bekommen. Außerdem wurde der gesamte Kirchenraum mit einer spätgotischen Rankenmalerei dekoriert, die in Ansätzen heute noch sichtbar ist. Diese phantasievolle Raumfassung und die Farben der Altargemälde in der Einheit mit der Austattung aus warmtönigem Baumberger Sandstein müssen der Klosterkirche damals ein wundervoll harmonisches Erscheinungsbild gegeben haben. Die Weitergabe des Flügelaltars nach Isselhorst In der Geschichte Marienfelds ist immer wieder nachzuvollziehen, dass bei Erneuerungen an Kirche und Klosterbauten auch die Filialkirche in Isselhorst positiv berücksichtigt wurde. So veranlasste Abt Münstermann nach 1500 auch eine spätgotisch geprägte Renovierung der Isselhorster Kirche, wobei die Erneuerung des Südportals mit Stabwerkfassung mit einem spätgotischen Maßwerkfenster darüber ausgeführt wurde. Wahrscheinlich erfolgte neben der Anschaffung von Glocken und einer Uhr auch eine Erneuerung des Turms mit Spitzhelm, Maßwerkfenstern im Glockengeschoss und eine Neugestaltung des Westportals mit gotischem Stabwerkbogen, in den man die Jahreszahl 1517 einfügte. Es ist möglich, dass Abt Münstermann den durch die Erneuerungen in der Klosterkirche überzähligen, inzwischen fast 100 Jahre alten Flügelaltar des Meisters von Münster erst zu dieser Zeit nach Isselhorst weitergegeben hat. Obwohl wir nur aus der Abbruchzeit der Dorfkirche auf knappe Informationen zurückgreifen können, ist in Isselhorst der typischen Wandel der Altargestaltung nachvollziehen. Bis um 1500 befand sich im Chorraum der Isselhorster Kirche eine freie Altarmensa, dessen Hohlraum zur Aufbewahrung von Reliquien oder Altargerät diente. Die künstlerische Ausstattung geschah hauptsächlich durch das Antependium, jenem von der Mensa herabfallenden Stoffbehang, der späterhin auch als Bekleidung der Frontseite aus Metall oder Holz gebildet wurde. Häufig schmückte man die Wand hinter dem Altar mit Gemälden, woraus sich der Gebrauch von Altaraufsätzen, sogenannten Retabeln ergab, die mit Reliefs oder Malereien vesehen waren. Entsprechend dieser Entwicklung befanden sich auch hinter der Isselhorster Altarmensa auf der gerade geschlossenen fensterlosen Ostwand eine Reihe gemalter 51 Böhmer / Leidinger, Chronik, S. 75, 76. 52 Johann Körbecke * um 1420 in Münster oder Coesfeld, † um 1490, 1442 nach Heirat seiner Frau Elseke in Münster mehrfach nachweisbar. 53 Böhmer / Leidinger, Chronik, S. 87 f, S. 91. Hölker, Marienfeld. Zerstreute Kunstwerke aus Marienfeld, S. 28252 Isselhorst, mittelalterliche Pfarrkirche bis 1878. Der rekonstruierte Aufbau des gotischen Triptychons auf der Altarmensa im Chor der Kirche. Die maßstäbliche Zeichnung weist nach, dass die Altaranordnung in der Dorfkirche keinesfalls übermäßig groß war. M = 1 : 100, Zeichnung der Verfasser53 Südansicht der Kirche zu Isselhorst mit deutlichen spätgotischen Veränderungen, die auf die Zeit des Marienfelder Abtes Heinrich Münstermann zurückgehen. sechs Fuß hoher Figuren, dem Faltenwurf nach frühgotisch. 54 Auf dem Chorgewölbe befand sich ein Bild des Jüngsten Gerichts, Christus als Weltenrichter auf dem Regenbogen. Diese Malereien blieben auch nach Aufstellung des Flügelaltars erhalten und sind wahrscheinlich in die damals erneuerte gotische Raumfassung integriert worden. Die durch die Anbringung des Triptychons verstellte Aufbewahrungsstätte des Altarsakramentes wurde durch die Aufstellung eines Sakramentshauses an der Nordseite des Chors ersetzt, das die Jahreszahl 1496 aufwies.55 Dieses hatte vermutlich ebenfalls schon im Chor der Klosterkirche gestanden, bevor es dort gegen Münstermanns großen Sakramentsturm ausgewechselt wurde. Mit dem Flügelaltar und dem dadurch auch notwendigen Sakramentshaus wurde der Chorraum der Kirche dem Bedarf der damaligen Liturgie angepasst. Nach Einführung der Reformation zog sich das Kloster Marienfeld aus der Bauunterhaltspflicht der Kirche in Isselhorst zurück.56 Die nun selbständige lutherische Gemeinde musste fortan für die Einstellung des Pfarrers und mit allen Konsequenzen für den Unterhalt der Kirche sorgen. Die Einführung der Reformation bedeutete in den jeweiligen Gebieten zunächst das Ende für die bis dahin reiche Kirchenausstattung mit vielen Altären, Bildwerken und Gemälden. Die neue, den Vorrang des Wortes betonende Lehre stand der bildlichen Darstellung religiöser Themen und Inhalte allgemein ablehnend gegenüber, was mancherorts bis zum Bildersturm führte. Während Reformatoren wie Karlstadt, Zwingli und Calvin einer kirchlichen Bildkunst unter Hinweis auf das Alte Testament und die Apostel jegliche Daseinsberechtigung absprachen, nahm Luther in dieser Frage eine anfangs von toleranter Gleichgültigkeit geprägte und später durchaus positive Haltung ein. Er betrachtete die Bilder nicht als potentielle Aufforderung zum Götzendienst, sondern als in religiöser Hinsicht wertneutrale Gegenstände. Bilder besaßen lediglich Zeichencharkter und waren somit von sich aus weder gut noch schlecht, dazu machte sie erst ihr jeweiliger Gebrauch. So wandte sich Luther, entsprechend seiner Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein durch den Glauben und die göttliche Gnade, entschieden gegen die Vorstellung, das das Stiften oder Betrachten frommer Bilder Bedeutung für das Seelenheil haben könnte. Als Gedächtnisübung sowie als didaktisches Hilfsmittel besaßen Bilder nach Anscht Luthers aber einen nicht zu verkennenden Nutzen. Das Bild wandelte sich so im Protestantismus vom Andachts- zum Lehrobjekt, welches das 54 Aufzeichnung des Herrn Frankenberg vom 14. August 1878. 55 Der Isselhorster Pastor Alemann erwähnt im 18. Jahrhundert in seiner Inventarliste dieses Sakramentshaus im Chor als „Pyramide mit der Jahreszahl 1496“. Diese wurde für eine Orgelempore entfernt. 56 Der Marienfelder Abt behielt aber Mitsprache bei der Wahl des ev. Pastors in Isselhorst.54 Evangelium und die Grundgedanken der neuen Lehre illustrierte. 57 Aus dieser Sicht wird man auch in Isselhorst kaum einen Bildersturm in der Kirche veranstaltet haben. Auch an anderen Orten der Region, z. B. in der genannten Neustädter Marienkirche in Bielefeld oder in der unmittelbar benachbarten Steinhagener Kirche erhielt man die alten Bildaltäre. Nicht einmal die Abtrennung der Altarflügel wurde zugelassen; denn damit wurde gleichzeitig die Abfolge der Bilderzählung und so die belehrende Wirkung auf den Beschauer zerstört. Trotz neuer Konfession blieb also auch in Isselhorst das Triptychon auf der Altarmensa und ebenso auch das Sakramentshaus an seinem Platz. Hervorgehoben von den eher zurückhaltenden Annenszenen und der von den Verfassern angenommenen Verkündigung und Geburt Christi auf den Seitenflügeln stand das Leiden und Sterben Christi im Mittelpunkt des Flügelaltars – als neutestamentarische Themen durchaus akzeptabel für eine lutherische Gemeinde. Es bestand also kein Grund, ihn aus der Kirche zu entfernen oder ihn mit einer neuen Fassung zu bemalen. Erst die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und die damit einhergehenden Plünderungen und Zerstörungen am Kirchengebäude, zerschlagene Fenstern oder oft über viele Jahre nicht mögliche Reparaturen am Dach werden dem empfindlichen Kunstwerk zugesetzt haben. Selbst bei geschlossenen Flügeln dürfte das Triptychon durch Wind und Wetter gelitten haben. Die Beschädigungen der mittelalterlichen Malerei, die man bei Entfernung der barocken Malschicht feststellen musste, waren typisch für durch Regenschlag eindringende Feuchtig-keit. Diese zog durch die Alterssprünge und Fehlstellen der Farbschicht zum Bildträger und ließ ihn an unübersehbar vielen Stellen aufquellen. Noch größer waren die Schäden auf dem rechten Innenflügel und den Außenseiten, hier hatte sich die Farbschicht samt Kreidegrund und Leinen vom Holzträger abgelöst. Die Gemälde auf diesen Flügelseiten waren dadurch verloren. 57 Jürgens, Renate, Kirchliche Kunst, in: Weserrenaissance, S.49755 Die manieristisch-frühbarocke Zweitfassung des Flügelaltars Als die Gemeinde die Kirche wieder herrichtete, erfolgte auch eine Wiederherstellung des Tripty-chons. Seine Tafeln erhielten eine neue Bemalung, wofür die noch intakten gotischen Bilder glatt-geschliffen wurden und als Untergrund dienten. Die zerfallenen Bildflächen der Flügel wurden ganz entfernt. Der Künstler stellte nun nach lutherischem Verständnis das Letzte Abendmahl auf der Haupttafel in den Mittelpunkt und gestaltete die Flügel mit der Passion Jesu. In dieser Fassung diente das Retabel als Andachtsbild auf dem Altar in Isselhorst bis zum Abbruch der alten Dorfkirche. Die vom 19. Jahrhundert ausgehende negative oder bestenfalls gleichgültige Einstellung zu Renaissance, Manierismus und Barock hat die Zweitfassung des Isselhorster Altars dann weiterhin nicht mehr beachtet. In der (neu)gotischen Isselhorster Kirche, die als Gesamtkunstwerk auch in der Einrichtung einheitlich und puristisch keine anderen Stilformen als den Spitzbogen vorsah, hatte das Flügelbild keinen Platz mehr. Entsprechend geriet es an seinem Abstellplatz in Vergessenheit. Bei der Wiederentdeckung 1904 war man nur an den mittelalterlichen Tafelbildern interessiert und kratzte ohne vorherige Dokumentation die manieristischen Malereien ab. Auf dem Seitenflügel, der keine gotischen Malereien mehr aufwies, beließ man die Zweitfassung und gab ihn nach Isselhorst zurück. Erst im ausgehenden 20. Jahrhundert ist der Kunstrichtung des 16./17. Jahrhunderts die verdiente Aufmerksamkeit geschenkt worden. Besonders die Forschung über die bedeutende künstlerische Hinterlassenschaft der Weserrenaissance hat den Blick auf den Manierismus eröffnet und ihm den verdienten Stellenwert eingeräumt. Die Verfasser werden folgend erstmals die Malerei im Zweiten Isselhorster Altar genauer betrachten, analysieren und bewerten. Anhand der drei noch vorhandenen Bildtafeln ist zu sehen, wie die mittelalterliche Malerei mit ihren lebendigen, sehr farbigen Darstellungen gegen die ernsten Gemälde des Abendmahls und der Passion Jesu ausgetauscht wurden. Die jetzt formatfüllend angelegten Bilder sind in der religiösen Malerei des frühen Barock geschaffen worden, die von Italien ausgehend in den Niederlanden eine unvergleich-liche Beherrschung des Helldunkelkontrastes erreichte. Die hervortretenden Maler dieser Zeit versuchten sich von der Künstlichkeit des Manierismus zu lösen um zu einer Vertiefung der realen Wirklichkeit zu finden. Barocktypisch wurden eine gesteigerte Dynamik, diagonale Kompositionslinien und die Verwendung kräftiger Helldunkeleffekte. Die Künstler oder Kunsthandwerker, die in der westfälischen Provinz arbeiteten, malten aber noch über lange Zeit nach Vorlagen, die allgemein als Stiche verbreitet wurden. Hier vermischten sich Manierismus und Frühbarock, Vorgaben, die in den Darstellungen der Isselhorster Barockbilder wiederkehren. So treten uns die Passionsszenen an düsteren Orten entgegen, wo die am Geschehen beteiligten Personen im gespenstischem Licht stehen. Ernst und Dramatik der Verurteilung, der Folter und der Mühen der Kreuztragung werden von Fackeln beleuchtet theatralisch gesteigert. Die Entwicklung des Abendmahlsmotivs zum protestantischen Altarbild Der ehemals gotische Flügelaltar in Isselhorst erhielt auf der Mitteltafel die Darstellung des Heiligen oder Letzten Abendmahls, ein Bildthema das in der Kirche erst spät in den Vordergrund gestellt wurde, bevor es zum bevorzugten Altarbild der protestantischen Kirche aufstieg. Als im 12. Jahrhundert das Altarretabel aufkam, war das Abendmahl als Hauptthema sehr selten. In der plastischen Kunst nahm es eher einen Platz ein in den neutestamentarischen Bilderzyklen (Türen von St. Maria im Kapitol in Köln) oder in Relieftafeln von Begleitfriesen an Außenfassaden oder im Inneren der Kirchen, sowie als Illustration liturgischer Handschriften. Als in der Mitte des 14. Jahrhundert die florentinischen Klöster begannen, ihre Refektorien mit der Darstellung des Heiligen Abendmahls zu schmücken, leiteten sie eine Entwicklung ein, die in Leonardos berühmten Mailänder Abendmahl gipfelte.58 Hier erhielt das Abendmahlsbild zwar Eigenwert und den Rang eines monumentalen Einzelbildes, es befand sich aber im Refektorium, einem weltlichen Raum. Den entscheidenden Schritt, dem Bild im Kirchenraum eine repräsentative Stellung zu geben, vollzogen erst zum Ende des 15. Jahrhunderts die 58 Oertel, S. 226.56 Sakramentsbruderschaften in Italien und den Niederlanden. Sie begründeten den Abendmahlsaltar, der in verschiedenen Fassungen von nahmhaften Künstlern gestaltet wurde. Der älteste deutsche Abendmahlsaltar ist Riemenschneiders Heiligblutaltar in Rothenburg, 1499 in Auftrag gegeben. Hier ist das Abendmahl Mittelbild, jedoch auf einem Nebenaltar. Als Hochaltarbild ist es erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Dom zu Forli nachweisbar. In der katholischen Kirche blieb der Abendmahls-altar als Hochaltar zwar die Ausnahme, doch als das Thema in der bildenden Kunst hohen und höchsten Rang einnahm, erfolgte die Auszeichnung des Abendmahlsbildes auch durch Luther. Luther liebte die Musik, der Umgang mit der bildenden Kunst war ihm zwar nicht persönliches Bedürfnis, aber bilderfeindlich war er nicht. Das Auge war ihm eine Gottesgabe, und als Seelsorger verstand er das Verlangen des Gläubigen nach Anschauung des Heilsgeschehens und wusste um den Wert des Bildes für die Pflege religiösen Lebens. Die Anbetung des Bildes bekämpfte er jedoch und sprach ihm den Wert für das Seelenheil des Stifters ab. Wenn aber der Altar ein Bild haben soll, sollte es nach Luthers Meinung das Abendmahlsbild sein. Er wünschte bei der Gestaltung der Szene zwar weniger das Gewicht auf das historische Geschehen, der Verratsankündigung zu legen. Eine klare Entscheidung für den eucharistischen Inhalt, der Einsetzung des Abendmahls traf er jedoch nicht.59 Er empfahl auch die Darstellungen mit Inschriften zu versehen, um eine eindeutige Interpretation zu gewährleisten. Die protestantischen Maler wählten zumeist die Verratsszene für ihr Bild, weil sie im Sinne des Manierismus und Barocks bewegter und dramatischer dargestellt werden konnte. Anders die katholische Kirche, die ihre ganze Kraft in den Dienst der Verherrlichung der Eucharistie stellte, wie in der italienischen Kunst des 16. Jahrhunderts und im umfangreichen Werk der Gegenreformation in Süddeutschland festzustellen ist. Martin Luther selbst hatte das Motiv des Heiligen Abendmahls vorgeschlagen, das er für den Altar als Ort des Sakraments als das angemessenste erachtete. Der Gemeinde sollte bei der Abendmahlsfeier deren Urbild vor Augen gestellt werden. Die evangelische Kirche hat seinen Rat befolgt, so dass es zum Kennzeichen des protestantischen Altares geworden ist. Reliefs und Gemälde dieser Bibelszene haben sich zahlreich in den Predellen oder Haupttafeln niederdeutscher Altaraufsätze erhalten und dienen noch immer ihrer ursprünglichen Bestimmung. Ob der Maler des Altargemäldes in Isselhorst dem Motiv des historischen Geschehens der Verrats-ankündigung oder dem Motiv der Einsetzung der Eucharistie den Vorzug gab, ist nicht mehr nachvollziehbar. Das Abendmahlsbild auf dem Mittelteil und die Kreuzigung auf dem linken Seitenflügel sind in Unkenntnis ihres speziellen Kunstwertes um 1900 als grobe Barockmalerei bezeichnet und im Provinzialmuseum Münster vor ihrer Entfernung nicht beachtet worden. Stilistische Zuordnung der Zweitfassung des Isselhorster Altars Mit der Renaissance war die niederländische Kunst schon frühzeitig im niederdeutschen Raum tonangebend und selbst nach dem Dreißigjährigen Krieg wirkte diese Kunstrichtung über den Manierismus im Frühbarock weiter. Einer der frühen Vertreter dieser Kunst war Johann Hopffe (um 1565-1615) auf den, bzw. seinen Nachfolger Daniel Hopffe der Schlüsselburger Altar von 1627 zurückgeht. Hopffe war größtenteils in Hildesheim tätig und führend an der Ausmalung der Bückeburger Schlosskapelle beteiligt. Ein Mitbewerber war S. P.Tileman (Tilman, Tillemann, 1601-1668 oder 1688) mit seinem Sohn Johann Tileman, der lippischer Hofmaler war. Wahrscheinlich fanden beide Maler aber keine ausreichende Beschäftigung in der reformierten lippischen Region; denn ihre Tätigkeit wird mehrfach in Bremen genannt, S. P. Tileman starb 1668 in Wien. Während sich diese Künstler für ihren Broterwerb in ganz Westeuropa bewegen mussten, konnte Johann Georg Rudolphi (1633-1693) aus Brakel unter dem Paderborner Fürstbischof Ferdinand II. (1626-1683) seine ganze Schaffenskraft entfalten.60 Mit Werken in Paderborn, Corvey, Marienfeld usw. war er einer der bedeutendsten Vertreter des westfälischen Barocks. Geschult in Antwerpen trat 59 Oertel, Hermann, Das protestantische Abendmahlbild, S.233, 253. 60 Rudolphi, Wikipedia, „Creative Commons Attribution/Share Alike“.57 er als Maler, Graphiker und Architekt der Gegenreformation für die katholische Kirche auf. Neben diesen Künstlern, die ohnehin schon schwer fassbar sind, gab es eine Anzahl von sehr fähigen Kunstmalern, deren Tätigkeit nach damaligem Verständnis eher als Handwerk angesehen wurde. Sie traten wohl deshalb namentlich nicht hervor und haben ihre Bilder nicht signiert, so dass sebst eine Zuschreibung von Werken nicht möglich ist. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass ihre bildlichen Darstellungen in vielen Fällen keine Originalerfindungen waren, sondern direkte oder freie Wieder-gaben von niederländischen, italienischen, französischen und deutschen Gemälden, die den Malern als Kupferstiche vorlagen. Der Isselhorster Altar in einer rekonstruierten Fassung. Die Verfasser haben die fehlende Kreuzigung auf dem linken Innenflügel mit einem Gemälde von van Dyck ersetzt und für das Abendmahl ein Altarbild aus der Kirche von Hess. Oldendorf verwendet. Die Bilder der Außenseite (oben) und vom rechten Innenflügel sind vorhanden. So wurde der hervortretende Schlüsselburger Flügelaltar mit Gemälden der Kreuzigung, der Aufer-stehung und der Anbetung der Hirten zwar 1627 mit Daniel Hopffe bezeichnet, ist aber durch Verwendung von Kupferstichen als Vorlage eine freie Kopie nach Hans von Aachen. Nach gleichen Vorlagen ist wohl auch der Hochaltar in der Kirche zu Kaldenkirchen entstanden, eine Erwerbung, die noch aus der Zeit des Brigittenklosters stammt. Der schöne Staffelaltar in der Kirche von Meinbrexen an der Weser enthält ein Abendmahl, das man zwar auch Hopffe zuschreibt, dieser aber um 1600 mithilfe eines Stichs von G. Ghisi nach Lombardi gemalt hatte, einem Blatt von 1551 des niederländischen Stechers und Verlegers H. Cock. Bemerkenswert war der Ghisi-Stich nach Lambert 58 Lombardi dem Erzbischof in Mecheln, Antonius Perenotus de Granvella gewidmet. Mehrere unbekannte Maler nutzten einen Sadeler Stich nach Candid – zwischen 1588 und 1595 entstanden - für eine in der evangelischen Kirche wohl sehr beliebte und weit verbreitete Abendmahlsdarstellung. Candid war seit 1586 Hofmaler, Johann Sadeler von 1588-1595 Hofkupferstecher in München.61 Obwohl der Ursprung der Malvorlagen zumeist in der katholischen Kirche zu suchen ist, wurde das Abendmahl im 16. und 17. Jahrhundert das protestantische Bildthema schlechthin. Die Maler und Bildhauer arbeiteten nicht nur nach nachgestochenen Gemälden sondern auch nach Originalgraphiken. Sie waren Teil jener Druckgraphik, die zu dieser Zeit im Dienst der Privatandacht und der Volks-frömmigkeit von allen europäischen Kunstzentren massenweise verbreitet wurden.62 Hermann Oertel hat in seiner Forschungsarbeit zu diesem Thema allein östlich der Weser im Braunschweig-Hannoverschen Raum 114 Abendmahlsdarstellungen des 16. bis 18. Jahrhunderts gefunden, von denen 73 dieser Darstellungen nach Stichvorlagen gearbeitet wurden. Doch das Verbreitungsgebiet dieser Arbeitsweise geht weit über das Untersuchungsgebiet hinaus und umfasst neben dem Abendmahlsmotiv auch weitere biblische Szenen, wir wir sie oftmals an den Emporen-brüstungen der evangelischen Kirchen in Westfalen (Herford), Niedersachsen und Hessen finden. Im aufgezeigte Sachverhalt der „Unselbständigkeit“ des protestantischen Abendmahlsbildes sahen die Zeitgenossen aber kein Plagiat. Die Verwendung einer Vorlage war selbstverständlich und galt als Beweis ihrer besonderen Wertschätzung durch den Künstler oder seinem Auftraggeber. Der Künstler nutzte auch die Freiheit, die Vorlage abzuändern oder mit einer zweiten zu kombinieren. Die Gemälde der Zweitfassung nach Vorlagen Matthäus Merians und Hans von Aachens Die Stichvorlage für das Ecce Homo im Isselhorster Altar, die Matthäus Merian 1630 geschaffen hatte.. Der Maler des Isselhorster Bildes nutzte nur die obere linke Hälfte der Vorlage. Abbildung: aus „Die Merian Bibel“ S. 191. 61 Hermann Oertel, Das protestantische Abendmahlsbild S. 236. Allein das Abendmahl nach Sadeler / Candid findet sich in Duttenstedt, Dellingsen, Münchehof, Dorstadt, Goslar-Frankenberg,Helmstedt, Steph., Groß Elbe, Hornburg, Klein-Dahlum, Klien Winnigstedt, Halle b. Holzminden, Ührde,Hohenhameln, Flensburg Mar.Ki.,Greienstein Oesterr., Mittelnkirchen, Neuenkirchen, Ratzeburg, Alleringersleben, Burkhardswalde, Geusa, Königsbrück, Sebnitz. Die Vorlage wurde bis nach 1700 verwendet. 62 Hermann Oertel, Das protestantische Abendmahlsbild, S. 223.59 Auch die Entstehung der manieristisch-frühbarocken Zweitfassung des Isselhorster Altars steht in der von Oertel angegeben Tradition. Der Maler dieser Zeit nutzte das reiche Kupferstichangebot verschie-dener Künstler, stellte die neue Gestaltung des Flügelaltars aus passenden Vorlagen zusammen und setzte sie in Farbe um. Die Vorlage für die Grablegung Jesu im Isselhorster Altar lieferte eine Radierung von Raphael Sadeler von 1583, die dieser nach einem Gemälde von Hans von Aachen angefertigt hatte. Abb. aus: Peltzer, „Der Hofmaler Hans von Aachen und seine Zeit“. 60 Von den erhaltenen drei Bildern der Isselhorster Zweitfassung konnten die Verfasser bislang zwei Gemälde auf Stichvorlagen zurückführen. Die Außenseite des linken Flügels, der sich heute im Landesmuseum Münster befindet, enthält das Gemälde Ecce Homo, das auf eine Stichvorlage Matthäus Merians d.Ä. (1593-1650) zurückgeht. M. Merian d. Ä. hatte 78 dieser Blätter nach alt- und neutestamentarischen Motiven als Kupferradierungen seit 1628 in mehreren aufeinander folgenden Teilausgaben unter dem Sammelbegriff Icones Biblicae herausgebracht. Während des Dreißig-jährigen Krieges war er genötigt, vorsichtig den Markt für den Absatz dieser Bilder zu prüfen. Im Jahr 1630 illustrierte Merian mit diesen Bildern, die er auf 224 Stück vermehrt hatte, die im typographi-schen Buchdruck erschienene Lutherbibel der Herausgeber Zetzners-Erben in Straßburg.63 Als zweites Gemälde nach einer Stichvorlage konnte die Grablegung Jesu identifiziert werden, wobei für die Mithilfe des LWL-Denkmalamtes Münster zu danken ist.64 Für die Grablegung auf dem in Isselhorst befindlichen rechten Flügel benutzte der Maler eine Stichvorlage von Raphael Sadeler65, die dieser 1593 nach einem Gemälde Hans von Aachens66 angefertigt und verbreitet hatte. Zur Geißelung Christi könnte es ebenfalls eine Kupferstichvorlage geben und auch die bei der Restaurierung der mittelalterlichen Tafeln verlorenen Gemälde Kreuzigung und Letztes Abendmahl dürften nach Vorlagen gemalt worden sein. Da die Kupferstichvorlagen aus verschiedenen Zeiten stammten und dabei die Vorlage für das Ecce Homo von Merian nachweislich erst um 1630 entstand, bzw. publiziert wurde, wird die Zweitfassung des Isselhorster Altar frühestens in die Zeit nach 1630 zu setzen sein. Viel später dagegen wohl auch nicht, da das Ornament auf dem Flügelrahmen für die Zeit um 1630 spricht. 63 Im Nachdruck dieser sogenannten „Merian-Bibel“ der Abi Melzer Produktion, Dreieich(o.J.), ist Merians Abbildung „Die Verurteilung Jesu“ auf S.191 des Neuen Testaments zu finden. 64 Für den freundlichen Hinweis auf Ursprung und Datierung danken die Verfa
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Autor | Sassen, Andreas ; Sassen, Claudia |
Titel | Zur Geschichte des Isselhorster Altars im Landesmuseum Münster und in der Pfarrkirche zu Isselhorst |
Übergeordneter Titel | Beiträge zur Heimatgeschichte ; 14 |
Ort/Verlag | Solingen |
Erscheinungsjahr | 2013 |
Signatur | 18L1681 |
Katkey | 6679554 |
HBZ-ID | HT017742742 |
Katkey (Überordnung) | 6550992 |
HBZ-ID (Überordnung) | HT016938765 |
Typ | Image |
Dateiformat | image/jpg |
Rechteinformation | Rechte vorbehalten - Freier Zugang |
Volltext | Beiträge zur Heimatgeschichte Band 14 Zur Geschichte des Isselhorster Altars Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 20132 3 Andreas Sassen / Claudia Sassen Zur Geschichte des Isselhorster Altars im Landesmuseum Münster und in der Pfarrkirche zu Isselhorst ISSN 2192-68404 5 Beiträge zur Heimatgeschichte Band 14 Andreas Sassen / Claudia Sassen Zur Geschichte des Isselhorster Altars im Landesmuseum Münster und in der Pfarrkirche zu Isselhorst ISSN 2192-6840 Solingen 20136 Beiträge zur Heimatgeschichte Beiträge zur Heimatgeschichte ist eine Schriftenreihe zu Themen von Kunst und Architektur in NRW herausgegeben von Andreas Sassen und Claudia Sassen. Impressum: © 2013 Andreas Sassen / Claudia Sassen Hasselstr. 4, 42651 Solingen claudia.sassen@uni-dortmund.de ISSN 2192-6840 Redaktion Claudia Sassen Fotos Ingbert Drews / Rudolf Wakonigg / Helmut Kerkeling / Ceres-Verlag / Sabine Ahlbrand-Dornseif, LWL-Museum für Kunst und Kultur / Andreas Sassen Zeichnungen Andreas Sassen Titelfoto Begegnung Annas und Joachims von Ingbert Drews Druck- und Verlagsort Solingen, Selbstverlag der Herausgeber Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.7 Inhalt: 9 Zur Geschichte der Kirche in Isselhorst 11 Entdeckung des Isselhorster Altars 12 Überstellung der Bildtafeln nach Münster 13 Zustand der Malerei nach der Aufdeckung 14 Beschreibung der mittelalterlichen Darstellungen 23 Rekonstruktion des einstigen Gesamtkunstwerks 25 Ikonographie der Darstellungen auf dem linken Flügel 26 Stilistische Zuordnung des Isselhorster Altars Bisheriger Stand der Forschung 28 Stilistische Zuweisung auf einen Meister von Münster und die Reihenfolge der Entstehung der Altarbilder 34 Motive vom Bielefelder- und Berswordt-Altar beim Meister von Münster 48 Eine Darstellung der Klosterkirche Marienfeld im Isselhorster Altar 49 Der erste Aufstellungsort des Isselhorster Altars 51 Die Weitergabe des Flügelaltars nach Isselhorst 55 Die manieristisch-frühbarocke Zweitfassung des Isselhorster Altars 55 Die Entwicklung des Abendmahlsmotivs zum protestantischen Altarbild 56 Stilistische Zuordnung der Zweitfassung des Isselhorster Altars 58 Die Gemälde der Zweitfassung nach Vorlagen Matthäus Merians und Hans von Aachens 61 Beschreibung der manieristisch-frühbarocken Bildtafeln 65 Versuch des Rückkaufs des gotischen Altarbildes und Anfertigung der Bildkopien durch den Maler Paulhermann Schoedder 66 Verbleib der Altarbild-Kopien 66 Der rechte Altarflügel in Isselhorst 69 Exkurs: Der Maler Paulhermann Schoedder und sein Werk 71 Literatur und Danksagung der Verfasser8 9 Zur Geschichte der Kirche in Isselhorst Das Dorf Isselhorst, seit der kommunalen Neuordnung Westfalens 1970 ein Ortsteil der Kreisstadt Gütersloh, war Kirchspielort mit langer Tradition und einst selbständige Gemeinde unter der Landesherrschaft Ravensbergs mit dem Oberzentrum Bielefeld. Nach wie vor ist die Kirche das kulturgeschichtlich bedeutsamste Gebäude der Gemeinde und in ihrer heutigen Form ein noch ganz erhaltenes neugotisches Gesamtkunstwerk aus dem 19. Jahrhundert. Die Kirche zu Isselhorst. Außenansicht und Längsschnitt des Kirchenbaus im Jahre 1879. Bauaufnahme des Baurats Hartmann aus Münster. Umzeichnung der Verfasser Ursprünglich gehörte das Kirchdorf zum Münsterland und war Grenzort zum Gebiet des Erzbistums Paderborn. Um diesen Platz abzusichern, bestimmte Bischof Hermann II. von Münster Ende des 12. Jahrhunderts, die Kirche von Isselhorst dem neu gegründeten Zisterzienserklosters Marienfeld zu 10 unterstellen. Die Gründungsurkunde Marienfelds von 1185 1 erwähnt Isselhorst zwar nicht, doch die Maßnahme wird von seinem Nachfolger Bischof Otto in einer undatierten Urkunde bestätigt.2 "Otto, von Gottes Gnaden Bischof von Münster, (gebietet) allen, die zur Christenheit zählen, was sie durch ihren Namen bekennen, durch die Wahrheit ihrer Taten zu bewähren. Es möge die Welt wissen, die die vorliegende Schrift sieht oder (von ihr) hört, daß, nachdem der Bischof Hermann, frommen Angedenkens, die Kapelle in Hislehorst dem Marienfeld in lobenswerter Freigibigkeit übertragen hat, wir bei unserer Nachfolge nicht nur wünschten, daß die Tat der Frömmigkeit nicht nur rechtskräftig ist, sondern sie auch mit unserer Schenkung begleitet haben. Damit niemand in Zukunft aus Bosheit sich anmaßt, was aus Frömmigkeit entstanden ist, zu stören, haben wir die vorliegende Urkunde mit unserem Siegel bestätigen lassen, unter der Herrschaft des Herrn Jesu Christi, der uns für dieses gute Werk im ewigen Leben vergelten wird und der in Ewigkeit lebt. Amen.".3 Zweifellos war die Gründung der Kapelle schon wesentlich früher geschehen und ging wahrscheinlich auf die bis dahin übergeordnete Benediktinerabtei Liesborn zurück.4 Ihre Erhebung zur Pfarrkirche und ihre Unterhaltung, sowie alle baulichen Veränderungen und Ausstattungsmaßnahmen erfolgten durch die Zisterzienser von Marienfeld. Obwohl der Orden grundsätzlich keine Kleriker außerhalb der Klostermauern beschäftigte, dürfte anfangs die geistliche Betreuung der Gemeinde vom Kloster aus erfolgt sein. Später wurden vom Kapitel bestimmte weltliche Priester für Isselhorst eingestellt und auch nach der Einführung der lutherischen Konfession im 16. Jahrhundert hatte der Abt noch bis 1803 ein Mitspracherecht bei der Einsetzung des Pfarrers. So stand in Isselhorst aus der Klosterzeit Marienfelds bis 1878 eine zweischiffige gotische Hallenkirche mit einem älteren eingezogenen quadratischen Chorraum. Wie der Kirchenbau aus Teilen der Romanik und frühen Gotik zusammengesetzt war, dabei spätgotische und barockzeitliche Veränderungen erfahren hatte, war auch die Ausstattung seines Innenaums ein Ergebnis aus vielen Jahrhunderten. Bis in den letzten Winkel füllten ihn Erb- und Kastengestühle, Emporen mit Orgel und geschlossenen Priechen, Kronleuchter, Totenkränze, Totentafeln und andere Kunstwerke. Zudem lagen am Boden des Kirchenschiffs eng aneinander Begräbnisplatten aus allen Jahrhunderten. Isselhorst war ein typisches Beispiel der alten Kirchen, die vielerorts zur „Guten Stube“ des Dorfes geworden waren. Die maßgebenden Familien im Dorf, die ihren angestammten Platz im Gestühl hatten, achteten darauf, dass ihre Stiftungen und Erinnerungsstücke nicht angetastet wurden. Doch als am 24. Dezember 1877 Steine aus dem Chorgewölbe herabfielen und Einsturz drohte, bedeutete es das Ende des hochromantischen alten Gotteshauses. Angesichts auseinanderdriftender Mauern und aufreißender Gewölbe sah sich kein Baumeister mehr in der Lage, dem Zerfall der Kirche Einhalt zu gebieten. Zunächst wurde nur der Chorraum abgerissen. Als daraufhin die Schiffsgewölbe nach Osten auswichen und die Säulen in Schiefstellung gerieten, wurde auch der Kirchenraum abgetragen, zuvor aber noch von Münster aus eine Bauaufnahme angefertigt und kunsthistorische Beobachtungen durch-geführt.5 Bis 1882 ist nach Plänen des Barkhausener Architekten Heinrich Hutze6 an den verbliebenen Turm die heutige neugotische Hallenkirche auf einem kreuzförmigen Grundriss angebaut worden. 1 Erhard, Regesta Historiae Westfaliae, Codex dipl. Nr. 451. 2 Westf. Urk.-Buch III Nr. 30. 3 Die Übersetzung und Publizierung der Urkunde Ottos I. (II.?) veranlasste ersmals Otto Wiehage, 1950. 4 Liesborn, 956 als Kanonissenstift gegründet, 1130 Neugründung mit Benediktinern der Hirsauer Verfassung. 5 Bauaufnahme in Isselhorst durch den Regierungsbaumeister Hartmann aus Münster, kunsthistorische Untersuchungen von einem Herrn Frankenberg-Proschlitz. 6 Heinrich Hutze, * 1853 Barkhausen, † 1913 Barkhausen, Architekt und Kirchenbaumeister. 11 Die ev. Kirche zu Isselhorst im 19. Jahrhundert vor ihrem Abbruch. Blick durch das zweischiffige Langhaus zum Chor. Ein stetes Anwachsen der Gemeinde hatte den Einbau mehrerer Emporen notwendig gemacht. Der Altar mit dem Triptychon stand im Chor unter der Orgel. Rekonstruktionszeichnung der Verfasser. Die Entdeckung des Isselhorster Altars Unter den verwahrten Ausstattungsstücken der alten Kirche befand sich ein Flügelaltar mit einer früh-barocken Malerei aus dem 17. Jahrhundert. Im Mittelteil des Triptychons war eine Darstellung des „Letzten Abendmahls“ geschaffen worden,7 auf dem linken Innenflügel die „Kreuzigung Christi“ und rechts gegenüber die „Grablegung Christi“. Schloss man die Flügel, waren außen links das „Ecce ho mo“, Christus vor Pilatus mit einer Kreuztragung im Hintergrund und rechts die „Geißelung Christi“ zu sehen. Bei der Einrichtung der neuen Pfarrkirche 1882 wurde eine Wiederverwendung des Altarbildes nicht beschlossen. Es befand sich in einem schlechten Zustand und war zudem als barockes Kunstwerk in einem Stil, den man zu dieser Zeit nicht schätzte. Die Neugotik verstand sich puristisch – duldete also in ihrem konsequenten Streben nach Reinheit keinen Stilbruch in der Ausstattung einer Kirche. So 7 Maße des Mittelteils: 1,38 m hoch, 1,78 m breit12 fristete der Flügelaltar noch 20 Jahre ein unbeachtetes Dasein, bis 1904 der westfälische Provinzial-konservator Albert Ludorff seine Denkmal-Inventarisation im Kreis Bielefeld erstellte. 8 Er nahm in Isselhorst den verbliebenen mittelalterlichen Turm messtechnisch und fotografisch auf. In der Halle oder im Oberstock des Turms stieß er auf das dort abgestellte Triptychon, dessen Bilder weiterhin gelitten hatten und die Farben stellenweise abgeblättert waren. Eine darunter zum Vorschein kommen-de wesentlich ältere Malerei war allgemein unbeachtet geblieben, doch für Ludorff eine Aufsehen erregende Entdeckung. Der barockzeitliche Künstler hatte mit seinen Gemälden sehr alte aus der Gotik stammende Tafelbilder übermalt. Überstellung der Bildtafeln nach Münster Ludorff hätte den Fund sofort für das neue Provinzialmuseum in Münster erworben, das für seine Sammlung Exponate der gotischen Kunstepoche suchte. Besonders das Isselhorster Bild versprach nach ersten Untersuchungen eine Lücke zur Kunst Conrads von Soest zu füllen. Doch die preußische Aufsichtsbehörde verweigerte die Genehmigung mit der Anordnung, das Bild solle restauriert werden und an seinem Ursprungsort verbleiben. Der Flügelaltar kam daraufhin in die Werkstatt des Provin-zialmuseums nach Münster, wo der Restaurator Sötebier die jüngere Übermalung abnahm und die noch vorhandenen mittelalterlichen Darstellungen freilegte.9 Auf der Mitteltafel trat die Passion Christi in fünf Bildern wieder zutage, während auf der Innenseite des linken Flügels zwei Szenen aus der Legende Annas, der Mutter Marias sichtbar wurden. Leider ließen sich auf allen anderen Flügel-seiten nur noch unkenntliche Farbspuren der alten Fassung nachweisen, so dass der Restaurator darauf die Malerei des 17. Jahrhunderts beließ. Nach Isselhorst wurden die Bilder aber nicht wieder zurückgegeben. Man unterrichtete die Gemeinde von einem sehr schlechten Zustand der Tafeln, wies auf die fehlende Ausgewogenheit der nun teils gotischen und teils barocken Altarflügel hin und riet von einer Wiederverwendung in der Kirche ab. Auch ein Gutachten des Provinzialkonservators der Rheinlande Prof. Dr. Clemen lautete dahingehend. Anscheinend machte das Museum aber Werbung mit dem Flügelaltar in der Provinz; denn inzwischen wurde der Altar sogar auf einer Ausstellung für mittelalterliche Kunst, „Die Schule Conrad von Soest“ in Soest gezeigt. Ein Bielefelder Pastor hatte das Altarbild dort gesehen10 und vertrat nun auch die Meinung, ein beschädigtes Kunstwerk könne zu liturgischen Zwecken nicht mehr verwendet werden. Nach diesen Beurteilungen drängte das Konsistorium in Münster wie auch die Regierung in Minden auf den Verkauf an das Provinzialmuseum. Der westfälische Provinzialausschuss bewilligte unter der Bedingung des Verkaufes den Betrag von 2800 Mark für die Erhaltung des Altarbildes. Als man sich in Isselhorst nach langem Zögern 1908 zur Abgabe des Kunstbesitzes entschloss, ging eine Welle der Empörung durch die regionale Presse. Besonders der Historische Verein in Bielefeld erhob gegen diesen Kunstraub lebhaften Protest: Auf ähnliche Weise seien bereits aus vielen Kirchen Minden-Ravensbergs die angestammten Kunstwerke abhanden gekommen. Das Presbyterium in Isselhorst rechtfertigte öffentlich seine Entscheidung, ausschließlich nach dem Rat der Sachverständigen gehandelt zu haben.11 Der Kirchengemeinde ging aber durch den Verkauf des Altarbildes der nicht geringe Betrag von 3000 Mark zu. 8 Ludorff, Albert, (1892 Provinzialkonservator, †1915) Isselhorst, Kreis Bielefeld Land in: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Band Bielefeld, Münster 1906. S. 20. 9 Von der entfernten Barockfassung wurden keine Abbildungen angefertigt, in Münster finden sich keine Fotos. 10 Anscheinend wurden die Bildtafeln ohne Wissen der Isselhorster an anderen Orten gezeigt. 11 Richter, Dr. Das Altarbild in Isselhorst. Gütersloh 1930. Otto Wiehage. Aus der Geschichte des Kirchspiels Isselhorst. Bethel 1933. Plöger Renate / Ortwin Schwengelbeck. Kirche und Gemeinde Isselhorst im Wandel der Zeit. Isselhorst 1980. Evangelische Kirche Isselhorst. Kleiner Kirchenführer. Isselhorst (ohne Datum).13 Isselhorster Altar. Diese rekonstruierte Form zeigt das Triptychon, würde man es aus gotischer Tafelmalerei und frühbarocken Gemälden zusammenstellen. Zustand der Malerei nach der Aufdeckung Letztlich war nicht zu verkennen: die Kunstsammler von Münster hatten Isselhorst bewusst einseitig informiert. Entgegen der Begründung an die Isselhorster Kirchengemeinde schrieb A. Brüning, der erste Direktor des Provinzialmuseums in seinem Erwerbungsbericht: Durch sorgsames Ablösen der rohen Malerei des 17. Jahrhunderts wurde die alte Malerei freigelegt, die im Wesentlichen gut erhalten ist. Die Restaurierung hat sich auf ein Auskitten der ausgebröckelten Stellen des Kreidegrundes beschränkt, der zum größten Teil auf Leinwand liegt.12Die Fehlstellen wurden durch einen der Umgebung angepassten Ton gedeckt. Auf alten Fotos, die den Zustand der gotischen Gemälde nach der Freilegung zeigen, ist zu sehen, dass die Bildflächen mit kleinen Fehlstellen übersät waren. Entsprechend spricht der Restaurierungsbefund von abgeriebenen Flächen in Farb- und Goldbereichen.Vermutlich hatte an diesen Stellen durch die Farbschicht eindringende Feuchtigkeit den Kreidegrund quellen lassen und unzählige Blasen an der Farboberfläche hervorgerufen. Der Künstler der dann im 17. Jahrhundert das Tryptichon neu bemalen wollte, hat die aufgeworfenen Unebenheiten einfach abgeschliffen und damit die Farbe der alten Darstellungen an diesen Stellen entfernt. Die Innenseite des rechten Flügels und die Außenseiten beider Flügel hatten wohl so gelitten, dass hier selbst kein Kreidegrund und damit keine mittelalterliche Malerei mehr vorhanden war. Die Barockdarstellungen sind auf allen drei Flügelseiten direkt auf den Holzgrund aufgemalt worden. Pieper meint zwar, dass eine heute durchgeführte Restaurierung wesentlich mehr von der alten Substanz hätte retten können. Vermutlich waren aber durch Witterungsschäden und das Abschleifen im 17. Jahrhundert nicht mehr von der ursprünglichen Farbschicht geblieben, so dass man Sötebier diesen Umstand nicht anlasten kann. Vermutlich war dieser Restaurator aber noch im Handwerk mit 12 Pieper, Paul, (ehem. Direktor des Landesmuseums), Meister von Münster – Der Isselhorster Altar, in: Die deutschen, niederländischen und italienischen Tafelbilder bis um 1530. Münster. S. 78-85. 14 Isselhorster Altar, Innenseite des linken Flügels nach Freilegung der gotischen Tafelmalerei. Die Bildfläche ist mit zahllosen Fehlstellen übersät, die durch das Abschleifen für die Zweitfassung entstanden waren Abb. aus: Paul Pieper, Tafelbilder. historischen Malmitteln geschult. Dagegen ist eine 1961 erneut durchgeführte Restaurierung des Malers F. Kuchel mit modernen Ölfarben nicht gelungen. Nach Angaben Piepers haben sich die Retuschen bereits so stark verfärbt, dass sie den Gesamteindruck empfindlich stören. Vom Isselhorster Triptychon kamen damals Mittelteil und linker Flügel in die Abteilung der mittel-alterlichen Tafelmalerei des Provinzialmuseums, dem heutigen LWL-Museum für Kunst und Kultur - Münster. Der rechte Flügel blieb mit seiner barocken Malerei unverändert und wurde der Isselhorster Pfarrkirche in einem offiziellen Verfahren zurückgegeben.13 Nach damaliger Auffassung der Kunstsachverständigen waren die groben Darstellungen des Barockstils ohne Wert.14 Beschreibung der mittelalterlichen Darstellungen Das Triptychon, bestehend aus Mitteltafel, linkem Flügel und rechtem Flügel, ist aus Eichenholztafeln in einem Rahmenwerk zusammengesetzt. Die Holzträger wurden mit Leinwand überspannt und mit Kreide geschlämmt. Zur Vorbereitung des Bildgrundes hat man den Kreidegrund geschliffen und gegen zu starkes Saugen mit einem Firnis eingelassen. Dadurch erhielt man einen hochfeinen, flexiblen und damit rissfesten Malgrund. Der Farbauftrag erfolgte dann auf dem angetrockneten und nur langsam abbindenden Firnis-Untergrund. Dadurch konnten sich die Farben in einem langen Trockenvorgang unlösbar mit dem Öl-Kreidegrund verbinden und haben dadurch sogar ein Ablösen der späteren Übermalung überstanden. 13 Nach preußischer Gründlichkeit ist der Vorgang als Verhandlung dokumentiert, die in Münster vorliegt. 14 Ludorff, Baudenkmäler, Isselhorst, S. 20.15 Rekonstruierte Aufmessung des Isselhorster Altars mit Mensa, Predella und Triptychon. Zeichnung der Verfasser Die Größe des Triptychons bei geöffnetem Zustand war mit fast 3,60 m Breite schon beeindruckend und seine Höhe von 1,36 m wurde durch die Aufstellung auf der steinernen Altarmensa erheblich gesteigert. Dazu kommt, dass das Flügelbild mit einer Predella auf den Altartisch stand, einem Unterbau, der in Isselhorst etwa 40-50 cm Höhe gehabt haben dürfte. Dadurch blieben die Bilder für die Gläubigen im Kirchenschiff über dem Kopf des zelebierenden Priesters sichtbar, ermöglichten auch jederzeit ein Schließen der Flügel, ohne den Altartisch leerräumen zu müssen. Bei einer Höhe der Mensa von 1.0 m + 0,40 m für die Predella + 1.36 m für das Altarbild erreichte der Hauptaltar in der Isselhorster Kirche die beachtliche Größe von 2,80 m Höhe und 3,60 m Breite. In der Spätgotik erhielten die Flügelaltäre vielfach noch einen filigranen Aufsatz, das Gesprenge, mit dem die Wirkung der Altaranlage noch gesteigert wurde. Vermutlich ist dies beim Altar in Isselhorst aber noch nicht geschehen. Die erhaltenen Bilder sind nun in chronologischer Folge der neutestamentarischen Schilderungen im Programmverlauf des Triptychons von außen nach innen beschrieben und enden entsprechend der erhaltenen Bilder mit der Kreuzigung Christi. Unter den Überschriften folgen in der Reihenfolge Höhe mal Breite die Maße der einzelnen Bilder. 15 Die Tafelblder des Flügels und des Mittelteils sind mit einem rot-goldenen Rahmenstreifen von 14 cm umgeben und mit einem roten Trennstreifen von 3 cm voneinander abgesetzt. 15 Maße und Teile der Beschreibung nach Pieper, Tafelbilder, S.78-80. Inv. Nr. 7 LM16 Linker Flügel: Maße: Mit Rahmen 136,0 x 89,2 cm. Bildfeld ohne Rahmen: 109.5 x 60.8 cm. Oberes Bild: Begegnung Joachims und Annas an der Goldenen Pforte. Maße: 49,7 x 54 cm. Foto: Ingbert Drews Joachim und Anna begegnen sich vor der Goldenen Pforte und legen ihre Hände ineinander, beide sind im schon vorgerückten Alter. Er trägt eine blaue Kappe und einen blauen, grüngefütterten Mantel über violettem Gewand. Sie hat ein weißes Tuch zu einem Turban um Kopf und Hals gebunden und trägt einen roten, blau gefütterten Mantel über einem graublauem Gewand. Rechts hinter ihnen das Tor mit einer rundbogigen goldenen Öffnung. Der Bau in der Form einer grau gehaltenen gotischen Kirche. Die Bedachung der Schiffe aus blauen Schindeln. Das Mittelschiff mit rundbogigen Seiten-fenstern, das Seitenschiff mit einem gotischen Maßwerkfenster und Blendbogenfriesen darunter Der Künstler nutzt hier die in der Geschichte vorkommende Baulichkeit des Tores zur Darstellung der damals beliebten Idealarchitektur, wie sie aus der französischen Kunst vorgegeben wurde. Ein mit Krabben besetzter Giebel und Fialen zu beiden Seiten, die bis in den roten Bildrahmen reichen, sowie Zinnen als Abschluss des Pultdachs am Seitenschiff. . In der linken oberen Bildhälfte Joachim, der bei seinen Schafen in grüner Landschaft hockt. Erstaunt hebt er die Hände und blickt nach oben auf einen zu ihm schwebenden Engel, dessen weisende Hand gestisch seine Verkündigung andeutet. Der Engel aus blauem Wolkenkranz schwebend, in blauem Gewand mit blauen Flügeln. Der Himmel im Goldgrund mit sieben sternenartigen plastischen Zierden. In der Landschaft mit Bäumen, vier davon als Silhouette am Horizont, verteilt sich eine Schafherde mit Bock, der vorn neben einem Busch Marienblumen grast. Dabei zwei klein dargestellte Hirten als Nebenfiguren. Sie tragen Umhang, Filzhut und Kapuze, einer kniet im Gras und der andere stützt sich auf seinen Stab.17 Unteres Bild: Die Geburt Mariens Maße: 50,5 x 54 cm. Foto: Ingbert Drews Das Bett der Wöchnerin Anna steht schräg in einem durch blaue Vorhänge abgeteilten Raum. Die Stoffbahnen sind faltenreich links und recht zur Seite geschoben und geben den Blick frei auf die liegende Anna. Ihr Kopf ruht auf weiß bezogener Kissenrolle mit roter Füllung und ihr Körper unter einem weißen Laken, das von einer braun-violetten Decke belegt ist. Sie hält die hellblau bekleideten Arme auf der Bettdecke, kreuzt die Hände und blickt zur Seite auf ihr neugeborenes nacktes Kind, das eine Magd auf ihrem Schoß hält. Diese sitzt auf einem Hocker, trägt eine grünes Gewand und auf dem Kopf ein perlenbesetztes Schapel. Eine zweite weißgekleidete Magd rechts von ihr bereitet ein Bad in einem runden Holzzuber und prüft mit den Fingerspitzen die Temperatur des Wassers. Davor ein kleineres Gefäß zum Wassertragen und hinter ihr neben dem Bett in einem Gestell ein violetter Kessel, der von einem offenen Feuer beheizt wird. Am Fußende des Bettes ein Tisch mit einer hochgeklappten Platte, ein in diesem Umfeld originelles Möbelstück. Unmittelbar bei Anna neben dem Bett ein Stuhl mit geflochtenem Binsensitz. Das Bild umrahmt ein roter Trennstreifen, der nur auf dem Mittelstreifen goldene Rosetten trägt.18 Mitteltafel Die Größe der Mitteltafel entspricht etwa der Fläche der beiden Flügel, so dass im geschlossenen Zustand die Bilder der Mitteltafel bedeckt waren. Maße mit Rahmen: 137,0 x 175,1 cm. Maße Ohne Rahmen: 109,5 x 146, 5 cm Mitteltafel, Bild links oben: Die Geißelung Christi Maße: 50,0 x 47,5 cm. Foto: Ingbert Drews In einem Raum mit einem grau-violett gemusterten Fliesenboden steht die Geißelsäule, an die der nur mit einem Lendentuch bekleidete Christus an Händen und Füßen gefesselt ist. Links von ihm ein kniender junger Mann, der den Strick fest zieht und ein weiterer Scherge in knappen violettem Wams und blauen Beinkleidern, der mit einer grünen Rute zum Schlag ausholt. Ebenso verhält sich ein Mann im Vordergrund mit hellgelbem Gewand und weißem sogenannten „Judenhut“. Ein vierter Scherge in blauem Gewand schlägt von hinten mit einem Stock auf Christus ein. In der Gruppe rechts im Bild der dunkelbärtige Pilatus mit einem weißen spitzen Turban. Er trägt ein hellrotes geschlitztes Gewand, umgürtet mit einem weißen Tuch , das von einem goldenem Schloss zusammengehalten wird sowie blaue Beinkleider und rote hohe Schuhe. Links von ihm ein dickbauchiger bärtiger Begleiter mit grünem Hut und grünem Wams, der eine Anzahl Ruten in seiner rechten Hand trägt. Dahinter die Köpfe zwei weiterer Männer mit roten Hüten. Der Hintergrund des Bildes golden belegt, mit gepunzten Rosetten umrahmt. Der Nimbus des Christus durch gepunzten Kreis und Rosetten vom Hintergrund abgehoben. 19 Mitteltafel, Bild rechts oben: Dornenkrönung und Verspottung Christi. Maße: 50,0 x 48,0 cm. Foto: Ingbert Drews Ein weiterer Raum mit kunstvoll gemustertem grau-viotettem Boden und goldenem Hintergrund in dem auf erhöhtem Thron Christus in blaugrauem weitem Gewand Christus sitzt und die Hände auf die Beine stützt. Hinter ihm ein Scherge mit rotem Knaufhut in grünem Gewand, der ihm die Augen mit einer Binde zuhält und zum Schlag ausholt. Ein weiterer Scherge rechts im Hintergrund ist im Begriff, ihm mit ausgestreckten Händen die Dornenkrone aufzusetzen. Der links neben ihm kniende hellgelb gekleidete Knecht fasst ihn am Ärmel und bedroht ihn mit der Faust. Rechts im Vordergrund zwei weitere Schergen, einer im roten Gewand und blauen Beinkleidern kniet vor Christus und hält ihm eine Rute entgegen. Der andere tritt auf ihn zu, schürzt zum Beugen des Knies sein rosa Gewand, die linke Hand am Dolch in seinem Gürtel.20 Mitteltafel, Bild links unten: Die Kreuztragung Christi. Maße: 43,0 x 47,5 cm. Foto: Ingbert Drews Christus das Kreuz tragend auf dem Weg nach Golgatha. Er schreitet in grauem Gewand blutüberströmt unter dem mächtigen Kreuz voran, gezogen und getrieben von zwei Knechten. Der eine hinter ihm im gelben Gewand, blauem Halstuch und rosa Kappe greift ihn an die Schulter und stößt ihm dabei eine Keule in den Rücken. Der zweite Scherge in rosa Gewand und gelben Beinkleidern zieht Christus an einem Strick um die Taille voran, während ihm ein weiterer von der linken Seite in die Haare greift. Dahinter verspottet ihn ein Mann in Narrengewand und mit Narrenkappe und reißt ihm ein Maul.In der linken Bildhälfte wird mit dem Mann am linken Kreuzbalken Simon von Cyrene gedacht. Er hilft beim Tragen des Kreuzes, ist mit einem braungelben Gewand bekleidet, das mit einem Gürtel zusammengehalten wird und blaugrüne Beinkleider. Vor dem goldenen Hintergrund die Gruppe der drei Trauernden, mit der Mutter Maria, die die Hände vor der Brust kreuzt, ihrer Schwester sowie dem Jünger Johannes. Der Zug schreitet auf grünem Boden mit einzelnen Steinen und Pflanzen. 21 Mitteltafel, Bild rechts unten: Christus wird ans Kreuz geschlagen Maße: 53,0 x 58,0 cm. Foto: Ingbert Drews Vor goldenem Hintergrund eine dunkle zu einem Hügel ansteigende Landschaft, die mit Marienblumen und Pflanzen besetzt ist. Christus, der nur noch ein dünnes Lendentuch trägt, liegt auf dem Kreuz, wird von drei Schergen mit Stricken daran festgebunden, während ihm ein vierter einen großen Nagel durch die rechte Hand treibt. Besonders der gelb gewandete Mann links zurrt mit aller Kraft die Beine an den Holzbalken. Der zweite vor ihm mit rosarotem Rock assitiert dem grüngekleideten Knecht der auf der anderen Seite des Kreuzbalkens mit dem Hammer zum Schlag ausholt. Im Vordergrund der vierte Knecht, der im orangefarbenem Rock mit unbeweglicher Miene den Strick hält. In seinem Gürtel eine braune Tasche in der ein Dolch steckt. Wie im Bild der Kreuztragung ist der Kreuzstamm diagonal ins Bild gesetzt. Diesmal entgegengesetzt übergeht er den linken Bildrand und weist als Überleitung auf die endgültige Szene der Kreuzigung hin.22 Haupttafel, Mittelbild: Die Kreuzigung Christi Maße: 106,0 x 41,5 cm. Foto: I. Drews Gegenüber den vier quadratischen Begleitbildern ein relaiv schlankes hochrechteckiges Bildformat in der Mitte der Haupttafel.. Auf goldenem Hintergrund Christus an einem schlichten Balkenkreuz mit drei Nägeln befestigt. Er hängt mit geschlossenen Augen, das Haupt mit einem goldenen, gepunzten Nimbus zur Seite geneigt. Gesicht und Körper wirken schlank und jugendlich, das weiße Lendentuch 23 knapp, fast durchsichtig. Aus seinen Wunden rinnt Blut über den Leib und über den Fuß des Kreuzstammes. Das Blut aus den Wunden seiner Hände und seiner Seite wird von drei Engeln in Kelchen aufgefangen. Unter dem Kreuz die Szenerie der eng aneinander gedrängt stehenden Menschen. Links vom Kreuz die Mariengruppe, an zentraler Stelle die Mutter Jesu in einem bemerkenswert faltenreichem blauen, grüngefütterten Mantel, darunter ein weißes Kopftuch und ein violettes Kleid. Rechts wird sie von Johannes gestützt, der zum Gekreuzigten aufblickt. Links vermutlich Maria Magdalena in einem hellroten Mantelgewand. Hinter der Gruppe zwei weitere Marien, eine mit einer gerüschten weißen Haube, die zweite mit einem hellblauem Kopftuch. Alle Marien und Johannes mit goldenem gepunztem Nimbus. In der Gruppenmitte rechts vom Kreuz der Gute Hauptmann mit langem, kunstvoll geflochtenem Bart, der in eine rote, mit Schmuck besetzte Kordel übergeht dessen Quastende von seiner linken Hand gehalten wird. Seinen Kopf bedeckt ein großer, weißer, dreistufiger Turban. Der Hauptmann trägt einen grün gemusterten, geschlitzten Rock mit braunem Pelzbesatz, rosafarbene Beinkleider umd um die Hüften ein gedrehtes weißes Tuch, das von einer goldenen Rhombenschließe zusammengehalten wird. Er weist mit seiner rechten Hand auf Christus, während von ihm ein Spruchband ausgeht, dessen vere einzig erhalten blieb und wohl mit dei filius erat iste ergänzt werden müsste. Ganz rechts ein graubärtiger ernst wirkender Greis mit Turban, der dem Hauptmann seine Hand auf den Arm legt. Links ein jüngerer blonder Mann. Hinter der Gruppe zwei grobe spottende Schergen, von denen einer ein Maul reißt und den Gekeuzigten verhöhnt. Das Kreuz steht auf einer grünen, felsigen Erhebung, auf der Marienblumen wachsen und vorn die Eingänge zu zwei Felsengräbern zu sehen sind. Die Kreuzigung rahmt ein roter Trennstreifen mit silbernem Bandwerk. Der goldene Bildbereich ist zusätzlich mit gepunzten Rosetten umgeben. Rekonstruktion des einstigen Gesamtkunstwerkes. Da das Bildprogramm des Isselhorster Altars auf der Innenseite des linken Flügels mit der Annen-legende, bzw. der Herkunft und Geburt Mariens beginnt, stellt sich die Frage, wie das neutesta-mentarische Thema auf der Innenseite des rechten Flügels wohl weitergeführt wurde. Bei geöffneten Flügeln präsentiert sich die Mitteltafel mit der Leidensgeschichte Christi, womit sich zwischen Mariae Geburt und der Passion Christi eine Themenlücke einstellt, die geschlossen werden müsste. Das geschlossene Triptychon bietet die beiden hochrecheckigen Flächen der äußeren Bildflügel, die in der Regel ebenfalls für Darstellungen der Heilsgeschichte genutzt wurden. Auch diese sind untergegan-gen; denn bei der Restaurierung fanden sich zu den Themen der einstigen Bilder keine Hinweise mehr. Pieper hält das Programm des Altars insofern für ungewöhnlich, als auf der Innenseite des linken Flügels zwei Szenen aus der Geschichte Annas, also der Vorgeschichte Mariens erscheinen. Nach seiner Meinung wäre es überzeugender, wenn diese Darstellungen sich auf der Außenseite des linken Flügels befänden und sich etwa mit Verkündigung und Heimsuchung auf dem rechten Flügel zu einem marianischen Zyklus verbinden würden. Doch spricht der Befund dafür, dass die Begegnung und die Geburt auch ursprünglich auf der Innenseite zu sehen waren.(!) Die Geschichte der Anna im Programm des Altars - für Pieper so ungewöhnlich - hatte einen bestimmten Grund, auf den die Verfasser weiter unten eingehen werden. Über die Gestaltung der Innenseite des rechten Flügels stellt auch Pieper nur Vermutungen an. Nach ihm ließe sich an Grablegung und Auferstehung oder an Auferstehung und Himmelfahrt Christi denken. Möglicher-weise wurde aber auch die marianische Thematik, wie sie auf dem linken Flügel einsetzt, weiterge-führt, etwa mit Marientod und Marienkrönung.16 Diese Vorstellungen führen aber wohl zu einer Verzettelung der Thematik, zur Ergänzung oder zum Abschluss des Programms tragen sie nicht zufriedenstellend bei. Ein Triptychon bot aufgrund der zahlreichen Bildfelder zwar eine Ausbreitung der biblischen Themen, doch sind diese in der Regel je 16 Pieper, Tafelbilder, S. 83.24 nach Stellung der Seitenflügel in sich abgeschlossen. Der Künstler musste auf vorhandenem Platz den vom Betrachter gewünschten Abschluss eines Teils der Heilsgeschichte in Szene setzen, wenn eine Öffnung des Altarbildes beibehalten wurde. Da bei der Schaffung und Aufstellung der Bildaltäre des 15. Jahrhunderts vielfach auch der Wunsch nach einer „Bibel der Armen“ vorhanden war, mussten sich die Bildwerke in übersichtlicher und ausgewogener Form dem gläubigen Betrachter zeigen. Auch der Isselhorster Altar war ein Bildwerk für die Kirche armer, wenig gebildeter Menschen und musste diesen Anforderungen genügen. Nach diesen Voraussetzungen lässt sich die fehlende Malerei auf dem rechten Flügel durch Fortset-zung des marianischen Themas ersetzen. Es stehen zwei kleine Felder auf der Innenseite zur Verfü-gung, auf denen bei geöffneten Flügeln die Thematik ergänzt, bzw. vervollständigt werden müsste. So wie die Isselhorster Annenszenen durch ihre Alleinstellung auf dem linken Flügel hervortreten, stellen sich die Verfasser dazu die weitere Vorgeschichte Jesu vor: oben das Bildthema „Mariae Verkündigung“ und darunter die „Geburt Christi“. Diese beiden Bilder würden gegenüber des Annenthemas ausgewogen auf dem rechten Flügel die vorhandene Lücke schließen und das vorhandene Prinzip des Programms bei geöffneten Flügeln an dieser Stelle nahtlos weiterführen. Die Heilsgeschichte beginnt also auf dem linken Flügel bei Anna und Joachim und erfüllt sich mit der Geburt der Tochter Maria. Die Fortsetzung auf dem rechten Flügel würde mit Maria und der Verkündigung durch den Engel weitergehen und sich ebenfalls mit der Geburt Jesu erfüllen. Beide Themen zur Herkunft Jesu würden sich dann ausgewogen auf den geöffneten Bildflügeln finden und sich ergänzen. Mit ihnen wäre sowohl das marianische Thema abgeschlossen als auch die Herkunft des Gottessohnes erschöpfend dargestellt. Nach diesem Prinzip lassen sich auch die Darstellungen auf der Mitteltafel geschlossen in chronologischer Folge von außen nach innen bis zum Hauptthema, der Kreuzigung Christi verfolgen. Die Diagonalstellung der Kreuze auf den beiden unteren Bildern führen den Betrachter durch die Szenenfolge. In der Kreuztragung endet der Kreuzstamm mit seinem unteren Ende hinter dem Mittelbild – der Betrachter wird also zum folgenden Bild, der Kreuzannagelung geführt. Erst in dieser Szene weist der Fuß des Kreuzstammes geschickt über den Bildrahmen zum mittleren Hauptbild, des Sterbens Christi am Kreuz. Die Bildfolge auf dem Isselhorster Altar, geschah also nach einem bestimmten System. Da er eher zu den kleineren Altarbildern zu rechnen ist, musste der Meister sich mit seinen Darstellungen auf die Hauptthemen beschränken. Außerdem sollten die Einzelbilder auch noch auf Entfernung erkennbar sein und wirken. Dies geschieht auch auf der Isselhorster Mitteltafel durch relativ breite Seitenbilder, wodurch zwar eine Reduzierung des Mittelbildes erfolgt, was dort aber durch die Beschränkung der Personenzahl bzw. auf die wichtigsten Zeugen unter dem Kreuz ausgeglichen wird. Bei geöffnetem Triptychon wurden dem Betrachter die wichtigsten Themen der Herkunft Jesu und sein Leiden und Sterben vor Augen geführt, wobei der Tod Christi am Kreuz als Hauptthema großformatig dargestellt wurde. Vermutlich führte man die Heilsgeschichte des Gottessohnes in diesem Sinne bei geschlosse-nem Triptychon weiter. Dabei blieben den Außenseiten der Flügel die Themen Auferstehung und Himmelfahrt Christi vorbehalten, die wie der Tod Christi am Kreuz als Glaubenswahrheiten gelten und aufgrund dessen ebenfalls als große hochrechteckige Bilder ausgeführt gewesen sein könnten. Waren die Außenseiten aber in vier Tafeln aufgeteilt, könnte man sich zu den genannten Themen noch das Pfingstwunder und das Weltgericht vorstellen. Eine Zusammenstellung, wie sie ehedem auf dem rechten Innenflügel des Warendorfer Altars zu sehen war. Nach Erkenntnisssen des Kunsthistorikers Georg Habenicht blieben die beiden Seitenflügel der Bildaltäre meist geschlossen, die Gläubigen sahen den geöffneten Altar nur an hohen Feiertagen. Dies kann aus alten Anweisungen an den Mesner oder Küster, den sogenannten Mesnerbüchern anderer Kirchen geschlossen werden.17 Die Schließung behielt man in der Fastenzeit bzw. der Karwoche ganz bei, verhüllte durch Aufspannen des Hungertuches vor dem Altar dann aber auch die äußere Ansicht. Auch der Marienfelder Mönch Hartmann berichtet in seiner Chronik von 1715, dass der einst im Chor 17 Habenicht, Georg / Walter Suwelack, Meditation und Kunsthistorische Betrachtungen über den Warendorfer Altar, Warendorf am 29. 11. 2009.25 stehende große Altar von Johann Körbecke an den kirchlichen Festtagen geöffnet und wieder geschlossen wurde. Der Hochaltar hatte je nach Festtag ein schlichtes, festliches oder sogar hochfestliches Aussehen, allein durch durch das Auf- und Zuklappen der Bildtafeln. An Wochentagen blieben alle Flügel einfach geschlossen, an Sonntagen und Duplex-Festen oder, wie wir sagen, Festtagen mit zwei Messen standen lediglich die beiden ersten Bildtafeln offen und führten dann beiderseits die gesamte Passion des Herrn vor Augen. An Festtagen mit zwei Predigten jedoch wurden auch die zweiten Bilderflügel geöffnet – von denen dann jene ersten verdeckt wurden: sie stellten die glorreichen Mysterien Christi dar. Dabei kam auch jener vergoldete Schrein in der Mitte mit seinen hochheiligen Reliquien großartig und in wundersamer Weise andachtgebietend zum Vorschein. 18 Ikonographie der Darstellungen auf dem linken Flügel Die Gestaltung der Innenseite des linken Flügels blieb der Legende der heiligen Anna vorbehalten, deren Geschichte man in der Heiligen Schrift nicht nachlesen kann. Trotzdem hat ihre Erwähnung eine lange Tradition und geht von dem apokryphen Protoevangelium Jacobi und dem Pseudo-Matthäus-Evangelium aus.19 Die Geschichte der hl. Anna, der Mutter der Gottesmutter Maria, ist wenig bekannt, weshalb es um ihre Gestalt still ist. In alten syrischen Schriften wird ihr ursprünglicher Name mit „Dina“ angegeben, doch nach der Geburt Mariens heißt sie „Hanna“ (die Begnadete). Die Verehrung der hl. Anna ist sehr alt, bereits im Jahre 550 wurde zu Konstantinopel ihr zu Ehren eine Kirche erbaut. Im Jahre 1558 wurde ihr Fest für die ganze Kirche vorgeschrieben. Sie ist zum Inbegriff der Mütterlichkeit geworden, und wir sehen sie in unzähligen Darstellungen zusammen mit der Gottes-mutter und dem Kinde Jesu in der sogenannten „Anna Selbdritt“ vereint. Joachim und Anna, die Eltern der Gottesmutter, stammen beide aus dem königlichen Geschlechte Davids, dem der Messias verheißen war. Sie führten ein gottesfüchtiges Leben, aber es blieb ihnen das versagt, wonach sie sich am meisten sehnten: ein Kind. In Israel galt Unfruchtbarkeit als Schande, so dass sogar der Hohepriester die Opfergabe Joachims zurückwies. Beschämt und betrübt über diese Schmach floh Joachim in die Berge zu seinen Herden. Schließlich gelobte Anna mit dem Wissen ihres Mannes, dass sie, wenn ihr Gott ein Kind schenken würde, es ihm und seinem Dienst weihen wollte. Nach zwanzig Jahren Gebets und vergeblichen Wartens erschien dem Joachim in der Wüste und der Anna in der Kammer zur gleichen Stunde ein Engel mit der frohen Botschaft, dass Gott ihr Flehen erhört habe: „Anna, du wirst empfangen und eines Kindes genesen, das auf der ganzen Erde verherr-licht werden wird.“ In ihrer großen Freude eilten die Gatten zum Tempel und trafen sich an der „Goldenen Pforte“, um den Herrn ihren Dank darzubringen. Und Maria wurde geboren – die neue Eva, das Meisterwerk Gottes. Drei Jahre später brachten die Eltern Maria in Erfüllung ihres Gelübdes gehorsam in den Tempel nach Jerusalem, damit das Mädchen in dem Heiligtum zum Dienste Gottes erzogen wurde. Von da an schweigt der Bericht – es wird still um Anna und Joachim.20 Pseudo-Matthäus und die Legenda Aurea nennen als Ort der Begegnung nach der Verkündigung der Geburt an Anna und Joachim die „Goldene Pforte“. Die Pforte ist das Osttor des Tempels, das nach der Prophezeiung verschlossen bleibt, bis der Messias einzieht. Ebenso war eine Öffnung der verschlossenen Pforte des Tempels mit der Geburt des Herrn zu erwarten (Hesek. 44, 2). Das Fest der Geburt Marias feiert die Kirche seit dem Konzil von Reims 630 am 8. September. Schon in frühen byzantinischen Darstellungen des 10. Jahrhunderts liegt Anna auf dem Lager und beobachtet das Baden des Neugeborenen durch Mägde. Auch das Motiv des Prüfens des Badewassers durch die Hand einer Magd kommt schon in dem 980 entstandenen Menologion Basileos` II. vor. Das Fest der Empfängnis der heiligen Anna, das am 8. Dezember gefeiert wird, war seit der Mitte des 9. Jahrhunderts zunächst in Italien verbreitet, seit dem Ende des 12. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa. Im Abendland gilt seit etwa 1300 die Begegnung an der Pforte als Sinnbild der Empfängnis, und zwar 18 Böhmer / Leidinger, Chroniken, S. 162-163. 19 Zur Ikonographie der Begenung ausführlich H. Aurenhammer, Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. I, Wien 1959-1967, S. 312. 20 Text aus: Melchers, E. u. H., Das Große Buch der Heiligen, S. 561.26 der „Unbefleckten Empfängnis“, 21 die das Konzil von Basel 1439 zum Dogma erklärte. Die Szenen der Begegnung der Anna mit Joachim und die Geburt Marias, wie auf dem linken Flügel in Isselhorst vorhanden, sind in der westfälischen und niederrheinischen Tafelmalerei eher selten. Pieper nennt das Beispiel von Jan (Derick?) Baegerts „Altar aus dem Clemenshospital“. Im Unter-schied zu den Darstellungen vor allem in der italienischen Kunst verlegt der Maler das Geschehen nicht in einen feierlichen, sondern in einen bürgerlich ausgestatteten Raum, ähnlich wie der Meister des Marienlebens. Zuweilen verbanden die Künstler die Begegnung mit der Darstellung der Verkündi-gung der Geburt Marias an Joachim durch den Engel. So etwa bei dem um 1465 entstandenen Bilde vom Meister des Marienlebens.22 Pieper nennt das Bild des Isselhorster Altares in der Deutschen Tafelmalerei als ein besonders frühes Beispiel für die Kombination beider Szenen.23 Verkündigung und Begegnung gemeinsam sind aber bereits im Marienaltar der Stadtkirche Schotten zu finden, dessen Entstehung man auf die Zeit um 1375 datiert, also ca. 40 Jahre vor dem Isselhorster Altar. Als Zwischenglied führen die Verfasser noch zwei Tafeln mit diesem Themen aus dem Altar der Neu-städter Kirche in Bielefeld an, der um 1400 entstand. Die genannten Bilder sind im Detail den Annen-darstellungen im Isselhorster Altar sehr ähnlich angelegt und dürften dazu eine Vorbildfunktion gehabt haben. Stilistische Zuordnung des Isselhorster Altars Bisheriger Stand der Forschung Schon kurz nach der Entdeckung des Isselhorster Altars und im weiteren Verlauf haben sich immer wieder Kunsthistoriker mit der Herkunft des Kunstwerks befasst.24 Pieper führt die Meinungen in seinen „Tafelbildern“ an und ergänzt sie mit eigenen Vorstellungen:25 H. Schmitz brachte erstmalig, kurz nach seiner Entdeckung, den Isselhorster Altar mit den Altären von Darup und Warendorf in Verbindung und meinte, alle drei seien um 1410-1420 von einem Schüler des Konrad von Soest gemalt worden. A. Brüning stellt die Verwandtschaft mit dem Wildunger Altar des Konrad von Soest fest, muss aber einschränkend sagen, das dessen prächtige Effekte in der Wiedergabe von reichen Brokatstoffen fehlen. Der Meinung von Schmitz für den engen Zusammenhang mit den Altären von Darup und Warendorf schließt er sich an, um besonders auf den Mann rechts unter dem Kreuz hinzuweisen. – in Isselhorst der Gute Hauptmann – der in allen drei Altären in ähnlicher Form wiederkehrt. Brüning verweist auf den „bemerkenswerten Versuch“, die fünf Bilder auf der Mitteltafel „in Linie und Farbe zu einer Einheit zusammenzuziehen“. Dabei bezieht er sich vor allem auf das Kreuz Christi in der Mitteltafel, mit dem die diagonalgestellten Kreuze der beiden unteren Seitenbilder korrespondieren, wodurch der „Eindruck der qualvoll ausgespannten Arme Christi am Kreuz in der Mitte noch verstärkt wird“. Außerdem verweist er auf die viermal aus den Seitenbildern „herausgellenden schwefelgelben Koller der Schergen“, die das Entsetzliche der Szenen betonen. C. Hölker wies auf den engen Zusammenhang der Kreuztragung mit der Kreuztragung des Warendorfer Altares hin, die an gleicher Stelle auf der Mitteltafel links unten neben dem Mittelbild erscheint. In der Tat stimmen die zentralen Figuren: Christus mit dem Schergen vor ihm und dem 21 Jungmann, Symbolik der katholischen Kirche, Symbolik der spätantiken Kirche. 22 H.M. Schmidt, Der Meister des Marienlebens und sein Kreis, Düsseldorf 1978, Abb. 10. 23 Pieper, Tafelbilder, S. 84. 24 Schmitz, H., Soest, in: Berühmte Kunststätten, Bd. 45, Leipzig 1908, S. 85. Hölker, C., Meister Conrad von Soest, Münster 1921, S. 41. P. J. Meyer, Werk und Wirkung des Meisters Conrad von Soest, Münster 1921, S. 29. A. Stange, DMG, III, S. 40. R. Fritz, Katalog der Ausstellung Conrad von Soest und sein Kreis, Schloss Cappenberg 1950, Nr 103, 109. G. Langemeyer, Katalog der Ausstellung Köln - Westfalen 1180-1980, Münster 1981, Bd. 1, S. 394, Bd.2, S. 90. R. Blaschke,,Studien zur Malerei der Lüneburger „Goldenen Tafel“, Phil. Diss. Bochum 1976, S. 63. W. Pilz, Das Triptychon als Kompositions- und Erzählform, München 1970, S. 51. 25 Pieper Tafelbilder, S. 84-85.27 Schergen hinter ihm so eng überein, dass ein Bild von dem anderen abhängig sein muss. Abweichend ist das Hochformat in Warendorf im Isselhorster Bild in die Breite gezogen, fast zum Quadrat geworden. Hölker findet weiter, dass Christus am Kreuz und Maria unter dem Kreuz abweichend von den übrigen Figuren „ von so edlem Ausdruck“ sind, dass man hier die Hand des Hauptmeisters, des Konrad von Soest erkennen möchte. Diese Meinung bestätigt sich vor dem Original nicht. P.J. Meier nahm an, dass die Kalvarienberge von Darup und Warendorf und auch damit die reduzierte Fassung in Isselhorst auf einen verlorenen Kalvarienberg von Konrad von Soest zurückgehen. Auch noch Stange schloss sich dieser Meinung an. Gleichzeitig aber bahnte Meier eine Neubewertung der Gruppe Darup-Warendorf-Isselhorst dadurch an, dass er wegen der Nähe von Darup westlich Waren-dorf und Isselhorst östlich von Münster den Schuss zog, dass die drei Altäre in einer Münsterschen Werkstatt entstanden sind. Er spricht von einem „Meister von Münster“. Dabei setzt er diesen Maler vor allem wegen der abweichenden Farbgebung von Konrad ab und betont, dass der Isselhorster Altar am besten seine ursprüngliche Farbigkeit bewahrt habe. „Oft wird Moosgrün gern unmittelbar neben Hellblau verwendet, daneben finden sich in großen Flächen Grau, Weiß, Dunkelgrau, Hellbraun, Violett, stets in heller, lebhafter Tönung und mit einem sehr feinem Empfinden zusammengestellt“. Damit bahnt sich die Beurteilung des Anonymus als eines selbständigen Meisters neben Konrad von Soest an. Stange schließt sich dieser Tendenz im Großen und Ganzen an, wobei er betont, dass durchaus Zusammenhänge mit dem Werk des Hauptmeisters bestehen. R, Fritz benennt im Katalog von 1950 einen besonderen „Meister des Isselhorster Altares“ indem er sagt, Stange habe von der einer Verschiedenheit der Ausführung gesprochen, was aber nicht zutrifft. P. Pieper hat in seine Behandlung des Daruper Altares den Altar von Isselhorst einbezogen. Er analysiert das Isselhorster Mittelbild als eine Reduktion von Darup und Warendorf, was dazu führt, dass die Mariengruppe stehen muss, der elegante Spötter im unteren Teil von Darup und Warendorf zum Guten Hauptmann gemacht wird. Daraus meint Pieper den Schluss ziehen zu können, das Daruper Kreuzigungsbild, das er an den Anfang der Gruppe setzt, sei Vorbild für Isselhorst gewesen. Der Gekreuzigte in Isselhorst steht nach Pieper dem Gekreuzigten des Wildunger Altares besonders nahe. Auch der Engel links von Christus sei in Isselhorst dem Wildunger Vorbild eng verwandt. Eingehend vergleicht Pieper die Kreuztragung auf den drei Altären, wobei er Darup für die erste Fassung hält, während Isselhorst eher auf das Vorbild von Warendorf zurückgehe, die Figur des Simon von Cyrene wieder mehr mit Darup zusammenhänge, „woraus man erkennt, dass es sich um austauschbare Formeln einer Werkstatt handelt“, in der alle drei Altäre, wenn auch wohl nicht in der gleichen Zeit, entstanden sind. Auch beim Vergleich der Geißelung auf den drei Altären kommt Pieper zu ähnlichen Ergebnissen: Christus steht nahe bei Darup, Pilatus gleicht seltsamerweise dem Guten Hauptmann der Kreuzigung“. Von den Schergen und dem Begleiter des Pilatus bemerkt Pieper, dass sie von den anderen Altären abweichen und wohl auf andere Traditionen zurückgehen. Pieper datiert den Daruper Altar „um 1420“, Warendorf und Isselhorst etwas später. Zu einer abweichenden Auffassung kommt G. Langemeyer. Er meint, anknüpfend an eine Bemerkung von O. Kerber, der die Felsterassen und Figurengruppen als noch dem Stil des 14. Jahrhunderts nahestehend empfunden hatte, die Altäre von Darup und Warendorf könnten schon kurz vor oder kurz nach 1400 entstanden sein, der Isselhorster Altar etwa zwischen 1410 und 1420. Diese Frühdatierung folgt einer allgemeinen Tendenz – noch Stange datierte den Daruper Altar „um 1440“- doch meine ich, (Pieper) dass die ganze Gruppe keinesfalls vor dem Wildunger Altar, also vor 1403, entstanden sein kann. R. Blaschke hat die Reihenfolge der Altäre umzukehren, den Isselhorster Altar an den Anfang zu setzen versucht, was schon G. Langemeyer abgelehnt hat. Eine interessante Analyse der Mitteltafel als Gesamtkomposition gab W. Pilz. Er bezeichnet den Typ einer Mitteltafel mit einem großen Mittelbild und je zwei Seitenbildern als Quinkunx.26 Pilz meint, durch das schlanke Format des Mittelbildes werde der Zusammenhang der Teile gesteigert. Die unten neben der Kreuzigung erscheinenden Szenen seien neben der Kreuzigung nach vorn gerückt, der 26 Aus lat. quincunx, „Anordnung auf Lücke, schräge Reihe“, eigtl. „die Fünf (des Würfels)“. (Duden)28 Landschaftsboden setze sich dagegen über alle drei Bilder hinweg fort. „Mittelbild und untere Seitenbilder geben eigentlich ein Thema, das Geschehen auf dem Kalvarienberg, in drei Phasen wieder.“ Damit wird, wie es schon Brüning angedeutet hatte, vorausgesetzt, dass die Einzelbilder, wenigstens in dieser Zone, aufeinander bezogen sind. Zu den jüngeren Wissenschaftlern zählt Werner Freitag, der 2000 in einem Vortrag in der Isselhorster Pfarrkirche durch reichliche Bildvergleiche eine eindeutige Verwandtschaft des Isselhorster Altars mit Warendorf aufzeigte. Gegenüber den vielfältigen und komplizierten Interpretationen der Kunsthistorik bringt er die Zusammenhänge beider Gesamtkunstwerke „mit persönlicher Note“ auf den Punkt: Für Warendorf entstand eine Prachtausgabe, in Isselhorst befindet sich das schlichte Gegenstück für weniger Geld. 27 Stilistische Zuweisung auf einen Meister von Münster und die Reihenfolge der Entstehung der Bildaltäre Isselhorst Warendorf Darup Der Name des infrage kommenden Künstlers „Meister von Münster“, bezeichnet einen Anonymus, der ursprünglich nach seinem umfangreichsten Werk, dem Flügelaltar in der Pfarrkirche von Warendorf „Meister des Warendorfer Altars“ genannt wurde. Aus seiner Hand stammen auch die Altäre von Darup und Isselhorst, wobei nach Auffassung der Kunstforschung der Isselhorster Altar wohl zuletzt unter starker Beteiligung seiner Werkstatt entstand.28 Nach Auskunft Piepers hat neben Conrad von Soest auch Meister Francke in Hamburg den Meister beeinflusst, der wohl etwa von 1420-1440 in Münster tätig war.29 Die Vergleiche der genannten Werke mit dem Isselhorster Altarbild beschränken sich auf die Mittel-tafel. Bestimmte Elemente eines Bildes finden sich deckungsgleich oder abgewandelt in einem der beiden anderen Altäre wieder, wobei eine besondere Nähe des Isselhorster Bildes zu Warendorf erkennbar ist. Auf allen drei Bildern ist der Gekreuzigte in Physiognomie, Haltung, Kopfneigung, Nagelung und durchscheinenden Lendentuch vergleichbar ähnlich dargestellt. Allein in Darup sind die Hände von Christus gestreckt. Die Beschriftung der Rolle / Tafel „INRI“ ist auf allen drei Bildern mit gleichen Lettern zu sehen. Isselhorst und Warendorf zeigen zwei der drei Engel in gleicher Form. 27 Freitag, Werner, (Universität Wittenberg-Halle, später Münster), Der Isselhorster Altar, Festvortrag zum Ortsjubiläum in Isselhorst, Juni 2000. 28 Diese Meinung soll hier zunächst stehen bleiben. Eine Beurteilung, insbesondere der Entwicklung von Gesichtern und Händen, ist nur im genauen Vergleich von Gemäldedetails möglich. 29 Paul Pieper, Tafelbilder, S. 70.29 Die Kreuztragung in Isselhorst. Foto I. Drews Warendorf, Foto: R. Wakonigg Darup, Foto: H. Kerkeling Erst durch die Gegenüberstellung der Einzelszene „Kreuztragung“ von Isselhorst, Warendorf und Darup wird deutlich, wie der Meister von Münster seine kunsthandwerklichen Fähigkeiten weiterentwickelte. Allein diese Bilder lassen die vorherrschende Meinung über die Reihenfolge der Entstehung der Altäre in Zweifel kommen. Weitgehende Übereinstimmung ergibt sich von der Kreuztragung in Isselhorst zu Warendorf. Die Figurengruppe Knecht mit Keule - Christus mit Kreuz – Knecht mit Strick und zuschlagender Mann, 30 sowie die Gruppe der zwei Marien mit Johannes sind deckungsgleich. Auch der Faltenwurf, besonders am Gewand von Christus ist gleichartig gestaltet. Allein das Format des Bildes in Warendorf ist zugunsten der Kreuzigungsszene in der Mitte der Haupttafel schmaler und höher als in Isselhorst angelegt. Kaum erkennbar hat der Künstler die Einzelfiguren gegenüber Isselhorst näher zusammen-gerückt um die Szene ins schmalere Format unterzubringen. Hier ist schon spürbar, wie sich die Arbeit des Malers entwickelt und in welcher Reihenfolge die Altäre entstanden sind. Diese Weiterentwicklung wird erst recht am Altar von Darup deutlich, dessen Kreuztragung mit denen von Isselhorst und Warendorf vergleichbar ist. Die Figuren mit ihren Eigenheiten, Haltungen und Ein-zelheiten kehren auf allen Bildern wieder. Da im Vergleich zu Warendorf das Daruper Bildformat der Kreuztragung noch schlanker angelegt ist, erforderte dies im Gemälde eine maximale Verdichtung der Figurenanordnung. Der Künstler erreicht dieses durch Weglassen des zweiten Schergen mit der Keule und der zweiten Frau in der Marien-Johannes Gruppe im Hintergrund. Die Reduzierung auf das We-sentliche ermöglichte ihm die Figuren „heranzuzoomen“, im Verhältnis zum Bildformat zu vergrößern und Christus als Hauptperson herauszustellen. Die Arbeit gelingt, ohne die Figuren zusammenge-pfercht erscheinen zu lassen, wie dies bei den Personen unter dem Kreuz in Isselhorst geschieht. Während Paul Pieper der Überzeugung ist, Der Isselhorster Maler erweitert und verbreitert das Programm (von Darup und Warendorf), halten die Verfasser diese Aufreihung von Einzelfiguren, eher als eine entwicklungsgegebene Eigenheit des Frühwerks, die sich ähnlich auch noch im Warendorfer Bild zeigt. Dagegen erleben wir im Daruper Bild eine wesentliche Weiterentwicklung der Insze-nierung. Die Figuren schauen sich gegenseitig in die Augen, kommunizieren deutlich miteinander und steigern dadurch die Dynamik der Szene. Die Fortentwicklung der Bilder zeigt sich auch im Detail der einzelnen Figuren, besonders beim Schergen, der Christus mit einem Strick vorwärtszerrt. Seine auf allen Bildern gleiche Ausrüstung mit einem Schultergurt lässt im Daruper Bild deutliche Einzelheiten der Schnallen und Beschläge und ein daranhängendes Schwert erkennen. Die unübersehbare Steige-rung der Darstellung der verschiedenen Kreuztragungen, zeigt eindeutig eine Weiterentwicklung der Kunst des Malers. Hier erscheint die von Pieper und anderen Kunsthistorikern aufgestellte Ansicht bedenklich zu werden, Darup an den Anfang, Warendorf als folgend und Isselhorst an das Ende der Arbeiten des Meisters von Münster zu stellen. Als eine der originellsten Figuren ist der „Gute Hauptmann“ in der Kreuzigungsszene von Isselhorst zu bezeichnen. In kostbarem grünen Gewand mit weißem Gürtel und weißem vierstufigem Turban steht er rechts direkt unter dem Kreuz. Seine rechte Hand verweist auf das fliegende Band mit den Worten über die Göttlichkeit des Gekreuzigten. Den Mann ziert ein seltsam geflochtener Bart, der mit Kordel verlängert in Windungen durch seine linke Hand geht. Mit seiner eleganten, dabei ganz typischen Beinstellung unter dem geschlitzten Rock ist er im Isselhorster Altar eine hervortretende Figur, die man in ihrer Darstellungsqualität wohl als ausentwickelt bezeichnen darf. Ein schulendes Beispiel für Erscheinung und Haltung des Hauptmanns stand dem Meister von Münster bereits im Berswordt-Altar zur Verfügung, doch dazu später. Bemerkenswert tritt der Gute Hauptmann als eine Nebenfigur in zweiter Reihe auf den Kreuzigungen sowohl in Warendorf als auch in Darup wieder auf. Er wird dadurch zu einer eindeutigen Identifikationsfigur in den drei Gemälden des Meisters von Münster. ImWarendorfer Altar spielt er die eher unscheinbare Rolle als ein Beobachter des die INRI-Tafel malenden Schreibers. Dort ist er ist im Unterbereich verdeckt, doch seine elegante Beinstellung übernimmt eine andere Figur neben ihm. Im Daruper Altar tritt der gut gekleidete Mann zwar auch als Nebenfigur, aber deutlich unter den Schmähern des Gekreuzigten auf. Seine Haltung ist identisch zu den entsprechenden Figuren der anderen Altarbilder, doch ist er hier noch feiner und reicher ausstaf-fiert. Der „Gute Hauptmann von Isselhorst“ ist eine komplett ausgearbeitete Figur des Meisters von Münster, auf die er in seinen Gemälden von Warendorf und Darup nicht verzichten möchte und in anderer Funktion wiederkehren lässt. Die Beibehaltung als farblich variierte und reicher ausgestattete Nebenfigur in diesen Altären ist ein Indiz dafür, den Isselhorster Altar an den Anfang der Arbeit des Künstlers zu stellen, bzw. diesen als Frühwerk zu bezeichnen. Der Meister von Münster verzichtete auf eine Signierung und Datierung seiner Gemälde. Abgesehen von Datierungen auf dem Bielefelder Altar (1400) und auf dem Wildunger Altar (1403), die vermutlich an die Aufstellung der Altarretabel 31 erinnern sollten, waren solche Angaben nicht üblich. Der Künstler trat damals bescheiden hinter seinem Werk zur Ehre Gottes und der Gottesmutter zurück. Warendorf Darup Isselhorst Die Kunstforschung sucht natürlich nach solchen Zeichen, doch die Übereinstimmungen in den Bildern ergeben zweifelsfrei, dass die Altäre für Isselhorst, Warendorf und Darup aus einer Werkstatt stammen. Den Maler und sein Atelier in Münster zu suchen, ergibt sich durch die Nähe von Darup und Warendorf zu der aufstrebenden Bischofs- und Hansestadt. Als Zentrum der Hanse erlebte Münster im späten Mittelalter eine Blütezeit, die sich noch heute an den vorhandenen Zeugen der spätgotischen Baukunst ablesen lässt. Zur Ausstattung der damals vielfach neu gebauten Chor- und Altarräume an den Kirchen wurden die in Mode gekommenen Bildaltäre gebraucht. In der Stadt hat sich davon fast nichts erhalten, da schon 100 Jahre später die Wiedertäufer alle sakralen Kunstwerke zerstörten, deren sie habhaft wurden. Wir können davon ausgehen, dass der Meister vermutlich seine Ausbildung in Dortmund erhalten hatte. In Münster sicherlich klein angefangen, hatte er sich bereits durch verschie-dene Arbeiten für Kirchen und Kapellen einen Namen gemacht, bevor er vom Kloster Marienfeld einen Auftrag für einen Flügelaltar bekam. Dieser Entstehungsweg dürfte für den Isselhorster Altar zweifelsfrei sein, zumal das Zisterzienserkloster Marienfeld grundsätzlich im westfälischen Oberzentrum Münster arbeiten und sich von dort versorgen ließ. Die Tatsache, dass vom Abt Hermann des Klosters (1410-1443), dort ein weiter Flügelaltar bestellt wurde, lässt auf bewährte Verbindungen und Erfahrungen schließen.30 Als dann zur Zeit seines Nachfolgers Arnold (von Bevern 1443-1478) dieser Altar am 6. Februar 1457 in der Klosterkirche errichtet und am 25. Mai 1458 geweiht wurde, hieß der Maler Johann Körbecke.31 Diese Hinweise führen zwar nicht beweiskräftig, aber wohl doch ernsthaft zur Vermutung eines unmittelbaren Bezugs zwischen dem Meister von Münster und dem Meister Johann Körbecke aus Münster. Géza Jászai macht dazu nachdrücklich auf den Namen Hinrich Körbecke aufmerksam. 32 Beachtenswerte Hinweise lieferten bereits Joseph Prinz (1941) und Karl- 30 Böhmer / Leidinger, Chroniken, S. 76: „In seiner (Abt Arnolds) Zeit wurde das von seinem Vorgänger (Abt Herrman) begonnene Tafelbild des Hochaltars vollendet. 31 Böhmer / Leidinger, Chroniken, S. 164. Pieper, Tafelbilder, S. 166. 32 Géza Jászai, Der Warendorfer Altar, S. 16.32 Heinz Kirchhoff (1977), die auf den biographisch relevanten Bezug des Hinrich Körbecke in Münster verweisen, dem Vater des um die Jahrhundertmitte in Münster tätigen Malers Johann Körbecke. Möglicherweise ist dieser Hinrich Körbecke identisch mit dem Meister von Münster. Von der Zeit und der Generationsfolge könnte die Verbindung zutreffen, zudem sind manche deutlich wahrnehmbare Züge des Meisters von Münster in den Gemälden Johann Körbeckes wiederzufinden. Die Tatsache der Bestellung von zwei Altarretabeln für das Kloster Marienfeld in Münster und die nachweisliche Lieferung durch Johann Körbecke könnten auf einen Familienbetrieb über zwei Generationen in Münster deuten. Die Erstellung eines Flügelaltars für eine namhafte kirchliche Einrichtung im Münsterland, wie das Zisterzerkloster Marienfeld, zog durchaus weitere Aufträge nach sich. Logischerweise folgte einer kleinen Arbeit des Künstlers eine größere. Als man in Warendorf nach dem großen Stadtbrand 1404 die Bürgerkirche St. Laurentius als neue gotische Hallenkirche mit einem durchlichteten polygonalen Chorraum errichtet hatte, plante man dafür einen großen Wandelaltar. Wohlhabenheit, Bürgerstolz und das tonangebende Münster in unmittelbarer Nähe waren wohl Triebfeder solcher Beschlüsse. Der dann vom Meister von Münster geschaffene Flügelaltar enthielt gemäß des Namenspatrons der Kirche auf den Flügeln des geschlossenen Retabels Szenen aus der Legende des Heiligen Laurentius. Aufgrund der Stattlichkeit seines Werkes und ohne zunächst die Verbindungen zu den anderen Bildaltären zu kennen, nannte die Kunstwelt den Maler anfangs sogar den Meister von Warendorf. Darup Warendorf Auch im münsterländischen Dorf Darup, unweit von Nottuln, sprach man zunächst von einem Meister von Darup, bevor die Kunsthistorik den Meister von Münster nannte, auf den das Mittelteil eines Altartriptychons zurückgeht. Auch hier wieder ähnlich den Altarretabeln von Isselhorst und Warendorf als Kernstück eine große, figurenreiche Kreuzigung, seitlich eingefasst von kleineren übereinander angeordneten Bildern der Geißelung, Kreuztragung, Grabruhe und Auferstehung Christi. Am Grabe des Auferstandenen blühen symbolhaft leuchtend gelbe Osterglocken und blaue Akelei. Die beiden Flügel des Daruper Altarretabels sind verlorengegangen, ihre Gestaltung ist nicht mehr bekannt. Ebenso liegt die Herkunftsgeschichte des Bildes weitgehend im Dunkel. Man vermutet bereits, dass der Flügelaltar ursprünglich nicht für die Daruper Kirche gemalt wurde, sondern aus einer anderen Kirche der Umgebung stammt. Die spätgotische Pfarrkirche von Darup entstand erst nach 1500, also wesentlich später als der Flügelaltar. Vielleicht ist seine Mitteltafel ein Überbleibsel des Bildersturms der Wiedertäufer in Münster oder stammt aus dem Vorgängerbau der einstigen Damenstiftskirche in Nottuln. Das adelige Stift aus dem 9. Jahrhundert könnte bei seiner Wohlhaben-heit im 15. Jahrhundert Auftraggeber für ein solches Kunstwerk gewesen sein. 1489-1515 entstand der kostbare Neubau der Stiftskirche, die um 1600 durch Brand beschädigt wurde und danach eine barocke Ausstattung bekam, die wiederum im 19. Jahrhundert bis auf die Orgel neugotisch ersetzt wurde. Vielleicht sollte man der Vermutung nachgehen, ob der Flügelaltar aus Nottuln schon bei der barocken Neuausstattung der Stiftskirche nach Darup gekommen sein könnte . Die Gestaltung und Komposition der Mitteltafel des Daruper Altars kommen dem Mittelbild des Warendorfer Altars nahe. Auf beiden ist zentral die Kreuzigung in einen Talausschnitt gestellt, wobei die Staffelung der agieren Personen in zwei Reihen übereinander geschieht. Hier wie dort sind Reiter mit ihren Pferden unter dem Kreuz tonangebend, wobei das frontal stehende Pferd rechts vom Kreuz 33 mit dem „Guten Hauptmann“ deckungsgleich auf beiden Bildern wiederzufinden ist. Ebenso ist der „Gute Hauptmann“ der in Isselhorst als hervortretende Figur unter dem Kreuz erscheint, in gleich-artiger Form, jedoch anderer Farbgebung, in Warendorf und Darup als Nebenfigur rechts unten wiederzufinden. Warendorfer Altar, Freckenhorst. Detail, Apostel aus dem Pfingstwunder. Aufnahme der Verfasser 2013 Vom Meister von Münster blieb auch das Tafelbild im Burgmuseum Altena, das Maria im Kreise der Apostel zeigt. Die gleiche Komposition des „Pfingstwunders“ kehrt mit wesentlich verbesserten Einzelheiten im Warendorfer Altar wieder. Das Altenaer Gemäldes muss also ein Vorgängerbild gewesen sein. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Meister von Münster, der vielleicht identisch mit Hinrich Koerbecke, dem Vater des Johann Koerbecke in Münster ist, Maler der Flügelaltäre von Isselhorst, Warendorf und Darup ist. Außerdem blieb ein einzelnes Tafelbild in Altena erhalten. Die Bilder entstanden wahrscheinlich zwischen 1410 und 1430. Bis heute nennt die Mehrheit der Kunst-historiker sie in einer Reihenfolge, in der man den Daruper Altar an den Beginn setzt, ebenso das Altenaer Pfingstwunder, dann den Warendorfer Altar folgen lässt und zum Schluss den Isselhorster Altar nennt. Den Grund seiner offensichtlichen Unzulänglichkeiten gegenüber den anderen Bildaltären erklärt man mit der Entstehung als Werkstattarbeit. Im Gegensatz dazu kommen die Verfasser im Verlauf ihrer Arbeit zu dem Schluss, den Isselhorster Altar ähnlich wie das Altenaer Pfingswunder als Frühwerk des Meisters anzusehen. Der Spruch „jeder fängt einmal klein an“, offenbart sich selten mehr als in der bildenden Kunst. Im Verlauf der Tätigkeit eines Malers steigert sich meist in seinen Werke das Können in Komposition und Ausführung. So ist vom Isselhorster Retabel zum folgenden Flügelaltar in Warendorf und dem Daruper Altarbild am Ende eindeutig eine Weiterentwicklung im Szenenaufbau und im Detail festzustellen. Die Beurteilung wird dadurch erleichtert, weil der Künstler die in der Komposition gleich angelegten Bildthemen der Geißelung und Kreuztragung in allen drei Altarbildern wiederholt. In der Nebeneinanderstellung auf Seite 29 ist deutlich festzustellen, dass der Meister in den Bildern des Daruper Altars eine gewisse Vollendung der Darstellung erreicht. Damit stellen sich die Verfasser hinter R. Blaschke, der in seiner Dissertation „Studien zur Malerei der Lüneburger Goldenen Tafel“, Bochum 1976, S.13, den Isselhorster Altar bereits an den Anfang stetzte. Diese Meinung wurde aber allgemein verworfen.33 33 Was die Kunsthistoriker analysierten, wäre ein zunehmender Rückschritt des Künstlers gewesen. Ihre Interpretationen sind kompliziert und nicht nachvollziehbar. 34 Motive vom Bielefelder- und Berswordt-Altar beim Meister von Münster Isselhorst, Meister von Münster Wildungen, Conrad von Soest Im Hinblick auf Vorbildhaftes für die Altäre in Darup, Warendorf und Isselhorst nennt die Kunst-historik allgemein die Arbeiten des Conrad von Soest. Die Erklärungen der verschiedenen Autoren dazu erscheinen insgesamt aber nicht zufriedenstellend, der Wunsch nach deutlichen Übereinstim-mungen erfüllt sich nicht. Die Qualität der Darstellungen entwickelt der Meisters von Münster gegenüber der Vorgängergeneration zwar weiter, wobei er im Niveau nahe zu Conrad von Soest aufrückt, doch darüber hinaus gibt es kaum einen deutlich wahrnehmbaren Einfluss Meister Conrads auf die drei Altäre des Meisters von Münster. Die Ausnahme bildet aber der Gekreuzigte in Darup, Warendorf und Isselhorst, dessen Darstellungsart dem Christus im Wildunger Altar nahekommt. Inmitten der dort prächtig gekleideten Menschen erscheint Christus am Kreuz nicht in naturalistischer Marter, sondern in seltsam verklärter Weise. Wahrscheinlich ist es die ruhende Haltung durch seinen bereits eingetretenen Tod und wohl die schmähliche Nacktheit unter dem kostbaren, ganz durchschei-nenden Lendentuch, die diesen Eindruck erwecken. Diese Art der Darstellung verbindet die Altäre des Meisters von Münster mit dem Wildunger Altar des Conrad von Soest und ist vermutlich mit der Absicht der Künstler verbunden, den edlen, unschuldig verurteilten Heiland hervorzuheben, zu verklären und zu verherrlichen. Die Engel, die Meister Conrad dem Gekreuzigten beigegeben hat, unterstreichen dies eindeutig, vermutlich ein Grund für den Meister von Münster, sie sehr ähnlich in seine Darstellungen zu übernehmen. Abgesehen von der hohen Qualität der Darstellungsausführung scheint sich mit diesem Bilddetail der Einfluss Meister Conrads auf die Arbeiten des Meisters von Münster zu beschränken. Weitere Bezüge zwischen den Gemälden werden nicht deutlich und müssen auf Bildwerken anderer Meister gesucht werden. Aus diesem Grund stellen die Verfasser neben den Vorstellungen aus der Sekundärliteratur hier ihre eigenen Forschungsergebnisse vor. Das Thema der Annenlegende auf dem linken Flügel des Isselhorster Altars wird in Westfalen von den Kunsthistorikern als selten geschildert und damit von ihnen auch schon ausgeblendet. Auf dem Altar in Warendorf beschränken sich die Heiligenszenen auf die Legende des Laurentius, dem Patron der Warendorfer Stadtkirche. Wäre der Daruper Altar für die dortige Dorfkirche geschaffen worden, hätten Darstellungen des hl. Sebastians auf den verlorenen Seitenflügeln gewesen sein können.34 Ein bildlicher Hinweis auf den Kirchenpatron klärt zumeist, für welche Kirche ein Altarbild geschaffen worden ist. Unter dem Meister von Münster blieb das Annenthema aber wohl allein auf Isselhorst beschränkt. Pieper erwähnt zwar eine Darstellung der Annenlegende vom Meister des Marienlebens, 34 Die Anschaffung des Altarbildes für Darup ist nicht geklärt. Freundlicher Hinweis durch Herrn Helmut Kerkeling, Darup.35 die um 1465 entstand. Dieser bedeutende Maler arbeitete 1463-1480 in Köln, etwa zwei Generationen nach dem Meister von Münster und ist deshalb für unsere Bilder nicht mehr relevant. Die rätselhaft seltenen Annenthemen in Isselhorst, die Begegnung Joachims und Annas am Tor des Tempels und die Geburt Mariens, eröffnen aber einen neuen Weg. Wahrscheinlich sind sie nicht nur der Schlüssel zur Schule oder zum Einfluss in dem der Meister von Münster stand, sondern sogar zum ersten Aufstellungsort des Altarbildes. Im Hinblick auf die Schule entdeckten die Verfasser vergleichbare Motive in zwei Flügelaltären, die in Abständen von jeweils 20 Jahren vor dem Isselhorster Altar entstanden waren: Der Marienaltar in der Stadtkirche von Schotten von 1380 und der Marienaltar in der Neustädter Marienkirche in Bielefeld von 1400. Schotten, Stadtkirche. Annenlegende aus dem Altar des Marienlebens, um 1380. Ohne hier mit einer Nachfolgeerkenntnis auftreten zu wollen, verweisen die Verfasser auf den bedeutenden Altar in der Stadtkirche von Schotten, einem dreiteiligen Flügelaltar, der im geöffneten Zustand 16 Bildtafeln aus dem Marienleben zeigt. Der Meister ist nicht bekannt, sein Werk wird teils dem mittelrheinischen, teils dem westfälischen Kunstkreis, bzw. der Schule des Meisters Bertram von Minden zugerechnet.35 Hier ist eine Begegnung Joachims und Annas an der Goldenen Pforte des Tempels dargestellt, kombiniert mit der Erscheinung des Engels für Joachim auf dem Feld. Vor einer Torarchitektur steht ein Engel hinter Joachim und berührt diesen an der Schulter zum Zeichen, dass er ihn den Weg über geleitete. Joachim umarmt Anna eng, während seine rechte Hand in Höhe der Arme unter ihren Mantel greift. Zwischen ihnen ein blankes Schwert – ein Hinweis dafür, dass die Kirche seit 1300 die Begegnung vor dem Tempeltor als Sinnbild der „Unbefleckten Empfängnis“ sieht. Die Legende der Anna geht auf dem nächsten Bild mit der Geburt Mariens weiter und bildet mit der Verkündigung Mariens wieder eine Einheit, was weiter unten noch einmal erwähnt werden soll. Vor dem Bett der Wöchnerin Anna sitzt eine Magd mit der Neugeborenen am Schoß und prüft das Wasser im kleinen Badezuber vor sich. Bemerkenswert kehrt diese Szenenstellung, die in Schotten in einem kostbaren pavillonartigen Baldachin stattfindet, 40 Jahre später in einfacher bürgerlicher Fassung im Isselhorster Altar wieder. Doch schon 20 Jahre eher wird die Annenlegende im Bielefelder Altar vergleichbar mit Schotten aufgeführt und lässt vermuten, wie sehr sich die Künstler wohl untereinander beeinflusst haben. Der Flügelaltar der Neustädter Marienstiftskirche in Bielefeld ist eines der Hauptstücke der gotischen Malerei Westfalens in der Zeit des sogenannten Weichen Stils.36 Irgendwelche Maler- oder Bildhauer-werkstätten sind in Bielefeld um 1400 nicht anzunehmen, weshalb der Auftrag für ein Altargemälde vom Marienstift sicherlich nach außerhalb vergeben wurde. Üblicherweise wandte man sich dabei an 35 Backes, Magnus, Hessen, S. 99 und 127. 36 Eckert, Ingeborg, Ein Altargemälde der Gotik, Bielefeld 1956, S. 27-29, 38-39.36 einen Meister, der in nicht allzuweiter Entfernung lebte und über die Handelsstraßen gut erreichbar war. So steht der Bielefelder Altar in enger Beziehung zum Kreuzigungsaltar in der Berswordtkapelle der Marienkirche in Dortmund. 37 Beide Flügelaltäre stammen von einem Künstler, dessen Name nicht mehr bekannt ist. Durch Friedrich Jacobs wurde nachgewiesen, dass er in Dortmund seine Werkstatt unterhielt und sowohl den Marienaltar in Bielefeld als auch den Dortmunder Kreuzigungsaltar angefertigt hat. Er wird seither der Berswordt-Meister genannt.38 Hinweise zu einer glaubhaften Datierung und damit stilistischen Einordnung des Bielefelder Altars finden sich in den Beschreibungen Leopold von Ledeburs.39 Dieser hatte 1825 die Gelegenheit, am Rahmen des noch vollständigen Altars in Bielefeld die Jahreszahl „1400“ zu lesen. Ingborg Eckert weist sogar auf eine Bestätigung für die Angaben des Datums am Rahmen durch Förster im „Stuttgart-Tübinger Kunstblatt“ des Jahres 1847.40 Aufträge für solche großen Wandelaltäre bekamen in der Regel nur Meister, die bereits auf ein erfolgreiches Schaffen verweisen konnten. Für Angebot, The-menbesprechung, Entwürfe, Probeansichten und weiteren Verhandlungen bis zur Auftragsvergabe sind durchaus mehrere Jahre anzurechnen. Der Dortmunder Künstler bekam also geraume Zeit vor 1400 den Auftrag für einen großen Flügelaltar vom wohlhabenden Marienstift in Bielefeld und dürfte nach dessen Fertigstellung auch den Altar im Auftrag des Dortmunder Handelsherrn Berswordt gemalt haben. Die Reihenfolge erscheint realistisch und ergibt sich auch aus den weiterentwickelten und deutlich reiferen Bildern in Dortmund. Im Bielefelder Altar, der selbst im heute reduzierten Zustand noch einen reichen szenerischen Aufbau besitzt, zieht das Hauptbild mit Betonung der Gottesmutter Maria eindeutig die Blicke auf sich. Die Darstellung der thronenden Madonna mit feinster Architektur setzt, ebenso wie die höfisch geklei-deten, geziert gestikulierenden mädchenhaften Frauen bei dem Meister die Kenntnis des damals aktuellen Malstils in Frankreich voraus. Nach Ingeborg Eckert ging sein vorbildhafter Einfluss auf das Königs-haus der Valois zurück, das in Nebenlinie auch das Herzogtum Burgund beherrschte und damals als Mäzen viele Künstler aus Westeuropa nach Dijon zog.41 Dagegen schreibt Pieper, dass der Konzeption dieses Bildes zweifellos eine Vorlage aus dem franco-flämischen Kunstkreis zugrunde lag.42Allerdings muss er bei diesem Meister und auch bei Conrad von Soest einschränkend sagen, dass die Beziehungen zur nordfranzösich-burgundischen Kunst bislang nicht genügend geklärt wurden. Der Berswordt-Meister wird sich der vorherrschenden Mode angeschlossen haben, seine direkte Schulung in Frankreich nimmt man nicht an. Dies dürfte eher auf Conrad von Soest zutreffen, da in allen seinen Gemälden der französich-höfische Einfluss wesentlich deutlicher hervortritt. Eine andere Auffassung vertreten Georg Gmelin (†) und seine Mitautoren im Bielefeld- Neustädter Kirchenführer. Für sie macht die stilistische Stellung den Bielefeld-Berswordter Meister in Verbin-dung mit dem überlieferten Datum 1400, zu einem älteren Zeitgenossen Conrads von Soest. Sie vermuten in ihm sogar den Lehrer des im Wildunger Altar von 1403 ganz aus dem internationalen Hofstil in Paris und Burgund schöpfenden Conrad von Soest. Der Berswordt-Altar und eine gemalte Staffel mit der Wurzel Jesse aus der Marienkirche von Osnabrück sollen ihrer Meinung nach deshalb früher – schon 1390 - gemalt worden sein. Doch nach Vorstellung Ingeborg Eckerts lassen die Reife der Darstellung und die Verwendung größerer Bildformate für die Einzelszenen den Dortmunder Berswordt-Altar wesentlich jünger erscheinen. Er dürfte also erst nach dem Bielefelder Altar, vielleicht gleichzeitig mit dem Wildunger Altar des Conrad von Soest entstanden sein. Gegenüber der bewegt gestaffelten Mariendarstellung vor architektonischem Hintergrund im Mittelfeld des Bielefelder Altars zeigen die Flügelbilder größtenteils figürlich betonte Szenen vor einem Goldhintergrund. Sie erinnern an die Darstellungen des Schottener Altars, entfernt auch noch an 37 Die Bezeichnung Berswordt geht auf den Ratsherrn und Stifter Lambert Berswordt zurück. 38 Jacobs, Friedrich, Der Meister des Berswordt-Altares, in: Göppinger Akademische Beiträge Nr. 117, Göppingen 1983. 39 Leopold von Ledebur, Das Fürstentum Minden und die Grafschaft Ravensberg, 1825 40 Eckert, Ingeborg, Ein Altarbild der Gotik, S. 93, 94. 41 Eckert, S. 88, 89. 42 Paul Pieper, Tafelbilder, S. 8.37 Bielefeld, Neustädter Marienkirche. Annenlegende aus dem Marienaltar des Berswordt-Meisters um 1400. Fotos: Ceres-Verlag Isselhorst, Pfarrkirche, Annenlegende aus dem Flügelaltar des Meisters von Münster, um 1420. Foto: Drews.38 die von der Kunst Meister Bertrams abhängigen Altäre in Netze und Osnabrück.43 Vielleicht war der Berswordt-Maler noch in der Art Meister Bertrams ausgebildet, so dass er traditionell ältere komposi-torische Züge anwendete, die den Vorteil hatten, auch noch auf Entfernung zu wirken. Eine Entwick-lung seiner Kunst wie sie im verdichteten Mittelbild erscheint, wird die Wechselwirkung zwischen Conrad von Soest und ihm ergeben haben, wenngleich Conrads Figuren anmutiger gebildet und reicher gekleidet sind. Die angeführten Tatsachen machen deutlich, dass der Berswordt-Meister wahrscheinlich ein Zeitgenosse des Conrad von Soest44 war. Durch sein zeitgleiches Schaffen war er mit Sicherheit weder Schüler noch Lehrer Conrads sondern muss als dessen Mitbewerber angesehen werden. Dagegen muss der Berswordt-Meister für den Meister von Münster aber von großer Bedeutung gewesen sein. Die Verfasser haben festgestellt, dass sowohl der Bielefelder Altar wie auch der Berswordt-Altar eine Reihe von Inszenierungmerkmalen besitzt, die ähnlich, verwandt oder vergleichbar in den Werken von Darup, Warendorf und Isselhorst wiederkehren. Bemerkenswert hat die Kunsthistorik diese beiden Altarbilder bislang nicht in Bezug zu den Arbeiten des Meisters von Münster erwähnt, so dass hier erstmals darauf aufmerksam gemacht wird. Auf der Haupttafel des Bielefelder Altars beginnt nach dem Geschehen im Paradies die Erlösungs-geschichte mit der Begegnung Annas und Joachims an der Pforte des Tempels als 4. Bild links oben. Das schon im reifen Alter dargestellte Paar steht links vor einem rundbogigen Tor und ist im Begriff sich in die Arme zu nehmen. Dieses geschieht ähnlich wie es schon auf dem Altar in Schotten vorge-geben wurde, auch hier berührt ein Engel Joachim von hinten. Im Vergleich zur Darstellung der „Begegnung“ auf dem Isselhorster-Altar ist es keinesfalls das gleiche Bild, aber die Idee der Gestaltung – die Annäherung Joachims von links zur rechts wartenden Anna und die Wiedergabe des großen rundbogigen Tors scheinen von Bielefeld aus gewirkt zu haben. Ganz ähnlich erwächst dieser Eindruck auch bei der nächsten Szene, der Geburt der Tochter Maria. Auch hier ist wie in Isselhorst das Bett der Wöchnerin Anna von links oben nach rechts unten diagonal ins Bild gestellt, um die Vorstellung einer Bildtiefe zu erzeugen. Ebenso umgibt ein Baldachin mit Vorhängen das Bett der Mutter Anna. Die reiche Schnitzarbeit des Baldachinoberteils und die kostbaren Vorhänge aus Brokat stehen zwar im Gegensatz zur Schlichtheit des Isselhorster Baldachinbettes, doch dort ist dafür die Raffung und Faltung der Vorhänge weitaus reicher ausgebildet. Auch die Umhüllung der Matratze, wie die Art der Zudecke für Anna finden ihre Parallele. Die Szene, dass Joachim das neugeborene Kind von der Dienerin in Empfang nimmt, ist eine andere, doch auffallend ist Annas Kopf von einem einfachen Tuch umschlungen, während die Magd einen reichen Kopfputz trägt, eine Hervorhebung wie es auch mit dem Schapel der Dienerin in Isselhorst geschehen ist. Darüber hinaus wird in Isselhorst das Streben nach neuer bildmäßiger Gestaltung der Szene erkennbar. Wie schon im Schottener Altar angedeutet, lässt der Meister von Münster hier die gleichmäßige Bewertung jeder Figur fallen und hebt eine einzige die Szene beherrschend heraus. Er weicht vom herkömmlichen Kompositionsschema ab um nachrangige Personen auszuscheiden. So stellt er in der Geburtsszene Mariens die beiden Mägde zur Versorgung der kleinen Tochter wesentlich kleiner dar, als die Mutter Anna im Wochenbett. 43 Meister Bertram, * 1340 in Minden, † 1414 in Hamburg, 1367 Stadtmaler in Hamburg, Grabower Altar in Hamburger Kunsthalle, Passionsaltar im Landesmuseum Hannover. 44 Conrad von Soest, * 1370 in Dortmund, † 1425 in Dortmund. Hauptmeister der westfälischen Malerschule des 15.Jh.s, Meister des weichen Stils; schuf als Hauptwerk 1404 den großen Altar in der Kirche in Wildungen, Christus am Kreuz, Passionsszenen und weibliche Heilige.39 Darstellungen der Verkündigung Schotten Bielefeld Warendorf Auf dem rechten Flügel in Isselhorst sind die beiden Gemälde untergegangen. Möglicherweise waren hier die von den Verfassern angenommenen Szenen der Verkündigung Mariens und die Geburt Christi. Auch in Bielefeld sind diese Szenen verschollen, sie könnten aber auch für Isselhorst Vorbild gewesen sein. Von der Verkündigung gibt es in Bielefeld noch eine Umrisszeichnung, in der die feine, spätgotisch idealisierte Architektur des Interieurs mitbestimmend ist. Setzt man dieses Bild neben die Verkündi-gung des Warendorfer Altars, so ist trotz ihres fragmentarischen Zustands wiederum eine Verwandt-schaft spürbar. Der Berswordt-Meister läßt Maria links auf einem Betstuhl knien und von rechts den blondlockigen Engel herantreten. Dabei erscheint dieser größer als Maria. Der Meister von Münster dreht die Szene um und lässt Maria stehend größer erscheinen als den Engel, ebenfalls blondlockig, der ihr jetzt von rechts entgegentritt. Auffallend sind die Ähnlichkeiten der Gewänder. Hier wie dort trägt Maria einen langen fließend fallenden Mantel, der Engel ein hemdartiges Gewand mit weiten Ärmeln. Auf beiden Bildern fliegt Maria aus dem geöffneten Himmel eine Taube entgegen. Zwischen den Personen in Bielefeld zwei Spruchbänder, in Warendorf eines: aue gratia plena d(omi)n(u)s, dafür aber eine Vase mit drei Lilienblüten als Zeichen der Unbefleckten Empfängnis. Die Verkündigungsszene von Warendorf ist in ihren Einzelheiten auch im Schottener Altar vorgegeben. Auch dort zwischen den Personen ein Spruchband und die Vase mit drei Lilienblüten.40 Gefangennahme Jesu Bielefeld Fotos: Ceres-Verlag Warendorf Vom rechten Flügel in Bielefeld ist die Gefangennahme Jesu erhalten geblieben. Für unsere Vergleiche wohl eines der besten Beispiele, denn seine Inszenierung wiederholt sich vorbildlich (im wahrsten Sinne des Wortes) auf dem Flügelaltar in Warendorf – nur mit anderen Figuren. Ihre Stellung zueinander und ihre Handlungen kehren im Warendorfer Bild völlig gleichartig wieder. Von allen Seiten dringen die Häscher auf die drei Hauptpersonen ein. Petrus steckt sein Schwert in die Scheide, der von ihm verletzte Lampenträger Malchus ist zu Boden gegangen. Judas umarmt Christus und küsst ihn auf die Wange, während dieser mit der rechten Hand dem Häscher Malchus das abgeschlagene Ohr wieder anheilt. 41 Bielefeld Foto: Ceres-Verlag Warendorf Foto:Wakonigg Darup Foto. H.Kerkeling In weiteren Szenen Bielefelds, die bestimmte Dinge aus den späteren Bildern von Darup, Warendorf und Isselhorst vorwegnehmen, fällt die Geißelung Christi auf. In dieser Szene kniet seitlich von der Säule am Boden ein Scherge, der das Bein Christi mit einem Seil umschlingt - von der Idee her wiederum ähnlich dem Seil haltenden Mann in der Geißelung in Isselhorst, Warendorf und Darup. 42 Bielefeld Foto: Ceres-Verlag Darup Foto: H.Kerkeling Auch die Kreuztragungen in Isselhorst, Warendorf und Darup übernehmen Aufteilung und Szenenideen vom Bielefelder- und auch vom Berswordt-Altar. Wie der Vergleich der beiden Abbildungen zeigt, ist die Nähe zur Kreuztragung in Darup auffallend. Der das Kreuz schleppende Christus wird an einem Strick vorwärtsgezerrt, während er von hinten tätlich angegriffen wird. Ebenso ist das Motiv, wie Simon von Cyrene unter den linken Kreuzbalken greift um Christus zu entlasten, in Bielefeld ähnlich vorgegeben. Auch die Gestik Marias, die dem Zug mit Maria Magdalene folgt, nimmt die Darstellung der schmerzhaft auf die Brust gepresste Hand vorweg. Die Kreuzigung ist auf dem Marienaltar in Bielefeld als ein Reihenbild nur wenig aussagekräftig. Im Berswordt-Altar dagegen bildet diese Szene das Hauptthema und füllt das breit gelagerte Rechteck der Mitteltafel voll aus. Im Gegensatz zur Enge des Mittelbildes in Isselhorst steht den Figuren viel Platz zu ihrer Entfaltung zur Verfügung. Der Gekreuzigte im Mittelpunkt stimmt mit dem Christus der Tafeln des Meisters von Münster in Kopfneigung sowie Körper- und Beinhaltung im Prinzip überein. Variiert sind Armhaltung, offene Handflächen, die die Nagelung zeigen oder geschlossene Hände, die wie in Isselhorst und Warendorf die Nägel umfassen. Im Übrigen ist es auf allen Bildern wie in Wildungen ein verklärter Christus, der entschlafen ist. Vermutlich ist diese Art der schon überirdi-schen Darstellung des Gekreuzigten auf französischen Einfluss zurückzuführen, dem sich Meister Conrad ebenso wie der Berswordt-Meister zugewandt hatten. Es ist sehr aufschlussreich, die Inszenierung der Berswordt-Kreuzigung mit den Arbeiten des Meisters von Münster zu vergleichen. Außer in Isselhorst, wo das schmale Format des Mittelbildes für die Kreuzigung es nicht ermöglicht, übernimmt der Meister von Münster für die Bühne in Warendorf und Darup die landschaftliche Konzeption vom Berswordt-Altar. In diesen drei Bildern ist der Ort der Kreuzigung ein Tal, während rechts und links Anhöhen zu sehen sind. In Darup sind sie felsig und mit Bäumen bestanden, in Warendorf mit Kirche und Häusern bebaut. Die besondere Szenerie, die in gleicher Form auf dem Wildunger Altar nicht zu finden ist, läßt Christus am Kreuz vor einem unverstellten Himmel erscheinen. 43 Berswordt-Altar Warendorfer Altar Wildunger Altar Der „einsichtige Schächer“ im Berswordt-Altar findet eine bemerkenswerte Wiederholung im Waren-dorfer Bild. Beide Male ist der nach oben blickende Verurteilte in übereinstimmender Form eng und stramm an den Kreuzbalken geknüpft. Hinter ihm wird seine Zukunft angedeutet – in Dortmund eine fromme Seele vor dem Himmel, in Warendorf eine Kirche, nach dem Verständnis das Symbol für das himmlische Jerusalem. Vergleicht man diese Bilder mit dem Schächer im Wildunger Altar, so findet sich dort eine andere Art der „Aufknüpfung“. Im Detail von Wildungen bekommen dessen Arme eine unnatürliche Stellung, anscheinend sind dem Schächer die Armknochen gebrochen worden. Daruper Altar Foto: H.Kerkeling Berswordt-Altar Foto: Wikipedia Im Berswordt-Altar findet sich vorbildhaft die Darstellung des „Guten Hauptmanns“, der frei rechts neben dem Kreuz steht und mit erhobener Hand auf das fliegende Band seines Ausspruches weist. Es ist vor allem die Hervorhebung der Persönlichkeit des Hauptmanns, der von groben, dummen Schergen umgeben ist, ein Prinzip, das auch für Isselhorst übernommen wurde. Der Isselhorster Hauptmann ist mit seinem auffallenden Turban sowohl in Darup als auch in Warendorf als Nebenfigur rechts unter dem Kreuz wiederzufinden. In Warendorf ist er dort zwar halb verdeckt, doch seine ele-gante Beinstellung ist dem Mann neben ihm mitgegeben worden. Die etwas freiere Stellung dieser Figur im Daruper Altar ist zum Vergleich besser geeignet, als in der gedrängten Szenerie in Isselhorst. 44 Bielefeld Isselhorst Ebenfalls vorbildhaft für Isselhorst war die Berswordt-Gruppe der fünf Trauernden. Sie nehmen die Stellung zueinander, Haltung, Gestik und Blickrichtung dem Isselhorster Bild vorweg. Der Meister von Münster musste sie dort aufgrund der geringen Breite unter dem Kreuz eng zusammen aufreihen. Die Komposition der Figuren, die Kleidung und die Haltung zueinander, insbesondere die Ausrichtung des Johannes ist prinzipiell die gleiche. Zum Vergleich ist auch die Kreuzabnahme in Warendorf hervorzuheben, die in gewisser Ähnlichkeit sowohl in Bielefeld als auch in Dortmund vorgebildet wurde. Auf allen drei Bildern wiederholt sich die Darstellung des auf einer Leiter stehenden Helfers, der den leblosen Körper Christi dem vornehm gekleideten Josef von Arimathäa vorsichtig in seine mit einem weißen Tuch bedeckten Arme gleiten lässt. Ebenso zieht in allen drei Fällen im Vordergrund ein Helfer mit einer großen Zange noch den letzten Nagel aus den Füßen Christi. Die Inszenierung im Berswordt-Altar kommt dabei dem Seitenbild auf der Mitteltafel des Warendorfer Altars sehr nahe. Erwähnenswert ist dazu auch die Kreuzabnahme im Marienfelder Altar des Johann Körbecke, der hervortretende Teile der Bildinszenierung übernimmt. Die Gegenwart der Bielefelder, Dortmunder und Warendorfer Kreuzabnahme ist auch bei Johann Körbecke allenthalben spürbar. Hier soll noch einmal auf die vermuteten familiären Beziehungen des Meisters von Münster alias Hinrich Körbecke zu seinem Sohn Johann Körbecke aufmerksam gemacht werden. 45 Berswordt-Meister, Dortmund Foto: Ceres-Verlag Meister von Münster, Warendorf. Foto R. Wakonigg Johann Körbecke, Marienfelder Altar46 Berswordt-Meister Bielefeld Das Pfingstwunder im Bielefelder Altar Meister von Münster, Das Pfingstwunder Burg Altena Foto:Burgmuseum Warendorf / Freckenhorst Foto der Verfasser47 Oelbergszene Bielefelder Altar Foto: Ceres-Verlag Warendorfer Altar Foto: R.Wakonigg Im Vergleich der Bilder des Meisters von Münster in Isselhorst, Warendorf und Darup mit denen des Berswordt-Meisters in Bielefeld und Dortmund wird deutlich, wie Gedanken, Vorstellungen und Einfälle zur Einrichtung einer Szene durch künstlerische Verbindungen weitergereicht wurden. Offensichtlich hatte der Meister von Münster eine direkte Verbindung zum Berswordt-Meister. Er muss dessen Altarbilder gesehen, sehr genau studiert oder sogar selbst daran mitgearbeitet haben. Als eigenständiger Künstler in Münster kopierte er aber nicht das Gesehene in seinen Werken, sondern setzte die Themen mit eigenen Mitteln in Szene. In der Kunstszene der damaligen Zeit, in der eine sehr große Anzahl von religiösen Bildern entstand, blieb es nicht aus, dass Kundenwünsche berücksichtigt wurden und untereinander ein lebendiger Austausch von Ideen herrschte. So ist auch der Einfluss des Conrad von Soest in den Bildern des Berswordt-Meisters und auch in den Arbeiten des Meisters von Münster spürbar. Enge Verbindungen der Werkstätten untereinander, gegenseitige Inspiration, mit Sicherheit auch eine lebhafte Gesellenwanderung über weite Distanzen, verbreiteten neue Ideen und sorgten für eine ständige Weiterentwicklung der bildenden Künste. Mit Blick auf die Arbeiten des Meisters von Münster, seine Flügelaltäre von Darup, Warendorf und Isselhorst, liefern die Altarbilder der Marienkirche in Bielefeld und der Berswodt-Kapelle in Dortmund weitaus mehr Vorbildhaftes als der vielfach zitierte Wildunger Altar des Conrad von Soest. Allerdings ist das Vorbild des Gekreuzigten von Conrad beim Meister von Münster deutlich spürbar. Conrad tritt in der Darstellung seiner höfischen Kultur auch mit einer anderen Bildbühne hervor. Nicht zu übersehen ist auch die Qualität des handwerklichen Könnens - zum Teil mit portäthaften Gesichtern - in der er sich von den Gemälden des Berswordt-Meisters deutlich abhebt. Eine Annäherung schafft erst der Meister von Münster, wie sich in der Verkündigungsszene in Warendorf herausstellt. Möglicherweise war die Darstellung dieser feinen höfischen Art auf anderen Bildern auch nicht gewollt. Seine Auftraggeber in Warendorf, Darup und dem Kloster Marienfeld wünschten vermutlich eine biblische Geschichte, mit deren Figuren sich die Gläubigen ihrer Gemeinden identifizieren konnten. 48 Eine Darstellung der Klosterkirche Marienfeld im Isselhorster Altar Die für die Schule des Meisters von Münster so aufschlussreiche Darstellung Annas und Joachims, die nach der Legende beide an verschiedenen Orten von einem Engel die Kunde vom zu erwartenden Kind „Maria“ bekamen, verdient noch einmal unsere Aufmerksamkeit. Sie treffen sich an der Goldenen Pforte des Tempels, die sich nach der Weissagung öffnet, wenn der Messias erscheint. In der römischen Kirche ist aus diesem Gedanken heraus die Symbolik auf die Ostung der Kirchen übertragen worden. Mit dem Aufgang der Sonne ist das Ostfenster der Ort der Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag.45 Um auf dieses Detail genauer einzugehen, hier noch einmal die schon oben erfolgte Beschreibung: Im Isselhorster Altarbild ist die Goldene Pforte ohne Zweifel der Ostteil einer Kirche mit einem großen Fenster. Der Bau ist in der Form einer hellgrauen dreischiffigen gotischen Kirche gehalten. Die Bedachung ihrer Schiffe besteht aus blauen Schindeln. Das Mittelschiff ist mit rundbogigen Seitenfenstern, das Seitenschiff mit einem gotischen Maßwerkfenster und Blendbogenfriesen darunter dargestellt. Der Künstler nutzt hier die in der Annengeschichte vorkommende Baulichkeit des Tores zur Darstellung der damals beliebten Idealarchitektur, wie sie aus der französischen Kunst vorgegeben wurde. Hervortretend sind nicht nur die Maßwerkfenster und Blendbogen, sondern auch ein mit Krabben besetzter Giebel und Fialen zu beiden Seiten, die bis in den roten Bildrahmen reichen, sowie Zinnen als Giebelabschluss des Pultdachs am Seitenschiff. Das Detail der Annenlegende im Isselhorster Altar im Vergleich mit den Stifterbildern Marienfelds aus dem 17. Jh. Lässt man die idealisierten spätgotischen Architekturzugaben fort, ist hier tatsächlich der Ostteil der Klosterkirche von Marienfeld zu sehen. Uns stehen zwar Aufnahmen moderner Fototechnik der heutigen Abteikirche zur Verfügung, doch die Nähe zur idealisierten und hier auch modellhaften Wiedergabe vermittelt eher eine Reihe aus dem 17. Jahrhundert stammender Stifterbilder des Klosters. Die drei malerischen Wiedergaben der Klosterkirche, etwa 250 Jahre nach dem Isselhorster Altar entstanden, liefern die besten Übereinstimmungen und machen den Eindruck nachvollziehbar: Es sind das Stifterbild am Hof Meier-Westmeier in Marienfeld, das ähnliche, aber zeitlich jüngere Bild im Bistumsarchiv Münster und ein weiteres, etwas später entstandenes Bild, dass sich heute in Schloss Harkotten bei Füchtorf befindet. Die Bildkomposition auf dem Gemälde vom Hof Meier-Westmeier 45 Jungmann, Josef Andreas, Die Ostung, in: Symbolik der katholischen Kirche, Stuttgart 1960.49 zeigt die Kirche sogar modellhaft wie die Darstellung auf dem Isselhorster Tafelbild. Eines der Stifterbilder bringt die Wiedergabe der Klosterkirche mit dem großen Ostfenster, 46 so wie der Meister von Münster es auf dem Isselhorster Altar abgebildet hat. Zudem erscheinen bei ihm im Obergaden der Kirche die romanischen Fenster,47 die mit Ausnahme des östlichen Fensters erst nach 1500 vom Abt Münstermann vergrößert wurden. Zeitgeschichtlich korrekt fügte der Maler auch die gotischen Maßwerkfenster der Chorseitenschiffe ein, die die Kirche im 14. Jahrhundert bekommen hatte. Ebenso hat es um diese Zeit in Marienfeld noch eine hölzerne Schindelbedachung gegeben,48 bis die Kirche mit Blei und Kupfer eingedeckt wurde.49 Die mittelalterlichen Kirchen in Westfalen sind so individuell gebaut, dass im Vergleich ganz sicher nur die Klosterkirche Marienfeld für dieses Abbildungsdetail infrage kommt. Zudem war das Kapitel des Zisterzienserklosters Auftraggeber des Altars beim Meister von Münster. Was lag also näher, dass dieser in dem Altarbild eine Reminiszenz für das Kloster unterbrachte. Durch die charakteristischen Einzelheiten, die im Grunde dem noch heute vorhandenen Erscheinungsbild entsprechen, kommt dem Einzelbild des Isselhorster Altars sogar ein dokumentarischer Wert zu. Dieser versetzt uns um 1420 in die Amtszeit des wohl auftraggebenden Marienfelder Abtes Hermann (1410-1443), von dem die Klosterchronik berichtet, dass er zahlreiche Neuerwerbungen tätigte und viel in den geistlichen Belangen innerhalb und außerhalb des Klosters erreichte.50 Der erste Aufstellungsort des Isselhorster Altars Die Anschaffung eines Flügelaltars war auch damals schon sehr teuer und entsprach etwa dem Wert eines Bauernhofes. Entsprechend stellt sich die Frage, ob das Kloster ein solches Wertobjekt dem Isselhorster Kirchspiel zur Verfügung stellte. Die damals im Vorfeld der Reformation allgemeine Verbreitung der Tafelbilder als „Bibel der Armen“ für eine des Lesens unkundige Landgemeinde spricht für diese Vorstellung. Doch die gleichen Bedürfnisse hatten auch die einfachen Laienbrüder und Knechte des Klosters, so ist es möglich, dass Abt Hermann das Flügelbild nicht für die Isselhorster Kirche, sondern für den Laienaltar vor dem Lettner der Klosterkirche gedacht hatte. Vermutlich machte er erstmals von der um 1400 vom obersten Ordenskapitel beschlossenen Erlaubnis Gebrauch, bildliche Darstellungen in die Zisterzienserkirchen hereinzunehmen. Entsprechend der seltenen Annenbilder auf dem Isselhorster Flügelaltar scheint dieses Thema für Marienfeld von besonderem Interesse gewesen zu sein; denn der Klosterchronist erwähnt zur Zeit Hermanns die Aufstellung eines Annenaltars vor dem Lettner. Vorstellbar ist diese Bezeichnung aber wohl nur in Verbindung mit einem Altaraufsatz, dessen Bilder Szenen aus der Annenlegende zeigten, die ja ein Teil der bei den Zisterziensern bevorzugten marianischen Themen waren. Aus dieser Sicht entsprach der Isselhorster Altar den Anforderungen des Ordens, im Mittelpunkt die Kreuzigung Christi als das traditionelle Thema vor dem Lettner beizubehalten. Die Darstellungen zur Legende Annas sowie aus dem Leben Marias mit Verkündigung und Geburt Jesu erweiterten die Mitteltafel namensgebend als Annenaltar. 46 Böhmer, Rudolf / Paul Leidinger, (Universität Münster), Chroniken und Dokumente zu der Geschichte der Zisterzienserabtei Marienfeld 1185 – 1803 in deutscher Übersetzung. (Die Chronik des Mönchs Hartmann von 1715) Marienfeld 1998. S. 54: Abt Nikolaus (1318-1344) ließ das Ostfenster einbauen und die südliche, wie die nördliche Chorseite verbreitern „wo es zuvor sehr eng und dunkel war“. siehe auch: Hölker, Karl, Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Kreises Warendorf, Münster 1936, S. 218. 47 Böhmer/Leidinger. Chronik. S. 88: Münstermann ließ durch Erneuerung und Restaurierung der Fenster die Kirche aufhellen. Sigrist/Strohmann, Befunde bei der Außenrestaurierung Marienfelds, in: Westfalen Bd. 72, Münster 1994. 48 Pieper, Tafelbilder, Beschreibung linker Flügel, S. 78. 49 Böhmer/Leidinger, Chronik, S. 54, Abt Nikolaus (1318-1344) ließ einen großen Teil der Kirche, die vorher nur mit Holzschindeln gedeckt war, mit Blei decken. Unter Abt Hermann und Abt Münstermann wird berichtet, dass Nikolaus zunächst das Langhaus mit Blei eindecken ließ. 1826 verbrannte dieses Dach, nach einem Strohdach kam die Ziegeleindeckung im Jahr 1830. siehe: Hölker, Marienfeld, S.222. 50 50 Böhmer / Leidinger, Chronik, S. 68 ff. und Pieper, Tafelbilder, S.166.50 Marienfeld, Querschnitt durch den Chor der Klosterkirche. Die versuchsweise Anordnung des Isselhorster Altars vor dem damals romanischen Lettner zeigt, dass das Triptychon eine annehmbare Größe für die Laienkirche aufwies und dort gestanden haben könnte. M = 1 : 100 Zeichnung der Verfasser51 Vermutlich entwickelte Abt Hermann eine Vorliebe für die damals aufkommenden Wandel-Bildaltäre. Nach Aufstellung des Annenaltars erteilte er noch in seiner Amtszeit bei einem Meister in Münster einen weiteren Altarauftrag. Diesesmal einen großen Flügelaltar für den Hochaltar der Kleriker im Chorraum, der als berühmter Marienfelder Altar in die Kunstgeschichte einging. Der Marienfelder Altar ist von dem Maler Johann Körbecke gemalt worden und erst zur Zeit des Abtes Arnold von Bevern (1443-1478) am 6. Februar 1457 geliefert worden.51 Die Weihe erfolgte im Juni 1458.52 Der später folgende Abt Münstermann (1498-1536) ließ die heute noch größtenteils vorhandenen spätgotischen Chorschranken mit dem filigranen Sakramentsturm aus Baumberger Sandstein anfertigen. Für den damals auch neu entstandenen Lettner, den man aufgrund seines Figurenreichtums „Apostelgang“ bezeichnete, wurden drei Altäre mit steinernen Retabeln geschaffen, die vollplastische Szenen aus dem Neuen Testament zeigten.53 Einer dieser Altäre ist noch im Südqueurhaus vorhanden, das Gegenstück dazu befindet sich im Landesmuseum Münster. Der dritte Altar vor der Mitte des Lettners wurde nach seinem Abbau im 17. Jahrhundert vermutlich zum Kloster Hardehausen weitergegeben, wo er nach der Säkularisation mit der Kirche unterging. Nach der Marienfelder Chronik ist für diesen Altar der Laienkirche aber die Thematik der Annenlegende beibehalten worden. Statt des gemalten Flügelaltars vom Meister von Münster, stellte das Kapitel ein steinernes Retabel auf, dem wahrscheinlich bemalte Holzflügel angefügt waren. Gleichzeitig ließ Münstermann die romanischen Doppelfenster im Obergaden zu einem Spitzbogenfenster vergrößern, um mehr Licht in die Kirche zu bekommen. Außerdem wurde der gesamte Kirchenraum mit einer spätgotischen Rankenmalerei dekoriert, die in Ansätzen heute noch sichtbar ist. Diese phantasievolle Raumfassung und die Farben der Altargemälde in der Einheit mit der Austattung aus warmtönigem Baumberger Sandstein müssen der Klosterkirche damals ein wundervoll harmonisches Erscheinungsbild gegeben haben. Die Weitergabe des Flügelaltars nach Isselhorst In der Geschichte Marienfelds ist immer wieder nachzuvollziehen, dass bei Erneuerungen an Kirche und Klosterbauten auch die Filialkirche in Isselhorst positiv berücksichtigt wurde. So veranlasste Abt Münstermann nach 1500 auch eine spätgotisch geprägte Renovierung der Isselhorster Kirche, wobei die Erneuerung des Südportals mit Stabwerkfassung mit einem spätgotischen Maßwerkfenster darüber ausgeführt wurde. Wahrscheinlich erfolgte neben der Anschaffung von Glocken und einer Uhr auch eine Erneuerung des Turms mit Spitzhelm, Maßwerkfenstern im Glockengeschoss und eine Neugestaltung des Westportals mit gotischem Stabwerkbogen, in den man die Jahreszahl 1517 einfügte. Es ist möglich, dass Abt Münstermann den durch die Erneuerungen in der Klosterkirche überzähligen, inzwischen fast 100 Jahre alten Flügelaltar des Meisters von Münster erst zu dieser Zeit nach Isselhorst weitergegeben hat. Obwohl wir nur aus der Abbruchzeit der Dorfkirche auf knappe Informationen zurückgreifen können, ist in Isselhorst der typischen Wandel der Altargestaltung nachvollziehen. Bis um 1500 befand sich im Chorraum der Isselhorster Kirche eine freie Altarmensa, dessen Hohlraum zur Aufbewahrung von Reliquien oder Altargerät diente. Die künstlerische Ausstattung geschah hauptsächlich durch das Antependium, jenem von der Mensa herabfallenden Stoffbehang, der späterhin auch als Bekleidung der Frontseite aus Metall oder Holz gebildet wurde. Häufig schmückte man die Wand hinter dem Altar mit Gemälden, woraus sich der Gebrauch von Altaraufsätzen, sogenannten Retabeln ergab, die mit Reliefs oder Malereien vesehen waren. Entsprechend dieser Entwicklung befanden sich auch hinter der Isselhorster Altarmensa auf der gerade geschlossenen fensterlosen Ostwand eine Reihe gemalter 51 Böhmer / Leidinger, Chronik, S. 75, 76. 52 Johann Körbecke * um 1420 in Münster oder Coesfeld, † um 1490, 1442 nach Heirat seiner Frau Elseke in Münster mehrfach nachweisbar. 53 Böhmer / Leidinger, Chronik, S. 87 f, S. 91. Hölker, Marienfeld. Zerstreute Kunstwerke aus Marienfeld, S. 28252 Isselhorst, mittelalterliche Pfarrkirche bis 1878. Der rekonstruierte Aufbau des gotischen Triptychons auf der Altarmensa im Chor der Kirche. Die maßstäbliche Zeichnung weist nach, dass die Altaranordnung in der Dorfkirche keinesfalls übermäßig groß war. M = 1 : 100, Zeichnung der Verfasser53 Südansicht der Kirche zu Isselhorst mit deutlichen spätgotischen Veränderungen, die auf die Zeit des Marienfelder Abtes Heinrich Münstermann zurückgehen. sechs Fuß hoher Figuren, dem Faltenwurf nach frühgotisch. 54 Auf dem Chorgewölbe befand sich ein Bild des Jüngsten Gerichts, Christus als Weltenrichter auf dem Regenbogen. Diese Malereien blieben auch nach Aufstellung des Flügelaltars erhalten und sind wahrscheinlich in die damals erneuerte gotische Raumfassung integriert worden. Die durch die Anbringung des Triptychons verstellte Aufbewahrungsstätte des Altarsakramentes wurde durch die Aufstellung eines Sakramentshauses an der Nordseite des Chors ersetzt, das die Jahreszahl 1496 aufwies.55 Dieses hatte vermutlich ebenfalls schon im Chor der Klosterkirche gestanden, bevor es dort gegen Münstermanns großen Sakramentsturm ausgewechselt wurde. Mit dem Flügelaltar und dem dadurch auch notwendigen Sakramentshaus wurde der Chorraum der Kirche dem Bedarf der damaligen Liturgie angepasst. Nach Einführung der Reformation zog sich das Kloster Marienfeld aus der Bauunterhaltspflicht der Kirche in Isselhorst zurück.56 Die nun selbständige lutherische Gemeinde musste fortan für die Einstellung des Pfarrers und mit allen Konsequenzen für den Unterhalt der Kirche sorgen. Die Einführung der Reformation bedeutete in den jeweiligen Gebieten zunächst das Ende für die bis dahin reiche Kirchenausstattung mit vielen Altären, Bildwerken und Gemälden. Die neue, den Vorrang des Wortes betonende Lehre stand der bildlichen Darstellung religiöser Themen und Inhalte allgemein ablehnend gegenüber, was mancherorts bis zum Bildersturm führte. Während Reformatoren wie Karlstadt, Zwingli und Calvin einer kirchlichen Bildkunst unter Hinweis auf das Alte Testament und die Apostel jegliche Daseinsberechtigung absprachen, nahm Luther in dieser Frage eine anfangs von toleranter Gleichgültigkeit geprägte und später durchaus positive Haltung ein. Er betrachtete die Bilder nicht als potentielle Aufforderung zum Götzendienst, sondern als in religiöser Hinsicht wertneutrale Gegenstände. Bilder besaßen lediglich Zeichencharkter und waren somit von sich aus weder gut noch schlecht, dazu machte sie erst ihr jeweiliger Gebrauch. So wandte sich Luther, entsprechend seiner Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein durch den Glauben und die göttliche Gnade, entschieden gegen die Vorstellung, das das Stiften oder Betrachten frommer Bilder Bedeutung für das Seelenheil haben könnte. Als Gedächtnisübung sowie als didaktisches Hilfsmittel besaßen Bilder nach Anscht Luthers aber einen nicht zu verkennenden Nutzen. Das Bild wandelte sich so im Protestantismus vom Andachts- zum Lehrobjekt, welches das 54 Aufzeichnung des Herrn Frankenberg vom 14. August 1878. 55 Der Isselhorster Pastor Alemann erwähnt im 18. Jahrhundert in seiner Inventarliste dieses Sakramentshaus im Chor als „Pyramide mit der Jahreszahl 1496“. Diese wurde für eine Orgelempore entfernt. 56 Der Marienfelder Abt behielt aber Mitsprache bei der Wahl des ev. Pastors in Isselhorst.54 Evangelium und die Grundgedanken der neuen Lehre illustrierte. 57 Aus dieser Sicht wird man auch in Isselhorst kaum einen Bildersturm in der Kirche veranstaltet haben. Auch an anderen Orten der Region, z. B. in der genannten Neustädter Marienkirche in Bielefeld oder in der unmittelbar benachbarten Steinhagener Kirche erhielt man die alten Bildaltäre. Nicht einmal die Abtrennung der Altarflügel wurde zugelassen; denn damit wurde gleichzeitig die Abfolge der Bilderzählung und so die belehrende Wirkung auf den Beschauer zerstört. Trotz neuer Konfession blieb also auch in Isselhorst das Triptychon auf der Altarmensa und ebenso auch das Sakramentshaus an seinem Platz. Hervorgehoben von den eher zurückhaltenden Annenszenen und der von den Verfassern angenommenen Verkündigung und Geburt Christi auf den Seitenflügeln stand das Leiden und Sterben Christi im Mittelpunkt des Flügelaltars – als neutestamentarische Themen durchaus akzeptabel für eine lutherische Gemeinde. Es bestand also kein Grund, ihn aus der Kirche zu entfernen oder ihn mit einer neuen Fassung zu bemalen. Erst die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und die damit einhergehenden Plünderungen und Zerstörungen am Kirchengebäude, zerschlagene Fenstern oder oft über viele Jahre nicht mögliche Reparaturen am Dach werden dem empfindlichen Kunstwerk zugesetzt haben. Selbst bei geschlossenen Flügeln dürfte das Triptychon durch Wind und Wetter gelitten haben. Die Beschädigungen der mittelalterlichen Malerei, die man bei Entfernung der barocken Malschicht feststellen musste, waren typisch für durch Regenschlag eindringende Feuchtig-keit. Diese zog durch die Alterssprünge und Fehlstellen der Farbschicht zum Bildträger und ließ ihn an unübersehbar vielen Stellen aufquellen. Noch größer waren die Schäden auf dem rechten Innenflügel und den Außenseiten, hier hatte sich die Farbschicht samt Kreidegrund und Leinen vom Holzträger abgelöst. Die Gemälde auf diesen Flügelseiten waren dadurch verloren. 57 Jürgens, Renate, Kirchliche Kunst, in: Weserrenaissance, S.49755 Die manieristisch-frühbarocke Zweitfassung des Flügelaltars Als die Gemeinde die Kirche wieder herrichtete, erfolgte auch eine Wiederherstellung des Tripty-chons. Seine Tafeln erhielten eine neue Bemalung, wofür die noch intakten gotischen Bilder glatt-geschliffen wurden und als Untergrund dienten. Die zerfallenen Bildflächen der Flügel wurden ganz entfernt. Der Künstler stellte nun nach lutherischem Verständnis das Letzte Abendmahl auf der Haupttafel in den Mittelpunkt und gestaltete die Flügel mit der Passion Jesu. In dieser Fassung diente das Retabel als Andachtsbild auf dem Altar in Isselhorst bis zum Abbruch der alten Dorfkirche. Die vom 19. Jahrhundert ausgehende negative oder bestenfalls gleichgültige Einstellung zu Renaissance, Manierismus und Barock hat die Zweitfassung des Isselhorster Altars dann weiterhin nicht mehr beachtet. In der (neu)gotischen Isselhorster Kirche, die als Gesamtkunstwerk auch in der Einrichtung einheitlich und puristisch keine anderen Stilformen als den Spitzbogen vorsah, hatte das Flügelbild keinen Platz mehr. Entsprechend geriet es an seinem Abstellplatz in Vergessenheit. Bei der Wiederentdeckung 1904 war man nur an den mittelalterlichen Tafelbildern interessiert und kratzte ohne vorherige Dokumentation die manieristischen Malereien ab. Auf dem Seitenflügel, der keine gotischen Malereien mehr aufwies, beließ man die Zweitfassung und gab ihn nach Isselhorst zurück. Erst im ausgehenden 20. Jahrhundert ist der Kunstrichtung des 16./17. Jahrhunderts die verdiente Aufmerksamkeit geschenkt worden. Besonders die Forschung über die bedeutende künstlerische Hinterlassenschaft der Weserrenaissance hat den Blick auf den Manierismus eröffnet und ihm den verdienten Stellenwert eingeräumt. Die Verfasser werden folgend erstmals die Malerei im Zweiten Isselhorster Altar genauer betrachten, analysieren und bewerten. Anhand der drei noch vorhandenen Bildtafeln ist zu sehen, wie die mittelalterliche Malerei mit ihren lebendigen, sehr farbigen Darstellungen gegen die ernsten Gemälde des Abendmahls und der Passion Jesu ausgetauscht wurden. Die jetzt formatfüllend angelegten Bilder sind in der religiösen Malerei des frühen Barock geschaffen worden, die von Italien ausgehend in den Niederlanden eine unvergleich-liche Beherrschung des Helldunkelkontrastes erreichte. Die hervortretenden Maler dieser Zeit versuchten sich von der Künstlichkeit des Manierismus zu lösen um zu einer Vertiefung der realen Wirklichkeit zu finden. Barocktypisch wurden eine gesteigerte Dynamik, diagonale Kompositionslinien und die Verwendung kräftiger Helldunkeleffekte. Die Künstler oder Kunsthandwerker, die in der westfälischen Provinz arbeiteten, malten aber noch über lange Zeit nach Vorlagen, die allgemein als Stiche verbreitet wurden. Hier vermischten sich Manierismus und Frühbarock, Vorgaben, die in den Darstellungen der Isselhorster Barockbilder wiederkehren. So treten uns die Passionsszenen an düsteren Orten entgegen, wo die am Geschehen beteiligten Personen im gespenstischem Licht stehen. Ernst und Dramatik der Verurteilung, der Folter und der Mühen der Kreuztragung werden von Fackeln beleuchtet theatralisch gesteigert. Die Entwicklung des Abendmahlsmotivs zum protestantischen Altarbild Der ehemals gotische Flügelaltar in Isselhorst erhielt auf der Mitteltafel die Darstellung des Heiligen oder Letzten Abendmahls, ein Bildthema das in der Kirche erst spät in den Vordergrund gestellt wurde, bevor es zum bevorzugten Altarbild der protestantischen Kirche aufstieg. Als im 12. Jahrhundert das Altarretabel aufkam, war das Abendmahl als Hauptthema sehr selten. In der plastischen Kunst nahm es eher einen Platz ein in den neutestamentarischen Bilderzyklen (Türen von St. Maria im Kapitol in Köln) oder in Relieftafeln von Begleitfriesen an Außenfassaden oder im Inneren der Kirchen, sowie als Illustration liturgischer Handschriften. Als in der Mitte des 14. Jahrhundert die florentinischen Klöster begannen, ihre Refektorien mit der Darstellung des Heiligen Abendmahls zu schmücken, leiteten sie eine Entwicklung ein, die in Leonardos berühmten Mailänder Abendmahl gipfelte.58 Hier erhielt das Abendmahlsbild zwar Eigenwert und den Rang eines monumentalen Einzelbildes, es befand sich aber im Refektorium, einem weltlichen Raum. Den entscheidenden Schritt, dem Bild im Kirchenraum eine repräsentative Stellung zu geben, vollzogen erst zum Ende des 15. Jahrhunderts die 58 Oertel, S. 226.56 Sakramentsbruderschaften in Italien und den Niederlanden. Sie begründeten den Abendmahlsaltar, der in verschiedenen Fassungen von nahmhaften Künstlern gestaltet wurde. Der älteste deutsche Abendmahlsaltar ist Riemenschneiders Heiligblutaltar in Rothenburg, 1499 in Auftrag gegeben. Hier ist das Abendmahl Mittelbild, jedoch auf einem Nebenaltar. Als Hochaltarbild ist es erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Dom zu Forli nachweisbar. In der katholischen Kirche blieb der Abendmahls-altar als Hochaltar zwar die Ausnahme, doch als das Thema in der bildenden Kunst hohen und höchsten Rang einnahm, erfolgte die Auszeichnung des Abendmahlsbildes auch durch Luther. Luther liebte die Musik, der Umgang mit der bildenden Kunst war ihm zwar nicht persönliches Bedürfnis, aber bilderfeindlich war er nicht. Das Auge war ihm eine Gottesgabe, und als Seelsorger verstand er das Verlangen des Gläubigen nach Anschauung des Heilsgeschehens und wusste um den Wert des Bildes für die Pflege religiösen Lebens. Die Anbetung des Bildes bekämpfte er jedoch und sprach ihm den Wert für das Seelenheil des Stifters ab. Wenn aber der Altar ein Bild haben soll, sollte es nach Luthers Meinung das Abendmahlsbild sein. Er wünschte bei der Gestaltung der Szene zwar weniger das Gewicht auf das historische Geschehen, der Verratsankündigung zu legen. Eine klare Entscheidung für den eucharistischen Inhalt, der Einsetzung des Abendmahls traf er jedoch nicht.59 Er empfahl auch die Darstellungen mit Inschriften zu versehen, um eine eindeutige Interpretation zu gewährleisten. Die protestantischen Maler wählten zumeist die Verratsszene für ihr Bild, weil sie im Sinne des Manierismus und Barocks bewegter und dramatischer dargestellt werden konnte. Anders die katholische Kirche, die ihre ganze Kraft in den Dienst der Verherrlichung der Eucharistie stellte, wie in der italienischen Kunst des 16. Jahrhunderts und im umfangreichen Werk der Gegenreformation in Süddeutschland festzustellen ist. Martin Luther selbst hatte das Motiv des Heiligen Abendmahls vorgeschlagen, das er für den Altar als Ort des Sakraments als das angemessenste erachtete. Der Gemeinde sollte bei der Abendmahlsfeier deren Urbild vor Augen gestellt werden. Die evangelische Kirche hat seinen Rat befolgt, so dass es zum Kennzeichen des protestantischen Altares geworden ist. Reliefs und Gemälde dieser Bibelszene haben sich zahlreich in den Predellen oder Haupttafeln niederdeutscher Altaraufsätze erhalten und dienen noch immer ihrer ursprünglichen Bestimmung. Ob der Maler des Altargemäldes in Isselhorst dem Motiv des historischen Geschehens der Verrats-ankündigung oder dem Motiv der Einsetzung der Eucharistie den Vorzug gab, ist nicht mehr nachvollziehbar. Das Abendmahlsbild auf dem Mittelteil und die Kreuzigung auf dem linken Seitenflügel sind in Unkenntnis ihres speziellen Kunstwertes um 1900 als grobe Barockmalerei bezeichnet und im Provinzialmuseum Münster vor ihrer Entfernung nicht beachtet worden. Stilistische Zuordnung der Zweitfassung des Isselhorster Altars Mit der Renaissance war die niederländische Kunst schon frühzeitig im niederdeutschen Raum tonangebend und selbst nach dem Dreißigjährigen Krieg wirkte diese Kunstrichtung über den Manierismus im Frühbarock weiter. Einer der frühen Vertreter dieser Kunst war Johann Hopffe (um 1565-1615) auf den, bzw. seinen Nachfolger Daniel Hopffe der Schlüsselburger Altar von 1627 zurückgeht. Hopffe war größtenteils in Hildesheim tätig und führend an der Ausmalung der Bückeburger Schlosskapelle beteiligt. Ein Mitbewerber war S. P.Tileman (Tilman, Tillemann, 1601-1668 oder 1688) mit seinem Sohn Johann Tileman, der lippischer Hofmaler war. Wahrscheinlich fanden beide Maler aber keine ausreichende Beschäftigung in der reformierten lippischen Region; denn ihre Tätigkeit wird mehrfach in Bremen genannt, S. P. Tileman starb 1668 in Wien. Während sich diese Künstler für ihren Broterwerb in ganz Westeuropa bewegen mussten, konnte Johann Georg Rudolphi (1633-1693) aus Brakel unter dem Paderborner Fürstbischof Ferdinand II. (1626-1683) seine ganze Schaffenskraft entfalten.60 Mit Werken in Paderborn, Corvey, Marienfeld usw. war er einer der bedeutendsten Vertreter des westfälischen Barocks. Geschult in Antwerpen trat 59 Oertel, Hermann, Das protestantische Abendmahlbild, S.233, 253. 60 Rudolphi, Wikipedia, „Creative Commons Attribution/Share Alike“.57 er als Maler, Graphiker und Architekt der Gegenreformation für die katholische Kirche auf. Neben diesen Künstlern, die ohnehin schon schwer fassbar sind, gab es eine Anzahl von sehr fähigen Kunstmalern, deren Tätigkeit nach damaligem Verständnis eher als Handwerk angesehen wurde. Sie traten wohl deshalb namentlich nicht hervor und haben ihre Bilder nicht signiert, so dass sebst eine Zuschreibung von Werken nicht möglich ist. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass ihre bildlichen Darstellungen in vielen Fällen keine Originalerfindungen waren, sondern direkte oder freie Wieder-gaben von niederländischen, italienischen, französischen und deutschen Gemälden, die den Malern als Kupferstiche vorlagen. Der Isselhorster Altar in einer rekonstruierten Fassung. Die Verfasser haben die fehlende Kreuzigung auf dem linken Innenflügel mit einem Gemälde von van Dyck ersetzt und für das Abendmahl ein Altarbild aus der Kirche von Hess. Oldendorf verwendet. Die Bilder der Außenseite (oben) und vom rechten Innenflügel sind vorhanden. So wurde der hervortretende Schlüsselburger Flügelaltar mit Gemälden der Kreuzigung, der Aufer-stehung und der Anbetung der Hirten zwar 1627 mit Daniel Hopffe bezeichnet, ist aber durch Verwendung von Kupferstichen als Vorlage eine freie Kopie nach Hans von Aachen. Nach gleichen Vorlagen ist wohl auch der Hochaltar in der Kirche zu Kaldenkirchen entstanden, eine Erwerbung, die noch aus der Zeit des Brigittenklosters stammt. Der schöne Staffelaltar in der Kirche von Meinbrexen an der Weser enthält ein Abendmahl, das man zwar auch Hopffe zuschreibt, dieser aber um 1600 mithilfe eines Stichs von G. Ghisi nach Lombardi gemalt hatte, einem Blatt von 1551 des niederländischen Stechers und Verlegers H. Cock. Bemerkenswert war der Ghisi-Stich nach Lambert 58 Lombardi dem Erzbischof in Mecheln, Antonius Perenotus de Granvella gewidmet. Mehrere unbekannte Maler nutzten einen Sadeler Stich nach Candid – zwischen 1588 und 1595 entstanden - für eine in der evangelischen Kirche wohl sehr beliebte und weit verbreitete Abendmahlsdarstellung. Candid war seit 1586 Hofmaler, Johann Sadeler von 1588-1595 Hofkupferstecher in München.61 Obwohl der Ursprung der Malvorlagen zumeist in der katholischen Kirche zu suchen ist, wurde das Abendmahl im 16. und 17. Jahrhundert das protestantische Bildthema schlechthin. Die Maler und Bildhauer arbeiteten nicht nur nach nachgestochenen Gemälden sondern auch nach Originalgraphiken. Sie waren Teil jener Druckgraphik, die zu dieser Zeit im Dienst der Privatandacht und der Volks-frömmigkeit von allen europäischen Kunstzentren massenweise verbreitet wurden.62 Hermann Oertel hat in seiner Forschungsarbeit zu diesem Thema allein östlich der Weser im Braunschweig-Hannoverschen Raum 114 Abendmahlsdarstellungen des 16. bis 18. Jahrhunderts gefunden, von denen 73 dieser Darstellungen nach Stichvorlagen gearbeitet wurden. Doch das Verbreitungsgebiet dieser Arbeitsweise geht weit über das Untersuchungsgebiet hinaus und umfasst neben dem Abendmahlsmotiv auch weitere biblische Szenen, wir wir sie oftmals an den Emporen-brüstungen der evangelischen Kirchen in Westfalen (Herford), Niedersachsen und Hessen finden. Im aufgezeigte Sachverhalt der „Unselbständigkeit“ des protestantischen Abendmahlsbildes sahen die Zeitgenossen aber kein Plagiat. Die Verwendung einer Vorlage war selbstverständlich und galt als Beweis ihrer besonderen Wertschätzung durch den Künstler oder seinem Auftraggeber. Der Künstler nutzte auch die Freiheit, die Vorlage abzuändern oder mit einer zweiten zu kombinieren. Die Gemälde der Zweitfassung nach Vorlagen Matthäus Merians und Hans von Aachens Die Stichvorlage für das Ecce Homo im Isselhorster Altar, die Matthäus Merian 1630 geschaffen hatte.. Der Maler des Isselhorster Bildes nutzte nur die obere linke Hälfte der Vorlage. Abbildung: aus „Die Merian Bibel“ S. 191. 61 Hermann Oertel, Das protestantische Abendmahlsbild S. 236. Allein das Abendmahl nach Sadeler / Candid findet sich in Duttenstedt, Dellingsen, Münchehof, Dorstadt, Goslar-Frankenberg,Helmstedt, Steph., Groß Elbe, Hornburg, Klein-Dahlum, Klien Winnigstedt, Halle b. Holzminden, Ührde,Hohenhameln, Flensburg Mar.Ki.,Greienstein Oesterr., Mittelnkirchen, Neuenkirchen, Ratzeburg, Alleringersleben, Burkhardswalde, Geusa, Königsbrück, Sebnitz. Die Vorlage wurde bis nach 1700 verwendet. 62 Hermann Oertel, Das protestantische Abendmahlsbild, S. 223.59 Auch die Entstehung der manieristisch-frühbarocken Zweitfassung des Isselhorster Altars steht in der von Oertel angegeben Tradition. Der Maler dieser Zeit nutzte das reiche Kupferstichangebot verschie-dener Künstler, stellte die neue Gestaltung des Flügelaltars aus passenden Vorlagen zusammen und setzte sie in Farbe um. Die Vorlage für die Grablegung Jesu im Isselhorster Altar lieferte eine Radierung von Raphael Sadeler von 1583, die dieser nach einem Gemälde von Hans von Aachen angefertigt hatte. Abb. aus: Peltzer, „Der Hofmaler Hans von Aachen und seine Zeit“. 60 Von den erhaltenen drei Bildern der Isselhorster Zweitfassung konnten die Verfasser bislang zwei Gemälde auf Stichvorlagen zurückführen. Die Außenseite des linken Flügels, der sich heute im Landesmuseum Münster befindet, enthält das Gemälde Ecce Homo, das auf eine Stichvorlage Matthäus Merians d.Ä. (1593-1650) zurückgeht. M. Merian d. Ä. hatte 78 dieser Blätter nach alt- und neutestamentarischen Motiven als Kupferradierungen seit 1628 in mehreren aufeinander folgenden Teilausgaben unter dem Sammelbegriff Icones Biblicae herausgebracht. Während des Dreißig-jährigen Krieges war er genötigt, vorsichtig den Markt für den Absatz dieser Bilder zu prüfen. Im Jahr 1630 illustrierte Merian mit diesen Bildern, die er auf 224 Stück vermehrt hatte, die im typographi-schen Buchdruck erschienene Lutherbibel der Herausgeber Zetzners-Erben in Straßburg.63 Als zweites Gemälde nach einer Stichvorlage konnte die Grablegung Jesu identifiziert werden, wobei für die Mithilfe des LWL-Denkmalamtes Münster zu danken ist.64 Für die Grablegung auf dem in Isselhorst befindlichen rechten Flügel benutzte der Maler eine Stichvorlage von Raphael Sadeler65, die dieser 1593 nach einem Gemälde Hans von Aachens66 angefertigt und verbreitet hatte. Zur Geißelung Christi könnte es ebenfalls eine Kupferstichvorlage geben und auch die bei der Restaurierung der mittelalterlichen Tafeln verlorenen Gemälde Kreuzigung und Letztes Abendmahl dürften nach Vorlagen gemalt worden sein. Da die Kupferstichvorlagen aus verschiedenen Zeiten stammten und dabei die Vorlage für das Ecce Homo von Merian nachweislich erst um 1630 entstand, bzw. publiziert wurde, wird die Zweitfassung des Isselhorster Altar frühestens in die Zeit nach 1630 zu setzen sein. Viel später dagegen wohl auch nicht, da das Ornament auf dem Flügelrahmen für die Zeit um 1630 spricht. 63 Im Nachdruck dieser sogenannten „Merian-Bibel“ der Abi Melzer Produktion, Dreieich(o.J.), ist Merians Abbildung „Die Verurteilung Jesu“ auf S.191 des Neuen Testaments zu finden. 64 Für den freundlichen Hinweis auf Ursprung und Datierung danken die Verfa |
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