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Die mittelalterliche Kirche der Heiligen Chrysanthus, Daria und Kilian zu Haan : Zur Geschichte und Baugeschichte der alten Pfarrkirche zu Haan
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Autor:Sassen, Andreas ; Sassen, Claudia
Titel:Die mittelalterliche Kirche der Heiligen Chrysanthus, Daria und Kilian zu Haan : Zur Geschichte und Baugeschichte der alten Pfarrkirche zu Haan
Übergeordneter Titel:Beiträge zur Heimatgeschichte / Band 15
Erscheinungsjahr:2014
Signatur:18L4227
Katkey:6767042
HBZ-ID:HT018373011
Katkey (Überordnung):6550992
HBZ-ID (Überordnung):HT016938765
Typ:PDF;
Dateiformat:application/pdf;
Rechteinformation:Rechte vorbehalten - Freier Zugang;
Volltext:1 Beiträge zur Heimatgeschichte Band 15 Die mittelalterliche Kirche der Heiligen Chrysanthus, Daria und Kilian zu Haan Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2014 2 3 Die mittelalterliche Kirche der Heiligen Chrysanthus, Daria und Kilian zu Haan ISSN 2192-6840 4 5 Beiträge zur Heimatgeschichte Band 15 Andreas Sassen / Claudia Sassen Die mittelalterliche Kirche der Heiligen Chrysanthus, Daria und Kilian zu Haan Zur Geschichte und Baugeschichte der alten Pfarrkirche in Haan ISSN 2192-6840 Solingen 2014 6 Beiträge zur Heimatgeschichte Beiträge zur Heimatgeschichte ist eine Schriftenreihe zu Themen von Kunst und Architektur in NRW herausgegeben von Andreas Sassen und Claudia Sassen. Zum Titelbild auf der Umschlagseite: Modell der alten Haaner Kirche im Museum Schloss Burg an der Wupper aus dem Gestein, das schon im Mit-telalter zu ihrem Bau verwendet wurde, angefertigt von Werner Selzer und Edgar Falkenstein. Foto: Edgar Falkenstein Impressum: © 2014 Andreas Sassen / Claudia Sassen Hasselstr. 4, 42651 Solingen claudia.sassen@uni-dortmund.de ISSN 2192-6840 Redaktion Claudia Sassen Text Andreas Sassen Zeichnungen Andreas Sassen Druck- und Verlagsort Solingen, Selbstverlag der Herausgeber Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 7 Inhaltsverzeichnis Vorwort………………………………………………………………………………..8 Zur historischen Entwicklung der mittelalterlichen Kirchen im Bergischen Land…………………………………....9 Zur Geschichte der Alten Kirche in Haan……………………………………………14 Der Haaner Kirchenbau, vorhandene Dokumentationen………………………...…...19 Beschreibung der mittelalterlichen Kirche Die Kirche von außen………………………………………………………………...22 Der Westturm…………………………………………………………………………22 Das Kirchenschiff …………………………………………………………………....24 Das Chorhaus ………………………………………………………………………...24 Das nördliche Seitenschiff …………………………………………………………...24 Das Turminnere ……………………………………………………………………...26 Kircheninneres, Mittelschiff und nördliches Seitenschiff …………………………...26 Der Chorraum mit Hauptaltar …………………………………………………….….30 Abweichung des Chorraums von der Kirchenachse …………………………………30 Erklärung nach den Merkmalen des Kirchenbaus …………………………………...30 Datierung des Kirchenbaus mit Seitenschiff ………………………………………...32 Zur Datierung des Turms …………………………………………………………....34 Die Datierung des Chorhauses führt zur Vorgängerkirche ………………………….34 Grund der Achsverschiebung des Chorhauses ………………………………………37 Die Größe der aufeinander folgenden Kirchenbauten ……………………………….38 Nachmittelalterliche Veränderungen an der Kirche …………………………………41 Veränderungen in nachreformatorischer Zeit………………………………………...41 Der Haaner Taufstein ………………………………………………………………..43 Der Haaner Weihestein ……………………………………………………………...46 Die Inschrift …………………………………………………………………………48 Wer waren die Stifter der Haaner Kirche? …………………………………………..53 Die Reihengräber auf dem Alten Kirchplatz ………………………………………...53 War der Inschriftenstein ein Objekt der Denkmalwanderung ……………………….55 Zusammenfassung zum Bau der alten Haaner Pfarrkirche …………………….........59 Exkurs: Zu den archäologischen Grabungen in den Jahren 1971, 1972 und 1973 …………. 60 Anlass der Ausgrabungen Grabungsperiode I, Grabungsperiode II, Grabungsperiode III, Untersuchungen der Grabfunde …………………………………………………….63 Zu den Bronzekopfringen …………………………………………………………..64 Zur Dokumentation der Kirche in Haan …………………………………………....65 Der Altar im Chorraum mit den Patronen St. Chrysanthus und Daria1…………….66 Zu den Schutzheiligen ……………………………………………………………...67 Der Nebenaltar im Seitenschiff mit den Reliquien St. Kilians …………………….67 Der Patron Kilian ………………………………………………………………..…68 Düsseldorf-Gerresheim – Stift Gerresheim2 ……………………………………….69 Personalien: Ferdinand von Quast3 …………………………………………………………...….71 Harro Vollmar ……………………………………………………………………....73 Literatur ……………………………………………………………………………..75 1 Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie 2 Textauszug aus: Michael Buhlmann, Gerresheim, Nordrheinisches Klosterbuch, Siegburg 2012, S. 111. 3 Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie 8 Vorwort Das Wissen um die politische, wie um kirchliche Geschichte im Bergischen Land geht zu einem Groß-teil auf die Forschungen des 19. Jahrhunderts zurück. Es wurde ein Geschichtsbild erarbeitet, das noch heute als Grundlage zur weiteren Aufrasterung der Vergangenheit dient. Entsprechend mussten schon Kubach und Verbeek bei ihrer über Jahrzehnte gehenden Erstellung des Katalogs der Romanik einlei-tend anführen: Die ältere Literatur des 19. Jahrhunderts ist für die Geschichte und den Tiefgang der Forschung so wichtig, dass wir sie häufiger zitieren, auch wenn sie überholt ist.4 Geschieht dann die kunsthistorische Neubearbeitung einer Kirche, besonders eines unscheinbaren Bauwerks ländlicher Provenienz, müssen zurückliegende Erkenntnisse zumeist relativiert und oftmals revidiert werden. Angesichts der sehr dünnen dokumentarischen Beweislage aus früher Zeit bis zum 12./13. Jahrhun-dert, kann vielfach nur gesagt werden, so könnte es gewesen sein.5 Dies gilt auch für die mittelalterliche Kirche in Haan, die im Jahre 1863 abgetragen wurde und bis auf wenige Erinnerungsstücke aus dem Ortsbild verschwand. Über sie ist in der Heimatgeschichte viel gedeutet und umfänglich geschrieben worden, was heute aber bei differenzierter Betrachtung nicht ohne Einschränkung so stehen bleiben kann. Ausgangsliteratur sind die „Bau- und Kunstdenkmäler der Rheinprovinz" von Paul Clemen von 1894 sowie die 1978 erschienene „Romanische Baukunst an Rhein und Maas" von Hans Erich Kubach und Albert Verbeek. Dazu tritt die Publikation „Die Ge-schichte von Haan und Gruiten" aus dem Jahr 1987, in der Harro Vollmar6 in größerem Umfang auf die alte Haaner Kirche eingeht und aus der unorthodoxen Sichtweise des Autodidakten den Haaner Weihestein interpretiert. Neben den beachtlichen Erarbeitungen ist sein selbstloser Einsatz bei der Ausgrabung und Dokumentierung der Grundmauern der mittelalterlichen Kirche in Haan hervorzuhe-ben. Darüber hinaus lieferte seine Entdeckung früher einheitlicher Grabstellen auf dem Alten Kirch-platz Stoff zu möglichen historischen Verbindungen über den Ort hinaus. Trotz bleibender Unsicherheiten handelt Vollmar aber letztlich mit eng abgegrenzten Zeitmaßstäben die Baugeschichte der Alten Kirche ab. 36 Jahre nach der Veröffentlichung sind diese Aussagen so gut wie festgeschrieben, so dass die Verfasser vor der Aufgabe stehen, diese hier anzuführen, sie auf den Prüfstand zu nehmen und aus eigener Erarbeitung fundierte Lösungen anzubieten. Andreas Sassen / Claudia Sassen Juli 2014 4 KUBACH/VERBEEK, Romanische Baukunst, Bd. I, S. XV. 5 HEINZ FINGER, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln, Vortrag zu den Grundlagen mittelalterli-cher Forschung am 12.9.2013 in Schloss Burg a. d. W. 6 HARRO VOLLMAR, Geschichte von Haan und Gruiten (folgend: Vollmar, Haan und Gruiten), T. I, Anfänge bis 1500, Schriftenreihe der Abteilung Haan des Bergischen Geschichtsvereins, Band 5, Haan 1987. 9 Zur historischen Entwicklung der mittelalterlichen Kirchen im Bergischen Land Die in dieser Schrift erforschte mittelalterliche Kirche St. Chrysanthus und Daria ist trotz ihrer lokal-bedingten Eigenständigkeiten und Besonderheiten in die kirchengeschichtliche Entwicklung des Ber-gischen Landes einzuordnen. Die Autoren SAEGER und GRÜMER zeichnen in ihrem Buch Erbaut zur Ehre Gottes 7 über die frühe Zeit ein aussagekräftiges und nachvollziehbares Bild, das sich zwar schwerpunktmäßig auf die Kirchen im Oberbergischen Land beschränkt, die von Bonn und Köln aus gegründet und verwaltet wurden. Dieses System ist jedoch ebenso auch im Niederbergischen Raum wirksam gewesen. Ergänzendes Wissen zu den Kirchen zum Ausgang des Mittelalters am Vorabend der Reformation erarbeitete VERENA KESSEL mit Weltgericht und Seelenwaage über Die Bunten Kir-chen im Bergischen Land.8 Auch hierzu hat es unter den niederbergischen Kirchen Parallelen gegeben, von denen verbliebene Exemplare in Rupelrath und Düssel noch zeugen. Nach dem Stand der Forschungen fand im Verlauf des 10. und 11. Jh. das Christentum weitestgehend Eingang in das Bergische Land, während die germanischen Naturreligionen von der Bildfläche ver-schwanden. Die rheinischen Stifte in Köln und Bonn überzogen das Land mit einem Zug um Zug engmaschiger werdenden Netz von Pfarrkirchen. Es wurden Kirchspiele eingerichtet, in denen kleine-re Filialkirchen in den Dörfern den Mutterkirchen in den Hauptorten unterstellt wurden. Die Pfarrkir-chen gehörten rechtlich zum Besitz der Stifte, denen sie zehntpflichtig waren. Die Einrichtung des Zehnten, aus der den Stiften im Mittelalter mehr als die Hälfte ihres Einkommens zufloss, muss als außergewöhnlich wichtig angesehen werden. Die Stifte konnten sich auf Karl den Großen berufen, der in der Sondergesetzgebung für die unterworfenen Sachsen angeordnet hatte: „…und ordnen wir nach Gottes Gebot an, dass alle Menschen den zehnten Teil ihres Besitzes und Ertrags ihrer Arbeit den Kirchen und Priestern abgeben; Adelige. Freie und Liten (Zinspflichtige), weil sie so einen Teil dessen, was Gott jedem Christen gegeben hat, an Gott wieder zurückerstatten. (Capitulatio de partibus Saxoniae, 785). Im 12. Jahrhundert teilten sich das südliche Oberbergische Land die rheinischen Stifte St. Cassius in Bonn, sowie St. Severin und St. Aposteln in Köln. Im weiteren Verlauf nach Norden übernahmen die Kölner Stifte St. Andreas, St. Martin, St Gereon, St. Ursula und letztlich das Stift Deutz die kirchli-chen Besitztümer. Weiter rheinabwärts befand sich der rechtsrheinische Kirchenbesitz bei den Stiften St. Gereon, Brauweiler und Neuß, aber auch beim Stift Kaiserswerth, der Abtei Werden, dem Stift Essen, dem Damenstift Gerresheim und später beim Damenstift Gräfrath. Dazwischen existierten aber auch aus den Mitteln von Adeligen erbaute Kirchen, sogenannte Eigenkirchen, wie z. B. in Solingen. Aus dem Besitz der Pfarr- und Filialkirchen floss den Stiften nach einem Verteilungsschlüssel die Zehntabgabe zu, die ihren Kapital- und Machtzuwachs sicherte. Im Gegenzug kam die Stiftsherrschaft auch ihrer Kirchenbau- und Unterhaltspflicht nach und sorgte in fast allen größeren Orten für die Ent-stehung von Urpfarreien mit ihren Gotteshäusern. Um den Gläubigen lange Wege zu den Gottesdiens-ten zu ersparen, richtete man sehr bald auch Filialen in den kleineren Orten ein. Die Einrichtungen förderten in den Dörfern ein Gemeindebewusstsein, 7 SAEGER, KLAUS /WOLFGANG GRÜMER, Erbaut zur Ehre Gottes – Eine Reise zu den Kirchen des Oberbergi-schen Landes, Gummersbach 1994. ISBN 3-88265-190-3. 8 Verena Kessel, Weltgericht und Seelenwaage - Große Kunst in kleinen Kirchen - Die Bunten Kirchen im Ber-gischen Land, in: Wolfgang Isenberg, Hrsg., Bensberger Edition, Bergisch Gladbach 2010. 10 Refrath, Stadt Bensberg, Alte Pfarrkirche St. Johann Baptist. Entwicklungsbeispiel einer ländlichen Kirche der Region. Die aus dem 12. Jh. fast unverändert über-lieferte flachgedeckte Saalkirche mit einem in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angebauten Turm und Chorraum. Grabungen zeigten die Grundrisse von drei Bauperioden der Kirche. Sie beginnen im Zentrum mit einer Holzkirche aus dem 9. Jh.. Daraufhin wurde jeder Neubau um den Altbau herum errichtet. Die ursprünglich winzigen Rundbogenfenster im Mittelschiff sind noch neben jüngeren eckigen Fenstern erhalten. verbunden mit einem Bedürfnis nach kirchlicher Eigenständigkeit. Im Laufe der Zeit gewannen auch sie das Pfarrrecht und nur die Abgabe an die Mutterkirche und das Kollationsrecht erinnerten noch an das einstige Abhängigkeitsverhältnis zur Urpfarrei. Verfolgt man die Geschichte der einzelnen Kirchenbauten in den Städten und Dörfern, erfolgten im Verlauf der Jahrhunderte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts mehrere für damalige Verhältnisse um-fangreiche Kirchenbauprogramme. Die Planung und Bauart der Kirchen waren weitgehend angegli-chen, was größtenteils noch heute zu erkennen ist. In der Regel war es nach 800 zunächst die sogenannte Zelle (cella memoriam), ein nur wenige Quad-ratmeter großer Raum, der aus Holzbalken oder in Holz- Lehmbauweise, ähnlich dem Fachwerk er-baut wurde. Diese Zelle, deren Grundriss zumeist quadratisch mit einem östlichen Zugang angelegt wurde, folgte aber wohl keinem festgelegten Schema. Sie ersetzte man vermutlich schon bald auf-grund einer Vorschrift der römischen Kirche durch eine Kapelle, die ebenfalls in Lehm-Fachwerk von örtlichen Handwerkern erstellt wurde. Bei archäologischen Grabungen fanden sich davon zuweilen noch die Pfahlgründungen in tieferen Erdschichten. Es waren Bethäuser zumeist auf rechteckigem Grundriss mit einem angefügten eingezogenen Altarraum, womit bereits die Grundform des christli-chen Kirchenbaus entstand, der auch schon eine östliche Ausrichtung erfuhr. Zur Genauigkeit der Os-tung legte man in klarer Nacht eine Linie zum Polarstern fest und fand dazu im rechten Winkel die Richtung nach Osten zur Errichtung des Altars. 11 Entsprechend der Lebensdauer einfacher Holzbauten folgten etwa 150 Jahre später die ersten Steinkir-chen, aus denen sich wiederum größere Gebäude entwickelten. Die späteren Bauten überlagerten je-weils die früheren, doch bei größeren Folgebauten, die oft viele Jahre dauerten, errichtete man zumeist die neue Kirche um den Altbau. Dadurch blieb der Gemeinde so lange wie möglich der Gottesdienst-raum erhalten. Auch der Kirchenbau, dessen Umfassungsmauern nun in Stein ausgeführt wurde, kennt zunächst nur den einschiffig ausgebildeten Raum. Er hatte sehr kleine Fenster, das Balkenwerk des Dachstuhls war im Inneren offen und das Dach zumeist mit Holzschindeln gedeckt. Für alle Urpfarrei-en des Bergischen Landes sind um das Jahr 1000 steinerne Saalkirchen vorauszusetzen, deren Stil schon von den Merkmalen der Romanik geprägt war. Türme waren an diesen Kirchen jedoch noch nicht vorhanden. Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts, der Zeit der salischen Kaiserherrschaft, nahm die Kirchenbautä-tigkeit links des Rheins einen neuen erheblichen Aufschwung, wobei sich der romanische Baustil als eine neue Idee des Bauens etablierte. Vom Dom zu Speyer über Mainz bis Köln entstanden Kirchen-bauwerke, die alle dem neuen Stil verpflichtet waren. Viele der älteren Kölner Stadtkirchen wurden umgebaut und gaben den Baumeistern erweiterte Spielräume zur Verwirklichung und Entfaltung neuer Ideen. Nach 1100 begann man damit, die Kirchen nach dem Vorbild von Speyer einzuwölben, um die Brandgefahr der offenen Dachstühle zu verringern. Sehr viele Kirchen fielen oftmals schon bald nach ihrer Fertigstellung Brandkatastrophen zum Opfer, die zumeist durch Funkenflug der Kienspanbeleuchtung hervorgerufen wurden. In Köln entstanden nach St. Ursula um (1140) und St. Mauritius (1133) die berühmten Kirchen der Spätroma-nik Groß St. Martin (geweiht 1172), St Aposteln (1190-1230). Die frühe rege Kirchenbautätigkeit in den linksrheinischen Städten wirkte sich auf die ländlichen Re-gionen aus und ebenso begann auch auf der rechten Rheinseite im Verlauf des 12. Jahrhunderts eine Kirchenbauwelle großen Ausmaßes. Die regionalen Zentren kamen in den Besitz von Pfarrkirchen eines neuen Typs, den dreischiffigen Pfeilerbasiliken mit Westturm, deren Innenräume nun von vorn-herein auf Einwölbung angelegt wurden. Auch die Filialgemeinden bekamen kleine massive Bruch-steinkirchen, oftmals in zwei- oder dreischiffiger basilikaler Form, denen ein Turm angesetzt war. Die Seitenschiffe erhielten kleine Chöre mit Rundapsiden zur Aufnahme von Nebenaltären womit zumeist weitere Heiligenreliquien in die Kirche kamen. Das bedeutete eine Bereicherung für das Gotteshaus. Obwohl auch jetzt noch Kirchenräume, vor allem die Mittelschiffe zuweilen flach gedeckt wurden (Morsbach, St. Ursula in Köln), war es um 1200 zwischen Maas, Rhein und Weser die Regel, die Kir-chenbauten komplett einzuwölben. Trotz dieser allgemein gültigen Aussagen blieb jeder Kirchenbau für sich ein Unikat, der kaum Rückschlüsse auf die übergeordneten Stifte erkennen ließ. Die Untersu-chungen von Kubach und Verbeek brachten ein klares Ergebnis: In kaum einem Fall sind die geschichtlichen Beziehungen durch Grundbesitz (Fernbesitz der Abteien) Kollationsrecht oder anderes nachweislich für die kunstgeschichtlichen Zusammenhänge bedeutsam geworden. Ob die Kirche einem Bischof, einem Kloster oder einem Grundherrn innerhalb oder au-ßerhalb des Rhein-Maas-Gebiets gehörte oder unterstand, das hat nicht in erfassbarer Weise auf die Bauformen eingewirkt. Der naheliegende und sehr oft – als Vermutung oder Behauptung – anzutref-fende Rückschluss von der ersten Erwähnung einer Kirche auf die Bauzeit des stehenden Gebäudes, vom Besitzer oder Kollator auf die kunstgeschichtliche Herkunft, alles das sind methodisch zu verwer-fende Hypothesen, solange nicht eindeutige Aussagen des Baues vorhanden sind. 9 9 Kubach/Verbeek, Romanische Baukunst, S. XIII. 12 Hilden, ev. Reformationskirche Pfarrkirche, ehem. St. Jacobus maior. Beispiel einer planmäßig zu Beginn des 13. Jahrhunderts angelegten dreischiffigen Emporenbasilika im Stil der Spätromanik. Der erhaltenen Kirche aus der Zeit des Erzbischofs Engelbert I. (1216-1225) gingen zwei ergrabene steinerne Saalkirchen aus dem 10. und 11. Jahrhundert voraus. Der Saal aus dem 10. Jh. hatte eine Größe von 4.65 x 8 m (= 14 x 24 karoling. Fuß). Die rege Tätigkeit an den überall entstehenden Großbauten entwickelte eine für damalige Zeit völlig neue Unternehmensstrategie. Die Beschaffung von Material und die Bauausführung konnte nur in geringem Maße von den Gemeinden selbst ausgeführt werden. Planung und Umsetzung solcher Bauvorhaben setzten eine Fülle an Vorbereitungen organisatorischer Art voraus, die aber wohl im Auftrag der Stifte voll beherrscht wurden. Die Stiftsherren waren Auftrag- und Geldgeber, die mithilfe eines Bauverwalters aus ihren eigenen Reihen das Vor-haben ins Werk setzten. Dieser im Bauwesen kundige Mann, Operarius genannt, hatte den 13 Baumeister, evtl. auch die Handwerker auszusuchen, Arbeitsverträge mit ihnen auszuhandeln und auch die Auszahlung der Handwerkerhonorare vorzunehmen. Die Leitung auf der Bau stelle selbst lag in den Händen des Baumeisters, nach dessen Plänen der Bau ausgeführt wur-de. Er hatte die speziellen Handwerker zu beschaffen, ferner musste er sich um die Bereitstel-lung und den Transport des Baumaterials kümmern. Allgemein wurden die Bauern und Handwerker im Kirchspiel zu Hand- und Spanndiensten herangezogen. Besonders in der Zeit zwischen Aussaat und Ernte und nach der Ernte mussten sie helfen, auch soweit das Wetter in der kalten Jahreszeit Aktivitäten noch zuließ. Steingewinnung und Transport, Holzschlagen für Kohlenbrand und Bauholz, und die Beschaffung von Kalksteinen über zumeist weite Wegstrecken waren ihre Aufgaben. Alles zeitraubende Betätigungen, die aber für den Fortlauf der Bauarbeiten bestimmend waren; denn zumeist lag das Tempo der Bauausführung an der Beschaffung und Bereitstellung des Stein- und Kalkmaterials. Im Zuge der verstärkt aufgenommenen Kirchenbautätigkeit hatten sich Werkgemeinschaften herangebildet, die über einen höheren Grad an Fachkenntnissen im Bauwesen verfügten. So-wohl gelernte Handwerker als auch Hilfskräfte bildeten eine Werkgemeinschaft, in der es die primäre Aufgabe des Baumeisters war, die gedachte Vorstellung des Kirchenbaus Gestalt werden zu lassen. Diese Vorstellung existierte vermutlich weitestgehend nur in seinem Kopf, schlug sich aber kaum in Form maßstäblich gezeichneter Grund- und Aufrisszeichnungen nieder. Zumeist entstanden nur Detailzeichnungen zur Information des Bauherrn oder zur genaueren Anweisung einer auszuführenden Arbeit. Den Beruf des Architekten hat es in der romanischen Baukunst nicht gegeben. Man spricht vom Bau- oder Werkmeister, einer gebil-deten und sozial hoch stehenden Persönlichkeit. Im besten Fall war er als gelernter Steinmetz mit präziser Messtechnik und allen erforderlichen Kenntnissen des Bauhandwerks vertraut. Im 13. Jahrhundert fanden sich unter den Steinmetzen spezialisierte Arbeitsgruppen, die ihr Wissen zunächst nur noch einem engen, eingeweihten Kreis weitergegeben haben. Diese Bauhütten sind zumeist an den großen Kathedralbauten der Gotik zum Einsatz gekommen. In Köln war die Dombauhütte von der Zeit der Grundsteinlegung um 1248 bis zur Einstellung der Bautätigkeit um 1530 tätig. Die spezialisierten Kräfte, insbesondere die Steinmetze und Bildhauer hatten sich bei abnehmender Dombautätigkeit an anderen Orten weitere Beschäfti-gung gesucht. Schon zum Ende des 15. Jahrhunderts war der größte Teil der untergeordneten Bauarbeiter an der Dombaustelle nicht mehr erforderlich. Allem Anschein nach fanden die Maurer unter der Leitung erfahrener Vorarbeiter Arbeit an den bergischen Pfarrkirchen. Zu dieser Zeit ist noch einmal eine rege Bautätigkeit zumeist in Form von Vergrößerungen und Veränderungen der Chorräume festzustellen. Zum Beispiel in Marienberghausen, Gummers-bach, Wiedenest, aber auch in Solingen, Rupelrath und Haan wurden die Kirchen vergrößert oder umgebaut. Da diese nach wie vor in der Bauunterhaltung der Kölner Stifte standen, war dies möglicherweise auch eine Arbeitsbeschaffung für die städtischen Handwerker in Köln. Die Erstellung ihrer Arbeiten geschah zwar in solider handwerklicher Ausführung; denn die Bauten stehen zu einem Großteil noch heute. Anhand moderner Bauaufnahmen fallen an den Kirchen aber ungewöhnlich starke Ungenauigkeiten auf, die darauf schließen lassen, dass die Bauleiter im Gegensatz zu ausgebildeten Steinmetzen über geringeres Wissen zur Messtech-nik verfügten. Alle merkbaren Unzulänglichkeiten werden aber von den umfangreichen Male-reien kaschiert, die diese Gotteshäuser als „Bunte Kirchen" zusammenfassen. Die schon bald folgende Reformation konnte zunächst auf ausreichenden Kirchenraum zurückgreifen, erst im 18. Jahrhundert musste die protestantische Kirche aufgrund anwachsender Gemeinden und nach den Erfordernissen des Predigt- und Wortgottesdienstes neue Kirchenbauten erstellen. 14 Zur Geschichte der alten Kirche in Haan Auch die alte Kirche in Haan ist von frühester Zeit in den über Jahrhunderte gehenden kirchenge-schichtlichen Ablauf im Bergischen Land einzubetten, was auch für die benachbarten Kirchenbauten in Wald, Hilden, Gruiten und Schöller gilt. In Bezug auf die Gründung und den Bau der Haaner Kir-che tritt vor allem das Stift Gerresheim in den Vordergrund. Seit frühester Zeit verfügte Gerresheim sowohl in Haan als auch in Gruiten über umfangreichen Landbesitz, was aus den Abgabeurkunden der Zeit nachzuvollziehen ist. Obwohl die Urkundenlage zu den entsprechenden Kirchen nicht eindeutig oder so gut wie nicht vorhanden ist, kann man davon ausgehen, dass das Stift Gerresheim auch im Besitz der Kirchen von Haan, Gruiten und Schöller gewesen ist, da sich zu früher Zeit zunächst keine andere klösterliche Einrichtung finden lässt. Nach 922 könnte es aber auch das Stift St. Ursula gewe-sen sein, denn beide Stifte wurden zu dieser Zeit gemeinsam von der Äbtissin Lantswind verwaltet. Diese Situation war nach dem Ungarnüberfall auf Gerresheim 919 entstanden, wobei die Sanktimonia-len10 nach Köln flohen und von Erzbischof Hermann I. die leeren Gebäude des späteren Stiftes St. Ursula zugewiesen bekamen.11 Eine folgenschwere Zäsur war für die Frauengemeinschaft aber die 922 vom Erzbischof dafür geforderte Aufgabe der bisher eigenkirchlichen Kommunität, wodurch das Erz-bistum vermutlich weitgehende Verfügungsrechte über die beiden Stifte Gerresheim und St Ursula, ihre Kirchen und den Besitz bekam. Danach erfolgte eine Periode der Konsolidierung und des Wieder-aufbaus, die mit der Weihe einer neuen Kirche durch den Kölner Erzbischof Gero (970) und der Bestä-tigung des Gerresheimer Zolls (977) durch Kaiser Otto II. ihren vorläufigen Abschluss fand.12 Verbin-dungen von Gerresheim zu St. Ursula bestanden weiterhin. Gerresheim befand sich aufgrund der 922 10 Sanktimonium, Heiligtum; Sanktimonialen, Frauen des Heiligtums. 11 Nordrheinisches Klosterbuch, S. 112, 1.3. 12 ebenda, 112-113, 1.3. 15 erfolgten Verfügungen zunächst wohl in einer gegenüber St. Ursula nachgeordneten Rolle. Doch ist davon auszugehen, dass die Gerresheimer selbstständig blieben, wobei Äbtissin Lantswind (genannt 905, 906, 922) in Personalunion beide Gemeinschaften leitete. Gerresheim, spätromanische Stiftskirche von Südost. Die 1236 geweihte Stiftskirche, entstand unter der Äbtissin Guda von Berg und ihres Verwandten Erzbischof Engelbert I. von Köln. Hier zeigte sich die Wohlhabenheit der bergischen Herrscherfamilie in Verbindung mit dem Erzstuhl in Köln. Zeichnung von Pützer, aus P. Clemen, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Im Besitz des Ursulastifts waren ursprünglich auch die Pfarrkirche und der Hof von (Solingen-) Wald. Nach den Verträgen von 922 ist es nicht verwunderlich, dass Erzbischof Heribert im 11. Jahrhundert wohl nach seinem Gutdünken den Walder Besitz von St. Ursula an die Abtei Deutz übertrug. Vermut-lich ist es auf die Verfügungsrechte des Kölner Erzbistums zurückzuführen, dass sich deshalb ein fes-ter Zeitpunkt des Besitzübergangs der Haaner Kirche von Gerresheim auf den Erzbischof nicht erfas-sen lässt. Möglicherweise war es ein gleitender Vorgang; denn es hat den Anschein, dass das Stift Gerresheim sich seit dem 13. und 14. Jahrhundert mit seiner wirtschaftlichen Kraft ganz auf den Ort und die unmittelbare Umgebung von Gerresheim konzentrierte. Spätestens in dieser Zeit muss sich das Stift aus Haan zurückgezogen haben, denn wir finden die alten Gerresheimer Höfe danach in anderem Besitz. Die Kirche selbst unterstand von da an direkt dem Erzbistum, das sich mit diesem Stützpunkt vermutlich wichtige Wegerechte über Richrath, Hilden und Haan nach Elberfeld und von dort aus nach Westfalen offen hielt. Für die Erschließung des einstigen Missionssprengels im Sachsenland und späteren Kölner Besitzes in Westfalen war die durch die Vohwinkeler Senke nach Elberfeld, Schwelm und Hagen zur Hohensyburg und weiter nach Dortmund führende Straße von großer Bedeutung. Die reichliche Benutzung dieses Weges vom Rhein zeigen Ausgrabungen in Elberfeld. Die Fundamente 16 der alten Kirchen enthalten einen Mörtel, der aus Feinsand mit Lehmanteil besteht, wie er im Gebiet von Haan und Hilden vorkommt.13 Ähnlich wie in Haan, also diffus und nicht genau fassbar, erfolgte der Übergang der Kirche von Grui-ten aus dem Besitz Gerresheims an das Damenstift Gräfrath, das ebenso wie zuvor das Kloster Deutz nach seiner Gründung in besonderer Gunst der Erzbischöfe stand. Von Gruiten tauchen im 14. Jahr-hundert unerwartet Urkunden auf, die Gräfrath als Besitzer der Kirche ausweisen. Vielleicht wurden auf ähnliche Weise die Kirche und das Gut in Schöller schon sehr früh an das Kloster Corvey an der Weser abgegeben, das bis zur Säkularisierung um 1803 die Hand auf dem Besitz hatte. Dagegen ge-hörte die Hildener Kirche mit ihrem Hof seit frühester Zeit dem Kölner Erzbischof. Sie kam im 12. Jahrhundert durch Verpfändung an die Grafen von Berg und wurde von dem aus dieser Familie stam-menden Erzbischof Engelbert I. (1216-1225) in noch bestehender Form neugebaut. Auch wenn Gerresheim seinen Einfluss auf die dem Kloster nahegelegenen Kirchen zunehmend ver-lor, das 13. Jahrhundert war eine in religiöser und wirtschaftlicher Hinsicht stabile Periode, erkennbar auch an der 1236 geweihten, stilistisch vollendeten spätromanischen Stiftskirche. Aus dieser Zeit blieb ein Relikt: Das „Gerresheimer Maß", urkundlich schon früh erwähnt, war noch bis in das 18. Jahrhun-dert hinein das allgemein übliche Hohlmaß für Getreide im niederbergischen Raum, auch in Haan und Gruiten. Im Jahre 1544 (-1590) trat der letzte römisch katholisch geweihte Pfarrer Wilhelmus zum Diek seinen Dienst an der Haaner Kirche an. Wahrscheinlich wurde er zunehmend von den Lehren der Reformati-on erfasst, deren Inhalte er wohl auch seiner Gemeinde vermitteln konnte und sich mit ihr 1566 dem reformierten Bekenntnis anschloss. Mit dem Wechsel der Konfession führte er fortan den Namen sei-ner Familie Johann Heidelberg.14 Ob er sich zuletzt auch noch an der Gründung der Bergischen Syno-de am 21. Juli 1589 im Pfarrhaus zu Neviges beteiligte, ist strittig. Möglicherweise überließ er die größeren Aktivitäten seinem Kaplan, der auf dem Weg zur Reformation wesentlich mehr wagte und sich letztlich unter den Schutz eines Adeligen stellen musste, um nicht sein Leben zu riskieren. Die Gemeinde musste dann nachweisen, dass im Jahre 1624 in Haan der Gottesdienst ganz im Sinne der Reformation abgehalten wurde, so dass im Religionsvergleich zu Cleve im Jahre 1672 die Kirche zu Haan endgültig den Reformierten zugesprochen wurde. Spätestens nach der Aufbruchszeit nach dem Dreißigjährigen Kriege dürfte die Kirche mit ihrem klei-nen Kirchenschiff für die wachsende Zahl der Gläubigen allmählich zu klein geworden sein. Das Prob-lem war letztlich auch durch Emporeneinbauten und Einbeziehung der übereinander liegenden Turm-räume nicht mehr zu lösen. Im 18./19. Jahrhundert hatten die Spuren und Schäden der zurückliegen-den Zeit aufgrund der ständigen Kriegslasten bis hin zu Napoleon kaum richtig beseitigt werden kön-nen. Deshalb führte das Konsistorium der Gemeinde nach 1827 noch eine kostspielige Sanierung durch, um weiterhin in dem alten Gebäude Gottesdienst abhalten zu können. Zu dieser Zeit wurde im Turm ein neues Geläut, bestehend aus drei Glocken installiert. In der Folgezeit begann eine sehr leb-hafte Diskussion und umfangreicher Briefwechsel mit den vorgesetzten Stellen um den Bau einer neu-en großen Kirche. Man war sich dessen bewusst, das alte Gotteshaus irgendwann aufgeben zu müssen. Während dieser Verhandlungen machte der Baurat von Quast sich mit Vermessung und Auslotung der Kirchenmauern ein eigenes Bild in Haan. Sein Vorschlag einer Erweiterung des Kirchenraums fand aber keinen Gefallen im Gemeinderat, da auf dem Kirchhofe kaum Platz dafür vorhanden war und die nötigen Mittel fehlten. Aus dieser Zeit ist eine Kartenzeichnung von der Kirchplatzumbauung vorhan-den, in der v. Quast die Abstände von der Kirche zur Randbebauung angibt. Die lakonische Antwort: Selbst wenn die Arbeiten auf Staatskosten geschehen würden, sei ein Neubau besser. 13 Eugen Ewig, Frühes Mittelalter, Bd. 1.2. in: Franz Petri/Georg Droege, Rheinische Geschichte, Düsseldorf 1980, S. 14. 14 Der Begriff „Heidelberger Kathechismus" wird ihm vermutlich willkommen gewesen sein. 17 Haan, Plan vom alten Kirchplatz mit Bebauung vom 13.12.1857. Zeichnung v. Quast, der die Abstände der alten Kirche zu den Häusern einzeichnete. Dem Ansinnen begegnete das preußische Innenministerium aber in einer Order vom 18. Mai 1854, dass es den Abbruch der alten evangelischen Kirche nicht gestatten könne, da dieselbe zu den Denk-mälern gehöre, deren Erhaltung gesichert werden müsse. Die damaligen Konsistoriums-Protokolle bescheinigen die Einigkeit in Haan, dass die Gemeinde die alte Kirche abreißen dürfe, da der Abbruch im Interesse der Gemeinde ist. Die Verantwortlichen machten aber wohl im Hinblick auf die in Unterhaan sich ansiedelnde ärmere katholische Arbeiterschaft, eine bemerkenswerte Einschränkung: Jedenfalls müsse darauf gesehen werden, dass die alte Kirche, wenn sie stehen bleibt, ausschließlich Eigentum der Gemeinde bleibt und ausschließlich nur zur evangelischen Kultur gebraucht wird.15 Nach jahrzehntelangen Verhandlungen mit der Obrigkeit und ohne verbindliche Bestimmungen zum Denkmalschutz beschloss man den Abbruch der alten Kirche. Dieser begann am 24. August 1863, obwohl noch kein neues Gotteshaus zur Verfügung stand. Man brauchte das Abbruchmaterial an der Baustelle der neuen Kirche, wo u. a. der Chorraum bis auf die Verblendung daraus errichtet wurde. Die Kirche der ev.- reformierten Gemeinde an der Kaiserstraße ist mit ihren wuchtigen Mauern dem-nach im Kern ein Bruchsteinbau, der mit Ziegelklinkern verblendet wurde. Beim Abtragen der allge-mein für baufällig gehaltenen alten Kirche erwies sich das stellenweise fast zwei Meter dicke Mauer-werk im Unterbereich des Turms als so fest, dass es eine angeforderte preußische Pioniergruppe sprengen musste. Die neue Kirche wurde nach 16 Monaten Bauzeit am 14. Dezember 1864 vollendet und eingeweiht. Ihre Grundkonzeption, ein flach gedeckter einfacher Kirchensaal mit einem vorgebau-ten Chor, erinnert an ihre mittelalterliche Vorgängerin. 15 Ev. Kirche in Haan, Jubiläumsschrift zur Kirche 150 Jahre, Protokolle des Presbyteriums. 18 Haan, alte Pfarrkirche. Federzeichnung vom Gräfrather Landschaftsmaler Friedrich August de Leuw, datiert 1849. De Leuw stellte die Kirche mit allen Spuren und Veränderungen der vergangenen Jahrhunderte dar. Abbildung: Privatbesitz. . Aus der alten Kirche wurde auch das Geläut wiederverwendet. Doch durch Tribut an den Krieg blieb davon nur eine kleine Glocke von 1542 mit der lateinischen Inschrift: Erlöser der Welt hilf uns – heilige Maria, bitte für uns. Über 300 Jahre hatte sie vom Turmhelm der alten Kirche die Stunden geschlagen, inzwischen ist sie seit 150 Jahren von der neuen Kirche zu vernehmen. Die Gemeinde sang dort auch noch lange nach den Klängen der alten übertragenen Orgel, von der bis heute eine in Eichenholz gearbeitete Schriftta-fel erhalten blieb, die in der Sakristei angebracht ist. Die zweiteilige Tafel ist auf 1801 datiert, wahr-scheinlich das Jahr der Aufstellung der Orgel an der Ostwand des Chorraums. 19 Sie erinnert an Veränderungen an der alten Kirche, ist dadurch ein wichtiges Zeitdokument, bemer-kenswert aber in einem lateinischen Text: Dieses Gotteshaus ist durch Verlegung der Treppen und Bänke für die Zusammenkunft passender gemacht, wie auch zu höherem Lobe des Allerhöchsten eine Orgel auf Kosten der Gemeindeglieder errichtet wurde. Im Jahre 1801. In der Tafel folgen dann die Mitglieder des damaligen Presbyteriums und des amtierenden Pfarrers. Die Inschrift endet auf Deutsch mit dem Römerbrief, Kapitel 12, Vers 7-8. Der Erbauer und die Größe des Instruments sind nicht mehr bekannt, wohl aber, dass die Orgel im Jahr 1842 von der Firma Ibach in Barmen repariert wurde. Die Kosten dafür betrugen 455 Taler nebst Gestellung des Fuhrwerks für den Rücktransport nach Haan.16 Als ein steinernes Zeugnis der Kirchenweihe durch den Erzbischof Wichfried blieb eine Inschriftenta-fel erhalten. Vom Bogenfeld des Südportals der alten Kirche geborgen, mauerte man sie im Scheitel-punkt der neuen Kirche an der Kaiserstraße wieder ein. Diese Inschriftentafel ist eines der ältesten steinernen Zeitdokumente, die in Deutschland aus dem Mittelalter geblieben sind. Der Haaner Kirchenbau, vorhandene Dokumentationen Von der alten Kirche in Haan sind verschiedene Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert vorhanden, nach deren Vorlagen auch ein Modell17 der Kirche für das Museum Schloss Burg erstellt wurde. Von den Bildern, die das alte Gotteshaus generell von der Südseite zeigen, ist eines vom Landschaftsmaler Friedrich August de Leuw signiert und 1849 datiert.18 Der Sohn des damals bekannten Gräfrather Au-genarztes zeichnete die Kirche in der damals sehr beliebten Weise des romantisch-verfallenden Zu-stands mit allen Spuren vergangener Jahrhunderte. Reste von Bauzier und der einst original zum Bau gehörenden Fensteröffnungen, dazwischen abblätternder Kalkputz und wiederum Baufugen eingebro-chener und wieder geschlossener Fenster aus allen Stilperioden sprechen aus dem „Gesicht" des alten Kirchengebäudes. Alle Veränderungen, die im Laufe der Jahrhunderte allein an der Südseite der Kir-che vorgenommen wurden sind trotz zeichnerischer Freiheit mit Genauigkeit in die Abbildung aufge-nommen worden und machen sie zu einem wichtigen Dokument. Etwa vier Jahre später - 1853 - fertigte der königliche Bauinspektor Heuse aus Elberfeld eine Skizze von der Südseite der Kirche an, um entsprechende Eingaben der Gemeinde über ihren Zustand aufzunehmen.19 Die Zeichnung gibt gegenüber de Leuw einen etwas anderen Eindruck wie-der, da das Kirchenschiff zu lang dargestellt ist. Wahrscheinlich war für die Gutachten nur eine Vor-stellungsskizze erforderlich, in der der Zustand mit Bauschäden und Mauerrissen verdeutlicht werden sollte. Eher unbekannt blieben dagegen die maßgenauen Bauaufzeichnungen aus der Hand des Architekten und Kunsthistorikers Ferdinand von Quast (1807-1877).20 Preußens König Friedrich Wilhelm IV. hatte ihn 1843 zwar zum „Konservator der Denkmäler" ernannt, verweigerte ihm aber für seine unzähligen Dokumentationen aus dem Königreich mit über 7000 Zeichnungen sowohl Sachmittel als auch Hilfs-kräfte. 16 Jubiläumsschrift der Ev. Kirche 2014, S. 33, 67. 17 Kirchenmodell von Werner Selzer und Edgar Falkenstein aus in Haan gefundenem Steinmaterial. Im Bergi-schen Museum Schloss Burg an der Wupper ausgestellt. Abbildung auf dem Buchtitel. 18 Strichzeichnung datiert am 22. Mai 1849 von Friedrich August de Leuw, Privatbesitz. Abb. aus: Vollmar, Haan und Gruiten, S. 538. 19 Zeichnung, datiert August 1853 von Heuse, Königlicher Bauinspektor, Elberfeld, aus: Vollmar, Haan und Gruiten, S. 480. 20 Zeichnungen von Quast überliefert in: ehemals Nachlass v. Quast, T. H. Berlin: III. c, 269-371, entnommen Kubach/Verbeek, Romanische Baukunst an Rhein und Maas, S. 343. Diese wohl identisch mit den im Ev. Ge-meindearchiv vorhandenen datierten Querschnittzeichnungen. Die Signierung ist unleserlich. Vollmar, Haan und Gruiten, S. 481, 482, 483. 20 Die Haaner Kirche mit Bauschäden, Zeichenskizze von Heuse, königl. Bauinspektor, Elberfeld 1853 Die Haaner Pfarrkirche mit Mauerrissen, Absenkungen und Veränderungen, aufgenommen vom preußischen Konservator der Denkmäler Ferdinand v. Quast am 11.12.1857. 21 Während der Verhandlungen der reformierten Gemeinde in Haan mit dem preußischen Innenministe-rium machte der Baurat von Quast sich mit Vermessung und Auslotung der Kirchenmauern Vorort ein eigenes Bild. Eine dabei ebenfalls von der Südseite angefertigte Ansicht der Kirche (Abb. S. 14) ging in die Haaner Heimatliteratur ein, so dass man allgemein davon überzeugt war, hier die einzige noch vorhandene Ansicht der alten Haaner Kirche zu haben. Ferdinand v. Quast machte im Dezember 1857 aber weitere Zeichnungen in Haan. Ein Lageplan der Alten Kirche inmitten des Häuserrings mit der daran vorbeigehenden Straße nach Vohwinkel vom 13.12.1857. Die Südseite der Kirche mit deutlichen Mauerschäden, Schieflagen, Baufugen und Verän-derungen, gezeichnet am 11.12.1857. Zwei Querschnitte durch die Kirche: durch Chorraum, Seiten-chor und Sakristei, sowie durch Schiff und Seitenschiff, mit einer Detailzeichnung des Rundbogenfrie-ses und einem Kragstein an der Südfront, ebenfalls datiert vom 11.12.1857. Dazu kamen Zeichnungen von Grundriss und Längsschnitt der Kirche sowie eine Rekonstruktion der südlichen Außenansicht zur Erbauungszeit. Aus der Zeit, in der im Presbyterium der Gemeinde Diskussionen und Verhandlungen über die Zu-kunft der Alten Kirche geführt wurden, sind Sitzungsprotokolle vorhanden, die zum Teil von Uwe Hartung und Gudrun Obermeier für die Festschrift der Evangelischen Kirche Haan transkribiert und veröffentlicht wurden.21 Als mittelalterliches Zeitdokument ist ein Inschriftenstein erhalten geblieben, geschaffen zur Weihe der Kirche durch Erzbischof Wichfried von Köln und heute in der Apsis der ev. Kirche an der Kaiser-straße. Die Inschrift wurde zwar schon im 19. Jahrhundert von dem Düsseldorfer Staatsarchivar Theo-dor Lacomblet übersetzt. Zwischenzeitlich unternahmen andere Historiker Interpretationen unter-schiedlicher Art.22 Zwischen 1971 und 1973 sind auf Initiative Harro Vollmars Grabungen nach den Fundamenten der alten Kirche durchgeführt worden.23 Erst 1985 ist dazu auch ein vorläufiges Fachgutachten von dem 1973 leitenden Archäologen Dr. Soechting vom Rheinischen Landesmuseum Bonn (heute Amt für Bodendenkmalpflege) vorgetragen worden.24 Die Ausgrabungen bestätigen und ergänzen die Genau-igkeit der Aufzeichnungen v. Quasts und führen zu einer nachvollziehbaren Darstellung der Entwick-lung des einstigen Kirchengebäudes. Die vorhandenen Dokumentationen ermöglichen ein fast voll-ständiges Bild von dem mittelalterlichen Bauwerk. Beschreibung der mittelalterlichen Kirche Ferdinand v. Quast, der die Kirche im Zustand vor dem Abbruch, also mit allen Veränderungen der Jahrhunderte gesehen hat, zeichnete auch eine Rekonstruktion des Bauwerks, so wie sie im Mittelalter ursprünglich einmal gedacht und ausgesehen hat. Anhand der noch nicht verwitterten oder durch Stö-rungen beseitigten Reste von Lisenen, Bogenfriesen, Kragsteinen und der noch feststellbaren Fenster-formen machte er den ursprünglich rein romanischen Eindruck innen wie außen wieder sichtbar. Die Verfasser gehen zunächst auf diesen zeitlich festzusetzenden Bau ein, um eine Basis zur Suche even-tueller Vorgängerbauten sowie Erklärungen späterer Veränderungen zu finden. Die in der Zeichnung verwendeten metrischen Maße (v. Quast verwendete 1857 ein aktuelles Fußmaß) sind in ein Fußmaß von 0,30 m umgerechnet, um daraus eine mögliche historische Gesetzmäßigkeit oder ein Bezug zu einer eventuellen Symbolik herleiten zu können. 21 150 Jahre Evangelische Kirche Haan, S. 19f u. 44f. 22 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 528-534. 23 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 488-524 24 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 525-552. 22 Die Kirche von außen In äußerer Ansicht der viel zitierten Südseite bestand die Kirche aus einem Mittelschiff mit Chorraum im Osten und einem Turm im Westen. Der gesamte Bau gehörte einer Periode der frühen Romanik an. Seine Erscheinung machte einen harmonischen Eindruck, wahrscheinlich durch die Möglichkeit, von der östlichen Traufkante des Turms über den Giebel des Kirchenschiffs bis zur Giebelspitze des Chor-raums eine gerade Linie zu ziehen. Die Baugruppe ließ sich dadurch formatfüllend in ein von West nach Ost spitzwinklig auslaufendes Dreieck einfügen. Die Gesamtlänge der Kirche betrug 21 m (70 f).25 Der Westturm Der massige Turm nahm eine beherrschende Stellung ein. Sein Mauerwerk erreichte mit drei äußerlich sichtbaren Stufen, die nach oben geringfügig zurücksprangen, eine Höhe von 16,8 m (56 F). Die wohl noch unverändert aus romanischer Zeit stammende Helmpyramide erhöhte ihn nochmals um weitere 7,80 m (26 F). Darauf saß die schlanke Spitze von 2,4 m (8 F) mit Kugel auf halber Höhe und einem Wetterhahn als Abschluss. Bis zum Hahn erreichte der Turm gut 27 m und damit das runde Maß von 90 Fuß. Das Turmsockelgeschoss von 6.30 m (21 F) Breite war bis zur ersten Abstufung 9,60 m (32 F) hoch. Es war am südwestlichen Ende mit einem gut 1,5 m breiten und 6,6 m hohen nach oben auslaufenden Strebepfeiler verstärkt. Wahrscheinlich eine Sicherungsmaßnahme zur Standfestigkeit aus der Ver-gangenheit, die in ähnlicher Form auch am Kirchturm von Schöller vorgenommen wurde.26 Das zweite Geschoss von 2,70 m (9 F) Höhe war eine Zwischenstufe, die wie das Untergeschoss ohne Gliederung aufgebaut war. Darüber erhob sich das auf allen Seiten gleich gestaltete Glockengeschoss von 4,20 m (14 F) Höhe mit vorgekragter Traufkante als Abschluss. Dazu hatte man die Wandfläche jeder Seite mit 0,60 m (2 F) breiten Ecklisenen27 eingefasst und sie mit einer 0,30 m (1 F) breiten Mittellisene in zwei gleiche Felder geteilt. Die Lisenen wurden jeweils mit einem Fries aus vier Rundbogen auf Krag-steinen verbunden. In jedem Feld befand sich ein gekuppeltes Fenster (Zwillingsfenster) mit einge-stellter Mittelsäule, Würfelkapitell oder Kämpfer und einem 0,90 m (3 F) breiten Überfangbo-gen.28 Der Turmhelm mit einer Schieferdeckung war als spitzwinkelige Pyramide angelegt, mit einer Basis von 6,60 m (22 F) und einer Höhe von 7,80 m (26 F). Auf der Zeichnung von de Leuw war am oberen Turmuntergeschoss ein etwas nach Osten versetztes Uhrzifferblatt zu sehen und entsprechend darüber, ebenfalls versetzt am Turmhelm, die Stundenglocke eingezeichnet. Nach der Darstellungsweise de Leuws ist der gesamte Turm einschließlich seiner architektonischen Gliederung im Glockengeschoss aus Bruchsteinen erstellt worden. Die angedeuteten Putzreste weisen auf einen kalkgebundenen Schlämmputz, der alle Teile überzogen hat. Man kann davon ausgehen, dass im Mittelalter fast alle Bruch-steinfassaden mit einem Schlämmputz überzogen waren, der aber die darunter liegende Mau-erstruktur erkennbar ließ. Die heute vielfach anzutreffende Steinsichtigkeit historischer Mau-ern ist eine Vorstellung aus der Romantik im 19. Jahrhundert, ein Zustand, der häufige Sanie-rungen der Verfugung mit sich bringt. Im Gegenteil zu Gruiten sind allem Anschein nach an dem Kirchenbau in Haan keine Tuffsteine verwendet worden. 25 Die Verfasser haben die in der Zeichnung verwendeten metrischen Maße (v. Quast verwendete 1857 ein aktu-elles Fußmaß) in ein Fußmaß von 0,30 m umgerechnet, um daraus evtl. eine historische Gesetzmäßigkeit herlei-ten zu können. 26 In Schöller wurden die Turmstützen vermutlich im 18. Jh. angesetzt. 27 Lisene = senkrechter Mauerstreifen, in der Romanik häufig durch Rundbogenfriese mit der benachbarten Lisene verbunden. 28 Kämpfer = vorspringende Tragplatte zur Lastaufnahme über frühromanischen Säulen in Fenstern oder Gale-rien. 23 Haan, alte Pfarrkirche im romanischen Idealzustand. Außenansicht von Süden. Die Kirche wurde in der 1. Hälfte des 12. Jhs. unter Einbeziehung eines älteren Chorraums neu errichtet. Bogenfries und Lisenen als Bauzier wurden nach dem Vorbild von St. Ursula und St. Mauritius in Köln ausgeführt. Zeichnung der Verfasser nach F.v. Quast 24 Das Kirchenschiff An den Turm lehnte sich das Kirchenschiff mit 6.60 m (22 F) Mauerhöhe bis zum vorgekragtem Dachtraufenstein und einer Länge von 10,50 m (35 F). Die von Quast dargestellte Südmauer wurde in der Höhe von 4,50 m (15 F) von einem waagerecht durchgehenden Gesims unterbrochen, auf den der durchfensterte Obergaden gestellt war. Seine Höhe betrug 2,10 m (7 F) und war gleichartig wie das Turmobergeschoss mit Lisenen gegliedert und mit einem vierfachen Bogenfries zusammengefasst. Zwischen vier der dadurch entstandenen Felder waren drei einfache Rundbogenfenster eingefügt, die wohl original an der Außenwand 0,60 cm (2 F) breit und gut 1,20 m (3 F) von der Sohlbank bis zum Bogenscheitel hoch waren. Fensterbogen und Bogenfriese lagen dabei auf gleicher Höhe. In etwa der Mitte der westlichen Mauerhälfte stand das Südportal der Kirche, bestehend aus einer einfach gemau-erten Portalöffnung von 1,35 m (4 ½ F) Breite und 3,30 m (11 F) Höhe bis zum Scheitel des Über-fangbogens. Hinter die Öffnung war eine monolithische Portalfassung gestellt, bestehend aus zwei Türpfosten und einem Giebelsturz, in deren knapp 1.80 m (6 F) hohen Durchlass das zweiflügelige Tor eingehängt war. Im freien Bogenfeld über dem Türsturz war die aus dem 10. Jahrhundert stam-mende Inschriftenplatte (Weihestein) eingefügt worden. Über der Schiffsmauer erhob sich etwa 4,65 m (15 ½ F) hoch das Satteldach, wahrscheinlich ursprünglich mit Holzschindeln gedeckt, später mit einer Schieferdeckung versehen. Das Chorhaus An das Kirchenschiff fügte sich im Osten das eingezogene rechteckige Chorhaus an. Die Höhe seiner ganz ungegliederten Südmauer betrug 4,20 m (14 F), die Länge 5,10 m (17 F). Am westlichen Ende der Chorhauswand war eine einflügelige Tür eingesetzt, die an den mittelalterlichen Kirchen übliche sogenannte Priesterpforte. Auch sie hatte nach Angaben v. Quast eine monolithische Türfassung. Der 0,70 m breite Durchlass hatte eine Höhe von 1,80 m. In der Mitte der Chorwand etwa 2,40 m über dem Boden befand sich die Sohlbank für das südliche Chorfenster, 1.50 m (5 F)) hoch und 0,60 m (2 F) breit. In der wahrscheinlich ebenfalls ungegliederten östlichen Giebelwand als auch auf der Nord-seite des Chorhauses war jeweils ein Fenster wie auf der Südseite vorhanden. Das nördliche Seitenschiff Der weitere Gang um die Kirche zeigte an der Nordseite ein Seitenschiff mit einer Rundapsis im Os-ten. Das Seitenschiff erstreckte sich über die Länge des Hauptschiffs und wurde mit ihm von einem gemeinsamen Schleppdach überdeckt. Damit gehörte die Haaner Kirche zu den wenigen romanischen Kirchen mit nur einem Seitenschiff, das sich immer auf der Nordseite befand. Zu dieser Gruppe mit der merkwürdigen Art der Überdachung, die ja kein Obergadenfenster zulässt, gehören auch die klei-nen Kirchen in Zingsheim bei Schleiden, in Büsdorf Kreis Bergheim und in Ramrath, Kreis Greven-broich. In späterer Zeit ist das Seitenschiff nach Westen zur Seite des Turms verlängert worden und bekam ein eigenes Portal nach Westen. Anscheinend ist in dem Anbau eine Leichenhalle eingerichtet worden. Der Friedhof, der rings um die Kirche bestand, ist bis 1807 belegt worden. Die französische Verwal-tung beendete per Dekret die Bestattungen innerhalb der Ortschaften. An der Westseite des Turms, der hier eine Breite von 6,60 m (22 F) hatte, befand sich das Westportal. Eine Ansicht ist nicht überliefert, wahrscheinlich war das Portal ähnlich wie auf der Südseite gestaltet. Eine 1.20 m (4 F) breite zweiflügelige Tür führte in die Turmhalle, durch die man die Kirche betrat. 25 Haan, alte Pfarrkirche, Ansicht von Osten. Die Kirche ist hier im Zustand des 18/19, Jhs. dargestellt. Das Chorhaus mit einem gotischen Maßwerkfenster steht leicht südlich von der Mittelachse der Kirche. Nach Norden ist eine Chorerweiterung und daran die Sakris-tei angebaut worden. Zeichnung der Verfasser. 26 Das Turminnere Die Turmhalle mit 4,70 x 4,40 m im Quadrat wurde von allen Seiten von 0,90 – 1,00 m (3 F) dicken Mauern umgeben. Sie war von einem Kreuzgratgewölbe mit kantigen Schildbögen überdeckt, das auf Kämpfern mit Platte und Wulst auflag.29 In diesem Raum, der traditionellen Tauf-kapelle in der römischen Kirche, stand ursprünglich der Taufstein aus Namurer Blaustein, der vermut-lich in der Reformationszeit in den Chor gestellt wurde.30 Von der Halle öffnete sich zum Kirchen-schiff ein großer Rundbogen auf Kämpfern von 3.80 m (12,2/3 F) Gesamthöhe und 3,60 m (12 F) Breite. Im ersten Turmgeschoss befand sich anscheinend eine flachgedeckte Oberkapelle mit einem Rundbogen zum Kirchenraum. Das zweite Obergeschoss darüber diente als Plattform zum Läuten der Glocken, zur Aufstellung der mechanischen Uhr und als Zugang zum Dachraum über dem Kirchen-schiff. Hier wurde der Turm von je einer Zwillingsscharte auf der südlichen, wie auf der nördlichen Seite belüftet. Das Zifferblatt der Uhr nutzte mit ihrer Zeigerachse die Wandöffnung der südlichen Scharte. Aus diesem Grund erklären sich der versetzte Platz des Zifferblattes und ebenso die versetzte Glockengaube am Turmhelm.31 Die Stundenglocke war 1542 gegossen und vermutlich mit der Uhr zu dieser Zeit im Turm installiert worden.32 Da die Pendelhemmung noch nicht verbreitet war, dürfte sie noch mit einer Spindelhemmung gearbeitet haben.33 Der Turm hatte um 1827 ein Geläut von drei Glo-cken, was darauf hindeutet, dass diese Anzahl auch in der Vergangenheit vorhanden war. Über die Erschließung der Turmgeschosse mit Treppen oder Leitern machte Quast keine Angaben. Vermutlich erreichte man das erste Turmgeschoss über eine Holztreppe im Kirchenschiff. Kircheninneres, Mittelschiff und nördliches Seitenschiff Von der Taufkapelle im Turm betrat man das längsrecheckige, flachgedeckte Kirchenschiff von 6,60 m (22 F) Breite, 8,40 m (28 F) Länge und 6,60 m (22 F) Höhe. Der Raum, der seine Harmonie aus gleicher Breite und Höhe bezog - ebenso konnte ein Kreis darin geschlagen werden - war mit einer Holzbalkendecke geschlossen. Auf der rechten Schiffswand befand sich das Südportal und in Reihe darüber die drei einzigen Fenster, die als Obergaden dem Raum Licht gaben. Gegenüber auf der linken (nördlichen) Seitenwand waren keine Fenster vorhanden. Dafür führte hier eine Arkade von drei Bo-gen zum Seitenschiff. Alle Rundbogen hatten eine Weite von knapp 2,0 m (6 ½ F) und saßen auf Kämpfern, die nur auf der Innenseite ausgebildet waren. Die beiden Pfeiler dazwischen hatten 0,80 m (2 2/3 F) Breite und Tiefe. Während der östliche Seitenschiffsbogen mit 3 m (10 F) Höhe angelegt war, erreichten die beiden Bögen westlich davon nur 2,70 m (9 F). Gegenüber dem flachgedeckten Mittelschiff war das 2,40 m (8 F) breite Seitenschiff mit Kreuzgratgewölben von 3.0 m (10 F) Schei-telhöhe versehen. Die Gewölbe hatten kantige Gurt- und Schildbögen mit einer Scheitelhöhe von 2,80 m, die auf Kämpfern mit Platte und Wulst auflagen; eine Bauweise wie sie auch in der Turmhalle an-gewandt worden war. Nach Osten öffnete sich das Seitenschiff mit einem 1,90 m (6 1/3 F) breiten Bogen zu einer Rundapsis für einen Nebenaltar. 29 Die Gewölbe der Turmhallen in Gruiten und Schöller sind ähnlich angelegt. 30 Mittelsäule und Bruchstücke der Taufe fand Vollmar unter dem Chor. 31 Vollmer, Haan und Gruiten. S. 32 Sie befindet sich seit 1864 in der ev. Kirche an der Kaiserstr. 33 Vollmer, Haan und Gruiten, S. 238. Jürgen Abeler, Altbergische Uhren, Wuppertal 1976, S. 13-14, Abb. 3. 27 Haan, alte Pfarrkirche, Seitenansicht von Norden. Der Kirchenneubau im 12. Jh. erhielt ein nördliches Seitenschiff mit einer Apsis, die gemeinsam mit dem Haupt-schiff von einem Schleppdach gedeckt wurden. Die Ansicht zeigt die spätere Verlängerung des Seitenschiffs seitlich des Turms und den Giebel der Sakristei. Zeichnung der Verfasser. 28 Haan, alte Pfarrkirche, Längsschnitt des Gesamtbaus von Süden. F.v. Quast überlieferte eine Kirche des frühen 12. Jhs, mit Turm und Schiff, sowie gewölbtem Seitenschiff. Nur der Chor ist vom Bau des 10. Jhs. übernommen worden, im 16. Jh. durch den großen Rundbogen erweitert und mit einer Holztonne überwölbt worden. Zeichnung der Verfasser nach F.v. Quast. 29 Haan, alte Pfarrkirche, Querschnitt nach Westen durch Haupt- und Seitenschiff. Der Blick geht auf den großen Rundbogen zur Taufkapelle und auf den Bogen zur Kapelle im Obergeschoss des Turms, dem Sitz des Stiftsbeauftragten. Rechts das gewölbte Seitenschiff. Zeichnung der Verfasser. 30 Der Chorraum mit Hauptaltar Mittelschiff und Chorraum verband der Chor- oder Triumphbogen, der 3,30 m (11 F) breit war und ursprünglich wohl nur 3, 90 m (13 F) hoch gewesen ist. Der Chorraum war 3,60 m (12 F) breit, 4,50 m (15 F) tief und ursprünglich in einer Höhe von 4,20 m flachgedeckt. Erst zu späterer Zeit (1500-1700) wurde auf die Seitenwände eine Holztonne gestellt, deren Höhe mit 6,80 m noch über die Decke des Mittelschiffs hinausging und weit in das Dachwerk des Chorhauses hineinragte. Dabei erhöhte man auch den Chorbogen auf 6.60 m (22 F) und entfernte die Kämpfer des alten Bogens. Der Raum wurde von Fenstern auf drei Seiten erhellt, von denen das östliche später wohl größer und mit einem goti-schen Maßwerk angelegt war. Die romanische Altarmensa dürfte seit frühester Zeit im östlichen Drit-tel des Chorraums gestanden haben. Abweichung des Chorraums von der Kirchenachse Die Lage von Chor und Chorbogen wies gegenüber der Gesamtausrichtung der Kirche eine Achsver-schiebung auf, die nicht übersehen werden darf. Während der Westturm mit dem Schiff eine gemein-same Mittelachse hatte, war der Chorbogen in der Ostwand mit 0,60 m (2 F) deutlich davon nach Sü-den verschoben. Erklärung nach den Merkmalen des Kirchenbaus In diesem Aussehen wird die mittelalterliche Kirche bis etwa ins 15. Jahrhundert bestanden haben, ist in der Form auch nach den Ausgrabungsfunden rekonstruiert und als Grundriss im Pflaster des Alten Kirchplatzes nachgezeichnet worden. Bevor die Verfasser auf Veränderungen an dem Bauwerk einge-hen, soll dieser Zustand auf seine Entstehung untersucht werden. Die Untersuchung der Kirchenfundamente während der Ausgrabungszeit von 1971-1973 brachten im Grunde eine Übereinstimmung mit den von Quast bekannten Zeichnungen. Unter den neu hinzugewonnen Erkenntnissen betraf eine der wichtigsten Entdeckungen die Bauweise der Bogenar-kade in der nördlichen Schiffsmauer.34 Die bisherige Annahme, dass die Bogen in eine schon beste-hende Wand eingebrochen wurden und damit das Seitenschiff nachträglich an die vorhandene Kirche angefügt worden war, bestätigte sich nicht.35 In diesem Fall hätte man in den Zwischenräumen der Bogen Fundamentreste der einstmals geschlossenen Mauer finden müssen. Die Nordwand war aber mit einzeln gesetzten Pfeilerfundamenten gleichzeitig mit dem Seitenschiff von Grund auf neu errich-tet worden. Der etwa 2,40 m breite Seitenschiffsgang wurde mit Gurten zu drei Jochen eingewölbt und im Osten mit einer Rundapsis versehen. Allein die Tatsache der einzeln gegründeten Pfeiler der Nordwand ließen die von Kubach und Verbeek angedachten Kirchenbauperioden I, II und III hinfällig werden. Auch Vollmar, zog als Initiator der Grabung keine konsequenten Schlüsse aus seiner Entdeckung. Er nahm die Kirchenbauphasen zu früh an, datierte Haupt- und Seitenschiff auf das Jahr 850, damit 300 Jahre zu früh. Infolgedessen gerieten auch die nachfolgenden Zeiteinteilungen durcheinander, womit seine Arbeit nicht mehr nachvollziehbar ist.36 Welche Schlüsse der Grabungsleiter Soechting in seinem „vorläufigen" Gutachten zog, ist nicht be-kannt, bzw. wird von Vollmar nicht zitiert. 34 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 534. 35 Kubach/Verbeek, Romanische Baukunst, S. 343. 36 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 231,. 31 Haan, alte Pfarrkirche, Querschnitt von Haupt und Seitenschiff nach Osten. Der Blick geht auf die beiden Chöre mit ihren Altären. Links die kleine gewölbte Apsis des Seitenschiffs, rechts der deutlich verschobene noch niedrige Bogen zum älteren Chor. Zeichnung der Verfasser 32 Köln, St. Mauritius, Modell. Die zu Beginn des 12. Jhs. als gewölbte Emporenbasilika errichtete und 1144 geweihte Kirche zeigte wie St. Ursula erstmals eine architektonische Gliederung von Rundbogenfries am Westturm und Blendbogen am Obergaden des Kirchenschiffs. Dieses Baumuster wurde an vielen rheinischen Kirchen, so auch in Haan wieder-holt. Datierung des Kirchenbaus mit seinem Seitenschiff Die Problemstellung löste sich aber nicht nur mit dem Bau der Nordmauer, sondern im Ein-schluss mit der gleichzeitigen Errichtung des gewölbten Seitenschiffs. Wie schon im ersten Kapitel berichtet, verläuft die Geschichte des Kirchenbaus im Bergischen Land relativ ein-heitlich, die Bautätigkeit an der Kirche zu Haan macht da keine Ausnahme. Der mehrschiffige Dorfkirchenbau mit Gewölben und architektonischen Außengliederungen ist im Rheinland nicht vor 1100 anzutreffen.37 Im stets fortschrittlicheren Gebiet links des Rheins beginnt der Gewölbebau zunächst zögerlich nach 1100 und setzt sich rechtsrheinisch erst um 1130/40 mit dem Bau der Stiftskirche Elten fort. Entsprechend dieser Entwicklung ist die Haaner Kirche mit gewölbtem Seitenschiff in der Bauperiode des 12. Jahrhunderts entstanden. Da Lisenen mit Bogenfriesen erstmals an der 1140 geweihten Kirche St. Ursula in Köln verwendet wur-den, zudem gleiche Breite und Höhe eines Kircheraums ein Kennzeichen der frühen Romanik ist, kann dieser Bau in Haan frühestens im 2. Viertel des 12. Jahrhunderts angenommen wer-den, wobei auch der Turm in diese Bauphase einzubeziehen ist. Damit war die Haaner Kirche ein Bau der frühen Stauferzeit. 37 Zum Vergleich, Vollmer Haan und Gruiten, S. 230-246. Vollmar setzt die beschriebene Kirche in einen Zeit-verlauf von 850-970, damit maximal 290 Jahre zu früh (!). 33 Haan, alte Pfarrkirche, Rekonstruktion der Innenansicht. Der Blick aus der Taufkapelle nach Osten ins Hauptschiff zeigt eine einfache Kirche des 12. Jhs. allein mit der sakralen Ausstattung von Altar und Taufstein. Schiff und älterer Chor haben flache Balkendecken, links führt die Bogenreihe zum gewölbten Seitenschiff. Rechts ist das Südportal, darüber die drei Fenster des Obergadens. Bis ins 16. Jh. blieb der Kirchenraum ohne Gestühl. Zeichnung der Verfasser 34 Zur Datierung des Turms Ein weiterer bestimmender Umstand zu einer Datierung auf das 12. Jahrhundert geht vom Kirchturm aus. Der Turmbereich ist zwar beim Abbruch bis in die Fundamente zersprengt worden, doch die ver-bliebenen Reste, besonders aber die Zeichnungen Quasts deuten auf eine gleichzeitige Errichtung mit dem Kirchenschiff. Bestätigungen finden sich in der präzisen Ausrichtung der Achse von Turm und Schiff und ihrer gemeinsamen Verbindungswand, in der Aussteifung des Turms mit einem Kreuzgrat-gewölbe und der Form der Kämpfer, die im Durchgangsbogen zum Schiff, wie auch in den Bögen zum Seitenschiff gleichartig sind. Zu dieser Einschätzung trägt auch die Gestaltung der Bauteile in der Südansicht der Kirche bei. Die architektonische Bauzier in Form einheitlicher Lisenen und Bogenfrie-se am Glockenhaus des Turms wie auch am Obergaden des Kirchenschiffs machen dieses deutlich. Selbst die von Kubach und Verbeek vermutete Entstehung des Turmunterbaus in der II. Bauphase des 11. Jahrhunderts ist aufgrund dessen nicht zu halten, womit auch die Meinung Vollmars hinfällig wird, der den Turmunterbau auf das Jahr 1075 datiert. In historischer Realität gingen aber Turmbau und Gewölbebau erst im 12. Jahrhundert gemeinsam einher. Nach heutigem Wissen über die Kirchen im rechtsrheinischen Gebiet sind Glockentürme in dieser Form vor 1100 nicht nachweisbar. Entsprechend sind im Katalog der romanischen und vorromanischen Denkmäler38 Kirchtürme vor dem 12. Jahrhun-dert nicht verzeichnet. Nach den Dokumentierungen v. Quasts hat sich wohl über der Turmhalle bzw. Taufkapelle ein Turmobergeschoss befunden, das eine Öffnung mit Rundbogen zum Kirchenschiff hatte. Die Höhen-verhältnisse im Kirchenraum mit 6,60 m ließen zwei Stockwerke zu. Die flache Decke im Turmober-geschoss war gleichhoch mit der im Kirchenraum. Vermutlich befand sich hier eine Turmkapelle, wie sie an vielen anderen romanischen Kirchtürmen im Bergischen Land noch vorzufinden sind. Fast alle stiftsabhängigen Kirchen wie Wald, Wermelskirchen, Dhünn, Monheim, Werden und sogar Schöller weisen solche Turmräume auf. Da sie sich auf der Westseite der Kirche, also der Richtung der Nacht befinden, waren sie als Kapelle oftmals mit eigenem Altar dem hl. Erzengel Michael geweiht. In der Regel dienten sie dem Stiftsbeauftragten, dem Kirchenvisitator oder dem adeligen Kirchenherrn als private Loge bei der Heiligen Messe. Die Datierung des Chorhauses führt zur Vorgängerkirche Als einziger Bauteil der Kirche scheint der Chorraum einer anderen Zeit anzugehören. Diesen Ein-druck vermittelten die archäologischen Funde, die von einer deutlichen Trennungsfuge an den Funda-menten der Ostwand des Kirchenschiffs zu den anschließenden Seitenwänden des Chorhauses berich-ten.39 Zudem sprechen sie von größeren Fundamentsteinen mit sorgfältiger Mörtelung am Chorhaus, einer Qualität, die am übrigen Baufundament nicht mehr aufzuspüren war. Bemerkenswert ist 1973 archäologisch keine Rundapsis wie am Seitenschiff nachgewiesen worden. Eventuell zu erwartende halbkreisförmige Fundamentreste dieser durchaus schon im 11. Jahrhundert angewandten Bauform fanden sich unter dem Boden des Chorraums nicht. Im Ergebnis dürfte also ein älterer, demnach von einer Vorgängerkirche stammender Chorbau unverändert in den neuen Kirchenbau integriert worden sein, wobei der Chorbogen in der östlichen Mittelschiffswand an alter Stelle blieb. 38 Kubach /Verbeek Romanische Baukunst. 39 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 544. 35 Haan, alte Pfarrkirche, Grundrisse des 10. und 12. Jahrhunderts. Oben die Saalkirche 9x12 m von Erzbischof Wichfried um 950 geweiht, mit steinernen Umfassungsmauern und einem eingezogenen rechteckigen Chor. An der südöstlichen Ecke das Kopfnischengrab. Unten die Kirche, die um 1140 unter Einbeziehung des alten Chor-raums erbaut wurde. Der Saal ist nach Norden um einen halben Meter erweitert worden und erhielt ein gewölb-tes Seitenschiff mit Altarapsis und im Westen einen Glockenturm. Das aus dem 10. Jh. stammende Kopfni-schengrab wurde nicht angetastet und blieb erhalten. Zeichnung der Verfasser. 36 Haan, alte Pfarrkirche, Grundriss im 19. Jahrhundert. Die Kirche des 12. Jhs. ist noch erhalten. Die Seiten-schiffapsis ist einer seitlichen Erweiterung des Chorraums gewichen, an die eine Sakristei angebaut wurde. Der Chor 37 erhielt eine Gewölbetonne, das Seitenschiff ist nach Westen bis zum Turm verlängert worden. Darüber hinaus wurden überall die Fenster mehrfach verändert. Zeichnung der Verfasser nach F.v. Quast. . Mit dem Nachweis einer einheitlichen Baugruppe von Turm, Schiff und Seitenschiff etwa aus der Mitte des 12. Jahrhunderts ist für die Baugeschichte der Haaner Kirche eine solide Basis gefunden. Von diesem Fixpunkt aus lassen sich sowohl Rückschlüsse auf die Vorgängerkirchen, wie auch auf Veränderungen späterer Zeit ziehen. Geht man in der Baugeschichte von 1150 zeitlich etwa 200 Jahre zurück, was der Lebensdauer der Vorgängerkirche entsprach, finden wir uns in der Zeit um 950 wieder. Zu diesem Zeitpunkt wurden im Bergischen Land die ersten Holzkirchen aus der Gründungszeit nach 800 durch Steinbauten ersetzt. Damit wäre für Haan der Kirchenbau gefunden, den laut Inschriftenstein der Kölner Erzbischof Wich-fried in seiner Amtszeit von 924 bis 953 geweiht hatte. Dieser Bau ist als eine Saalkirche in der Größe von 6 x 9 m (20 x 30 F) vorzustellen, der ein eingezo-gener rechteckiger Chorraum angefügt war. Eine Rundapsis als früherer Altarraum entfällt, da diese Kirchen nach Ausgrabungsergebnissen ausnahmslos rechteckige Chorräume aufwiesen. Der Bau be-stand aus steinernen Umfassungsmauern die flach mit einem zum Dachstuhl offenem Balkenwerk gedeckt waren. Der offene Dachstuhl sorgte für den Rauchabzug der Kienspanbeleuchtung. Von dieser Saalkirche des 10. Jahrhunderts, der ottonischen Zeit zuzurechnen, ist als Überbleibsel der Chorbau bis 1863 erhalten geblieben. Aus diesen Überlegungen heraus lassen sich für Haan vier Zeiträume für die Kirchenbauten ableiten. Bauperiode I: ca. 800 - 950, hölzerner Kirchensaal mit Chor, geostet, Größe 20 x 30 Fuß. Bauperiode II: ca. 950 – 1150, steinerner Kirchensaal mit Chor, Größe 20 x 30 Fuß. Bauperiode III: ca. 1150 – um 1500, neues Kirchenschiff Größe 22 x 30 Fuß, mit gewölbtem Seiten-schiff und einem Turm sowie einem Chorraum aus der Vorgängerkirche. Bauperiode IV: Ab 1500 Anbauten von Seitenchor und Sakristei, westliche Verlängerung des Seiten-schiffs, Gewölbetonne über dem Hauptchor und weitere Veränderungen durch hölzerne Emporenein-bauten. Ergänzend zu diesen Bauzeiten gab es wohl einen frühgeschichtlichen Bet- und Andachtsraum (cella memoriae). Vollmar legte wenige Meter nördlich des Kirchenschiffs ein Steinfundament für einen frühen Holzbau frei. Der kleine Raum von annähernd quadratischer 2 x 2,5 m Größe war im Inneren mit Asche aufgeschüttet und hatte einen östlichen Zugang. Der Fund in Haan steht nicht allein: auch bei Ausgrabungen an anderen Kirchen im Rheinland wurden solche Zellen gefunden.40 Grund der Achsverschiebung des Chorhauses Auffallend und rätselhaft ist im Grundriss die Verschiebung der Chorachse um 60 cm von der Mittel-achse des übrigen Kirchengebäudes. Sie ist anscheinend von den früheren Autoren nicht bemerkt wor-den,41 sicherlich aber auf einen besonderen Grund zurückzuführen. Die Achsverschiebung zeigt, dass beim Kirchenneubau die Mittellinie des vorhandenen Chorhauses nicht aufgenommen und über Schiff und Turm weitergeführt wurde. Möglicherweise musste ein Kompromiss gefunden werden, denn der Chor mit dem Altar sollte als Allerheiligstes erhalten werden. Möglicherweise war er von der Sub-stanz auch erhaltenswert, und ermöglichte zudem eine Weiterführung des Gottesdienstes im kleinen Rahmen während der über Jahre dauernden Bautätigkeit. Bei der Neugründung der Kirchenschiffs-fundamente ist zwar die Lage der Südmauer wieder aufgenommen worden, die Nordmauer dagegen wurde um 60 cm bzw. 2 Fuß nach außen versetzt neu angelegt. Im Ergebnis hatte man damit die Breite der Vorgängerkirche von 20 Fuß auf 22 Fuß erweitert. Die Länge des Kirchenschiffs von 28 Fuß (8,40 m) wurde vermutlich unverändert vom Vorgängerbau übernommen, wobei sich durch stärkere Mauern eine geringfügige Längenreduzierung ergab. Wahrscheinlich sind bei der Grabung 1973 deshalb auch keine Fundamente des voraufgehenden Kirchensaals zum Vorschein gekommen. 40 Kubach/Verbeek, Romanische Baukunst, Bd. I und II. 41 Vollmar geht auf dieses Merkmal nicht ein. 38 Allerdings fand Vollmar direkt an der östlichen Südmauerecke ein gemauertes Kopfnischengrab, das mit dem Schiff nach Osten ausgerichtet war und exakt an der Südostecke endete. Die enge Kopfnische von 0,18 befand sich im Westen, aufgerichtet schaute der oder die Bestattete nach Osten – demnach ein Laiengrab. Die besonders schmale Kopfnische und die anderen Maße wiesen auf eine Belegung mit einer erwachsenen Frau.42 Ein gemauertes Grab dieser Ordnung bekam sicherlich nur eine hohe Persönlichkeit, und die Erbauer der Kirche von 1140 haben anscheinend auf diese Grabstätte Rück-sicht genommen.43 Sie erweiterten das Kirchenschiff nicht beiderseits der Mittelachse zum vorhande-nen Chor, sondern nur nach Norden.44 Dadurch blieb das anscheinend bedeutungsvolle Grab erhalten. Die Größe der aufeinander folgenden Kirchenbauten Da Harro Vollmar in seiner Schrift bereits der aus der Zeit Wichfrieds stammenden Kirche eine be-sondere Größe bescheinigt, soll auf die tatsächlichen Verhältnisse noch einmal eingegangen werden. Der um 950 entstandene Saalbau hatte vermutlich das schon genannte Grundmaß von 20 x 30 Fuß (6 x 9 m), mit einem Chorbau von 12 x 15 Fuß (3.60 x 4,50 m).45 Damit ist die Haaner Kirche aus der Bauperiode II in die Reihe zahlreicher Bauten der Region einzu-ordnen, die im Durchschnitt ein Schiff mit dem Grundmaß von 6 x 9 m (20 x 30 Fuß) aufwiesen. Da diese Abmessungen nicht nur im 10. Jahrhundert angewandt wurden, sondern auch bei hölzernen Vor-gängern festgestellt wurden, könnten die 20 x 30 Fuß ein karolingisches Maß bzw. ein Baugebot die-ser Zeit gewesen sein.46 Das Kirchenschiff in Haan ist also keineswegs weiträumig zu nennen, sondern hatte die Größe einer durchschnittlichen Dorfkirche. Selbst der dann im 12. Jahrhundert mit einem Seitenschiff und der Taufkapelle im Turm neu angelegte Kirchenbau blieb im Rahmen einer bescheidenen Kirche. Im Ver-gleich dazu entstand zeitgleich im nahen Ort Wald durch die Benediktiner von Deutz eine große drei-schiffige Kirche, deren Langhaus ohne Turm und Chor allein 22 m erreichte. Das Grundmaß des Haaner Chorbaus entsprach nur in der Breite dem Durchschnitt anderer Kirchen. Durch seinen etwas längeren Bau wurde seine innere Tiefe geringfügig größer als der Durchschnitt anderer Chorräume. Es ist zwar möglich, dass die Chorgröße in einem Zusammenhang mit dem von Vollmer vermuteten Frauenkonvent stand, der sich in Haan zwischen 922 und 970 aufgehalten haben soll, richtig überzeugend ist dieses Argument aber nicht. Die von Wichfried geweihte Kirche hatte keine Merkmale einer besonderen Konventskirche, sondern entstand als normale Dorfkirche. Aller-dings sind aus dieser frühen Zeit keine Konventskirchen überliefert. Die Klostergemeinschaften, allen voran die Zisterzienser, entwickelten erst im 11. und 12. Jahrhundert die typischen Anlagen ihrer Klosterkirchen. 42 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 546. 43 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 545. Vollmar verweist auf ein ähnliches gemauertes Grab am Stift El-ten/Niederrhein. Im Grab lag das Skelett der Äbtissin Irmgardis, gestorben 1129 mit 25-30 Jahren. Auch im Bereich des Essener Münsters wurden solche Gräber gefunden, eines auf vor 1050 datiert. 44 Beim Kopfnischengrab möchte man unwillkürlich an die Äbtissin Lantswind denken. Lantswind, die 905, 906 und 922 als Äbtissin von St. Ursula und Gerresheim genannt wird, dürfte die Fertigstellung und Weihe ihres Heimatstiftes Gerresheim um 970 nicht mehr erlebt haben. Ihr Grab an dieser Stelle wäre demnach nicht auszu-schließen. 45 Zum Vergleich, Vollmar, Haan und Gruiten, S.231-232. Vollmar setzt die Saalkirche auf 850, den Chor auf 935. Um 850 stand in Haan bestenfalls eine hölzerne Saalkirche. Die Steinkirche ist aber als Ganzes mit Saal und Chor entstanden und von Ebf. Wichfried geweiht worden. 46 Die Verfasser haben aus Kubach/Verbeek, Romanische Baukunst an Rhein und Maas, 20 mit Haan ähnliche archäologisch erfasste Dorfkirchen vom Niederrhein für diese Übersicht herausgesucht und verglichen. Bis auf wenige Ausnahmen wurde allgemein das Grundformat 6 x 9 m angewandt. 39 Haan, alte Pfarrkirche Querschnitt von Haupt- und Seitenschiff im 17. Jahrhundert. Durch Einbau einer Gewölbetonne im Chor konnte der Chorbogen erhöht werden, an dessen Südseite die Kanzel angebracht wurde. An der Nord- und Westseite des Hauptschiffs wurden hölzerne Emporeneinbauten geschaffen und in die Südwand ein großes Fenster eingebrochen. Zeichnung der Verfasser nach F.v. Quast. 40 Haan, alte Pfarrkirche. Querschnitt durch Chor, Seitenchor und Sakristei. Der Chor ist mit einer hölzernen Tonne überwölbt, während Seitenchor und Sakristei mit steinernen Gewölben geschlossen waren. Die Orgel hat man Chor aufgestellt, um im Westen Raum für Besucher zu haben. Nach der erhaltenen Holztafelinschrift nahm man diese Aufstellung 1801 vor. Zeichnung der Verfasser nach F.v. Quast. 41 Nachmittelalterliche Veränderungen an der Kirche Nach Errichtung der Haaner Kirche zur zweischiffigen, basilikaähnlichen Kirche während des mittel-alterlichen Baubooms im 12. Jahrhundert, sind wahrscheinlich erst Ende des 15. Jahrhunderts wieder Veränderungen an ihr durchgeführt worden. Auch dies geschah zur Zeit einer allgemeinen Bauperio-de, in der viele bestehende Kirchen vergrößert oder den Bedingungen der Zeit angepasst wurden. Da nach kirchlicher Regel Chor- und Altarräume als Heiligtum besonders hervorgehoben und deshalb eingewölbt sein sollten, ist möglicherweise der noch bestehende, um 950 mit einer Flachdecke gebaute Chorraum geändert worden.47 Da die Chorhauswände aber für den Einbau steinerner Gewölbe zu schwach waren und auseinandergedrückt worden wären, stellte man auf die Längsmauern eine leichte Holztonne mit Verzimmerung im Dachwerk und kam so dem Gebot nach. Gleichzeitig erhöhte man den Scheitel des Chorbogens bis auf 6,60 m und setzte in die Ostwand ein großes gotisches Chorfens-ter. Als nächstes erfolgte die Errichtung eines Nebenchores mit Sakristei in gleicher Flucht an der Nord-seite des bestehenden Chorhauses. Dazu gab man die Rundapsis mit Nebenaltar im Seitenschiff auf und legte sie nieder. Die Chorhaus-Nordwand wurde mit einem großen Bogen geöffnet, so dass vom Nebenraum der Blick auf den Altar frei wurde. Zur Erhaltung der Stabilität ist dabei aber die Wandung verstärkt und mit einem Strebepfeiler außen verlängert und abgestützt worden. Die beiden neu ent-standenen, fast quadratischen Räume wurden mit gemauerten Kreuzgratgewölben geschlossen. Wäh-rend dieser Maßnahmen wurden in die Südwand des Mittelschiffs zwei nebeneinanderliegende goti-sche Fenster eingebrochen, um dem bisher mystisch dämmrigen Innenraum Licht zu geben. Aus den Zeichnungen von Quast ist zu erkennen, dass alle neuen oder veränderten Mauerbogen seit dieser Zeit ohne Kämpfer gebaut wurden. Solange die Gemeinde stehend die Heilige Messe feierte, wird es im Kircheninneren an Platz nicht gefehlt haben. Die Gottesdienste der Frühzeit waren mit einer halben Stunde relativ kurz und wurden von der Gemeinde stehend mitgefeiert. Doch schon in der Zeit vor der Reformation wurde die Ge-meinde mehr und mehr aktiv an der Messfeier beteiligt, bzw. wurde die Predigt eingeführt, die zumin-dest für die älteren Menschen Sitzplätze nötig machten. Anscheinend gehen darauf bereits die Erweite-rungsmaßnahmen Ende des 15. Jahrhunderts zurück. Veränderungen in nachreformatorischer Zeit Um das Jahr 1600 bekannte sich die Haaner Kirchengemeinde zum protestantischen Bekenntnis und hatte sich der bergischen Synode der Reformierten Kirche angeschlossen. Doch die mit der Reformation aufkommenden langen Predigtgottesdienste erforderten ein Gestühl für alle Gläubigen, womit es recht beengt wurde. Im 17./18. Jahrhundert baute man für die anwachsende Gemeinde im Mittelschiff eine Empore ein, die im Winkel über West- und Nordwand ging. Um weite-ren Platz zu bekommen, erweiterte man einen kleinen Durchlass vom Kirchenschiff zum oberen Turmraum zu einem großen Rundbogen. Auch die ehemalige Taufkapelle darunter wurde zum Platz für die Gemeinde nutzbar gemacht. Der Taufstein war zunächst von dort in den Chorraum versetzt worden, um die Taufe im Angesicht der Gemeinde zu spenden. Später benutzte man zur Taufe silberne Taufgeschirre, bestehend aus Kanne und Schale. Damit wurde das Taufbecken überflüssig und wahr-scheinlich zerschlagen. Beim Abbruch der Kirche 1863 wanderte durch die Hände der Arbeiter ein Steinkopf, dem später die geheimnisvolle Bezeichnung Dariakopf gegeben wurde, aber ein Stück des Taufbeckens war. Bemerkenswert fand Vollmar 1973 noch den Mittelfuß und weitere kleine Teile im Erdreich unter dem Chor und fertigte davon eine Rekonstruktion an. Nach der Einführung des refor- 47 Die Verfasser vermuten den Bau der Gewölbetonne frühestens um 1500, er könnte aber auch in der Barockzeit des 17. Jhs. erfolgt sein. 42 Haan, alte Pfarrkirche, Blick nach Osten zum Chorraum. Zustand der Kirche im 19. Jahrhundert, als Ferdinand v. Quast seine Bauaufzeichnungen machte. Sie ist hier nach den Erfordernissen des reformierten Gottesdienstes hergerichtet, wobei Kanzel, Orgel und Abendmahls-tisch den Mittelpunkt bilden. Der kleine Kirchenraum erhielt mehrere Emporen und ist bis in den Turmraum mit Bänken ausgefüllt. Die Kirche blieb in diesem Zustand bis zu ihrem Abbruch im Jahre 1863. Rekonstruktionszeichnung der Verfasser. 43 mierten Bekenntnisses wurde auch die gemauerte Altarmensa mit den Reliquien aus dem Chor ent-fernt. Die neue Liturgie erforderte nur noch einen gedeckten Tisch zur Vorbereitung des Abendmahls. Der Schwerpunkt lag nun bei der Predigt, wofür eine Kanzel in den Winkel südlich des Chorbogens angebracht wurde. Dafür wurden die beiden gotischen Fenster der Südwand wieder zugemauert und statt ihrer ein großes Rundbogenfenster eingebrochen. An der Nordseite des Turms hatte man das Seitenschiff durch einen gewölbten Raum verlängert, der zuletzt abgemauert war und wohl als Leichenhalle diente. Um für die Gemeinde die Westseite der Kirche besser nutzen zu können und vermutlich auch den dahinterliegende ehemalige Turmkapelle im Obergeschoss dafür einbeziehen wollte, nahm man die Orgel von der Westempore und stellte sie auf eine kleine Empore an der Ostseite des Chorraums über den Abendmahlstisch. Dadurch verdeckte sie allerdings das Ostfenster, was den Einbau eines zweiten Fensters an der südlichen Chorwand erforderte. Diese Veränderungen nahm man wohl im Jahre 1801 vor. Davon blieb eine sehr schöne Inschriftentafel auf Eichenholz erhalten, die in Latein von dem Er-eignis berichtet und neben dem Pfarrer die Namen des Presbyteriums nennt. Solche Tafeln sind zwar in der protestantischen Kirche verbreitet, aber in Haan hat man den Eindruck, dass die Männer von dem alten Inschriftenstein über dem Portal ihrer Kirche inspiriert sich in dieser Tradition verewigen wollten. Der Haaner Taufstein Vom mittelalterlichen Taufstein, der in Haan wie auch in den anderen Pfarrkirchen der Umgebung ursprünglich im Turmraum aufgestellt war, sind wenige Bruchstücke erhalten geblieben. Seit dem Abbruch der Kirche war in der ev. Kirchengemeinde ein merkwürdiger Steinkopf vorhanden, mit dem anfangs angeblich allerlei Schabernack getrieben wurde, bis er als Teilstück eines mittelalterlichen Kunstwerks erkannt wurde und später in die Sammlung des Jakob Litsch aufgenommen wurde. Im Jahre 1950 hat sich wohl erstmals der Hildener Heimatforscher Heinrich Strangmeier über seine Her-kunft Gedanken gemacht und in einem Aufsatz veröffentlicht.48 Strangmeier hielt den Kopf für den Rest einer Statue, möglicherweise der Patronin Daria. Dieser Darstellung wurde aber schon sehr bald von Walther Zimmermann widersprochen, der den Kopf für den Teil eines Taufsteins hielt.49 Über das Thema hat 1962 der Hildener Archivar Wennig noch einmal geschrieben, so dass sich die Vorstellung eines Statuenkopfes weiterhin gehalten hat. Bei den Ausgrabungen zwischen 1971 und 1973 fand Vollmar im Bereich des Chorraums jedoch zwei Bruchstücke von bearbeitetem Steinmaterial in glei-cher Art wie der rätselhafte Kopf. Es handelte sich um ein Zylinderstück der Mittelsäule eines Tauf-steins und eine der dazugehörigen Stützsäulen. Damit war der Nachweis erbracht, dass in Haan ehe-mals ein Taufstein des Maastyps vorhanden war. Um 1140 ist mit dem Bau der Kirche und der gleich-zeitigen Errichtung des Kirchturms die Taufkapelle im Untergeschoss eingerichtet worden. Es ist des-halb davon auszugehen, dass daraufhin auch der Taufstein aus Namurer Blaustein dort aufgestellt wurde. In den frühen mittelalterlichen Kirchen gehörte neben dem Altar der Taufstein zur grundlegenden sakralen Ausstattung, womit er zu den bemerkenswertesten Einrichtungsgegenständen der katholi-schen Kirche gehörte. Vielfach sind Taufsteine die ältesten Erinnerungsstücke, die in Neubauten über-nommen sind und das Alter einer Pfarrkirche über die schriftliche Überlieferung hinaus bezeugen. Das Gebiet des Niederrheins fällt besonders auf durch seinen Reichtum an erhaltenen Stücken der romani-schen Zeit und durch die Vielzahl der Muster. Die Geschichte der Taufen nennt zwar schon seit der Synode von Lerida 524, das Vorhandensein von Taufsteinen in den Kirchen.50 Bemerkenswerterweise scheinen die erhaltenen Taufsteine unserer Re-gion aber nirgends vor die Zeit von 1100 zurückzureichen, worauf auch Zimmermann hinweist. An-fangs beschränkte sich das Recht des Taufens nur auf wenige Kirchen. Die Errichtung eines ausgebil- 48 Heinrich Strangmeier, Beiträge zur Geschichte von Hilden und Haan, Hilden 1951, S. 75. 49 Walther Zimmermannn, Romanische Taufsteine am Niederrhein, S. 499, Nr. 73. 50 Müller und Mothes, Archäol. Wörterbuch, angeführt bei Pudelko, S. 19. Hier wird auch auf einen Grabstein des 5. Jahrhunderts in Aquileja mit der frühesten bildlichen Wiedergabe werwiesen. 44 deten Pfarrsystems gestattete später aber jedem Priester an seiner Kirche die Taufhandlung vornehmen zu können. Um dies unter gleichen Bedingungen durchführen zu können, wurde im 12. Jahrhundert von Rom aus verfügt, dass in allen Gemeindekirchen Taufbecken aufzustellen seien. Der große Bedarf erzeugte damals eine regelrechte Industrie für Taufsteine, besonders in jenen Gebieten, die über geeig-nete Steinvorkommen verfügten. Im rheinisch-bergischen Raum sind zahlreiche Taufbecken aus der Gegend der belgischen Stadt Namur an der Maas aufgestellt worden. Der dort vorhandene Blaustein vulkanischen Ursprungs zieht selbst wenig Wasser. Er erlaubte die Fertigung eines großen Beckens, Kuppa genannt, in das ein Kleinkind eingetaucht werden konnte. Die Namurer Arbeiten weisen vornehmlich das Baumuster mit vier Köpfen auf und sind mit reliefartigen Tierfiguren und phantasievollen Fabelwesen verziert. In der Regel steht das Becken auf einem starken Mittelfuß, der von vier Stützsäulen umgeben ist. Statt der Kapitelle vermitteln großlappige Blätter zum unteren Rand. Die Basen liegen auf gemeinsamer quad-ratischer Sockelplatte. Die romanische Form dieser Taufsteine hält sich bis weit in die Gotik hinein, wobei nur unwesentliche, kaum wahrnehmbare Veränderungen auftreten. Aus diesem Grund ist auch die genaue Datierung schwierig. Die vier Köpfe am oberen Rand fallen am meisten ins Auge. Ihre Bedeutung ist an keinem Beispiel eindeutig gekennzeichnet. Als Vorbild hat wohl auch hier die Antike Pate gestanden; denn Masken am Rande von Brunnenbecken oder Gefäßen waren immer ein beliebtes Ziermotiv.51 Man könnte daran denken, dass die vier Himmelsrichtungen gekennzeichnet werden sollten, die bei der Taufwasserweihe eine Rolle spielen.52 Bisweilen findet man auch die vier Paradiesflüsse an Taufsteinen dargestellt, und es lag nahe, in den vier Köpfen Rückerinnerungen an diese zu sehen. Am bekanntesten ist die Darstel-lung auf dem Hildesheimer Bronzetaufbecken, wo die Paradiesflüsse durch eine metrische Inschrift als Sinnbilder der vier Kardinaltugenden, vier große Propheten, vier Evangelisten, und vier Arten der christlichen Reinigung bezeichnet werden.53 Zuweilen hält man es auch für fraglich, ob in diesem Fal-le die Symbolik wirklich Form geschaffen hat, oder ob wir es nicht vielmehr um nachträgliche Aus-deutung zu tun haben. Andererseits scheint aber auch eine apotropäische Bedeutung möglich:54 das Taufwasser sollte geschützt werden. Dieser Deutung entspricht auch der magisch starre Blick der Masken. Der Schmuck der Wandung zwischen den Köpfen bildet eine weitere Besonderheit der Gruppe aus Namurer Blaustein, wobei am häufigsten Tiersymbole auftreten. So erscheinen zwei verschlungene Drachen, die sich selbst verzehren, gleich der sich selbst verzehrenden Sünde. Der Drache oder Basi-lisk bedeutet den Tod, der Löwe und Wolf den Teufel, der Panther Christus. Gelegentlich treten auch Löwen mit Doppelleib auf als Sinnbild einer Überwindung der Gegensätze, das ist Christus, der aus zweien einen neuen Menschen in sich selber schuf. Ferner erscheinen Ranken und Palmetten als Sinn-bild des Lebens (Lebensbaum). Nach altem Brauch wurde die Taufkapelle mit der Kirche architektonisch verbunden und lag, wie die Beispiele Aachen und Essen zeigen, im Westen. Darin spricht sich die altchristliche Symbolik aus, wonach die Taufe dort empfangen wurde, wo der Täufling den Mächten der Finsternis abschwor, die man im Westen annahm. Nach christlicher Vorstellung reinigte die Taufe die Seele des Menschen, bevor er in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen wurde und die geheiligte Welt des Kirchen-raums betreten durfte. Deshalb stellte man die Taufbecken am Eingang der Kirchen auf, und dement-sprechend war in den kleineren Pfarrkirchen die natürliche Stätte zum Empfang der Taufe im West-turm. Damit wird der Sinn der vielerorts sehr stimmungsvollen Turmräume nachvollziehbar. Hier wurde bei der Zeremonie des Taufsakramentes im Kreise der Paten vom Priester die Taufkerze ent-zündet, die dann gleichnishaft den im Halbdunkel liegenden Raum mit ihrem Licht erhellte. 51 Ein mit Masken verzierter Klosterbrunnen von 1230 steht in Sayn. Auch an Kapitellen erschienen gelegentlich Köpfe an allen vier Ecken (Hochelten). 52 Nach dem Missale Romanun teilt der Priester das Wasser mit der Hand und sprengt es in die vier Himmels-richtungen. 53 Ad. Bertram, Das eherne Taufbecken im Dom zu Hildesheim, in: Zeitschrift für christliche Kunst 13, 1900, Sp. 129-150, 161-166. 54 apotropäisch, Unheil abwehrend. 45 Mit der Übertragung des Taufrechts vom Bischof auf den Pfarrer ging gleichlaufend auch die Ent-wicklung des Taufritus vor sich. Das dreimalige Untertauchen des Kopfes bei der Taufe (immerso) war die Regel, die ursprünglich nur in Ausnahmefällen durch Begießen (infusio, superfusio) oder Be-sprengen (aspersio) ersetzt werden konnte. Noch Thomas von Aquin (†1274) und Albertus Magnus (†1280) nennen die Immersion als den allge-meineren Brauch. Unter diesen Voraussetzungen ist auch die praktische Gestaltung der Taufbecken zu sehen. Dem bequemen Eintauchen des Kopfes eines Erwachsenen entsprach die Höhe des Taufbe-ckens von ca. 80 cm und die Verwendung von Stützsäulen neben der starken Mittelsäule unter der Kuppa erhöhte die Standsicherheit des Taufbeckens, wenn sich ein Erwachsener beim Untertauchen auf den Beckenrand stützte. Nebenher wurde aber die Kindertaufe allgemeiner und später zur Regel, wobei die alleinige Anwendung des Untertauchens auf Dauer kaum noch Bestand hatte und zu Beginn des 16. Jahrhunderts das Begießen üblich wurde. Die Reformation vollzog eine Abkehr von der Mystik der alten Kirche. Man versetzte den Taufstein aus dem Dunkel der hinteren Kirche in den hellen Chorraum nahe dem Altar. Der Täufling sollte nun vor den Augen aller in die christliche Gemeinschaft aufgenommen werden. In der Barockzeit ging die Verwendung von Wasser bei der Körperpflege stark zurück und folglich kamen auch die großen Tauf-becken aus der Mode. Bei beiden Konfessionen setzten sich Taufkannen mit Schüsseln durch, die das Wasser beim Begießen des Kopfes auffingen, was die endgültige Abkehr der westlichen Kirche vom Untertauchen demonstrierte. Die alten Taufbecken wurden nicht mehr gebraucht und standen oft der wachsenden Zahl der Kirchenbesucher im Wege. Sie verschwanden aus den Kirchen und wenn sie nicht ganz verloren gingen, dienten sie bestenfalls noch als Zierschalen in Gärten und Parks. Ihre be-sondere künstlerische Gestaltung machte erst die Neuzeit auf ihre sakramentale Bedeutung aufmerk-sam, und mancher Stein wurde wieder in die Kirche zurückgebracht. Die zumeist völlig verwitterten Taufbecken geben Zeugnis von ihrem Jahrhunderte währenden Außendienst. Romanischer Taufstein des sogen. Maastyps, der in der Gegend von Namur / Maas aus Blaustein gefertigt wur-de. Die traditionelle Form wurde vom 12. bis Ende des 13. Jhs. mit nur wenigen Veränderungen beibehalten. Rekonstruktionsvorstellung für die Haaner Kirche. Zeichnung der Verfasser. 46 Haan, alte Pfarrkirche. Aus der Kirche verbliebener Kopf vom Taufstein, fälschlich Dariakopf genannt. Das Material ist Blaustein, der durch Polieren tiefdunkel wird. Der hier vorhandene Kopftyp ist mit einem Stirnreif abgewandelt. Aufnahmen der Haaner Photographen Grotenbeck, Heumann und Vollmar. Der Haaner Weihestein Im Bewusstsein, dass sich auch die reformierte Kirche in Haan letztlich aus früher christlicher Traditi-on herleitet, mauerte man im Scheitelpunkt des Chorraums der neuen Kirche den von der alten Kirche geborgenen Weihestein wieder ein. Er gehört zu den seltenen steinernen Inschriftentafeln aus frühmit-telalterlicher Zeit und ist gleichzusetzen mit der Steintafel an der Westseite der Klosterkirche Corvey an der Weser, datiert 884. Während dies wahrscheinlich die älteste christliche Inschrift in Deutschland ist, ist der Haaner Weihestein nur 50 Jahre jünger. 47 Die Suche nach genauer Kenntnis seiner Herkunft bewog Harry Vollmer, Fachleute für eine geologi-sche Analyse zu gewinnen. Am 23. 6. 1986 untersuchten Dr. C. Brauckmann, Fuhlrottmuseum Wup-pertal-Elberfeld und Dr. R. Gotthardt, Rheinisch-Westfälische Kalkwerke AG. Wuppertal-Dornap, die Steintafel in der Apsis der Ev. Kirche in Haan in Gegenwart von Dr. H. Heikaus, Wülfrath und Harro Vollmar, Haan. Nach übereinstimmender Ansicht der Geologen besteht der Haaner Stein aus folgendem Material:55 Es wurde festgestellt, dass der Fauneninhalt des Weihesteins Formengemeinschaften des Devon ent-hält. Hierzu gehören insbesondere Bruchstücke von charakteristischen Pterokorallen, Rhynchonelli-den, wie auch von ästigen Stromatoporen. Darüber hinaus umfasst der Modalbestand der Grundmasse biogenen Feindendritus. Eine Salzsäureprobe bestätigte den ersten Eindruck, dass das Gestein in der Grundmasse aus Dolomit besteht. Ein Aufschäumen, wie bei Gegenwart von Kalkspat war nicht gege-ben. Die Farbe ist auch in der Grundmasse grau-braun, wobei die braune Färbung von oxidiertem Fe (Eisen) besteht. Herkunft des Steins: Unter Würdigung der beschriebenen Gesteinsfazies und in Verbindung mit den kulturhistorischen Aspekten (Rahmenprofil des Weihesteins, inschriftliche Beurkundung einer Weihe durch den Kölner Erzbischof Wichfried im 10. Jahrhundert) ist abzuleiten, dass das Rohmaterial aus Bereichen der Voreifel, Raum Zülpich – Iversheim stammt.56 Die Tafel besteht vermutlich aus einem Steinmaterial das bereits in römischer Zeit gewonnen und für öffentliche Gebäude verarbeitet worden war. In früher Zeit sind in Köln und am Niederrhein diese in ihrer Struktur gleichmäßig guten Steine sehr häufig in Zweitverwendung für Inschriften oder für figür-liche Darstellungen verwendet worden. Als Beispiel sei die Inschriftenplatte aus der einstigen Heilig-kreuzkapelle in Stockum genannt, bei der ebenfalls im 10. Jahrhundert eine Weiheinschrift auf einem römischen Schriftstein aus Trachyt eingearbeitet wurde.57 Auch die Nischenmuldenreliefs in Brauwei-ler aus dem 10./11. Jahrhundert, somit früheste romanische Skulptur, sind aus römischen Kalkblöcken gearbeitet worden. Vermutlich ist die Inschriftentafel im damaligen kulturellen Zentrum Köln von einem erfahrenen Steinmetz geschaffen worden. Der Stein ist als breitformatige Tafel vollständig erhalten, das Schrift-bild wenig verwittert und gut lesbar. Die Schriftfläche liegt in einem 4,2 cm breiten Rahmen, der von innen nach außen aus breitem Wulst und Kehle, dann aus zwei schlanken Stäben besteht. Der gesamte Text ist in Antiquamajuskeln (lateinischer Großschrift) in die Oberfläche eingegraben. Fünf Zeilen davon verteilen sich in gleichgroßer Schrift planmäßig über die vorhandene Fläche, eine sechste Zeile beginnt unten nach einem freien Drittel in kleinerer Schrift und wird nach rechts geführt. Sie erweckt den Anschein, als sei sie nach Fertigstellung der Tafel noch hinzugefügt worden. Die Größe der Tafel mit Rahmung: 41.3 cm hoch, 73,2 cm breit. Die Schriftfläche ohne Rahmen: 32,9 cm hoch, 65,7 cm breit. Fünf Schriftreihen mit Antiquamajuskeln, 35 – 39 mm hoch, Eine kleinere zusätzliche Zeile, Antiquamajuskel, 25 mm hoch.58 Vollmar vermerkt in seinem Buch S. 561, dass die Schrift möglicherweise mit Farbresten verklebt und teilweise unleserlich war,59 und wohl auch noch Spuren davon vorhanden seien. Nach Eindruck der Verfasser sind heute aber keine Farbspuren mehr vorhanden. 55 Harro Vollmar,Die Ausgrabung der mittelalterlichen Kirche von Haan 1971-1973, in: Zeitschrift des Bergi-schen Geschichtsvereins 92. Band, Neustadt/Aisch 1986, S. 121-145. 56 Harro Vollmar, Haan und Gruiten, S. 533. 57 Der Stein ist heute im Stadtgeschichtlichen Museum Düsseldorf 58 Messung der Verfasser im Chor der ev. Kirche. 59 Vollmar, Haan und Gruiten, S. 561. 48 Haan, ev. Kirche, Inschriftenstein aus der 1863 abgebrochenen alten Pfarrkirche. Aufnahme der Verfasser Die Inschrift60 Im Zusammenhang mit der Entschlüsselung der Haaner Inschriftensteins verweist Vollmar auf früher veröffentlichte Erwähnungen und ausführliche Arbeiten. Vermutlich war wohl der Velberter Lehrer Eduard Hölterhoff im Jahre 1841 der erste, der etwas aus der Haaner Inschriftentafel erwähnte.61 Dies geschah in seinem kurzen Text über den Ort Haan jedoch nur beiläufig: Das Dorf Haan hat eine alte, unter dem Erzbischof Wichfried (925-953) erbaute Kirche, welche eine Tochterkirche von der zu Richrath ist. Immerhin hatte Hölterhoff (oder ein anderer) den Text der Tafel über dem Portal der Kirche schon soweit entziffert, dass man einen Zusammenhang der Haaner Kirche mit dem Erzbischof Wichfried im 10. Jahrhundert sah. Vielleicht entstand infolge dieser Veröffentlichung im Lagerbuch der ev. Kir-chengemeinde ein Eintrag vom 29. August 1843, der dem Landrat in Elberfeld übersandt wurde:62 Alte Nachrichten über die Kirche, enthält eine Inschrift, welche sich in einem über der Haupt-eingangsthür eingemauerten Steine eingehauen befindet. Über den darauf im Text folgenden Deutungsversuch bemerkt Vollmar, dass die Aufzeichnung meh-rere Fehler enthält und für eine inschriftenkundliche Auswertung nicht brauchbar ist. Erst 13 Jahre danach erarbeitete der preußische Archivrat Theodor Josef Lacomblet eine genaue Inter-pretation der Inschrift.63 60 Auszug nach Recherchen und Aufschlüsselung von Harro Vollmar in der Veröffentlichung: Bemerkungen zur mittelalterlichen Geschichte der Siedlung Haan, in: Zeitschrift des BGV, 87. Band, 1974/76. 61 Eduard Hölterhoff, Vaterlandskunde, Solingen 1841. 62 Hinweis von Dr. Hartmut Heikaus, Wülfrath, an Vollmar, Vollmar, Haan und Gruiten, S. 560. 63 Th. J. Lacomblet, Archiv für die Geschichte des Niederrheins, Bd. II/1, Düsseldorf 1854. 49 Nr. I: A VEN[ERABILI] ARCHIEP[ISCOP]O WICH- FRIEDO II NON[AS] AUG[USTI] D[E]D[I]CATA E[ST] HAEC [AEC]CLESIA IN HONORE[M] S[AN]C[T]O[RUM] MARTYRU[M] CRISANTI [ET] DARIA ALEGER[US] H[UMILIS] [DIACONUS] EREXIT HOC ORATORIUM Nach dieser Deutung lautet sie übersetzt: „Von dem ehrwürdigen Erzbischof Wichfried ist am 4. August diese Kirche eingeweiht worden zu Ehren der heiligen Märtyrer Chrysanthus und Daria" Alegerus , niedriger Diener, errichtete dieses Bethaus. Da die Haaner Inschrift für Lacomblet nur ein steinernes Dokument unter vielen anderen Schriften vergangener Zeit war, legte er seine Übersetzung ohne einen weiteren Kommentar vor. Das Ergebnis wurde entsprechend in die Literatur über die Bau und Kunstdenkmäler übernommen und somit festgeschrieben. Man konnte dem wichtigen Ergebnis zustimmen, dass in der Amtszeit des 28. Kölner Erzbischofs Wichfried 924-953, Erzkaplan Kaiser Ottos des Großen, die Kir-che den Schutzpatronen Chrysanthus und Daria geweiht worden war. Schon 1926 befand Ernst Heßmann, dass Lacomblets Interpretation der letzten beiden Zeilen verbesse-rungswürdig sei. Er fand dazu diese Deutung und Übersetzung: Nr. II: ACBOER HVMILLIMVS PRIMO OCTOBRI EREXIT HOC ORATORIVM Acboer, der Geringe, hat dieses Bethaus am 1. Oktober errichtet Hier fällt jedoch der Name Acboer und die Datumsangabe aus dem Rahmen. Erst 1951setzte sich Günter von Roden kritisch mit der Inschrift und mit der 100 Jahre zuvor erfolgten Deutung Lacomblets auseinander.64 Die Übersetzung der ersten vier Zeilen fand zweifellos seine Zu-stimmung, über die fünfte und sechste Zeile befand er, dass Lacomblets Lesart „nicht in allen Punkten richtig ist". Von vornherein bemängelte v. Roden, dass der Steinmetz schon nicht richtig lesen und schreiben konnte, sondern einen Text ohne Nachvollzug ins Bild setzte. Fehler waren dabei nicht aus-zuschließen, so dass die beiden letzten Zeilen verwirrend seien. Wahrscheinlich war der Text aber in zeitüblicher Art mit Abkürzungen und Wortzusammenziehungen wiedergegeben. Auf die Schwierigkeiten verweist schon der Historiker Binterim, der 1825 auf die Besonderheiten der mittelalterlichen Schriftentwicklung und die Gefahren späterer Fehldeutungen aufmerksam machte.65 Günter von Roden analysierte in seiner Veröffentlichung umfangreich das Ar-beitsergebnis des „ungebildeten Steinmetz" und ersetzte letztlich nur die beiden unteren Zeilen La-comblets in geringfügig abgewandelter Form: Nr. III: „Alegerus hat in Demut dieses Bethaus errichtet" Da diese Lesart sich kaum von der Übersetzung Lacomblets unterschied, schlug Helmut Dahm eine andere Interpretation vor. Er sah anders als v. Roden keine fehlerhafte Arbeit des Steinmetz, sondern 64 Günter von Roden, Quellen zur älteren Geschichte von Hilden, Haan und Richrath I, in: Heinrich Strangmei-er, Niederbergische Beiträge, Hilden 1951. 65 Anton Josef Binterim, Die vorzüglichsten Denkwürdigkeiten der Christ-Katholischen Kirche, Mainz 1825, S. 587. 50 setzte sich eingehend mit den Abkürzungen und speziellen Bezeichnungen auseinander, die im Mittel-alter für den Klerus gebräuchlich waren.66 Im Ergebnis kommt er zu der Übersetzung: Nr. IV: „Alegerus, ehrbarer (oder demütiger) Priester der Diözese Minden (oder Münster) hat selbst dieses Bethaus errichtet." Nach Meinung Vollmers hatte Dahm hiermit zwar eine erweiterte und vielleicht auch einleuchtendere Erklärung gefunden als andere Interpreten vor ihm. Die Wortauflösung nach Diözese Minden oder Münster fand er aber nicht überzeugend, da Haan von diesen Orten her keine bekannten Verflechtun-gen, weder wirtschaftlicher noch geistlicher Natur hatte. Die Strömungen im 10. Jahrhundert gingen eher von West nach Ost in ein Gebiet, das sich vielerorts noch entwickeln musste. Auch das Patronat der Heiligen Chrysanthus und Daria kam nicht von Osten, sondern von Münstereifel im Westen. Im gesamten westfälisch-niedersächsischen Raum sind diese Heiligen als Kirchenpatrone nicht anzutref-fen. Nur die Rheinprovinz nennt Münstereifel, Prüm, Welcherath, Mönchengladbach und Haan als Patronatsorte. Die vorangegangenen Interpretationen der Haaner Inschrift mit unterschiedlichen Ergebnissen veran-lassten Vollmar zu eigenen Untersuchungen. Sämtliche Interpreten, ausgehend von Lacomblet, hielten einen gewissen „ALEGERUS" für den Erbauer der Kirche. Der merkwürdige Name war ein Grund sein Vorhandensein zu hinterfragen. Trotz Akribie blieb Vollmars Suche in allen verfügbaren Namenslis-ten des deutschsprachigen Raums aber erfolglos. Er folgerte daraus: Wenn dieser ALEGERUS eine Kirche stiften konnte, war er begütert, hätte in anderen Urkunden auftauchen können oder sein Name wäre weitergegeben worden. Da dies nach alledem aber nicht geschehen war, lag es nahe, dem ALE-GER auch eine andere Bedeutung zuweisen zu können, zumal das Wort nicht einheitlich war. Allen Interpreten war entgangen, dass der Schriftzug ALEGER auf der Steintafel mit zwei Zeichen über-schrieben ist, die auch auf alten Fotografien deutlich zu sehen sind. Es ist ein Kreuz und ein Beistrich, die den anscheinend zusammenhängenden Begriff in ALE* und GER` teilen. Für Vollmar deutete zu-nächst GER in unserer Gegend ziemlich genau auf das Stift Gerresheim hin. Unbestreitbar hatte das Damenstift Gerresheim bis ins 13. Jahrhundert nicht nur zu den sogenannten vier Kapellen,67 als auch zu Haan eine enge Verbindung. So wie im bergischen Raum die verschiede-nen Kölner Stifte Einflussträger waren und für die Kirchen der Orte verantwortlich zeichneten, waren für Niederberg die Stifte Essen, Werden und Kaiserswerth, für die nähere Umgebung von Haan aber das Kanonissenstift Gerresheim zuständig. Den Stiften kam in ihrem Einflussbereich eine wichtige Rolle zur Missionierung und Christianisierung zu,68 ihnen stand der Kirchenzehnte zu, sie waren aber auch für die Bauunterhaltung der Kirchen zuständig. In der Geschichte des Damenstifts Gerresheim tritt zur Zeit des Ungarnüberfalls 919 und danach wohl bis in die Zeit Erzbischof Wichfrieds die aus der Stifterfamilie stammende Äbtissin Lantswind hervor, mit ihr haben die Schwester Adalburg und der Bruder Everwin Funktionen im Kloster. Auf diese his-torisch nachgewiesenen Personen setzt Vollmar und sieht die dem Begriff GER vorangestellten Buch-staben ALE als Anfangsbuchstaben ihrer Namen. Unabhängig vom Haaner Weihestein finden sich in mehreren Urkunden die Namen der drei Geschwister, die wohl in der ersten Hälfte des 10. Jahrhun-derts das Stift Gerresheim verwaltet und geführt haben.69 Es sind Adalburg, ihre Schwester Äbtissin Lantswind und der gemeinsame Bruder, der Schutzvogt Everwin.70 Da man zu dieser Zeit noch keine 66 Helmut Dahm, Aufsatz in: Düsseldorfer Jahrbuch Nr. 46, Düsseldorf 1954, S. 224. 67 Gruiten, Düssel, Sonnborn und Schöller. 68 Auf einen früher wirksam gewesenen Einfluss Gerresheims auf Haan deutet das „Liber Valoris" von 1308, ein Steuer- und Abgabenbuch, das auf ältere Rechte zurückgeht, die schon vor lange vor 1100 bestanden. In der Tabelle IX des Dekanates Neuß steht an 47. Stelle Gerresheim, dem unmittelbar Gruiten und Haan folgen. 69 Th. Lancomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, Düsseldorf 1840, Nachdruck Aalen 1966, S. 38, 46. 70 Nordrheinisches Klosterbuch, S. 116, 2.2.5. 51 Familiennamen benutzte, liegt es nahe, die genannten Namen als vollwertig für die Personen anzuse-hen und ihre Anfangsbuchstaben in der Steinschrift wiederzuerkennen. 71 Vollmar ist überzeugt, auf den Bekanntheitsgrad aus Sicht ihrer Welt vertrauend, nahmen die Geschwister an, dass die für sie in der Inschrift gebrauchten Kürzel zukünftig nicht vergessen werden.72 Nach Vollmar passte auch der letzte Teil der Inschrift im Plural zu dem genannten Personenkreis. Hier heißt es EREXITI = EREXITIS, interpretiert Ihr habt diese Kirche gebaut. Das HV mit dem Kür-zungsstrich hatte Helmut Dahm bereits richtig geklärt mit Priester oder Geistlicher, ausgeschrieben H[ONORABILI] oder HONESTI oder HUMILI V[IRI]. Auf die Personen bezogen, die ja kein geistli-ches Amt ausübten, hat er es angemessen mit Würdenträger übersetzt. Das folgende Wort MIIS fand Vollmar in anderen Urkunden Wichfrieds, das in vergleichbarer Zeit im Zusammenhang mit Klöstern und Kirchen gebraucht wurde. Danach konnte er M[ONASTER]II S[ANCTI] in des frommen Klosters auflösen. Die Bedeutung des folgenden Zei-chens, einer 6 ähnelnd, ist nach Binterim ein Satzzeichen oder Trennungszeichen.73 Diesem folgen die 3 Buchstaben IOC, die Vollmar als I[NDICTIONE] OC[TAVO] auflöste. Er stützte sich auf die be-reits erwähnten Urkunden, in denen meist mehrere Jahreszahlen angegeben sind. Die Indiktionen sind ein römisches Zeitmaß für einen 15Jahre-Rhythmus, die aber zu Beginn des 10. Jahrhunderts noch gebräuchlich waren. So lautet eine Urkunde Wichfrieds von 948: Octavio Indictione, was auch umge-kehrt als Indictione Octavio üblich war. Da unsere Jahreszahl aber nicht 948, sondern möglicherweise früher ist, hatte sich eine Indiktion im Regierungszeitraum Wichfrieds wiederholt. Es wird dann grundsätzlich eine zweite Jahreszahl anderer Zeitrechnung hinzugefügt. Nach einer Formel Bin-terims74 errechnete Vollmar aus der Indiktion für die Weihe der Haaner Kirche die Jahreszahl 935, da Wichfried von 923-953 Erzbischof war.75 Aus den einzelnen Abkürzungen entwickelte er folgende Hypothese: Nr. IV: A[DALBVRGA,] L[ANTSWINDA,] E[WERWIN] - GER[ICHESHAIMENSIS] - H[ONORABILES] V[IRI] M[ONASTER]II S[ANCTI] I[NDIKTIONE] OC[TAVA] EREXI[S] TI[S] HOC ORATORIVM Nach Meinung Vollmars ist die Haaner Inschrift nach den Regeln der Zeit stilistisch, sachlich und orthographisch eine nicht zu beanstandende Arbeit gewesen. Sie lautet in ihrer Vollständigkeit über-setzt: Von dem ehrwürdigen Erzbischof Wichfried ist am 4. August diese Kirche eingeweiht worden Zu Ehren der heiligen Märtyrer Chrysanthus und Daria" Adalburg, Landswind und Ewerwin von Gerresheim , Würdenträger des frommen Klosters, im Jahr 935 habt Ihr diese Betstätte erbaut. 71 Nordrheinisches Klosterbuch, S. 113, Lantswind, 905/06, 922 gen., leitete St. Ursula und Gerresheim in Per-sonalunion. 72 Damit stehen sie in der Geschichte nicht allein. Vielfach sind die Kürzel nicht entschlüsselbar. Zuweilen fragt man sich, ob diese aus Bescheidenheit oder Selbstüberschätzung gewählt wurden. 73 Anton Joseph Binterim, Die vorzüglichsten Denkwürdigkeiten der Christ-Katholischen Kirche, Bd. II/t, Mainz 1825, S. 219. 74 Binterim: Beispiel: Jahr 935 + 3 = 62 8 (8 = Indiktion) 15 15 Indiktion, die, (aus gleichbedeutend mlat. Indictio zu spätlat. Indictio „Ansage, Ankündigung", dies zu indicere „Ansagen, ankündigen") mittelalterliche Jahreszählung (Römerzinszahl) mit 15jähriger Periode, von 312 n. Chr. an gerechnet (nach dem alle 15 Jahre aufgestellten römischen Steuerplan). Nach Duden. 75 Harro Vollmar, Bemerkungen, S. 13. 52 In einer Veröffentlichung der Zeitschrift des BGV verteidigt Rahul Peter Das die Interpretation Voll-mars. Er listet in seinem Aufsatz noch einmal verschiedene Deutungsmöglichkeiten aller Inschriftzei-len auf und weist dabei auch auf andere Wege. Doch nach seiner Meinung ist Harro Vollmars Lesart eine durchaus ernstzunehmende Variante: Nach unserem heutigen Wissenstand ist es aber unmöglich, eine über alle Zweifel erhabene, zufrie-denstellende Interpretation der zwei problematischen Inschriftenzeilen liefern zu können."76 Selbst bei einer Zustimmung zu den genannten Stiftern stellt sich bei Vollmar die Zeitangabe als ein mögliches Handikap heraus. Das Octavio Indictione oder Indictione Octavio wird in einer Urkunde Wichfrieds auf das Jahr 948 gesetzt. Vollmar berechnet diese Zeit aber auf 935, was schwer nachvoll-ziehbar wird. Die Äbtissin Lantswind, die nach Angaben des Klosterbuchs 905, 906 und dann 922 als Leiterin von St. Ursula und Gerresheim genannt wird, dürfte 948 wohl nicht mehr gelebt haben. Mög-licherweise wurde ihr Stiftungsanteil an der Kirche aus ihrem Erbe beglichen. Der Haaner Inschriftenstein ist zeitlich nach der Deutung Vollmars in einer Dissertation von Rolf Funken 1981 noch einmal analysiert worden.77 Dieser deutet die Abkürzungen: Nr. V: ALEGER[VS] HV[MILIS] [H]OC EREXI[T], HOC ORATORIVM Der demütige Alegerus hat dieses errichtet, dieses Bethaus. Funken zieht Vollmars Lesart in Zweifel und schließt sich im Grunde der Meinung Günter v. Rodens an. Nach Ansicht Vollmars übersieht er allerdings vorhandene Zeichen, womit das Ergebnis aus den umstrittenen Zeilen aber wohl nicht als plausibler Widerspruch anzusehen ist. Rahul Peter Das, der die in der Zeitschrift des BGV veröffentlichte Erarbeitung Vollmars unterstützt, bezeichnet die Deutung Funkens als Rückschritt.78 Zeitgleich lieferte auch der Historiker Gerd Müller eine Interpretation der Inschrift, die er mit recht kritischen Äußerungen zu Vollmars Erkenntnissen und Hypothesen im Hildener Jahrbuch von 1985 veröffentlichte.79 Müller deutet die Inschrift: Nr. VI: A[NNO] [925] GER[BERTUS] HVMILIS M[INISTERIALIS], I[VRATIS] O[FFICIALIS] C[VRIAE], EREXIT I[PSE] HOC ORATORIVM Im Jahre 925 hat der niedere Dienstmann Gerbertus, der vereidigte Meier, dieses Gotteshaus selbst gebaut. Auch die Deutung und Übersetzung Müllers ist in Zweifel gezogen worden. Anlässlich am Tag des offenen Denkmals am 14. September 2008, stellte Erhard Horstmann aus Haan in einem Vortrag seine Deutung und Übersetzung der Inschrift vor. Horstmanns Auslegung steht aber wegen einer erneuten Überarbeitung und Definition voraussichtlich erst Ende 2014 zur Veröffentlichung. Dagegen erschien im Jubiläumsband von 2014 der Evangelischen Gemeinde Haan eine deutsche Übersetzung, deren Herkunft aber nicht erklärt wird. Nr. VII: Von dem ehrwürdigen Erzbischof Wichfried ist diese Kirche am 2. Tag vor den Nonen des August zu Ehren der Märtyrer Chrysanthus und Daria eingeweiht worden. Im Jahre 950 hat Ger(bert) im 8. Steuerjahr selbst dieses Bethaus errichtet. 76 Rahul Peter Das, Einige Bemerkungen zur neuesten Deutung der Kircheninschrift aus Haan/Rheinland, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, Bd. 90, 1982/83, Neustadt/Aisch 1983, S. 15. Ders. Bemerkungen zum „Lesen" der Haaner Kircheninschrift, in: Zs. des BGVs, Bd. 92, 1986, S. 147-155. 77 Rolf Funken, Die Bauinschriften des Erzbistums Köln bis zum Auftreten der gotischen Majuskel, in: 19. Ver-öffentlichung der Abt. Architektur des Kunsthistorischen Instituts der Universität Köln, Köln 1981. 78 RAHUL PETER DAS, Einige Bemerkungen zur neuesten Datierung der Kircheninschrift aus Haan, in: Zeitschrift des BGV, 90. Bd., 79 Gerd Müller, Hrsg., Verfassung und Verwaltung in Hilden von den Anfängen bis auf Konrad von Hochstaden, in: Hildener Jahrbuch Bd. V, Hilden 1985, S. 9-98. 53 In der Tafel sind eine ganze Anzahl von Abkürzungen, Zeichen und Zusammenfassungen vorhanden, die es aufzulösen gilt. Die Inschrift ist über tausend Jahre alt und damals geläufige Abkürzungen kön-nen nur durch Vergleiche mit anderen Tafeln oder Urkunden entschlüsselt werden. Das ist entspre-chend schwierig, da zum Vergleich nur wenige zeitgenössische Dokumente erhalten blieben, so dass sichere Quellen, bei denen Wiederholungen für eine gewisse Gesetzmäßigkeit stehen, nicht für alle Abkürzungen greifbar sind. Entsprechend sehen die Interpreten bei verschiedenen Zeichen sehr unter-schiedliche Bedeutungen. Angesichts der inhaltlich weit auseinandergehenden Auslegungen der Inschrift, hat es schon genug Streit gegeben, weshalb die Verfasser die Deutungen und Übersetzungen der verschiedenen Interpre-ten so stehen lassen.80 Allen ist gemein, dass die Inschrift anlässlich der Weihe der Kirche entstand, also zur Amtszeit Erzbischof Wichfrieds und dass die Schutzheiligen Chrysanthus und Daria waren. Dies war zwischen 925 und 953, also nur in einem Zeitraum von 28 Jahren geschehen. Hypothetisch bleibt allgemein der zweite Teil der Inschrift, der sich wohl auf den oder die Stifter der Kirche bezieht. Erfahrungsgemäß werden in den ersten Jahrhunderten nur ganz selten Namen von Stiftern in den Kir-chen genannt. Im Zisterzienserorden bleiben oftmals bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die Namen der Äbte und Brüder sowie die Baumeister ihrer Kirchen unbekannt. Bestenfalls wird ihre Stellung zum Orden nur umschrieben.81 Möglicherweise ist eine derartige Zurückhaltung auch in den Abkürzungen der Haaner Tafelinschrift zu sehen. Wer waren die Stifter der Haaner Kirche? Unter den sieben Interpretationen des Weihesteins finden sich sechs Versionen, die den Namen eines einzelnen Stifters nennen. Danach wäre die Haaner Kirche im 10. Jahrhundert die Eigenkirche eines Adeligen gewesen, der in Haan aber über Besitzungen verfügt hätte und sicherlich in entsprechenden Urkunden genannt worden wäre. Geht man davon aus, dass die Haaner Kirche seit frühester Zeit in der Verwaltung des Klosters Gerresheim gestanden hätte, wären die genannten Namen Ministeriale, also Angehörige des für das Stift tätigen Dienst-adels gewesen. Es ist aber nicht klar, ob es im 10. Jahrhun-dert in der Verwaltungsstruktur des Stiftes die Stellung von Ministerialen gab, und ob diese bereits in der Lage waren, aus eigenen Mitteln eine Kirche zu bauen. Darüber hinaus ist es fraglich, ob es die genannten Namen Alegerus, Gerbertus und Acboer wirklich gegeben hat, bzw. ob sie einen realisti-schen historischen Hintergrund haben. Bis jetzt fehlt jeglicher urkundliche Nachweis zur Existenz einer dieser Personen. Demgegenüber sieht Vollmar in ALE GER die Anfangsbuchstaben der Namen der Geschwister aus der Gründerfamilie Gerresheims. Ihre Namen Adalburg, Lantswind und Ewerwin sind auch eindeutig im ersten Viertel des 10. Jahrhunderts in Verbindung mit dem Stift nachzuweisen. Von allen Interpre-tationen lässt sich dadurch die Version Vollmars am ehesten in den Kontext einer Gerresheim-Haaner Kirchengeschichte stellen. Vollmars Vorstellung von einem Zusammenhang des Haaner Kirchenbaus mit dem Stift Gerresheim ließ sich durch einen wichtigen Grabungsfund untermauern. Am 1. März 1972 entdeckte er bei Aus-hubarbeiten durch Bagger auf dem Gelände des seit 1807 aufgelassenen Friedhofs vor der Südseite der Kirche ein einheitlich angelegtes Gräberfeld. Nach und nach wurden 18 parallel liegende Gräber in 0,60 – 1,10 m Tiefe freigelegt. Soweit sich feststellen ließ, waren es ausnahmslos weibliche Skelette, deren Köpfe neben blonden und braunen Haarlockenresten einen Schläfenring aus Bronze oder Mes-sing trugen, mit denen eine Leinen-Stoffhaube gehalten wurde. Die Metallsalze der Bronze hatten 80 Unser Dank an Lothar Weller, der uns verschiedene Interpretationen zukommen ließ. 81 Zum Vergleich die Grabplatten in der ehem. Zisterzienserkirche Marienfeld/W. 54 sowohl Haare wie auch Leinenreste über lange Zeit konserviert, was nur selten zu beobachten ist.82 Da bei den Grabungen vermutlich nur ein Teil der Reihenbestattungen aufgedeckt wurden, nahm Vollmar an, dass auf dem Haaner Kirchhof möglicherweise noch mehr Gräber dieser Art vorhanden waren. Ihre Vielzahl deutet darauf hin, dass über längere Zeit Bestattungen dieser Art vorgenommen worden sind. Nach den aufgefundenen Skeletten waren alle Frauen mit einem Schläfenring bestattet worden.83 Das Vorhandensein der Schläfenringe erinnert an eine gewisse Elite in der Bevölkerung, wobei an mittelalterliche Darstellungen adeliger Männer und Frauen mit Stirnreif zu denken ist. Die einheitliche Ausstattung der verstorbenen Frauen ließ auf eine klösterliche Einrichtung schließen, bei der für Haan einzig das hochadelige Damenstift Gerresheim als ältestes Kanonissinnenstift der Erzdiözese Köln infrage kam. Seine Existenz ist für das Jahr 905/906 und 922 mit dem Namen der Äbtissin Lantswind urkundlich erwiesen.84 85 Dem gegenüber erbrachte eine Radiokarbonuntersu-chung von Stoffproben und Teilen von drei Skeletten ein Alter von ca. 1000 Jahren.86 Eine 12 Jahre spätere Untersuchung bestätigte die früheren Ergebnisse, die Frauen waren in Haan zwischen 940 und 970 gestorben und bestattet worden.87 Vollmar hatte damit einen nicht zu übersehenden Situationszu-sammenhang gefunden. Nach den Angaben des Niederrheinischen Klosterbuchs wurde Gerresheim während des Ungarnein-falls um 919 ausgeraubt, niedergebrannt und nachhaltig verwüstet. Die Frauen flohen mit dem für sie kostbaren Reliquiar des Heiligen Hippolyt nach Köln, wo ihnen Erzbischof Hermann I. das leerste-hende spätere St. Ursulastift zuwies. Im Gegenzug zu dieser und aller folgenden erzbischöflichen Hilfe erfolgte zu diesem Zeitpunkt der Übergang der bis dahin eigenkirchlichen Kommunität Gerresheim in den Besitz des Kölner Erzbistums. Der Erzbischof gewann also Einfluss, Mitsprache und Eigentums-recht an den Stiften Gerresheim und St. Ursula. Für diese erfolgte danach eine Periode der Konsolidie-rung und des Wiederaufbaus, die mit der Weihe einer neuen Kirche durch den Kölner Erzbischof Gero (970) und der Bestätigung des Gerresheimer Zolls (977) durch Kaiser Otto II. ihren vorläufigen Ab-schluss fand. Gerresheim befand sich aufgrund der 922 erfolgten Verfügungen zunächst wohl in einer gegenüber St. Ursula nachgeordneten Rolle. Doch ist davon auszugehen, dass die Gerresheimer selb-ständig blieben, wobei Äbtissin Lantswind (905/06, 922) in Personalunion beide Gemeinschaften lei-tete. Vollmar verband diese Zeit mit Haan und folgerte daraus, dass es sich bei den bestatteten Frauen um Gerresheimer Kanonissen handelte, die nach dem Ungarnüberfall und der folgenden Wiederaufbau-phase in Haan lebten. Aus der Geschichte des Stifts wird berichtet, dass ein Priester und einige Stifts-damen unmittelbar nach dem Abzug der Ungarn in ihr Kloster zurückkehrten. Dies ist mit der Ein-schränkung zu sehen, dass sich die Stiftsfrauen nicht während der Bauarbeiten von Kirche und Unter-künften dort aufhielten. Die Anwesenheit der vielen Bauarbeiter machte das nicht nur unmöglich, son-dern auch nach Ordensgebot durften sie erst bei Fertigstellung der Klosterbauten dort einziehen. Da den Stiftsfrauen jedoch die Organisation und Verwaltungsarbeit des über Jahrzehnte gehenden Wie-deraufbaus blieb, ist Vollmars Vermutung durchaus nachvollziehbar, dass sie sich im etwa 12 km ent-fernten Haan, also wenige Stunden vom Kloster aufhielten. Hier war ein Teil des ländlichen Besitzes und Menschen, die der Gerresheimer Oberhoheit unterstanden und ihnen nutzen konnten, solange sich das Haaner Exil hinziehen würde. 82 Auskunft des Paläoanthropologen Reiner Protsch, Uni Frankfurt 1985 an Vollmar, Haan Gruiten S. 504. 83 Auskunft von Herbert Kühn, Mainz und Henry Schaefer-Simmern, Berkeley an Vollmar. Siehe auch Exkurs. 84 Hugo Weidenhaupt, Hrsg., Gerresheim 870-1970, Düsseldorf 1970, S. 9f. 85 Nordrheinisches Klosterbuch, S. 86 Untersuchung nach der Radiokarbonmethode (C 14): 1.vom 9.2.1973, Textilien über 1000 Jahre alt. 2. Gutachten vom 23.6.1973, Knochen von drei verschiedenen Schädeln ebenfalls aus dem 10. Jahrhundert. Vollmar, Haan und Gruiten, S. 525. 3.Gutachten vom 10.12.1985, zwei Schädel und Haar, Zeit zwischen 940 und 970, Vollmar, Haan und Gruiten, S. 527. 87 Die C-14 Untersuchungen von 1973 und 1985 zeigen ein relativ eng begrenztes Zeitfenster, Untersuchungen an Knochenfunden aus Gruiten von 2014 weisen auf wesentlich größere Zeiträume für den Todeszeitpunkt. 55 Statt der in Haan sicherlich vorhandenen Holzkirche wurde für die adeligen Stiftsfrauen aber eine Kapelle benötigt, die ihrem hohen gesellschaftlichen Rang entsprechend in Stein erbaut sein sollte. Für den ohnehin angespannten Etat des in der Aufbauphase befindlichen Klosters Gerresheim wäre dies eine zusätzliche Belastung gewesen. Möglicherweise sind deshalb die Gerresheimer Geschwister Adalburg, Lantswind und Everwin als Geldgeber für den Bau der Kirche in Haan aufgetreten. Ob dies noch zu Lebzeiten der Äbtissin Lantswind geschah, ist zwar strittig, es hätte aber noch aus ihrem Erbe geschehen können. Dabei tritt das von Vollmar aufgefundene Kopfnischengrab wieder in den Vordergrund der Überle-gungen. Das gemauerte Steingrab stammte aus der Zeit der Wichfriedkirche und ist selbst bei der Er-weiterung der Kirche im frühen 12. Jahrhundert respektvoll behandelt und nicht beseitigt worden. Handelte es sich um das Grab der Äbtissin Lantswind? Die Möglichkeit ist nicht auszuschließen, da zu ihrer Zeit der Stiftsfriedhof in Gerresheim nach der Verwüstung und Entweihung noch nicht wieder für Begräbnisse zur Verfügung stand. Die Stiftung zu einem Kirchenbau war eine besondere Leistung, die der Erzbischof anscheinend da-hingehend honorierte, indem er nach dem Datum der Weihe unter seinem Namen nicht nur die Schutzheiligen der Kirche, sondern auch die Kürzel der Stifternamen auf dem Inschriftenstein vermer-ken ließ. Diese Interpretation ist zwar hypothetisch, die Inschriftentafel durfte jedoch nach dem Gebot der römischen Kirche nur mit Erlaubnis des Erzbischofs am Kirchenbau angebracht werden. War der Inschriftenstein ein Objekt der Denkmalwanderung? Ein weiteres Problem, angeblich ungleich größer als die umstrittene Deutung des zweiten Teils der Inschrift, ist die aufgeworfene Frage nach der Herkunft des Inschriftensteins. Gehört die Tafel tatsäch-lich ursprünglich zu der Kirche, die 1863 abgebrochen wurde? Im 20. Jahrhundert kamen sowohl Zu-stimmung als auch Zweifel daran auf, ob die Anbringung über dem Südportal wohl die ursprüngliche sei. So wurde zunächst in Schriften Bergischer Heimatforscher davon ausgegangen, dass die Kirche, aus welcher der Stein stammt, in der Amtszeit des Kölner Erzbischofs Wichfried 924 bis 952 geweiht worden ist.88 Die Nennung des Bogenfeldes am Südportal als vorhergehende Stelle des Weihesteins stimmt mit der zeichnerischen Angabe der im 19. Jahrhundert vorgenommenen Bauaufnahme des preußischen Kon-servators der Denkmäler Ferdinand von Quast und der Zeichnung von de Leuw überein. Sowohl auf der Maßzeichnung der Südseite der Kirche, als auch auf allen Darstellungen des damaligen Zustands von anderen Zeichnern, ist die Tafel deutlich über dem Kircheneingang zu sehen. Nach Protokollen des Haaner Presbyteriums wurde 1863 die Inschriftentafel aus dem Bogenfeld des Südeingangs der alten Kirche geborgen und später hinter dem Altar in die Chorwand der neuen ev. Kirche an der Kaiserstraße eingesetzt. Hier kam das historische Material wieder zusammen; denn die halbrunde Apsis ist größtenteils aus Steinen der alten Kirche aufgemauert worden. Diese Maßnahme ist als eine Denkmalwanderung anzusehen und führt hoffentlich nicht dazu, dass man irgendwann an dieser Stelle eine historische Vorgängerkirche vermutet. Das Problem einer möglichen Denkmalwanderung sah auch schon Vollmar, der den Historiker Ditt maier dazu zitiert. Dieser nennt Haan, das bereits im 10. Jahrhundert bestand und somit der älteste bergische Hagenort sei.89 Er beruft sich auf die Steintafel der aus dieser Zeit stammenden alten Kir-che, doch Vollmar sieht dies zunächst noch als Vereinfachung. Zumindest bis zu den Ausgrabungen von 1977, so betonte er, ließ sich die Möglichkeit nicht ausschlie-ßen, dass sein Standort an einer anderen Stelle zu suchen ist, die auch außerhalb der heutigen Gren-zen von Haan liegen kann. Dabei verweist er auf den Hildener Heimatforscher Strangmeier, der 1951 schreibt: 88 Willi Herwig, in: Unsere Bergische Heimat, Wuppertal 1965, Nov. 89 Heinrich Dittmaier, Siedlungsnamen und Siedlungsgeschichte des Bergischen Landes, Bonn 1955. 56 Haan, alte Pfarrkirche. Darstellung des Südportals nach den Angaben von de Leuw und v. Quast. Danach bestand eine monolithische Portalfassung, bestehend aus den beiden Pfosten und dem Giebelsturz. De Leuw zeichnet die typisch „bergi-schen" Türflügel mit waagerechter Verbretterung und Nagelbeschlag. Das Ganze steht in einem aus Werkstein gefassten Gewände mit hohem Bogenfeld, in das der Weihestein eingesetzt war. Die Anordnung ist ein einfaches Portal des 12. Jahrhunderts, das sich bis zum Abbruch der Kirche 1863 so erhalten hatte. Zeichnung der Verfasser. 57 Wir können allerdings nicht mit Bestimmtheit sagen, ob das von Wichfried geweihte Gotteshaus mit dem in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts niedergelegten Bauwerk identisch ist; denn ebenso, wie der Inschriftenstein von der alten Kirche übernommen und in die Sakristei der neuen ein gemauert wurde, wäre es denkbar, dass der Stein aus dem Bethaus des 10. Jahrhunderts in einen spä-teren Neubau hinübergewandert ist. Wenn man der offenbar von stilkritischen Erwägungen bestimm-ten Vermutung Paul Clemens, dass die 1865 abgebrochene Haaner Pfarrkirche wohl erst im 11. Jahr-hundert erbaut worden sei, beipflichten wolle, käme man an der Annahme einer solchen Wiederver-wendung des Steins nicht vorbei.90 Strangmeier zitiert damit die schon richtige Vermutung Clemens, dass die alte Haaner Kirche nicht mehr das von Wichfried geweihte Gotteshaus war und auch Rolf Funken wirft diese Frage in seiner Dissertation noch einmal auf. Präzise Datierungen gelingen ihnen aber nicht. Vollmar war allerdings nach den Ausgrabungen 1973 sicher, die kompletten Fundamente der Kirche aus der Zeit Wichfrieds gefunden zu haben. Nach Analyse der Verfasser traf dies aber nur auf die Mauern des Chorhauses zu. Nachweislich ist die Haaner Kirche im 12. Jahrhundert größtenteils neu erbaut worden. Nur der Chor mit dem Altar blieb aus dem 10. Jahrhundert erhalten und wurde in den Neubau integriert. Will man in Haan von Denkmalwanderung sprechen, so ist dies nur die Übernahme des Inschriftensteins aus der Kirche des 10. Jahrhunderts in den Neubau des 12. Jahrhunderts. Der Weihestein blieb also an Ort und Stelle. Nach Erkenntnissen der Verfasser ist eine Denkmalwanderung, ausgelöst durch Kirchenabriss infolge von Säkularisation, Aufgabe oder Kriegszerstörung wie in den großen Städten am Rhein, im ländli-chen Haan nicht zu erwarten. Einen ehemaligen Standort an einer anderen Stelle, auch außerhalb der heutigen Grenzen von Haan zu suchen, erübrigt sich. Denkmalwanderungen unter den ländlichen Kir-chen fanden bestenfalls innerhalb der Orte statt, doch für Haan und Umgebung ist eine weitere unter-gegangene historische Kirche nicht feststellbar.91 Eine Zäsur für die Haaner Kirche bedeutete einzig ihre Übernahme durch die Protestanten in der Re-formationszeit. Nach Vorschrift der Reformierten Kirche im Sinne Calvins und Zwinglis entfernte man daraufhin alle sakralen Bildnisse und auch den gemauerten Altar mit den Reliquien. Eine steiner-ne Inschrift über dem Portal bot aber wohl keinen Anlass zur Entfernung. Sie war sicherlich auch da-mals schon rätselhaft, doch sie blieb dort, man hatte sich an sie gewöhnt und später anscheinend ver-gessen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Inschriftenstein schon bei der steinernen Saalkirche über ei-nem Portal angebracht gewesen sein. Da die ersten Steinkirchen bereits romanische Züge trugen, könnte das Portal in seiner überlieferten einfachen Form mit Giebelsturz und Bogenfeld schon zur Kirche des 10. Jahrhunderts gehört haben. Von jeher – somit auch zurzeit Wichfrieds - geschah die Anbringung der Inschrift außen, um den Besucher schon vor dem Betreten über die Bedeutung des Gotteshauses zu informieren. Auch in Haan folgte die Inschriftentafel im Bogen des Südportals alther-gebrachter Tradition, solche Nachrichten dem Besucher der Kirche stets vor Augen zu führen. Die Südseite wurde bevorzugt, um dies auf der Sonnenseite in das Licht und somit in den Segen Gottes zu stellen. Wie in Gruiten, Schöller oder Hilden, um nur die nächsten alten Kirchen zu nennen, waren die Südseiten bevorzugt. Auf der West- oder Nordseite, der Richtung der Nacht, geschah dies nur, wenn dort der einzige Zugang, oder das Hauptportal zur Kirche war. Beispiele sind die Inschriftentafeln auf den Westseiten der Klosterkirchen Corvey und Altenberg. Dies war einer der Gründe, die aus der Vorgängerkirche erhaltene Inschriftentafel für jeden sichtbar im Bogenfeld des Südportals zu belassen, bzw. wieder einzusetzen. Allgemein folgte eine Wiederver-wendung der altkirchlichen Regel, kein wertvolles Material eines sakralen Gebäudes profanen Zwe-cken zuzuführen. Die Erhaltung und Übertragung des Weihesteins aus dem
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