Kirche Mariensee Teil II 2016 |
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7 Inhaltsverzeichnis Seite Vorreformation und Reformation im Kloster Mariensee…………….9 Zu den Wohnverhältnissen im Kloster Die Einführung der Reformation Niedergang, Verluste und Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg…13 Die Erneuerungen im 18. Jahrhundert……………………………….15 Der Neubau des Konventgebäudes Zum barockzeitlichen Baubetrieb Die Erneuerung des Kirchengebäudes Zur barocken Gestaltung des Kircheninneren………………………..24 Zum Barockkünstler J.B.F. Ziesenis Der Kanzelaltar Der Marienseer Taufengel Die Veränderung der Kirche im 19. Jahrhundert……………………36 Die neugotische Gestaltung der Kirche Die neugotische Ausstattung nach dem Entwurf von C.W. Hase……39 Orgelprospekt Der Altar mit seinem Aufbau Die bildlichen Darstellungen im Altar Ambo/Lesepult Die Kanzel Kirchensitz / Chorgestühl Taufbecken, Opferstock, Gestühl des Konvents C.W. Hase und die Künstler, die an der Ausstattung der Kirche Mariensees beteiligt waren………………………………...52 Bildteppiche - Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert …………………….53 Die Kirche als Bedeutungsträger………………………………………54 Zur Architekturikonologie der Klosterkirche Mariensee Die Zahlensymbolik der Klosterkirche Mariensee Gedruckte Quellen und Literatur………………………………………608 9 Abb. 1: Mariensee, Kirche und Klostergebäude von Osten. Foto: Eberhard Doll 2014. Vorreformation und Reformation im Kloster Mariensee Zu den Wohnverhältnissen im Kloster Aus der Frühzeit des Klosters Mariensee liegen zwar keine Angaben über die Personalstärke des Konvents vor, doch aufgrund der großen Nonnenempore in der Kirche muss die Zahl anfangs recht groß gewesen sein. In dem vergleichbaren Kloster Marienwerder waren im 13. Jahrhundert 60 Nonnen ansässig.1 In den Klöstern des Mittelalters gab man sich bei der Unterbringung vieler Perso-nen mit Schlafsälen zufrieden. Die großen, zugigen und übers ganze Jahr kalten Dormitorien waren ein Teil des auch sonst kargen Daseins im Kloster, mit einer damals eher geringen Lebenserwartung. Als aber der Zulauf der Nonnen zurückging, sind die Schlafsäle mit hölzernen Wänden zu Einzelzellen unterteilt worden (Abb. 2). In ihnen hielt sich etwas Wärme und die Frauen bekamen die Möglichkeit einer gewissen Privatsphäre. In Mariensee gibt erstmals 1512 die Liste zur Äbtissinnenwahl der Odilia v. Alden darüber Auskunft, dass zu dieser und der folgenden Zeit 12 Konventualinnen im Kloster leb-ten.2 Diese wohl schon bestehende Obergrenze der Nonnen deutet darauf hin, dass für sie bereits eine wesentlich verbesserte Lebenshaltung möglich war. Bis zu komfortablen Wohnungen für die Nonnen bzw. späteren Konventualinnen war es jedoch noch ein langer Weg. 1 DOLL 2008, S. 29. 2 DOLL 2008, S. 10 Abb. 2: Kloster Wienhausen, sogenannter Kistengang. Das ehemals große Dormitorium wurde mittels Holzwände in einen Mittelgang und Einzelzellen rechts und links abgeteilt. In den Zellen fanden die großen Truhen der Nonnen keinen Platz. Foto: Bernd Adam/Thorsten Albrecht 2009. Die Entwicklung der klösterlichen Einrichtungen für Frauen war vermutlich überall in den niedersächsischen Landen ähnlich. In der Medinger Chronik des Johann Ludolf Lyßmann wird ge-schildert, wie man seit dem Mittelalter bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts in dem alten Kloster wohnte: Was endlich die Wohnung der Conventualinnen anlanget; so hatten sie vor Zeiten zwar alle-samt ihre besonderen Zimmer oder Zellen, aber offen und ohne Türen, welche auch nicht vonnöten waren, weil keine unter ihnen, kraft des gethanen Gelübdes, etwas eigenthümliches besitzen durfte. Die Fr[au] Abatissin allein nebst ihren Capellaninnen hatten verschlossene Zimmer, die übrigen Con-ventualinnen hingegen mussten, absonderlich zur Winterzeit, in einem allgemeinen Gemach bey ei-nander wohnen, welches, nach altem Gebrauche, von unten geheitzet wurde. Als aber zu Anfang des 16ten Seculi die freywillige Armuth einiger massen ins Stecken gerieth; wurden An[no] 1518. zu aller-erst Thüren vor die Zellen gemacht, dass von der Zeit an jede Conventualin ihre Sachen verschlossen haben konnte. Dabey blieb es, bis zur Zeit der hiesigen Reformation: als aber bey den bald darauf vorgehenden Troublen die Conventualinnen zerstreuet, und ihre Anzahl über 2 Drittheil verringert wurde; bekam seit der Zeit eine jede ihre eigene Stube und Kammer oder Celle, dass sie nunmehro ihr Wesen vor sich allein haben konnte: Ja den Amtspersonen wurden über die ordentliche noch andere Stuben eingegeben, und einem jeden Amte eine eigene Stube bestimmet, welches alles noch bis auf den heutigen Tag so geblieben ist.3 Wie man sich die Anordnung der Zellen vorzustellen hat, kann man noch heute in einigen Lü-neburger Klöstern sehen. Sie sind durchweg im Obergeschoss eines Klausurflügels am Kreuzhof ein-gebaut worden. Dies traf auch für Mariensee zu, wo die Nonnen zum Stundengebet direkt vom Ober-geschoss her die hoch gelegene Empore in der Kirche betreten konnten. Die ältesten noch erhaltenen Zellen aus dem frühen 15. Jahrhundert befinden sich im Kloster Lüne. Anschaulich sind auch die Zel-len am Kistengang des Klosters Wienhausen (Abb. 2), in Ebstorf oder Isenhagen. Die Aufgliederung der ehemaligen Dormitorien ist in allen Beispielen gleich. Ein breiter Mittelgang wird von zwei Holz-wänden eingefasst, von denen hölzerne Querwände zur Außenmauer abgehen und die schmalen Zellen 3 LYßMANN 1772, S.241. ADAM/ALBRECHT 2009, S. 38, 39.11 voneinander trennen. Jede Zelle ist durch ein kleines Fenster belichtet, daneben befindet sich häufig eine Nische für einen Wandschrank. 4 Die Zellen, allgemein oben von der Balkendecke des einstigen Gemeinschaftssaales abgeschlossen, waren ungeheizt. Auch boten die durch gespundete Bretter auf-gebauten Zwischenwände kaum Schutz vor Geräuschen oder Staub. Durch Schwindungsprozesse des Holzes gab es oftmals Ritzen oder Löcher, welche die Nonnen notdürftig mit Papierstreifen überkleb-ten.5 Aus Platzgründen war in den schmalen Zellen nur eine dürftige Möblierung, bestehend aus einem schmalen Bett, einem Hocker mit Tisch und einigen Wandregalen. Der abschließbare Wandschrank dürfte das einzige Verwahrmöbel gewesen sein. Truhen waren aufgrund ihrer Größe nur selten in der Zelle, sie standen zumeist in den Gängen, wie der sogenannte Kistengang in Wienhausen noch heute zeigt. Wann der Einbau von Zellen, der den Gemeinschaftsraum, das Dormitorium ablöste, ist nicht genau fassbar. Die meisten Zellen scheinen im Laufe des 15. Jahrhunderts – eher gegen Ende - einge-richtet worden zu sein.6 Ein Grund dafür kann die in etlichen Klöstern von oben durchgeführte Klos-terreform im Zuge der devotio moderna nach 1450 gewesen sein. Ziel der Reformen war es, das klös-terliche Leben – die vita comunis – auf die geistlichen Grundlagen zurückzuführen und für die Einhal-tung der strengen Regeln und Disziplin zu sorgen.7 In Mariensee wurde mit dieser Reform, die von Windsheim oder von Bursfelde ausging, der Augustinerprior Johannes Busch tätig. Da er sich jedoch bei den Nonnen nicht durchsetzte, holte er 1455 den Calenberger Herzog Wilhelm zu Hilfe, der aber erst nach dem zweiten Anlauf und unter Androhung von Gewalt bei den Nonnen Gehör fand. Das damals recht dramatische Geschehen ist bei Hamann/Graefe ausführlich beschrieben.8 Mit der Einführung der lutherischen Lehre in Calenberg kam auch die Reformation in das Kloster Mariensee, die den Jungfrauen nicht mehr Askese und Weltentsagung, sondern mehr Freiheit brachte. Allgemein ließ sich in den Klöstern eine Tendenz zu einer Zusammenfassung mehrerer Zellen zu größeren Räumen ablesen. Dies gelang wohl nur einflussreichen Konventualinnen, wie man in Wienhausen und Isenhagen nachspüren kann. Obwohl viele kleine Zellen in ihrer Schlichtheit erhalten blieben, waren die neuen Wohnräume besonders reich ausgestaltet. Sie erhielten eine dekorative Be-malung, eine Zwischendecke wurde eingezogen und die Fenster vergrößert. Dieser Wohntrend muss auch in Mariensee vor sich gegangen sein, der sich zur weiteren Indi-vidualität der Konventualinnen entwickelte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg berichtet die Konventua-lin Sidonia von Mandelsloh am 16.12.1651 im Auftrag der Äbtissin Armgard Sprenger vom desolaten Zustand der Räume im Kloster. Dabei verweist sie auch erstmals auf einzelne Wohnungen mit mehre-ren Zimmern für die Konventualinnen. Damit lebten zu dieser Zeit die Damen nicht mehr Wand an Wand in abgeteilten Gemeinschaftsräumen, sondern hatten eigene Wohnungen, bestehend aus Küche, Stube und Schlafkammer. Ein Vorgang vom 30.11.1663 vermeldet sogar die Größe einer solchen Wohnung bestehend aus Küche, Stube und Kammer: Küche 24x24 Fuß Stube 20x24 Fuß Kammer 13x24 Fuß Nach Engel9 rechnete ein Calenberger oder Hannoverscher Fuß vor 1836 mit 0,291 m. Danach hatte eine solche Wohnung die nicht unbeträchtliche Größe von 116 qm.10 4 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 39. 5 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 39. 6 DOSE 1994, S. 149. Hanna Dose vermutet, dass im Laufe des 15, Jhs. die Dormitorien unterteilt wurden. 7 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 40. 8 HAMANN/GRAEFE 1994, S. 446. GRUBER 1886. 9 ENGEL 1982. 10 DOLL 2008, S. 18, Bericht der Sidonia Agnesa v. Mandelsloh vom 16.12.1651 über den Zustand der Gebäude sowie von Art und Größe der Wohnungen für die Konventualinnen.12 Die Einführung der Reformation Der Landesherr, in Person der Herzogin Elisabeth, die ihren noch unmündigen Sohn Erich II. vertrat, hatte sich der lutherischen Lehre angeschlossen. Elisabeth versuchte eine Einführung der Re-formation in Calenberg und gab den Klöstern eine neue lutherische Verfassung, die Calenbergische Klosterordnung von 1542.11 Im März 1543 erschien in Mariensee eine Visitationskommission unter Leitung des Superintendenten Antonius Corvinus, eines ehemaligen Zisterziensermönches aus Loc-cum.12 Der Besuch markierte zwar das Ende des mittelalterlichen Lebens im Kloster, doch es ist in Mariensee nur das wenige Nötige umgestellt worden. Selbst der alte Propst Ridder blieb in seinem Amt, da er sich der Neuordnung geneigt und an seiner Wirtschaftsführung nichts auszusetzen war.13 Die Nonnen konnten sich entscheiden das Kloster zu verlassen oder zu bleiben, dann allerdings ohne Ordenstracht und der Auflage, sich im Gottesdienst neben der lateinischen nun der deutschen Sprache zu bedienen, mit deutscher Bibel und deutschem Gesangbuch. Der Konvent blieb bestehen und nahm die Formen eines evangelischen Damenstiftes unter der Leitung einer Domina an. Aus der Klosterkir-che wurde eine Gemeindekirche. Von dieser Aufgabenerweiterung zur Tauf- und Pfarrkirche zeugt noch der spätgotische Taufstein von 1545, den der Propst Ridder selbst gestiftet hatte. Mariensee hat während der Reformation keinen Bildersturm erlebt, dafür waren den gebildeten Stiftsdamen wahr-scheinlich ihre Kunstwerke und Kleinodien, die sie oftmals selbst bei ihrem Eintritt in das Kloster mitgebracht hatten, viel zu wertvoll und teuer. Darüber hinaus sind in der Kirche wahrscheinlich kaum deutliche Veränderungen vorgenommen worden. Für die Menschen aus der Umgebung des Klosters und dem nahen Dorf Wulfelade bedeutete die neue Regelung eine wesentliche Erleichterung, sie ge-hörten jetzt zur Pfarre Mariensee und mussten nicht mehr zum Gottesdienst nach Mandelsloh gehen. Obwohl zu dieser Zeit in Calenberg noch nicht alle klösterlichen Einrichtungen unter die neue Lehre gestellt waren, hat es in Mariensee wahrscheinlich keine ernsthaften Versuche zur Rekatholisie-rung gegeben. Der junge Herzog Erich II. (1546–1584) neigte nach seiner Amtsübernahme zwar wie-der zur katholischen Lehre, er musste jedoch im Jahre 1555 Adel und Städten seines Fürstentums Calenberg-Göttingen die evangelische Lehre zusichern,14 so dass wohl auch Mariensee von keiner Unruhe mehr erfasst wurde. Nach Erichs Tod 1584 trat sein Vetter Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel 1588 die Erbfolge im Calenberger Land an. Er machte vom ius reformandi, 15 das dem Landesherrn seit dem Augsburger Religionsfrieden zustand, Gebrauch und führte in allen Klöstern die evangelische Lehre verbindlich ein. Alle Ordensverbindungen wurden gelöst und die Klöster der welt-lichen Regierung unterstellt. Die bisherigen Pröpste wurden in der Verwaltung des Klostervermögens von Klosteramtmännern abgelöst.16 Herzog Julius verfügte, dass wie in seinem Stammland Wolfenbüttel auch das Vermögen der Calenberger Klöster nicht eingezogen werden sollte. Er wies an, sie als Schatz dieser Lande zu erhalten, sie zu gottseligen Sachen zu gebrauchen und zu reformieren, nämlich zu Unterhaltung der Pfarren, zu Hospitälern, zu Knaben- und Mägdleinschulen, zur jährlichen Aus-steuerung einiger armer Jungfrauen vom Adel .17 Die Calenberger Klosterordnung des Corvinus von 1542 wurde durch die neue Klosterord-nung des Tübinger Theologen Dr. Jacob Andreae abgelöst und für alle Frauenklöster verbindlich. Der Gottesdienst sollte künftig im dreimaligen täglichen Chordienst und geregelter Ordnung von Gebet, Gesang und Vorlesung bestehen.18 Den Frauen wurde die Freiheit gewährt, sich zu vermählen oder anderweitig zu versorgen, aber es sollte niemand verjagt werden. Den im Kloster verbleibenden Frau-en wurde freigestellt, ihre Ordenskleider weiterzutragen oder sie abzulegen. An ihrer statt sollten ehr- 11 HAMANN 1994, S. 447. 12 KAYSER 1897, S. 374 ff. 13 MAMANN 1994, S. 447. KAYSER 1897, S. 376. 14 Augsburger Religionsfriede: zwischen Kaiser Ferdinand I. und den Reichsständen 1555 geschlossener Ver-trag; Anerkennung der Lutherischen Konfession als gleichberechtigt neben der katholischen. 15 Religionsfreiheit für die Reichsstände (fürstliche und städtische Obrigkeiten) nach dem Prinzip Cuius regio, eius religio (wer herrscht, bestimmt die Konfession der Untertanen). 16 BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 10. GRAEFE 1994, S. 457. 17 BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 9. 18 GRAEFE 1994, S. 458. BRENNEKE/BRAUCH; S. 9.13 bare schwarze Kleider und weiße Schleier getragen werden. Die Gelübde wurden auf den Gehorsam gegenüber der Äbtissin (Domina) und auf einen christlichen Lebenswandel beschränkt. 19 Die Rechte des Konvents bei der Wahl der Domina wurden eingeschränkt. Neben den entsandten Prälaten – für Mariensee war es über die Reformation hinaus der Abt von Loccum – behielt sich der Landesherr in Vertretung seiner weltlichen Räte ein Ernennungs- und Bestätigungsrecht vor, um die Qualifizierteste mit dem Amt zu betrauen. Auch bei der Besetzung der Konvente ging die Initiative in der Regel vom landesherrlichen Klosterregiment aus. Der Herzog selbst oder später die herzoglichen Witwen hatten stets ein waches Auge auf die Frauenklöster.20 Die Klosterstellen waren mit gesicherter Pfründe und einem standesgemäßen Lebensstil begehrt. Ohne ewiges Gelübde stand ganz im Sinne Luthers auch der Weg in die Ehe offen. Dennoch war ein voreiliges Ausscheiden nicht leicht wieder rückgängig zu machen. Trotz frühzeitiger Einführung der Reformen war Judith Richartz (1593–1598) die erste Domi-na, die 1593 anstatt nach der alten papistischen Regel, nach dem neuen evangelischen Ritus einge-führt wurde: Übergabe der Bibel, des Corpus doctrinae und der Kirchenordnung. Schon 1566 hatte sie dem Kloster als Priorin gedient und von der zunehmend kränkelnden Äbtissin Margeretha von Ahlden wichtige Verwaltungsaufgaben übernommen.21 Niedergang, Verluste und Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg Nach der Regentschaft des Herzogs Julius wurde die Zeit unter seinem Sohn Heinrich Julius und dem Enkel Friedrich Ulrich für Mariensee schwieriger. Hohe Abgaben, die das Kloster nach Wol-fenbüttel leisten musste, zogen beträchtliche Einbußen für die Klosterwirtschaft nach sich.22 Darüber hinaus nutzte zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges der Klosterverwalter Philipp Arendts (1598–1626) die allgemein desolate und unübersichtliche Lage aus. Er arbeitete nicht mehr im Sinne des Unternehmens, sondern hat sich anscheinend am Klostergut bereichert.23 Schon 1623 beklagte die Äbtissin Armgard Sprenger (1607–1657) die desolaten Dächer, besonders am Schlafhaus; seit 30 Jah-ren seien keine Reparaturen mehr durchgeführt worden. Der Klosterverwalter Arendts sah diese Auf-gabe nicht in seinem Zuständigkeitsbereich.24 Während der Belagerung von Neustadt durch Tilly ließ er das Kloster im Stich und floh zu Fuß nach Münden, wo er 1626 starb. Sein Sohn und Nachfolger Philipp Arendts jun. war so wohlhabend, dass er mit einem Kompagnon dem Kloster in der Notzeit 1632 zur Beseitigung von Schäden bei der Neustädter Belagerung 850 Taler leihen konnte und auch die Kosten von 40 Talern für die Beerdigung der Domina Armgard Sprenger vorstreckte.25 Die Besetzung des Klosters durch Truppen des Generals Tilly wurde zu einer Gefahr für die kostbare Ausstattung der Kirche, der Klostergebäude, dem Besitz der Stiftsfrauen und der gesamten Wirtschaft des Klosters. Die Frauen wurden 1625 von den Soldaten aus Mariensee verdrängt und gin-gen zuerst nach Neustadt. Bevor Tilly nach der Belagerung 1626 Neustadt einnehmen konnte, suchten sie mit den wertvollsten Sachen des Klosters ihren Marienseer Hof im sicheren Hannover auf.26 Dies war der Hof in der Köbelinger Straße, nördlich des Friedhofs der Kreuz-Kirche, den das Kloster ver-mutlich nach dem Muster des Zisterzienserordens als Absatzstelle für Klosterprodukte in Hannover unterhielt. Ursprünglich ein geräumiger Platz mit Wirtschaftsgebäuden, in denen Mariensee seine Pro-dukte lagern und verkaufen bzw. eingekaufte Waren niederlegen konnte. Der Marienseer Hof hatte sich im 17. Jahrhundert in einen Wohnkomplex verwandelt, bestehend aus einem Haupthaus sowie mehreren Anbauten und Remisen. Nach der Kopfsteuerbeschreibung von 1689 wohnten darin der Hoftischler Hans Jungblut mit seiner Familie, mehreren Gesellen und einer Magd.27 19 GRAEFE 1994, S. 458 20 BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 128, 129, 149. 21 DOLL 2008, S. 52. 22 BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 140. 23 GRAEFE 1994, S. 458. BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 140, 146. 24 DOLL 2008, S. 55. 25 DOLL 2008, S. 55. 26 Hierzu die Angaben von Eberhard Doll über Armgardt Sprenger, 1607–1657 Domina des Stifts Mariensee. 27 HAMANN 1994, S. 449;14 Als sich 1627 alle Personen des Klosters dort in Sicherheit gebracht hatten, berichtete die Do-mina Sprenger nach Wolfenbüttel, das Kloster sei ganz verwüstet. Wahrscheinlich hatten sie neben dem Nötigsten das kostbare silberne liturgische Gerät aus dem Kloster mitgenommen. Abgeschnitten von der Versorgung durch die ohnehin darnieder liegenden Klosterhöfe, zwang die materielle Not in Hannover zu Verkäufen dieser und weiterer wertvoller Dinge. Derweil lagen Kloster und Kirche ohne Aufsicht schutzlos in der Landschaft, jeder konnte in die Gebäude eindringen und für sich Brauchba-res jeder Art entwenden. Vermutlich sind dabei die meisten Teile der spätmittelalterlichen Kunstschät-ze zertrümmert oder geraubt worden.28 In einem Michaelis (29.9.) 1632 abgefassten Schreiben des Konvents heißt es, dass das Clos-ter Mariensee von den unterschiedlichsten Neustädtischen Belagerungen über die Maßen verwüstet, auch anderen Durchzügen außplünderungen und gedoppelter Contributions-Last nacher Nienburg und Neustadt …ausgeschöpft und ausgesogen sei. Wegen der erlittenen Schäden durch die Kriegsereignisse sowie Verlust von Gütern ist der Konvent unter Führung von Armgardt Sprenger als Domina gezwungen, sich 850 Thlr. von Julius Hein und Philipp Arendts jun., Klosteramtmann, zu leihen. Sie haben 6 % Zinsen zu entrichten und verpfänden den Zehnten zu Aulhausen und Barksen.29 Demnach lebten 1632 wieder Konventualinnen in Mariensee und als Amtmann war Philipp Arends jun. eingesetzt.30 Ein weiterer Hinweis auf Bemühungen zur Normalität in der kirchlichen Ordnung ist die Anschaffung der kleinen Glocke, die im Kloster heute noch als Uhrglocke dient. Sie trägt die Inschrift: Gloria in exelsis deo. Anno Christi 1642. Die Konventualin Sidonia von Mandelsloh berichtet am 16.12.1651 im Auftrag der Äbtissin Armgard Sprenger vom desolaten Zustand der Räume im Kloster. Das Betreten einiger Gebäudeteile sei nur unter Lebensgefahr möglich. Sidonia betont, dass es begrüßenswert wäre, wenn die Stärke des Konvents erhöht würde, aber zurzeit reichten die Einkünfte nicht aus, weitere Personen zu unterhalten. Vermutlich hatte der Konvent in der wechselvollen Kriegsgeschichte nur wenige Zugänge, denn nach dem Bericht sollen sich nur die Domina Sprenger, eine Konventualin (Sidonia v. Mandelsloh), eine Konverse sowie einige Lehrmädchen und Mägde im Kloster aufgehalten haben.31 Den Namen der mit dem Dreißigjährigen Krieg verbundenen Domina Sprenger nennt zuletzt die Domina v. Mengersen: Den 7. Januar 1786. Wie der Frl. Bülow ihr Grab Stätte ausgewiesen wurde, ließ ich den nahe dabei liegenden großen Leichstein die Erde davon abmachen. Der Hr. Pastor hat es abgeschrieben, es wahr die Do-mina Armangard Sprengers, gebohr: 1575, Erwehlet zur Domina 1605, gestorben 1655. Diese hat ohne Zweifel die wichtigste Periode dieses Klosters erlebt, indem der berüchtigte 30jährige Krieg durch die gesamte Führung ihres Amtes gedauert und ehrst die Exekution dieses Friedens, der 1648 geschlossen, aller ehrst Anno 1655 zur Würklichkeit gebracht.32 28 EHRLICH 1975: 29 DOLL 2008, S. 55. HStA Hannover, Cal. Or. 100, Mariensee, Nr. 287a. 30 DOLL 2008, S. 17. 31 DOLL 2008, S. 18. 32 DOLL 2008, S. 56. KlA Mariensee, Akte 91.15 Abb. 3: Mariensee, Innenhof des Konventgebäudes. Foto: Archiv Kloster Mariensee 1989. Die Erneuerungen im 18. Jahrhundert Der Neubau des Konventgebäudes Mit dem Erbvergleich vom 14. Dezember 1635 wurde das Fürstentum Calenberg wieder vom Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel getrennt. Es fiel mit seinen Klöstern nun der cellischen Linie zu, die 1692 die Kurwürde erwarb und 1714 in Personalunion mit der Herrschaft über Kur-Hannover gleichzeitig den Thron von Großbritannien bestieg. Diese Personalunion bestand bis 1837. Unter ihrer Regentschaft wurde ein Neubau aller vom Krieg beschädigter Calenberger Klöster in Angriff genom-men. Mariensee verdankt sein heutiges Aussehen der Initiative Georg II. König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover (1727–1760).33 34 Zur weitschauenden Tätigkeit Georgs II. ist zu 33 Georg II. britischer König,*10. November 1693 in Herrenhausen (Hannover)† 25. Oktober 1760 in London, König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover (1727-1760), Sohn von Georg I.. Georg II. gab der Sorge um sein Heimatland Hannover den Vorzug vor der englischen Weltpolitik, die W. Pitt mit Erfolg betrieb; Ver-bündeter Friedrichs des Großen im Siebenjährigen Krieg. Er gründete 1737 die Universität Göttingen, außerdem veranlasste er den Bau des Britischen Museums (1753).16 Abb. 4: Mariensee, Klostergang im Konventgebäude. Der alle vier Flügel verbindende Gang öffnet sich zum Innenhof. Links zwei Eingänge, die zu Treppenhäusern von Wohnungen der Konventualinnen führen. Foto: Archiv Kloster Mariensee 1997. bemerken, dass zu Beginn seiner Regentschaft im Jahre 1727 eine Brandkatastrophe die Ackerbür-gerstadt Neustadt völlig in Schutt und Asche legte. Hier wurde der Wiederaufbau der abgebrannten Wohnhäuser nur durch eine 100 000-Taler-Spende König Georgs II. von Hannover möglich. In Mari-ensee treten uns ausgesprochen zurückhaltend nur seine Initialen über dem Haupteingang 34 GRAEFE 1994, S. 459.17 Abb. 5: Mariensee, Konventgang. Der Aufgang zur Konventempore. Foto: Archiv Kloster Mariensee um 1970. des Konventgebäudes entgegen. Zur Erinnerung ist jedoch sein Porträt im Konventsaal auf einem zeit-genössischen Ölgemälde zu sehen. Zwei weitere Gemälde aus dieser Zeit zeigen den Kronprinzen Frederik von Dänemark im Alter von 22 Jahren sowie Louise von Plessen, Oberhofmeisterin der Kö-nigin Caroline Mathilde von Dänemark. Die dringenden Erneuerungen der nun im Staatsbesitz befindlichen klösterlichen Bauten hat-ten schon im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts unter der Regentschaft der Vorgänger von Georg II. begonnen. Zwischen 1688 und 89 war von dem Celler Hofarchitekten Johann Heinrich de Münter ein Teil-Neubau des Konventgebäudes im Kloster Marienwerder entstanden. Der im Amt des Hofarchi-tekten folgende Johann Caspar Borchmann führte 1703/04 in Marienwerder Vergrößerungen sowie 1731 einen weiteren Wohnflügel aus. Das Kloster Barsinghausen entstand in den Jahren 1700–1704 als Neubau. Im Kloster Wenningsen baute Borchmann 1706–1711 zwei neue Konventflügel. Unter König Georg I., der 1714 Großbritannien und Hannover unter einem Herrscherhaus vereinte,35 ent-stand das Kloster Walsrode nach Borchmanns Entwurf von 1715, die Ost- und Südflügel in Isenhagen 1723–1726. Der 1727 folgende König Georg II. führte das Klosterbauprogramm seines Vorgängers mit dem kurfürstlichen Oberbaumeister J.C. Borchmann36 weiter bis 1735–1740 beim Kloster Wülfin-ghausen. Johann Caspar Borchmann (Borgmann), geboren vor 1669 in Berlin, übernahm 1696 das Amt des Hofbaumeisters in Celle wo er am 9. November 1736 auch starb.37 Auch die Klosteranlage von Mariensee, zwischen 1726 und 1729 errichtet, stammt aus der Zeichenfeder J.C. Borchmanns. Die mittelalterlichen Konventbauten wurden bis auf die Kirche voll-ständig abgetragen und ein wesentlich größerer Gebäudekomplex als Vier-Flügelanlage mit einem Innenhof (Abb. 3) neu erbaut. 35 Georg I., * 7. Juni 1660 in Hannover, 1714 britischer König, † 22. Juni 1727 in Osnabrück. 36 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 43. 37 BENEZIT und THIEME/BECKER Künstlerlexikon.18 Abb. 6: Mariensee, Plan des Klosters von 1750. Die Karte ist nach alter Art orientiert, d.h. nach Osten ausgerichtet. Archiv Kloster Mariensee. Das Konventgebäude erstreckt sich seitdem südlich von der Kirche als ein geschlossenes Rechteck, das im Erdgeschoss von einem inneren umlaufenden Klostergang (Abb. 4) erschlossen wird. Mit der Aufteilung der Flügel in dreizehn Einzelwohnungen wurde die schon im 17. Jahrhundert begonnene Privatisierung der konventualen Lebensführung fortgesetzt. Jede Konventualin erhielt nun einen eige-nen Wohntrakt, in dem sie auch ihren eigenen Haushalt führte. J.C. Borchmann hatte in den bereits erstellten Klosterneubauten verschiedenartige Wohnaufteilungen nach Vorgaben der kurfürstlichen Verwaltung, in die zum Teil auch Wüsche der jeweiligen Konvente einflossen, ausgeführt. In Marien-see verwirklichte er für jede Stiftsdame eine Wohnung aus vier Räumen auf einer Ebene mit Küche und Treppenhaus. Hier ist zu erwähnen, dass der Einbau von Treppen teuer war und mehr Platz im Gebäude beanspruchte. Der Zugang zu den einzelnen abgeschlossenen Wohneinheiten erfolgt vom Klostergang im Erdgeschoss der Konventflügel (Abb. 4 und 5). Die Äbtissinnenwohnung südlich der Kirche ist die größte, da sie auch Raum für Verwaltung und Zusammenkünfte des Konvents bieten muss. Im Vergleich zur durchaus großen mittelalterlichen Backsteinkirche ist das Bauvolumen des Konventgebäudes riesig und übersteigt das der Kirche um ein Vielfaches (Abb. 7). Dabei wirkt die Gesamtheit der Anlage durch Einheitlichkeit und Geschlossenheit, wobei das massige, einmal abge-setzte Dach diesen Eindruck verstärkt. Im Nordflügel rechts von der Kirchenwestseite liegt die Haupt-fassade mit dem Zugangsportal des Klosters. Hier ist nur die Portalbekrönung mit den Initialen König Georgs schmückend ausgeführt worden, ansonsten ist die Fassade mit nur angedeuteten Fenstergesim-sen schlicht gehalten, die beiden äußeren Fensterachsen sind durch Blendnischen betont. Im Gegensatz zur Nordfassade sind alle anderen Fronten des Stiftsgebäudes nicht symmetrisch gestaltet, ihre Fens-terachsen folgen dem System der inneren Aufteilung der Trakte. Im Stiftsgebäude übernahm die Auf-gabe des früheren Kreuzgangs ein schlichter Verbindungsgang mit Kassettendecke und tiefen 19 Abb. 7: Mariensee, Grundriss von Konventgebäude und Kirche nach einem älteren Plan. Zeichnung: Archiv Kloster Mariensee. Fensternischen. Der Eingangsraum ist etwas aufwändiger als Joch mit einem Kreuzgratgewölbe ge-staltet. Eine Wendung nach Osten führt zu einer von Bogenstellungen betonten einläufigen Holztrep-pe, die mit einem geschwungenen einfach verzierten Geländer versehen wurde (Abb. 5). In jeder der dreizehn Wohnungen führt eine ähnlich gestaltete Treppe ins Obergeschoss. Die große Treppe war der Aufgang zum einst im Obergeschoss liegenden Konventsaal, bevor im 19. Jahrhundert dort die heutige Konventempore eingebaut wurde. Seit dieser Einrichtung liegt der Konventsaal im Erdgeschoss der Äbtissinnenwohnung. 20 Abb. 8: Mariensee, historische Abortanlage außerhalb des Konventgebäudes über einem Bachlauf. Foto: Archiv Kloster Mariensee 1997. Von historischem Interesse sind noch die zwei einstöckigen Fachwerkbauten, die sich südlich vom Konventbau erstrecken und von denen der östliche durch einen gedeckten Gang mit dem Kloster verbunden ist. Die beiden Schmalseiten stehen auf großen Rundbogen aus Sandstein, durch die ur-sprünglich der örtliche Bachlauf als Abwasserkanal hindurchströmte (Abb. 8). Die Anlage bestand aus 14 einsitzigen Abortzellen für Äbtissin, Konvent und Klosterdiener, sowie drei zweisitzige Zellen für die Mägde. Wahrscheinlich bestand schon im Mittelalter ein solcher exitus necessarius nach der Vor-schrift des Zisterzienserordens. Der Neubau war gerade im 18. Jahrhundert eine für die Zeit weit-schauende hygienische Einrichtung, die man sonst an vielen prunkvollen Barockbauten vermissen musste. Zum barockzeitlichen Baubetrieb Der Neubau der Konventanlage war auch mit den Mitteln des eingespielten barocken Baube-triebs eine bedeutende organisatorische Leistung. Obwohl nur die Umfassungsmauern massiv in Stein erstellt wurden, die Wände der Innenaufteilung dagegen zumeist aus Fachwerk mit Lehmausbau be-standen, war eine unübersehbar große Menge an Ziegeln erforderlich. In einer Zeit, in der die Beschaf-fung der Baumaterialien im Vergleich zur Höhe der Lohnkosten deutlich höher ins Gewicht fiel als es heute der Fall ist, war die Wiederverwendung möglichst vieler Baustoffe der Regelfall. In Mariensee dürften deshalb die Ziegel aus dem Abriss der mittelalterlichen Konventgebäude als wertvolles Bau-material größtenteils wiederverwendet worden sein und im Kern des verputzten neuen Gebäudes ste-cken. Es konnten durchaus mehrere 100 000 alte Mauersteine – vermutlich im Klosterformat - wieder-gewonnen werden. Im damaligen Baubetrieb wurden nicht nur möglichst viele Steine vom Mörtel befreit und in ordentlichen Stapeln zur Weiterverwendung geschichtet, sondern man sammelte auch den abgeklopften Kalkmörtel, um ihn zur Wiederverwendung in einem Kalkofen erneut zu brennen. Im Jahre 1783 berichtete der damalige Landbaumeister Christian Ludwig Ziegler38 vom Bau des Klos-ters Medingen: 38 Cristian Ludwig Ziegler (1748–1818), seit 1773 berufener Kurhannoverscher Landbaumeister. 21 Die Kalckbrennerei ist von Anfang mit dem größten Nutzen betrieben und man hat gesuchet, allen Schutt der abgebrochenen Kirche und die Kalckstücke desjenigen, der bisher weggeworfen wor-den, dabey aufs sorgfältigste zu nutzen. Es sind in diesem Jahr auch 2 Brände gemacht worden, wel-che 1600 Tonnen des besten Kalcks geliefert haben. 39 Diese Arbeitsweise könnte durchaus auch schon in Mariensee angewandt worden sein, zumal das für die Aufbereitung benötigte Brennholz ebenfalls aus dem Abbruch des ehemaligen Konvent-hauses gewonnen werden konnte. Baukalk war auf jeden Fall relativ teuer und der Preis erhöhte sich, je weiter der Anfahrtsweg wurde. Weil die Materiallieferungen für die Großbaustelle das ganze Jahr über andauerten, verteuerten sich die Transportkosten während der landwirtschaftlichen Saison zusätz-lich. In Medingen berichtete 1785 der Landbaumeister Ziegler: Dieser Erhöhung ungeachtet stehet in der Saat- und Erntezeit nicht einmal Gespann zur An-fuhr der Steine zu erhalten, sondern man hat selbe mit dem Holze [die Ilmenau] herunterflößen müs-sen.40 Sicherlich war es von großem Vorteil, dass sich im Neustädter Gebiet von jeher zahlreiche Ziegelbrennereien befanden, so dass die Transportkosten für das Steinmaterial im Rahmen bleiben konnten. Vermutlich wurden die Ziegel im Feldbrandverfahren hergestellt, wobei, wenn die Brände nur brauchbar ausfielen, auf die Farbe der Steine nicht geachtet werden musste. Das Eichenholz für die Konstruktion der inneren Fachwerkwände des Konventbaus, sowie das Nadelholz, das vornehmlich für die Deckenbalken und die Konstruktion des Daches verwendet werden sollte, kam vermutlich aus den klostereigenen Waldungen, die sich von Mariensee aus weithin erstre-cken. In der Regel achtete man in den Klöstern darauf, dass in den eigenen Wäldern vernünftige Holzwirtschaft betrieben wurde, um bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können, und um sich das Holz stets als letzte stille Wertreserve zu erhalten.41 Auch die Bereitstellung von Arbeitskräften auf der Großbaustelle Mariensee dürfte nicht ein-fach gewesen sein. In einer ländlichen Region wie das Neustädter Land, war das Arbeitskräfteangebot stark von den Erwerbsmöglichkeiten in der Landwirtschaft abhängig. Der Bauleitung standen die Maurer und Handlanger nur im Verlauf des Sommers verlässlich zur Verfügung. Zur Erntezeit verlie-ßen mit Sicherheit die besten von ihnen die Baustelle. Fremde Bauleute verlangten in der Regel mehr Lohn. Wurde er nicht gezahlt, was zumeist wöchentlich erfolgte, verließen sie bald wieder die Baustel-le. Nach den Erfahrungen, die der Landbaumeister in Medingen machte, hat man bei den Zimmerleu-ten diese Schwierigkeiten nicht gefunden, da sich der Landmann allgemein mehr zur Erlernung dieses Metiers entschloss. Zimmerleute konnte man ausreichend in fast allen Dörfern finden.42 39 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 29. Die Kalktonne als Maßeinheit war auch das Transportgefäß des gebrannten noch ungelöschten Kalks. 40 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 29. 41 Beispiel Marienfeld in Westfalen, dessen gesamter Klostergrund nach der Säkularisation an den Kaufmann Tenge aus Osnabrück ging. Dieser bezahlte die Rechnung umgehend aus dem Erlös des Einschlags wertvollen Baumbestandes aus dem Klosterwaldungen. 42 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 33.22 Die Erneuerung des Kirchengebäudes Während in Mariensee die Konventbauten vollständig neu erstellt wurden, hielt man am mit-telalterlichen Bau der Klosterkirche fest. Mit Sicherheit werden hier finanzielle Überlegungen am Festhalten von brauchbarer Bausubstanz im Vordergrund gestanden haben, auch wenn erhebliche Re-paraturen an dem historischen Gebäude notwendig waren. Auch an anderen mittelalterlichen Konven-torten unter dem Schirm der späteren Klosterkammer ist man danach verfahren. Wahrscheinlich wollte man dort zumindest die Sakralgebäude zur Erinnerung für die lange Tradition der Nonnenklöster er-halten. Vielleicht haben auch damals schon gewisse denkmalpflegerische Gedanken mitgespielt. In der Regel war es aber die Sparsamkeit der Verantwortlichen oder länger andauernde schlechte Wirt-schaftsverhältnisse, die meist zum Erhalt historischer Substanz beitrugen. Während der groß angelegte Konventbau in der relativ kurzen Zeit von 1726–1729 errichtet worden war, zogen sich die Erneue-rungen und Veränderungen am Außenbau und im Inneren der Kirche vermutlich mit längeren Unter-brechungen hin. So ist der große Kanzelaltar mit der Orgel erst 1756 im Chor errichtet worden. Die Veränderungen und Sicherungen aus dieser Zeit sind im Hinblick auf eine erneut anstehende Restau-rierung durch eine vermutlich von Conrad Wilhelm Hase stammende Bauaufnahme von 1844 doku-mentiert worden (Abb. 9, 10, 11). Nach den Zeichnungen zu urteilen, dürfte sich die Kirche um 1700 in einem dramatisch schlechten Zustand befunden haben. Das größte Problem war, dass die Standfestigkeit der Nordwand des Mitteljochs nicht mehr gegeben war. Sie drohte nach außen auszuweichen, womit ein Einsturz des mittleren Gewölbejochs einhergegangen, und die Kirche in zwei Teile zerbrochen wäre. Unter dem groß angelegten, vielfach profilierten Schildbogen des Mitteljochs im Inneren der Kirche war beim Bau die Dicke des Mauerwerks von 1,20 m auf 0,80 m reduziert worden, um eine entsprechend ele-gantere Durchfensterung mit drei Rundfenstern und vier Fensterbahnen zu erreichen. Möglicherweise war die Mauerstatik bei dieser Fensterlösung für die Gewölbeauflast nicht ausreichend, so dass sich Schäden durch beginnende Risse zeigten. Die Begründung dafür im Absinken des Baugrundes zu su-chen, ist auszuschließen, da an den Sockel- und Quaderlagen aus Sandstein in diesem Bereich optisch keine Senkungen wahrnehmbar sind. Auf der gegenüberliegenden Südseite war die Schildwand mit ihren Fensterbahnen und Rosenfenstern schon von einem mittelalterlichen Konventbau zugestellt wor-den, wobei sich – vermutlich ungewollt – eine gewisse Stützung ergab. So wurde auf der Nordseite zur Sicherung des Bauwerks ein massiger Stützpfeiler angebaut, der leider die einstige Fensterordnung größtenteils verdeckte und empfindlich störte. Darüber hinaus wurde auch das mittig angelegte Haupt-portal verstellt, so dass ein neuer Zugang mit der geborgenen mittelalterlichen Werksteinrahmung westlich neben dem Pfeiler ausgeführt wurde. Das zweite Eingangsportal östlich des Pfeilers ist erst im 19. Jahrhundert eingebrochen worden, wobei auch die Reliefs der Bogenfelder entstanden. Aufgrund der größeren Ausdehnung des Konventbaues nach Osten, wurde die südliche Drei-fenstergruppe im Ostjoch bis auf eine Fensterbahn verdeckt, was einen erheblichen Lichtverlust im östlichen Kirchenraum mit sich brachte. Auch das Westfenster, heute noch durch den Blendbogen hinter der Orgel nachvollziehbar, wurde aufgrund der Errichtung eines Nordflügels am Konventbau verstellt und musste zugemauert werden. Mit der Schließung von insgesamt neun Fenstern an vier Schildwänden büßte die Kirche nicht nur wesentliche Lichtquellen ein, sondern verlor auch einen er-heblichen Teil ihrer ursprünglich vom Geist der Gotik zugedachten Transparenz. Die Vergrößerung der drei kleinen Fenster auf der Nord- und Westseite zur Erhellung der einstigen Unterkirche brachte dagegen nur wenig Ausgleich. Wahrscheinlich erhielt der Bau ein neues Dach, wobei die Höhe des gotischen Westgiebels um 2/3 zurückgenommen und abgewalmt wurde, der untere Teil jedoch unangetastet blieb. Am Beginn des westlichen Dachfirstes wurde ein kleiner vierseitiger Dachreiter mit offener Laterne und barocker Zwiebelhaube errichtet. Er ersetzte den ursprünglichen gotischen Turm, denn eine kleine Glocke die heute noch als Uhrglocke dient, trägt die Inschrift: Gloria in exelsis deo. Anno Christi 1642. Diese war also noch zum Ende des Dreißigjährigen Krieges als Ersatz für die vermutlich von Kriegsleuten ent-wendete oder als Kontribution abgegebene Klosterglocke beschafft worden. Traditionell befindet sich das Glockentürmchen bei allen Frauenkirchen über der Damenem-pore im Westen der Kirche, von wo die Nonnen mancherorts auch selbst läuteten. Es wurde zwar ver-mutet, dass sich in Mariensee ein Glockentürmchen ursprünglich über dem Ostjoch befunden haben soll, da im Gewölbescheitel eine Öffnung ist. Doch in dem sehr hohen Bau war mit einem unendlich 23 Abb. 9: Mariensee, Klosterkirche. Grundriss nach dem barockzeitlichen Umbau um 1760. Ein großer Teil der einstigen Durchfensterung ist geschlossen, die steinerne Empore abgebrochen und durch hölzerne Einbauten ersetzt. Umzeichnung: Andreas Sassen 2015.24 langen Seil die kleine Zisterzienserglocke kaum beherrschbar. Deshalb läutete der Küster die Glocke vom Dachboden aus, den er über die Wendeltreppe auf der Südseite zwischen Mittel- und Westjoch erreichte. Dieser Wendelstein, der relativ eng gebaut ist, war ausschließlich für das Klosterpersonal zum Besteigen des Kirchendachbodens gedacht. Die oft geäußerte Vermutung, die Klosterfrauen wä-ren über die Wendeltreppe zur Empore gelangt, trifft nicht zu. Die Nonnen des Mittelalters betraten von ihrem im Oberstock liegenden Dormitorium oder ihren Zellen die gleichhoch liegende Empore in der Kirche. Seit dem 18. Jahrhundert verlassen die Stiftsfrauen ihre Wohnungen im Erdgeschoss zum Konventgang, steigen dann die große Treppe nach oben, von wo sie direkt auf die Konventempore gelangen. Die sich im Kircheninneren über das Mittel- und Westjoch erstreckende massive mittelalterli-che Nonnenempore mit der darunter befindlichen Unterkirche hat man damals abgebrochen und die dabei anfallenden Backsteine als Baumaterial am Konventbau mitverwendet. Der Wegfall der vielen Gewölbepfeiler der Unterkirche ergab mehr Platz für die anwachsende Gemeinde. Der durchgängige Raum ermöglichte auch die Aufstellung einer einheitlichen Bestuhlung, denn mit der Einführung des lutherischen Gottesdienstes mit zuweilen langen Predigten wurden Sitzgelegenheiten für die Kirch-gänger unverzichtbar. Die Stiftsfrauen erhielten als Ersatz eine hölzerne Empore, die nun das West-joch und nur noch ein Drittel des Mitteljochs einnahm. Ihre nach Osten im barocken Stil gehaltene Brüstung war im mittleren Bereich nach innen halbkreisförmig eingezogen. Auf dem Grundriss von 1814 sind im Westen der Empore Einzeichnungen, die einen Altar und südlich davon ein Chorgestühl vermuten lassen. Anscheinend trafen sich nach dem Umbau der Kirche hier die Konventualinnen zum Gebet. Die Abgeschiedenheit ganz am westlichen Ende der Empore deutet darauf hin, dass die Frauen auch nach der Reformation für die allgemeinen Kirchgänger unsichtbar blieben. Mit der Wiederherstellung der Kirche wurden jedoch die noch verbliebenen Reste der mittelal-terlichen Ausstattung einschließlich des Triumphkreuzes aus dem Innenraum entfernt und eine spätba-rocke Möblierung vorgenommen, die man mit der Aufstellung des großen Kanzelaltars mit bekrönen-der Orgel abschloss (Abb.). Auch der spätgotische Taufstein kam, wie damals in fast allen Gemeinde-kirchen aus der Mode. Man benutzte nun allgemein handliche Taufgeschirre, in Mariensee seit 1739 ein silbernes Taufgeschirr, zu dem später die Figur eines schwebenden Taufengels kam. Nach langem Krieg und der wüsten Zeit des Klosters wird auch die mittelalterliche Kunstverglasung der Marienseer Fenster in schlechtem Zustand gewesen sein. Zur Erneuerung ist bei der barockzeitlichen Fassung des 18. Jahrhunderts eine einfache Klarverglasung zu vermuten. Zur barocken Gestaltung des Kircheninneren In Süddeutschland, vor allem in Bayern stehen wir heute vor den Zeugnissen klösterlicher Pracht aus dem barocken Bauboom des 18. Jahrhunderts. Hier hatte die katholische Kirche mit der Gegenreformation eine Inszenierung des Glaubens begonnen. Neben Repräsentationsansprüchen ging es bei den Klosterneubauten in vielen Fällen einfach nur darum, mit modernen Bauten, die im Stil der Zeit ausgeführt und eingerichtet waren, ein dem Zeitgeschmack entsprechendes Lebensumfeld zu schaffen.43 Aus demselben Grund wurden auch ältere Klostergebäude umgebaut und neugestaltet, wurde die – häufig als ästhetische Zumutung empfundene - mittelalterliche Ausstattung aus den Kir-chen entfernt, um diese zu barockisieren. Während im süddeutschen Barock mittelalterliche Architek-tur hinter kannelierten Pilastern und klassischem Gebälk verschwand und die Ausstattung der Kirchen wahre Feste in Gold und Purpur feierte, ist man auch in Norddeutschland nicht ganz von diesem Le-bensgefühl unberührt geblieben. Im bisher oft zitierten westfälischen Zisterzienserkloster Marienfeld entstand ein neuer Klausurbau für die Mönche. Die bislang bis zur Spätgotik ausgestaltete, aber sonst unberührt erhaltene mittelalterliche Klosterkirche erhielt im Verlauf des 18. Jahrhunderts eine barocke Ausstattung, die von dem prachtliebenden Paderborner Bischof Friedrich von Fürstenberg initiiert worden war. 43 KRÜGER o. J.: S. 386.25 Abb. 10: Mariensee, Nordseite der Klosterkirche nach dem barockzeitlichen Umbau um 1760. Der Westgiebel wurde geändert und mit einem Dachreiter versehen, das Mitteljoch stützt ein großer Pfeiler, der Rundfenster und Portal verdeckt. Umzeichnung: Andreas Sassen26 Auch das sonst vom Wesen so streng gläubig und sparsam eingestellte Niedersachsen wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg erst nach langer Erholungsphase vom barocken Stil berührt. In den Schloss- und Kirchenbauten der landesfürstlichen Zentren wie Celle, Wolfenbüttel, Helmstedt, Bückeburg oder Stadthagen waren im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts Beispiele der Renaissance und des Manierismus entstanden, dessen Stilformen sich bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges handwerklich hervorragend entwickelt hatten. Während des Krieges entfielen die Aufträge, an die Stelle des Schaffens kam die Zerstörung: Notzeit, Hunger und Tod waren die Folge, so dass danach kaum mit kunsthandwerklicher Weiterentwicklung und entsprechend ausgebildetem regionalen Nach-wuchs zu rechnen war. Impulse zur Anwerbung ausländischer Kunsthandwerker, vor allem aus Italien, kamen aus dem Zentrum Hannover, das zur kurfürstlichen Residenz aufstieg. Während die Stadt selbst eine Fachwerkstadt in calenbergisch-nüchterner Art blieb, entfaltete sich das künstlerisch-barocke Schwergewicht der Kurfürstenzeit außerhalb der Stadt in der höfischen Schöpfung Herrenhausen. Nachdem dort die italienischen Architekten und Künstler, Sartorio, Giusti, Grana und Rosso im 17. Jahrhundert mit dem Bau des Schlosses den Barockstil eingeführt hatten, entwickelte sich auch ein gewisses barockes Lebensgefühl in Hannover. Zudem war seit 1714 die Würde eines Kurfürsten von Hannover in Personalunion identisch mit der englischen Königswürde, was neben der Hofhaltung einen bescheidenen Bedarf bei den dortigen Staatsträgern aus dem Adel hervorrief und auch im Ver-lauf des 18. Jahrhundert die benötigten Kunsthandwerker hervorbrachte. Als König Georg II. nach 1726 Mariensee neu erbauen ließ, setzte sich der Konvent zu einem großen Teil aus Töchtern dieser adligen Kreise zusammen. Allerdings fiel der kürfürstlich-königliche Hof in Hannover als großer Kunstmäzen aus, Aufträge erteilten die katholischen und evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden, in diesem Fall auch das Stift Mariensee. Auch wenn der Konventbau vom Architekten Borchmann vornehm-zurückhaltend ausgerich-tet war, sollte die Kirche als Haus Gottes etwas den Glanz der Zeit widerspiegeln. Allein davon übrig-geblieben ist jedoch nur der heute im Westen der Kirche noch schwebende Taufengel, der von dem Hannoverschen Bildhauer Ziesenis geschaffen wurde (Abb. 14). Dieses einzig erhaltene Kunstwerk des 18. Jahrhunderts könnte ein Hinweis sein, dass der damals in der Residenz und dem Kurfürsten-tum Hannover tätige Hofbildhauer und vielseitig begabte Johann Friedrich Blasius Ziesenis (1715–1785) einen Teil der barocken Ausgestaltung der Marienseer Kirche durchgeführt hat. Möglicherweise könnte sein Vater Johann Friedrich Ludwig Ziesenis schon mit Arbeiten an Kirche und Kloster Mari-ensee beschäftigt gewesen sein. Ziesenis jun. bekam erst 1746 das Bürgerrecht in Hannover und rich-tete dann eine eigene Werkstatt in der Calenberger Str. ein. In der Folgezeit von 1747 bis zu seinem Tode 1787 entstand eine Reihe von Kanzelaltären, die der Autor Ulfried Müller in seiner Arbeit von 1972 auf J.F.B. Ziesenis zurückführt.44 Die Jahreszahl 1754, die Ingrid Falldorf im Zusammenhang mit dem Aufbau der Orgel von Zuberbier aus Hannover nennt,45 fällt also mitten in die Schaffenszeit von J.F.B. Ziesenis. Da zu dieser Zeit in der Region Hannover kein gleichwertiger Kunsthandwerker zu nennen ist,46 könnte dieser also der Urheber des großen Kanzelaltars in der Marienseer Klosterkir-che gewesen sein. Die nach 1726/29 eingeleitete Erneuerung des Kirchenraums brachte eine Abkehr von der far-bigen Raumfassung. Anstelle der damals mit Sicherheit von Ruß und Staub völlig verdunkelten spät-gotischen Wandmalereien traten weiße Wände. Auch wenn in dem historischen Gebäude keine Stu-ckaturen und Fresken ausgeführt wurden, sah der Barockstil einfache, weiß gekalkte Wände und Ge-wölbe vor, starkfarbige Glasmalereien – sofern diese die schlechten Zeiten überstanden hatten - wur-den durch lichtdurchlässiges klares Fensterglas ersetzt und die Ausstattung der Kirche in abgestimmter Farbfassung und aufwendiger Vergoldung dazu in Kontrast gestellt. Damals war der Grundton der Farbfassung von Altarwand, Emporenbrüstung und Kirchenbestuhlung ein zurückhaltendes Weiß/Grau/Gold, wie die erhaltenen Kanzelaltäre in den Dorfkirchen und auch die restaurierte Fas-sung des von der Barockzeit erhaltenen Taufengels zeigen. In Süddeutschland spiegeln die barocken Kirchenbauten und ihre Ausstattungsprogramme das zeitgenössische Verständnis von Religion, bei dem die Inszenierung des Glaubens durch Bilder hinter dem Sakralen selbst zurücktritt. Während man im Mittelalter möglichst direkten Kontakt zur Sphäre 44 MÜLLER 1972. S. 129–156. 45 FALLDORF 1997. S. 21. Angaben nach Hausarchiv des Klosters Mariensee. 46 MÜLLER 1972. S. 149.27 Abb. 11: Mariensee, Längsschnitt durch die Klosterkirche, Blick von Süden. Die Fenster des Mitteljochs sind teilweise verstellt. Die große steinerne Nonnenempore ist durch eine hölzerne Konventempore ersetzt. Umzeichnung: Andreas Sassen 2015.28 des Sakralen suchte – durch Nähe zum Altar, Annäherung an die Reliquien und erst in zweiter Linie Reliquienschau –, steht nun das Schauen im Mittelpunkt, und zwar das Schauen theatralisch insze-nierter, dramatisch gesteigerter Bilder.47 Wahrscheinlich müssen wir im Verhältnis dazu das vermutlich von Ziesenis für die evange-lisch-lutherischen Anforderungen in Mariensee umgesetzte Werk sehen. Der von seinem Vater mit Sicherheit früh ausgebildete, dann in Mannheim, Paris sowie Straßburg sich weiterbildende und tätig gewesene katholische Künstler hatte genügend Weitblick, sowohl für das Bistum Hildesheim als auch für die protestantische Hannoversche Kirche Aufträge in sakraler Kunst auszuführen.48 Zum Barockkünstler Ziesenis Johann Friedrich Blasius Ziesenis, * in Hannover als Sohn des Bildhauers Johann Friedrich Ludwig Ziesenis, getauft 10. August 1715 in der katholischen St. Clemenskirche in Hannover, † 16. September 1787 in Hannover. Holz und Steinbildhauer des Barocks, Hofbildhauer in Hannover. Nach den ersten Lehrjahren bei seinem Vater, von dem keine Werke bekannt sind, vervollständigte er sein Können bei Ernst Dietrich Bartels in Hildesheim, dann bei Paul Egell in Mannheim. Am 1.12.1746 erhält Ziesenis das Bürgerrecht in Hannover und richtet sich in der Calenberger Straße eine Werkstatt ein. 1747 wird er zum Hofbildhauer ernannt und erhält gleichzeitig ein Stipendium für Paris, um sich unter dem berühmten Bouchardon zu perfectionieren.49 Mit der Zeit von Paris werden Aufenthalt und Arbeiten in Straßburg genannt. Seit seinem Pariser Aufenthalt bis zu seinem Tode 1787 hat er in Hannover gelebt und gearbeitet. Ein schriftli-cher und zeichnerischer Nachlass ist außer wenigen handgeschriebenen Kostenanschlägen und einigen Hand-zeichnungen nicht überliefert.50 Unter seinen zahlreichen Arbeiten finden sich im Dom zu Hildesheim die Alabasterfiguren des Altars in der Georgskapelle von 1743; für den Schnellen Graben in Hannover schuf er das Kleeblattwappen; 1746 das Epitaph des Landdrosten von Bussche. In der Liebfrauenkirche von Neustadt a.Rbge. stehen von Ziesenis noch ein veränderter Kanzelaltar und ein Taufständer von 1787. Auf Ziesenis werden 11 Kanzelaltäre in ev. Kirchen der Region Hannover zurückgeführt. Kohlenfeld 1747, Harpstedt 1751, Helstorf 1753, Grone 1754, Groß-Goltern 1754, Hoya 1755, Kirchwehren 1755, Seelze 1767, Groß-Berkel 1777, Kirchrode 1784, Neustadt 1787. In Verbindung mit Ziesenis wird der Consistorial-Secretarius Gerhard Justus Arenhold (1707–1775) genannt. Arenhold stand dem Bauwesen des gesamten Konsistoriums Hannover vor und schlug häufig bei ent-sprechenden Kirchenerneuerungen Ziesenis als Bildhauer und Innenarchitekten vor. Das Kurfürstentum Hanno-ver war arm an guten Gestaltungskräften, so dass Arenhold immer wieder auf Ziesenis zurückgreifen musste. Die Kunst des Hofbildhauers Ziesenis schließt die Epoche des späten Barocks und des Rokokos in den kurhan-noverschen Landen glanzvoll ab. Ziesenis, als Sohn dieser Landschaft, überträgt die französische Bildhauerkunst dieser Zeit nach hier. In seinem letzten Lebensjahrzehnt leitet er sie bereits über in die aufkommende Periode des Klassizismus. Text nach Ulfried Müller, Garbsen.51 47 KRÜGER o. J.: S. 386. 48 Tätigkeiten für beide Konfessionen waren damals nicht selten. In Westfalen waren die Arbeiten des evangeli-schen Lippstädter Orgelbauers Johann Patroklus Möller so gefragt, dass er neben Marienfeld (1751) fast alle großen Klosterkirchen mit seinen Orgeln ausstattete. 49 StA.H., Hofbau-Sachen II B, Bestallungssachen 27a, Ouvriers Conv. 2. 50 Kostenanschläge in den ev. Kirchen Groß-Goltern 1750, Harpstedt 1751, Helstorf 1753, Groß-Berkel 1775; Neustadt, Archiv der Kirchengemeinde, Zeichnung der Taufe von 1787. 51 MÜLLER 1972. S. 148.29 Abb. 12: Helstorf, Pfarrkirche, Kanzelaltar. Die von dem Baumeister Z.H. Vick 1753 erbaute Kirche erhielt bis Oktober 1753 den Kanzelaltar von J.F.B. Ziesenis. Zum Vergleich des damals typischen Aufbaus als Mittelrisalit mit schräggestellten Stützsäulen unter einem reich gegliedertem Hauptgesims. Foto: H. Nölter 52 Der Kanzelaltar Nach den in der Zeit des Spätbarocks üblichen Formen entwarf Johann Friedrich Blasius Ziesenis als Blickfang im Altarraum der Klosterkirche Mariensee eine Kombination der evangelisch-lutherischen Prinzipalstücke Altar und Kanzel, die aufgrund der möglichen Raumhöhe von einer Orgel bekrönt wurden (Abb. 13). In der Ausstattung der evangelischen Kirchen erhielten damals zwei Hauptstücke der Ausstattung eine besondere Gestaltung und wurden dadurch zu kleinen Kunstwerken: 52 MÜLLER 1972. S. 134.30 Abb. 13: Mariensee Klosterkirche Barocker Kanzelaltar mit Orgel von J.F.B. Ziesenis im Chor der Kirche. Abbildung von 1844, Archiv Mariensee.31 die Orgel auf der Westempore und der für die Zeit des Rationalismus nahezu obligatorische Kanzelal-tar.53 Aus theologischer Sicht lag die Forderung nach dem Kanzelaltar darin begründet, dass das Wort höher stehen solle als die Liturgie. Baulich war die Gruppierung im Hinblick auf die ein- bis zweige-schossigen Emporenanlagen nötig, um den Gottesdienstbesuchern von allen Plätzen gleich gutes Hö-ren und Sehen zu ermöglichen. Dadurch wurden die beiden Hauptstücke des lutherischen Gottesdiens-tes – Altar und Kanzel – zu einem Stück zusammengefasst (Abb. 12).54 Die Altarwand ohne Kanzel, dafür jedoch mit aufwändigen Bildwerken versehen, fand sich dagegen vornehmlich in den katholischen Kirchen. In der Klosterkirche Marienfeld zu Beispiel gehör-te sie zur barocken Neuausstattung. Wie weit diese Variante sich steigern ließ vermitteln jedoch die riesigen Altarwände der Gegenreformation in den Kirchen der Jesuiten. In Büren/Westf. ist eine solche Anordnung aus dem Barock erhalten, während die Altarwände in den Jesuitenkirchen von Paderborn und Köln nach völliger Kriegszerstörung neu geschaffen wurden. Aber auch in den größeren evangeli-schen Kirchen wurden barocke Bildaltäre aufgestellt, sofern keine Emporeneinbauten vorhanden wa-ren. In der Klosterkirche Amelungsborn stand im Chor bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein auf-wendiger Barockaltar mit großem Bildblatt und seitlichen Begleitfiguren der Apostelfürsten Petrus und Paulus.55 In der Stadtkirche von Quedlinburg steht ebenfalls ein solch opulentes Kunstwerk. Der Kanzelaltar, eine eigenartige und vom Protestantismus favorisierte Anordnung, war im niedersächsischen Raum weit verbreitet und ist auch heute noch in einigen ländlichen Emporenkirchen vorhanden (Abb. 12).56 Im 17. Jahrhundert waren die Kanzelaltäre reich dekoriert und mit zahlreichen Figuren versehen, doch mit fortschreitender Entwicklung wurde ihr Bildprogramm reduziert. Sie hiel-ten sich noch bis ins 19. Jahrhundert, doch die gestalterischen Lösungen blieben im Übergang zum Klassizismus bescheiden. Später standen sie der Liturgie im Weg, ein großer Teil ging durch den Zweiten Weltkrieg verloren und die Argumente gegen sie dienen bis in die Gegenwart hinein als Be-gründung, wenn die Beseitigung von Kanzelaltären gefordert wird. Trotzdem werden diese Stücke, wo sie noch vorhanden sind, mittlerweile als Denkmäler einer besonderen Zeiterscheinung sorgsam gehü-tet. In Mariensee wurden um 1754 die beiden Prinzipalstücke architektonisch von J.F.B. Ziesenis konzipiert. Sie nahmen als imposante Altarwand die gesamte Breite des Chorraums ein und reichten zusammen mit der von dem Orgelbaumeister Johann Andreas Zuberbier gebauten Orgel bis in den oberen Bereich des Apsisgewölbes (Abb. 13). Die zentralen Teile Altar, Kanzel und Orgel traten ein-achsig in ganzer Höhe wie der Mittelrisalit eines Gebäudes aus der Fassade hervor, der nach damals verbreiteter Form an beiden Ecken mit schräggestellten Säulenachsen gestützt wurde. In drei Geschosse unterteilt, befand sich unten eine geschlossene Wand mit dem zentral ste-henden Altartisch und auf beiden Seiten ein rundbogiger Durchgang mit einem Supraport. Der Altar, über dem allgemein in den lutherischen Kirchen ein Gemälde des Letzten Abendmahls als Andachts-bild angebracht war, wurde beidseitig durch diagonalgestellte nacheinander angeordnete Säulen und Pilaster mit attischen Basen und korinthischen Kapitellen eingefasst. Sie trugen aufstrebend das vor-springende Kordongesims des nächsten Geschosses mit dem Gehäuse für den Durchgang zum Kan-zelkorb. Dieser war polygonal gestaltet und mit reich profiliertem Kassettenwerk versehen. Links und rechts vom Kanzelgehäuse befanden sich Emporen zur Aufnahme von Sängern und Bläsern. Das Ge-häuse selbst war nach oben mit einem ausladendem Hauptgesims und einem zentralen geschwungenen Giebel abgeschlossen, recht und links von einer kunstvollen Vase begleitet. Über dieser Anordnung ein abgerundetes Dach, aus dem wiederum die Orgel mit Mittelturm und zwei seitlichen Pedaltürmen herauswuchs. Neben Säulen und Pilastern im Untergeschoss fanden sich reiche Verzierungen in Höhe der Emporenbrüstungen, Filigranwerk über dem Kanzelbogen, figürlicher Schmuck an den Ecken, Ku-gelaufsätze am Gesims und am Giebel des Gehäuses sowie ein Erzengel als krönender figürlicher Ab-schluss auf den Mittelturm der Orgel. Das Altarwerk machte den Eindruck einer überdimensionalen Kulisse, war aber – wie im Barock üblich – solide und massiv gebaut. Das Untergeschoss mit der Sak-ristei hinter dem Altar war mit dem Fußboden der Sängerempore abgedeckt, die mit der Kanzel über 53 MÜLLER 1972. S. 129. 54 MÜLLER 1972. S.129. 55 Hinweis in den Bau- und Kunstdenkmalern des Kreises Holzminden. 56 In Vahlbruch/Kreis Holzminden, ein noch vollständig erhaltener klassizistischer Kanzelaltar mit Orgelpros-pekt im Westen und gegenüberliegenden Emporen auf Nord- und Südseite.32 eine Treppe erreicht werden konnte. Auch das Mittelgeschoss bildete trotz Kassettierung und filigraner Verzierung einen soliden Bau, denn es musste das daraufstehende schwere Orgelgehäuse mit dem Pfeifenwerk tragen. Das Ganze war also eine beeindruckende Anlage, die im Vergleich zu den etwa sieben Meter hohen Kanzelaltären von Helstorf, Kolenfeld oder Neustadt fast doppelte Höhe erreichte. Die Wirkung dieses Altarwerks blieb keinesfalls nur auf den visuellen Bereich beschränkt. Auch die bereits auf eine lange Tradition zurückblickende Kirchenmusik erlebte im 18. Jahrhundert mit Kantaten, Arien, religiösen Singspielen und Messen einen produktiven Höhepunkt. Während sich vor dem Kirchenbesucher überwältigend die hohe Altarwand mit Kanzel und Orgel aufbaute, bemäch-tigte sich die religiöse Musik seines Ohres, um so – wie man glaubte – direkten Zugang zu seiner See-le zu finden. Der Bildhauer J.F.B. Ziesenis war wie bei allen seinen Kanzelaltären auch in Mariensee so-wohl für den Riss– also der Planung, als auch für die Aufsicht bei der Fertigung und der Ablieferung zuständig. Sein praktischer Anteil lag bei den kunsthandwerklich auszuführenden Teilen, figürlichen und dekorativen oder ornamentalen Schnitzarbeiten, die Säulen mit den korinthischen Kapitellen so-wie anderes schmückendes Beiwerk. Den übrigen Aufbau, bestehend aus Rahmen, flächigen und tra-genden Teilen, Kanzeltreppe und Altartisch besorgte eine Tischlerwerkstatt. In ähnlicher Arbeitstei-lung erarbeitete man auch beim Bau der Orgel das Orgelgehäuse, während das Pfeifenwerk mit der Traktur vom Orgelbauer kam. Die Ausstattung bekam damals eine Fassung nach französischer Manier, die einfarbig weiß auf Kreidegrund aufgetragen wurde und einen farblosen Hochglanzüberzug erhielt. Zur Akzentuierung wurden Kapitelle, Basen und Kartuschen mit Blattgold überzogen. Bei diesem optischen Aufwand wurde aber die Rückseite der Anlage mit kreidehaltiger Leimfarbe gestrichen, um die Atmung des Holzes zu gewährleisten und sein Reißen zu vermeiden. Diese Arbeiten übernahm eine Maler- und Vergolderwerkstatt, die in der Regel auch das Abendmahlsgemälde über dem Altartisch lieferte. In erhaltenen Rechnungslegungen von Ziesenis wurde allgemein für das Gesamtwerk abge-rechnet, denn in der Kostenaufstellung findet sich der Bildhauer Ziesenis neben Tischer und Vergol-der. In der Zeit von 1751–1755 waren der Tischler Georg Friedrich Bone und der Maler und Vergol-der Anthon Thilo aus Hannover Partner Ziesenis. Diese Zeit passt in etwa auf das Werk in Mariensee, sodass man annehmen kann, dass dort nach gleichem Schema verfahren wurde. Zu den genannten Handwerkern kam jedoch noch der Orgelbauer Johann Andreas Zuberbier aus Hannover. Nach 1755 begann eine Zusammenarbeit Ziesenis mit dem Tischler Johann Christian Lauber, der bereits selbst einige Kanzelaltäre geschaffen hatte.57 Die von Anthon Thilo ausgeführten und erhaltenen Altarbilder, die sich auf der Fläche unter-halb der Kanzel befanden, sind von beachtlicher Qualität. Diesen Anforderungen dürfte auch das Ge-mälde des großen Altarwerks in Mariensee entsprochen haben, obwohl es nicht mehr erhalten ist. Auf den Bildern, die alle in Öl auf Leinen gemalt sind, findet sich zumeist die Einsetzung des Heiligen Abendmahls. Es war ein Motiv, das Martin Luther selbst vorgeschlagen hatte, denn der Gemeinde sollte bei der Abendmahlsfeier deren Urbild vor Augen gestellt werden. Neben dem Künstler Thilo, gab es eine Anzahl von sehr fähigen Kunstmalern, deren Tätigkeit nach damaligem Verständnis aber eher als Handwerk angesehen wurde. Sie traten namentlich nicht hervor, haben ihre Bilder auch nicht signiert, so dass sichere Zuschreibungen zumeist nur über die Rechnungen möglich sind. Die ins Bild geführten biblischen Darstellungen waren allgemein keine Originalerfindungen der Maler, sondern direkte oder freie Wiedergaben der Werke berühmter europäischer Künstler, die als Kupferstiche überallhin verbreitet wurden.58 Die regionalen Maler übertrugen die kleinformatigen Stiche im Raster auf ihre grundierten großformatigen Leinwände und haben sie nach eigenen Vorstellungen und per-sönlichen Können farbig ausgearbeitet. Dies ist ein Grund dafür, dass uns oftmals in sehr schlichten Dorfkirchen Altargemälde mit durchaus hohen Ansprüchen begegnen. Johann Friedrich Blasius Ziesenis Altar-Kanzel-Orgelwerk stand noch weit bis in das 19. Jahrhundert hinein, bis es Opfer der Purifizierung wurde, zumal sich in diesem Jahrhundert eine theo-logisch begründete Gegenströmung herausbildete, die den Kanzelaltar ablehnte. 57 MÜLLER 1972. S. 149. 58 OERTEL 1974. S. 223–271. In Kolenfeld ist von Wiedemann ein Abendmahlsbild nach Rubens für die Ka-thedrale zu Mecheln (heute Galerie Brera, Mailand), das mehrfach gestochen (zuerst von Boetius a Bolswert 1633) und verbreitet wurde. 33 Abb. 14: Mariensee, Klosterkirche, Taufengel von J.F.B. Ziesenis mit einer Silberschale von 1739. Aufnahme. Kloster Mariensee 1997. Der Marienseer Taufengel Die Altarwand und weitere Ausstattungsstücke, wie ein besonderes Gestühl für die Geistlich-keit, aufwendige Leuchter und Leuchterkronen in der Kirche waren typisch für den Barock und seine Grundhaltung, auch das liturgische Geschehen durch gesteigerten äußeren Aufwand aufzuwerten. Zu diesem Geschehen gehört auch eine Figur wie der Taufengel (Abb. 14). Passend zum Altarprospekt lieferte J.F.B. Ziesenis einen solchen schwebenden lebensgroßen Himmelsboten, der vor der Barock-kulisse von der Höhe herabgelassen werden konnte. In seinen vorgestreckten Händen trägt er eine ovale silberne Taufschale wozu auch eine Kanne für das Taufwasser gehört. Die Schale zum Auffan-gen des Taufwassers hat im Boden das eingravierte Siegel des Klosters und die Inschrift Mariensee 1739. Schon mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert fiel diese Sonderform der Taufe den auf die Be-seitigung aller Äußerlichkeiten bedachten kirchlichen Bewegungen wieder zum Opfer. Heute sind Taufengel bewunderte, jedoch selten gewordene Ausstattungsstücke in unseren Kirchen. Der Marien-seer Engel, eine hervorragende Arbeit des J.F.B. Ziesenis, hängt heute unter der Orgelempore im Wes-ten der Kirche (Abb. im Buchvorspann). So wie dieser heute nur noch als Ausnahmekunstwerk zu finden ist, gehört auch das Taufgeschirr von 1739 zu den Seltenheiten, die im Kloster bewahrt werden. 34 Abb. 15: Mariensee, Klosterkirche, Ansicht nach Westen. Neugotische Gestaltung des Kirchenschiffs von C.W. Hase nach 1867. Foto: Carola Faber 201535 Abb. 16: Mariensee, Klosterkirche. Blick nach Osten durchs Kirchenschiff zum Chor. Foto: Carola Faber 2015.36 Die Veränderung der Kirche im 19. Jahrhundert Die neugotische Gestaltung der Kirche Die zweite Erneuerung, die die heutige Form des Kirchenäußeren und auch des Innenraums bewirkt hat, erfolgte zwischen 1867 und 1872 59 nach den Plänen des niedersächsischen Meisters der Neugotik Conrad Wilhelm Hase.60 Der Architekturpapst C.W. Hase war Begründer der Hannover-schen Architekturschule. Ausgeführt wurden die Arbeiten in Mariensee durch den Landbaumeister Hugo Steffen, einem der zahlreichen Schüler C.W. Hases. Sie erstreckten sich auf die Restaurierung der mittelalterlichen Substanz, besonders auf die Wiederherstellung und Ausbesserung des Back-steinmauerwerks, des romanisch/gotischen Bogenfrieses aus Formsteinen und der Erneuerung des Traufgesimses aus Deister-Sandstein. Zur Sicherung des gesamten Kirchenbaus erfolgte ein Ausbau der schon im 18. Jahrhundert verstärkten mittelalterlichen Lisenen zu Strebepfeilern. Im oberen Be-reich erhielten die Pfeiler einen Giebel mit Satteldeckung aus Sandstein und unten eine Pultabdeckung aus gleichem Material. Dabei wurde auch der große Pfeiler am Mitteljoch noch einmal mit einer Um-mantelung auf seine jetzige Dimension verstärkt (Abb. 10). Durch diese Maßnahmen begegnete man dem Auseinanderdriften des hochragenden Baukörpers infolge des jahrhundertelangen Seitendrucks der Gewölbe. Sie reichten anscheinend soweit aus, so dass der Innenraum durch keine Zuganker ge-stört werden musste. An der Nordseite des Mitteljochs wurde die durch den Pfeiler teilweise noch offene mittelalterliche Fenstergestaltung aufgegeben und zwei neue Fensteröffnungen nach Große und Art des Ostjochs geschaffen. Das westlich vom Pfeiler schon im 18. Jahrhundert eingesetzte Portal erhielt ein Tympanon mit einem agnus dei und auf der anderen Seite des Pfeilers wurde ein gleiches Portal mit einem adäquaten Tympanonrelief eingebaut. Die Ausführung der Steinfassungen geschah wiederum im passenden hellgrauen Sandstein vom Deister. Bei der Vergrößerung der Fenster des Mitteljochs wurden die beiden noch vorhandenen Vier-passrosen überflüssig. Eine davon wurde hinter dem Altar in die Scheitelseite des Apsispolygons als Blendrose eingesetzt. Hier verkürzte man das mittlere Apsisfenster zum Einbau einer Tür und baute außen in östlicher Verlängerung der Apsis in Form einer sechseckigen Scheitelkapelle eine neue Sak-ristei an. In Angleichung der frühgotischen Architektur der Kirche erhielt die Sakristei sowohl ein Traufgesims aus Sandstein als auch einen Bogenfries, der an den Polygonalecken von Lisenen einge-fasst ist. Auch die Fensterbogen wurden der frühgotisch-gedrückten Art der Kirchenfenster angepasst. Die alten Sakristeianbauten an der Nordseite, die auf dem Plan des Klosters von 1750 noch zu sehen sind (Abb. 6), wurden zu dieser Zeit aufgegeben. Auf der Nordseite des Westjochs sind die beiden bereits im 18. Jahrhundert vergrößerten Rundbogenfenster der Unterkirche erweitert und in die jetzige spitzbogige Form umgewandelt wor-den; ebenso das noch verbliebene einzelne Fenster auf der Westseite. Ein alter waagerechter Back-steinfries darüber wurde dabei entfernt. Alle Fenster der Kirche erhielten ein einheitliches gusseisernes Rahmenwerk, das einem Maßwerk ähnelt, dazu eine komplette neue Rautenbleiverglasung mit farbi-gen Begleitbändern. Bei allen Veränderungen, Erweiterungen und Erneuerungen an der Kirche wurden durchweg farblich korrekte Backsteine im Klosterformat verwendet, so dass man kaum einen Unter-schied zu den mittelalterlichen Ziegeln wahrnimmt. Änderungen im Ziegelbild sind durch die Anwen-dung des Kreuzverbandes im Gegensatz zum mittelalterlichen Wilden Verband feststellbar. Wahrscheinlich ist bei der Außensanierung auch der Dachstuhl erneuert und mit naturroten Ziegelpfannen neu gedeckt worden. Dabei hat man den kleinen Dachreiter des 18. Jahrhunderts über dem Westjoch entfernt. Der ebenfalls in jener Zeit abgewalmte Westgiebel ist wieder aufgebaut wor-den und nach neugotischer Art des Architekten Hase mit einem Uhr- und Glockenturm versehen wor-den (Abb. 17). Möglicherweise stand dabei die Klosterkirche Heiligengrabe oder Güldenstern in Mühlberg an der Elbe Pate (Abb. 18). Sie sind zwei der wenigen alten Backsteinkirchen Branden-burgs, die einen kleinen auf die Westseite aufgesetzten steinernen Turm aufweisen. Der Turmbau von Mühlberg erfolgte zusammen mit einer aufwendigen Westfassade jedoch erst im späten 15. Jahrhun-dert und 59 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 532 60 Hase, Conrad Wilhelm, deutscher Baumeister, Neugotiker, * 2.10.1818 in Einbeck, † 28.3.1902 in Hannover.37 Abb. 17: Links: Mariensee, Turm auf dem Westgiebel der Klosterkirche. Abb. 18: Rechts: Güldenstern, Klosterkirche, spätgotische Westfassade aus dem 15. Jh. mit dem aus dem Giebel herauswachsenden Turm. C.W. Hase, der über den nord-deutschen Backsteinbau gut unterrichtet war, könnte die Turmanordnung von Güldenstern zum Vorbild genommen haben. Aufnahmen: Mariensee, Andreas Sassen 2001; Güldenstern, Claudia Mohn 2006. ist später barock verändert worden. Der in Mariensee aus Backsteinen vierseitig aufgemauerte Turm-stumpf wächst mit einer Vorkragung auf Konsolen aus der Giebelspitze. Ihm ist eine hölzerne achtsei-tige Turmlaterne aufgesetzt, dem jeder Seite eine Schallöffnung zugeordnet ist. Darüber ist jeweils ein kleiner Giebel, der zum Spitzhelm überleitet. Im Turm ist die historische Glocke von 1642 erhalten geblieben und dient seit 1867 als Uhr-glocke. Das im 19. Jahrhundert angeschaffte mehrstimmige Geläut musste für Rüstungszwecke in den beiden Weltkriegen abgegeben werden. Im Jahre 1955 erhielt die Kirche wieder ein Geläut von vier neuen Bronzeglocken. Das Kircheninnere ist nach 1867 nach den Vorstellungen C.W. Hases grundlegend ver-ändert worden. Dabei ist die beschriebene, 1844 dokumentierte und bis zu diesem Zeitpunkt noch vollständig erhaltene barocke Ausstattung entfernt worden. Die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ganz auf mittelalterliche Formen puristisch ausgerichtete Architektur und das kunsthandwerkliche Schaffen lehnten die Werke des vorangegangenen Barockstils fast völlig ab. Wahrscheinlich blieb damals eher aus Zufall der Taufengel allein von der umfangreichen Barockausstattung erhalten. Auch die hölzerne Konventempore, die zu dieser Zeit noch von Westen bis ins Mitteljoch reichte, wurde komplett abgebaut. Durch den Abbruch wurde das ehemals zweistöckige Kirchenschiff ein nach oben freier Saal. Die dadurch freiliegenden Ansätze der Wandvorlagen für den Gurtbogen zum Westjoch bekamen Blockkonsolen mit neugotischen Zierformen. An der Westwand entstand über einer massiven gotischen Dreierarkade aus Sandstein die schmale Empore, auf der eine Orgel mit 16 Registern vom hannoverschen Orgelbaumeister Ernst Wilhelm Meyer gestellt wurde (Abb. 15). Das Instrument ist mit seiner romantischen Stimmung in alter Form 1995/96 restauriert worden. 38 Abb. 19: Mariensee, Klosterkirche. Blick nach Osten zum Chor. Rechts die von C.W. Hase eingerichtete Konventempore in Form einer Loggia. Foto: Carola Faber 2015 Für die abgebrochene große Stiftsempore musste ein Ersatz geschaffen werden, den Hase dann auf der Südseite im Mitteljoch einplante. Möglicherweise wurde er dabei von der 1850/51 entstande-nen Bogenstellung in der ehemaligen Klosterkirche Arendsee inspiriert, die an einen spätmittelalterli-chen Nonnenchor erinnern sollte, was aber nicht erwiesen ist.61 In Mariensee ist nach ähnlichem Prin-zip die Südwand des Mitteljochs zu einer Loggia geöffnet und mit einer neugotischen Dreierarkade aus Sandstein versehen worden (Abb. 19), hinter der sich die neue Damenempore befindet. Den Raum dafür lieferte der ehemalige Konventssaal im anstoßenden Stiftsgebäude, der über die große Treppe vom Klostergang zugänglich ist. Im Stockwerk darüber ist die Südaußenwand mit den damaligen Ver-änderungen einsehbar und 2001 von Dr. Anette Roggatz und Werner Lemke aufgenommen worden (Abb. 16, Band I). Dabei zeigte sich, dass diese Wand des Mitteljochs ursprünglich die gleiche Fens-tergestaltung besaß, wie auf der Nordseite. Nach dem jetzigen Zustand zeigt sich auffällig ein großer Segmentbogen, der von Steffen zur Druckentlastung der darunter liegenden Bogenarkade in die Wand eingezogen wurde. Beim Ausstemmen der dafür notwendigen Wandmasse ist die oben gelegene große Rose in der Mitte durchschnitten worden, wodurch die in den Kreis eingesetzten Füllsteine absackten und ein Teil des darüber befindlichen Mauerwerks nachstürzte. Einen Hinweis auf die alte Fensterge-staltung geben nur noch zwei geringe Bogenreste der glasierten Begleitsteine der Rose. Außerdem lässt der Rest eines Dachansatzes unterhalb der barockzeitlichen Dachhaube vermuten, dass an dieser Stelle schon frühzeitig ein mittelalterlicher Konventanbau die Fenster verdeckte. In der während der Sanierung seit 1867 ganz leergeräumte Kirche hat man auch die zahlrei-chen aus vielen Jahrhunderten stammenden Grabplatten aufgenommen und aus der Kirche entfernt. Allein die Platte vom Klosterpropst Busmann ist zur Erinnerung im Westen an der Wand aufgerichtet worden (Abb. im Buchvorspann). Die Kirche erhielt damals einen einheitlichen Plattenbelag aus Wes-ersandstein, der auch heute noch vorhanden ist. 61 Die „Nonnenempore“ auf der Südseite in Arendsee hat keine Verbindung zum Konventbau auf der Nordseite.39 Abb. 20: Mariensee Klosterkirche. Orgelprospekt. An der Brüstung der Empore die biblischen Könige Salomon und David. Foto: Carola Faber. Mit der Rückbesinnung auf die mittelalterlichen Stile fand im 19. Jahrhundert wieder die Far-be Eingang in den Kirchenraum. Der im Folgenden aufgeführten neugotischen Ausstattung der Kirche, in naturbelassenem Eichenholz ausgeführt, wurde vom Architekten Hase eine aufwendige ornamentale Wand- und Gewölbemalerei gegenübergestellt. Diese Raumfassung verschwand aber später wieder zugunsten eines weißen Anstrichs mit roten Architekturgliedern. Die heutige Fassung des Kirchenraums, die in den 90er Jahren entstand, nimmt die Farben des 19. Jahrhunderts in einfacher Form ohne Ornamentik auf und korrespondiert wieder mit der neugotischen Sakralausstattung. Die neugotische Ausstattung nach dem Entwurf von C.W. Hase Da man im 19. Jahrhundert wenig Wert auf die kunsthandwerklichen Arbeiten des Barocks legte, erhielt die Kirche um 1872 eine einheitliche neugotische Ausstattung, die sich vom Altar über das Gestühl bis zum Prospekt der Orgel erstreckte. Die kunsthandwerklich aus Eichenholz gefertigten Teile wie Altar mit Aufbau, Kanzel und Kirchensitz sowie das steinerne Lesepult, Taufstein und Op-ferstock sind wahrscheinlich nach Entwürfen des Architekten C.W. Hase entstanden (Abb. 20–35). Hase hatte auch in anderen seiner zahlreichen Kirchenneubauten die Ausstattung stets selbst gezeich-net.62 An der Ausführung der figürlichen und bildlichen Ausstattung waren bedeutende Maler und Bildhauer aus der damaligen Kunstszene der königlichen Residenzstadt Hannover beteiligt.63 Sie hat-ten sich der von C.W. Hase ins Leben gerufenen Hannoverschen Schule und Niedersächsischen Bau-hütte angeschlossen. Dabei wurden nicht nur hervorragende Sakralgebäude sondern auch einzigartige Kunstwerke zur Ausstattung erstellt. Ihre kunsthandwerklichen Arbeiten sind mittlerweile schon wie-der 150 Jahre alt und Zeugnisse einer eigenständigen Stilrichtung unserer Vergangenheit. 62 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 423–432. 63 Siehe auch Magazin der Künstler.40 Abb. 21: Mariensee, Orgel des 19. Jahrhunderts von Ernst Wilhelm Meyer. Foto: Carola Faber 2015 Leider hatte die bildende Kunst von jeher – und auch heute – mit sich selbst das große Prob-lem, dass geschaffene Werke schon von der Folgegeneration abgelehnt wurden. Dementsprechend kamen schon in den 30iger Jahren des 20. Jahrhunderts die Arbeiten der Hannoverschen Schule in Misskredit und wurden teilweise zerstört. Was dann der Zweite Weltkrieg überließ, ist mit völlig falschem Verständnis beim Wiederaufbau und später noch in der kath. Kirche infolge des II. Vatikani-schen Konzils untergegangen. So gesehen ist es ein schon seltener Fall, in Mariensee die Ausstattung der Hannoverschen Schule geradezu unversehrt anzutreffen. Orgelprospekt Zur Aufstellung einer Kirchenorgel und Platz für einen Kirchenchor im Westteil der Kirche, errichtete man eine Orgelempore über einer gotischen Dreierarkade aus Sandstein (Abb. 15). Darauf wurde eine Orgel mit 16 Registern vom hannoverschen Orgelbaumeister Ernst Wilhelm Meyer gestellt. Die Kir-chenorgeln damaliger Zeit hatten eine sogenannte romantische Stimmung. Das Instrument ist in alter Form und Stimmung 1995/96 restauriert worden und korrespondiert mit der Chorausstattung im Osten der Kirche. Wahrscheinlich stammt auch der Prospektentwurf für die Orgel des Ernst Wilhelm Meyer aus der Feder von Hase. Im Gegensatz zu den berühmten barocken Orgelbauern stellten C.W. Hase 41 Abb. 22: Links: Entwurf zu einem Altar von Christian Hehl für die Dreifaltigkeitskirche Hannover 1882. Abb. 23: Rechts: Altaraufbau in der Klosterkirche Mariensee nach dem Entwurf von C.W. Hase um 1870. Zeichnung aus: Kokkeling 1985. Foto: Archiv Kloster Mariensee und seine Schüler die langen Basspfeifen nicht in seitlichen Prospekttürmen auf, sondern im Mittel-feld. Die Orgelprospekte der Hannoverschen Schule waren den räumlichen Gegebenheiten angepasst, wo die verfügbare Raumhöhe aufgrund der Gewölbe zur Seite hin abnahm (Abb. 20 und 21).64 Die Architektur der Prospekte ähnelte den Fassaden symmetrischer Gebäude mit gegiebelten Mittelrisali-ten, in vielen Fällen auch den Aufbauten der Altäre, wie das Beispiel in Mariensee zeigt. Der Altar mit seinem Aufbau Im Dreißigjährigen Krieg waren durch den Vandalismus der Soldateska die spätgotischen Schnitzaltäre aus römisch-katholischer Zeit zerstört worden und wurden mit dem Aufbau der barocken Orgel-Kanzel-Altarwand ersetzt, wobei die klosterzeitliche Altarmensa verlorenging. Die Arbeiten Hases und seiner Hannoverschen Schule hatten immer das Ziel mit den vorhandenen oder neu errich-teten Kirchenbauten eine Verbindung einzugehen und mit ihnen ein Gesamtkunstwerk zu bilden. Da-bei arbeitete man im Chor von Mariensee auf ein ausgewogenes Erscheinungsbild hin, so dass die Hauptstücke Kanzel, Altar und Ambo einen steinernen Unterbau bekamen (Abb. 16). Die breite Alt-armensa aus Sandstein mit ihrer architektonisch gestalteten Vorderfront ist ruhender Mittelpunkt im Chorbild, zu dem sich das Säulenbündel der Kanzel und der Körper des Ambos im gleichen Material hinzugesellen. Ebenso betont der Altaraufbau den Mittelpunkt des Chores, wobei das Gewicht der seitlich stehenden 64 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 423.42 Abb. 24: Mariensee, Klosterkirche. Die Chorausstattung, in seiner Vollzähligkeit wichtig für ein ausgeglichenes Bild . Foto: Carola Faber 2015 Kanzel vom gegenüberstehenden Ambo nicht ausgeglichen werden kann. Das Chorgestühl hinter dem Ambo ist deshalb wichtig für das ausgewogene Bild im Chor (Abb. 24) In der Rückbesinnung auf die alte Kunst des Mittelalters wählte man eine bildliche Altarge-staltung, die auf die Empfehlungen Martin Luthers zurückging und mit der Reformation in der Zeit des Übergangs von der Spätgotik zur Renaissance Verbreitung fand. Der dafür nötige Schrein wurde als Retabel aus Eichenholz in Form eines Triptychons mit feststehenden Flügeln gearbeitet (Abb. 25). Es erinnert an einen mittelalterlichen Schrein oder ein gotisches giebelständisches Haus mit zwei Seiten-flügeln, darunter eine hohe Predella mit einer breiten Nische unter einer Bogenarkade. Diese Altar-form war schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der romantischen Neugotik sehr verbreitet. C.W. Hase verwendete sie außer in Mariensee nur bei einigen frühen Dorfkirchen, doch die Grund-form wurde später von seinen Schülern aufgegriffen und weiterentwickelt. Der von dem Architekten Christian Hehl 1883 für die Dreifaltigkeitskirche Hannover gezeichnete Altaraufbau ist ein solches Beispiel, der in der Grundkonzeption dem Marienseer Altar gleicht (Abb. 22 und 23).65 Auch die Figu-ren- und Bildfolge – Jesus wandelt auf dem Meer (Matth. 14, 22-33) als Hauptthema, darunter ein Relief des Abendmahls und die Begleitfiguren Petrus und Paulus – entsprechen den neutestamentari-schen Themen des ausgeführten Entwurfs von C.W. Hase in Mariensee. 65 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 429, Abb. 665.43 Abb. 25: Mariensee, Klosterkirche, neugotischer Altar von 1870. Entwurf von Hase, Bild von Oesterley, Figuren von Engelhard, Relief von Hurtzig. Foto: Carola Faber 201544 Abb. 26: Mariensee, Klosterkirche, Altar. Maria und Johannes unter dem Kreuz. Gemälde von Oesterley 1870. Petrus und Paulus als Begleitfiguren von Engelhard. Foto: Carola Faber 2015 Die bildlichen Darstellungen im Altar Für das große gotische Bogenfeld im Mittelrisalit des Retabels wählte man das Gemälde einer Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes aus der Hand des hannoverschen Hofmalers Carl Wilhelm Friedrich Oesterley (1806–1891). Es hat die Signierung und Datierung von 1870. Mit der Darstellung der Mutter Maria und dem Jünger Johannes unter dem gekreuzigten Christus, thematisierte Oesterley die Begebenheit aus dem Johannes-Evangelium 19, 26–27: Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Weib, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu seinem Jünger: Siehe, das ist dei-ne Mutter! Und von der Stunde an nahm der sie der Jünger zu sich. Mit dieser biblischen Szene schließt sich der Kreis in Mariensee, der mit der Weihe der Kirche unter dem Patronat von Maria und Johannes heute vor 800 Jahren begonnen hatte. Möglicherweise hatten Oesterley mit seinen Auftraggebern das neutestamentarische Thema in diesem Sinne und zur Erinne-rung an die einstigen Patrone der ersten Kirchenweihe für Mariensee ausgesucht (Abb. 26 und 27). Die Szene der Kreuzigung mit Maria und Johannes folgt einer strengen Komposition mit ei-nem linearen Bildaufbau. So bildet das Kreuz mit Christus den Mittelpunkt der Darstellung und steht im Licht hoch im gotischen Bogen des Bildrahmens. Es ist nicht mehr der leidende Christus, der hier am Kreuz dahingeschieden ist, sondern der bereits verklärte Leib des Gottessohnes, der seiner Aufer-stehung entgegengeht. Maria und Johannes schauen mit ernstem Gesicht und fest verschränkten Hän-den zu ihm auf. Von ihnen ist die Trauer gewichen, Mimik und Gestik zeigen den tiefen Glauben und die Hoffnung an die Auferstehung des Gottessohnes. Die klare Bildkomposition Oesterleys zeigt zeichnerische Präzision und kühle Farbigkeit. Seine klassizistische Malweise im Stil betonter Umriss-formen wirkt ernst und nachdenklich, gemäß Winkelmanns edler Einfalt und stiller Größe. Das Ge-mälde im Altar der Klosterkirche Mariensee verdient Aufmerksamkeit.45 Abb. 27. Mariensee, Klosterkirche. Maria und der Apostel Johannes unter dem Kreuz. Altarbild von C.W.F. Oesterley. Aufnahme: Carola Faber 201546 Abb. 28: Mariensee, Klosterkirche. Altar. Einsetzung des Abendmahls. Relief von Hurtzig. Foto: Carola Faber 2015 Rechts und links vom Hauptbild stehen in Nischen unter Baldachinen der kleinen übergiebel-ten Flügel des Schreins die Figuren der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus (Abb. 26). Sie stam-men aus der Werkstatt des hannoverschen Bildhauers Wilhelm Engelhard (1813-1902). Nach den be-rühmten Gemälden Petrus und Paulus durch Albrecht Dürer fanden die beiden Apostel ihren festen Platz in der Kunst und im Bewusstsein der evangelischen Kirche. Petrus, der in Jesus den Gottessohn erkannte: Siehe wir haben alles verlassen und sind dir gefolgt (Matth. 19, 27), und als erster die Worte des Gottessohnes in Predigten verbreitete. Paulus dagegen, der Jesus nie gesehen hatte, steht hier als Lehrer aller Völker. Aus dem pharisäischen Gesetzesfanatiker, der das junge Christentum vernichten wollte, war der leidenschaftlichste und treueste Anhänger Christi geworden.66 In der Predella des Altarschreines fand eine Reliefdarstellung der Einsetzung des Abendmah-les ihren Platz (Abb. 28). Sie ist 1864/65 aus Mooreiche von dem Bildhauer Georg Ludwig Hurtzig (1812-1865) aus Hannover geschaffen worden. Auch diese Darstellung war ein Rückgriff auf die bil-dende Kunst in lutherischer Tradition. Luther liebte die Musik, der stete Umgang mit der Kunst war ihm nicht persönliches Bedürfnis, doch bilderfeindlich war er nicht. Als Seelsorger verstand er das Verlangen des Gläubigen nach Anschauung des Heilsgeschehens. Die Frage, ob auch dem Altar ein Bild gezieme und welches Bildthema das angemessenste sei, hat Luther eindeutig beantwortet. Ein Tisch ohne Aufsatz hat sein Altar-Ideal am reinsten verwirklicht. Wenn aber der Altar ein Bild haben soll, sollte es nach seiner Meinung das Abendmahlsbild sein, sodass die Gemeinde bei der Abendmahlsfeier auf deren Ur- und Vorbild blicken konnte. Da das Bildthema der Einsetzung des heiligen Abendmahls und auch die ähnliche, mehr beleb-te Verratsszene der religiösen Kunst des Mittelalters fremd blieb – außer im Heilig-Blut-Altar in der Stadtkirche von Rothenburg/o.T. und in den Refektorien der florentinischen Klöster – wurde es in der evangelisch-lutherischen Kirche gern aufgenommen. In den Dorf- und Stadtkirchen entlang der Weser sowie in den hannoverschen und braunschweigischen Provinzen fand die Darstellung des Abendmahls 66 MELCHERS 1980, S. 393–401.47 Abb. 29: Mariensee, Klosterkirche. Ambo. Lesepult aus Sandstein. Rechts der Adler unter dem Parament. Fotos: Carola Faber 2015. weite Verbreitung. Örtliche Künstler malten diese Bilder zumeist nach Kupferstichvorlagen berühmter Maler wie Dürer, Rubens, Hans von Aachen, de Voos, Pieter Pourbus, Matthaeus Merian u. a. und auch die Bildhauer nahmen sich der Thematik über die Vorlagen an.67 Die Arbeit Georg Ludwig Hur-tigs im 19. Jahrhundert ist also ein Aufgreifen des neutestamentarischen Bildthemas im besten evange-lisch-lutherischen Sinne. Unter der Vielfalt der in der Renaissancezeit verbreiteten Kupferstichblätter wird sich wahrscheinlich die Vorlage für das Marienseer Abendmahlrelief finden lassen. Ambo/Lesepult Eine besondere Beachtung verdient der aus Sandstein gefertigte Ambo, links vom Altar über den Stufen zum Altarraum (Abb. 29). Auch dieses Stück ist wahrscheinlich von C.W. Hase entworfen worden und zeigt die in Mariensee heimische Zierform des Bogenfrieses. In der frühchristlichen und mittelalterlichen Kirche diente der Ambo zum Verlesen des Evangeliums und der Epistel, zum Vor-singen der Psalmen und zum Predigen. Verbreitung fand der Ambo seit dem 6. Jh. in Byzanz und Ita-lien, z.B. im Dom von Ravenna. Die Errichtung des Marienseer Ambos aus dem Material Stein zeigt, dass C.W. Hase sehr viel an diesem liturgischen Einrichtungsstück der Kirche lag. Er hatte schon in seinem 1849 entworfenen Konzept für die Neuausstattung der Klosterkirche in Loccum auf die Bedeu-tung der Kanzel und des altchristlichen Ambos unmittelbar am Altar hingewiesen: Um der Kanzel eine bedeutungsvolle und zugleich practische Stellung zu geben, ohne der Idee der christlichen Kirche zu nahe zu treten, zeichnet sich vorzüglich eine Anordnung aus, welche vor allen anderen genannt zu werden verdient. Es ist das altchristliche System der Ambonen wieder her gestellt, die zwar nun nicht im Langschiffe, sondern da, wo der hohe Chor beginnt, angebracht sind, und zwar einer, wie in der alten Kirche auf der Südseite fürs Vorlesen der Episteln (Lesepult) und einer an der Nordseite für die Predigt des Evangeliums (Kanzel), beide mit dem Aufgange vom Chore aus.68 67 OERTEL 1974, S. 223–270. Abendmahlgemälde des 16./17 Jhs. finden sich um Mariensee u. a. in Idensen, Kolenfeld, Helstorf, Metel, Schneeren, Celler Schloss, Celler Stadtkirche, Kloster Isenhagen. 68 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 360.48 Abb. 30–34: Mariensee, Klosterkirche. Neugotische Kanzel nach dem Entwurf von C.W. Hase, gegenüber die Figuren der Evangelisten von W. Engelhard. Fotos: Carola Faber 2015.49 50 Abb. 35 und 36: Mariensee, Klosterkirche. Neugotischer Taufstein (links) und Opferstock. Fotos: Carola Faber 2015 Die Kanzel Auch die Marienseer Kanzel ist eine Schreinerarbeit aus Eichenholz, die von C.W. Hase ent-worfen wurde (Abb. 30). Sie wird von einer gebündelten 3er Steinsäule getragen und besitzt einen filigran gearbeiteten Schalldeckel. Er ist nach dem Motiv eines vieleckigen flachen Gebäudes gestal-tet, dessen Fassaden Kolonnaden, Mittelrisalite und Ecktürmchen haben und das mit einem laternen-bekrönten Spitzdach versehen ist. Hier wird man an das Himmlische Jerusalem erinnert, das so oder ähnlich in den Radleuchtern der Romanik vorgegeben ist. Der gestreckte Aufgang zum Kanzelkorb korrespondiert in der Bogenstaffelung seiner Verkleidung mit dem gegenüberstehenden Chorgestühl. Der polygon gehaltene Kanzelkorb ist mit einem vorkragenden Unterbau versehen auf dem vorgestell-ten Säulen an den Ecken stehen. Die spitzbogigen Nischen der Brüstungsfelder sind mit den Figuren der vier Evangelisten und ihren Symbolen von Wilhelm Engelhard ausgestattet worden (Abb. 31-34). Engelhard, der die gesamte figürliche Ausstattung, wohl auch an der Orgel und der Orgelbrüstung geliefert hat, war Bildhauer aber auch Porträtmaler. Obwohl seine Skulpturen aufgrund des Eichen-holzmaterials einen rustikalen Eindruck machen, gelang ihm trotz des schwierigen Materials, seinen Figuren sehr viel Individualität mitzugeben. Zudem beeindruckt die Formenvielfalt der fließend fal-lenden Gewänder, die sich nicht wiederholt. Taufstein / Opferstock / Kirchensitz (Chorgestühl) Zur Ausstattung aus Eichenholz gehört der mit einem Baldachin überdeckte Kirchensitz, der dem Winkel des Chorpolygons angepasst ist und die Bogendekoration des Kanzelaufgangs über-nimmt. Von kunsthandwerklichem Wert sind auch die eigens für den Konvent angefertigten Stühle auf der seitlichen Empore sowie das Gestühl im Kirchenschiff. Das bei der Erneuerung des 19. Jahrhun-derts aus Sandstein gefertigte Taufbecken (Abb. 35) und der Opferstock (Abb. 36) zeigen schließlich, dass zusammen mit der übrigen Ausstattung ein Gesamtkunstwerk geschaffen werden sollte.51 Abb. 37. Mariensee, Klosterkirche, Kirchensitz im Altarraum. Aufnahme: Carola Faber 201552 C.W. Hase und die Künstler, die an der neugotischen Ausstattung in Mariensee beteiligt waren. Bild Universitätsarchiv Hannover CONRAD WILHELM HASE, * 2.10.1818 in Einbeck, † 28.3.1902 in Hannover. Architekt, Studium: 1834–37 Polytechn. Schule Hann., 1838 Uni. Göttingen; 1838-39 Maurerlehre Hann.; 1840–42 Kunstakademie München bei F.v. Gaertner; 1842 Bauleitung für G.L.F. Laves Hann.; 1843–48 Baukondukteur bei der Kgl. Hann. Eisenbahndirektion; 1848–49 Wohnsitz in Loccum (Rest. d. Klos-terkirche); 1849–94 Lehrer der Baukunst an der Polytechn. Schule Hann. (seit 1880 Techn. Hochschu-le); 1852 Titel Bauinspektor; 1858 Titel Baurat; 1878 Titel Professor; 1882 Geh. Regierungsrat; 1863–97 nebenamtlicher Konsistorialbaumeister der ev. luth. Landeskirche Hann. 1888 Ehrenbürger der Städte Einbeck und Hildesheim. Hase war Begründer der Hannoverschen Architekturschule. 1860 gründete er die Niedersächsische Bauhütte Hann.; 1880 die Bauhütte zum weißen Blatt Hann.; Mit-gliedschaften in Vereinen, Akademien, Gelehrtenausschüssen. Einseitige Stilorientierung: 1848–52 Rundbogenstil, 1853–59 Neugotik mit unterschiedlichen Tenden-zen, 1859–1898 Neugotik des eigenen persönlichen Stils. Werke: Neubau von Kirchen und Kapellen in Backstein sowie in Hau- und Werkstein. Holzkirchen, Kirchenerweiterungen und Anbauten, Türme. Friedhofskapellen, Mausoleen, Grabbauten. Restaurie-rung von Kirchen. Restaurierung von Profanbauten. Schulbauten. Wohngebäude. Bahnhofsbauten. Hospitalbauten, Museumsbauten, Villen, Schlösser.69. In seiner 45jährigen Lehrtätigkeit unterrichtete er ca. 3500 Studenten des In- und Auslandes. 1860 gründete er die Niedersächsische Bauhütte Hanno-ver. Hase war einer der fleißigsten und kreativsten Baumeister und Architekten des 19. Jahrhunderts, der mit Unterstützung der Arbeiten seiner Schüler durch Schaffung unterschiedlichster Bauten, vom Wohnhaus über Schlösser, öffentliche Gebäude und Kirchen das Vorkriegs-Stadtbild Hannovers und anderer niedersächsischer Städte bis hin nach Hamburg nachhaltig prägte. 1848–49 wohnte er in Loc-cum, wo unter seiner Leitung bis 1854 die Klosterkirche restauriert wurde und danach eine große An-zahl weiterer Kirchenrestaurierungen und Neubauten folgte. Dabei waren zumeist historische Back-steinkirchen, darunter während der Arbeiten in Mariensee auch 1866–69 die Kirche des Damenstiftes Bassum. Hases Eintreten für eine allgemeingültige liturgische Gestaltung des evangelischen Kirchen-raums folgte der Ruf zur Mitarbeit an der Erstellung der Eisenacher Thesen.70 CARL WILHELM FRIEDRICH OESTERLEY, * 1805(6) in Göttingen, † 1891 in Hannover. Abitur am Gymnasium in Holzminden, Schüler bei Wilhelm Schadow an der Düsseldorfer Malerschule. Vertreter der Nazarenerkunst und anderer Richtungen. Oesterley malte nicht nur das Hauptbild in Mariensee, sondern auch Altarbilder für die Kirchen in Rosdorf bei Göttingen, Molzen bei Uelzen und Bad Iburg bei Osnabrück. Er ent-warf und erarbeitete die Kartons vieler Glasbildfenster für die Kirchen in Niedersachsen. Seine beiden Töchter wurden ebenfalls Malerinnen. 69 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 531–533 (Auswahl) 70 Das Eisenacher Regulativ bestimmte nachhaltig den Kirchenbau des 19. Jhs. Nach diesem Reglement sollten die Kirchen in einem romanischen Stil gebaut werden. Die Altäre sollten im Osten und die Eingänge im Westen sein. Das Regulativ bekam schon bald Risse z.B. nachdem die Kirchen in den Stadterweiterungsplänen nicht mehr unbedingt nach Osten, sondern vornehmlich nach dem Straßen- und Platzbild ausgerichtet wurden. Es folgte mit dem Wiesbadener Programm eine Rückkehr zum Kanzelaltar, dem traditionellen protestantischen Aufbau von Altar, Kanzel und Orgel an einer Wand. Hase lehnte das ab und ist dem nicht mehr gefolgt. 53 WILHELM ENGELHARD, * 1813 † 1902 in Hannover, war als Porträtmaler und Bildhauer in Hanno-ver tätig. In der Kunst gilt er als der große Unbekannte unter den Bildhauern der königlichen Residenzstadt. Er schuf die Kolossalstatue des Erzengels Michael für die Kuppel der Kadettenanstalt in Berlin, den Marktbrunnen und das Schillerdenkmal in Hannover sowie die Kanossasäule in Bad Harzburg. In Mariensee stehen seine unge-fassten Holzfiguren im Altarbild und der Kanzel. GEORG LUDWIG HURTZIG, *1812, † 1865 in Hannover, Vergolder, Bildhauer und Lehrer an der Polytechnischen Schule in Hannover. In Mariensee schuf er das Relief des Abendmahls. Er arbeitete den Böde-cker Engel auf dem Kirchröder Friedhof, das Standbild von Carl Maria von Weber auf dem Altan der Oper in Hannover und die Bronzebüste Heinrich Marschners. In den königlichen Gärten von Hannover finden sich seine historisierenden Standbilder von Otto das Kind und Kaiser Otto. FRIEDRICH BUHMANN, * 1875, † 1960, Bildhauer, Restaurator und Denkmalpfleger in Hannover, Vater von Christian Buhmann, ebenfalls in diesem Beruf tätig. In Mariensee fertigte Buhmann das Kreuz mit den Symbolen der Evangelisten, 1927–29 machte Buhmann mit der Restaurierung des dekorativen Gipsfußbo-dens in der Stiftskirche von Bassum auf sich aufmerksam. REINHOLD EBELING, tätig um 1900 bis etwa 1930 als Kirchenmaler, Restaurator und Konservator. Schüler von Prof. Hermann Schapers in Hannover. Ebeling unterhielt eine Werkstatt mit mehreren Mitarbeitern in Hannover und war einer der meistbeschäftigten Kirchenmaler in Niedersachsen. Er führte Restaurierungen einer ganzen Anzahl von mittelalterlichen Wandgemälden in der Provinz Hannover aus, so in der Nilolaikirche in Sulingen und an den Deckenmalereien der Kirche von Isernhagen. Auf Ebeling gehen die Farbfassungen des Kruzifixes und der fränkischen Madonna in Mariensee zurück. Bildteppiche - Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert Zu den neuzeitlichen künstlerischen Arbeiten, die im Kloster Mariensee geschaffen wurden, gehört eine inzwischen größere Anzahl von Bildteppichen mit biblischem Inhalt. Sie wurden in der handwerklichen Technik der Wienhausener Teppiche hergestellt. In der Vorstellung, dass einst auch im mittelalterlichen Mariensee die Nonnen ein solches Handwerk pflegten, ist in der Zeit der Äbtissin Barbara Bosse-Klahn nach 1980 diese Tradition wieder aufgenommen worden. Die Teppiche wurden nach historischen Vorlagen und nach modernen Entwürfen des Malers Erich Klahn in alter Kloster-Sticktechnik von den Konventualinnen angefertigt. Die besondere Technik des Klosterstichs liegt in der materialsparenden Stickweise, eine aus dem Mittelalter für das Klosterleben heraus wichtige Dis-ziplin sparsam mit wertvollen Ressourcen umzugehen. Unter anderen ist in der Kirche ein großer Wandteppich in Schlüssellochform zu sehen, der 1994/95 entstand und eine frühe Darstellung des Jüngsten Gerichts nach einem römischen Tafelbild des 11. Jahrhunderts zeigt. Abb. 38: Mariensee, Klosterkirche. Detail einer Stickerei nach historischem Muster. Foto: Carola Faber 201554 Die Kirche als Bedeutungsträger Zur Architekturikonologie der Klosterkirche Mariensee Unter Architekturikonologie versteht man die Deutung eines Baus aus seiner Form als Wider-spiegelung einer übergeordneten Idee. Für den Menschen ist der Bau oft Bild für etwas anderes. Dieses Andere zu erfassen, ist Ziel der Architekturikonologie. Mit ihr geschieht der Vorstoß in die überge-ordnete Idee des Baus. Der Bau wird als Selbstaussage und Bedeutungsträger gesehen.71 Mit Blick auf diesen Hintergrund haben die Verfasser in den einzelnen Kapiteln des ersten Bandes zuweilen bei der Beschreibung von Bauformen auf mögliche symbolische Bedeutungen verwiesen, auch wenn sich zumeist praktische Gründe für das Vorhandensein oder die Form eines Bauteils ergaben. Bedenkens-wert erscheint jedoch ein Verweis in einem der ersten Kirchenführer von Mariensee, herausgegeben von der Äbtissin Helly Wätjen (1970–1980), dass Bischof, Stifter und Konvent Mariensees einen Kirchbau beabsichtigten, der in seiner Großartigkeit jeden Vergleich mit den Gründungen der Zeit standhalten sollte. Wahrscheinlich ging dieser Vorsatz aus einer der 95 Schenkungsurkunden zurück, mit dem die Stiftung zum Wohle des Klosters Mariensees begründet wurde. Doch womit sollte dieses Ziel, dem Antrieb und Motiv des menschlichen Handelns erreicht werden? Größe und Gestalt des Bauwerks – sicherlich eindrucksvoll für den damaligen und auch heutigen Betrachter – konnten es aber nicht allein sein. Eine reiche und prunkvolle Ausstattung verbot sich von selbst, da eine Kirche der Zisterzienser nach den Vorgaben Bernhard von Clairvaux und den ständig erneuerten Beschlüssen des Generalkapi-tels in Citeaux sehr schlicht zu sein hatte. Skulpturen und farbige Fenster waren verboten; einzig ein Kreuz - zunächst nur mit aufgemaltem Corpus Christi - war im Chorbogen erlaubt. Die Nonnen von Mariensee, stets darum bemüht vom Generalkapitel in den Orden aufgenommen zu werden, haben sich sicherlich im vorauseilenden Gehorsam schon deshalb an die Vorschriften gehalten. Die tiefere Bedeutung der Bezeichnung Großartigkeit muss wahrscheinlich in der Architektur des Sakralgebäudes von Mariensee selbst gesucht werden, das nicht für die Aufgabe als Gemeindekir-che gedacht war. Die Kirche wurde als geistliches Zentrum sowie als Grablege der Herrschaft Wölpe errichtet und für einen Konvent, der beständig für das Seelenheil der Stifter betete. Dabei konzentrierte sich die Errichtung ausschließlich auf diese Aufgaben, was sich in der Gesamtgestaltung niederschlug. Ein Sakralraum mit absoluter Harmonie, bei dem jede Baugruppe und jedes Detail mit einem tiefern Sinn geschaffen wurde. Um sich diesem tieferen Sinn erschließen zu können, müssen wir uns in den Menschen des Hohen Mittelalters hineinversetzen, der sein Wissen zur Errichtung eines Sakralbaus stets mit christlicher Religiosität verband. In vielen Dingen tritt diese tiefe Gläubigkeit ganz offen zutage, Anderes bleibt für den flüchtigen Beschauer jedoch im Hause Gottes verborgen. Der genauere Blick hinter die Geheimnisse eines solchen Sakralbaus offenbart dann Zahlen und Symbole, die ihn aus dem Alltag herausheben sowie der besonderen Gunst und dem Schutz des Himmels unterstellen sollen. Dabei wird auch der Gedanke an die Vorstellung des Himmlischen Jerusalems lebendig. All-gemein verbindet sich die Bezeichnung des Himmlischen Jerusalems mit jeder Kirche, sei sie auch noch so einfach. Die Kirche als Ort der Gegenwart Christi im Altar sollte immer ein besonderer Raum für die Gläubigen sein. Nicht zuletzt deshalb schmückte man sie zu allen Zeiten, um dem Besucher neben der Last und dem Grau des Alltags, mit der Schönheit des Raumes einen Vorgeschmack auf das zu erwartende Jenseits zu geben. Diese Philosophie versteckte sich noch einmal im 19. Jahrhundert mit der Einbindung der Menschen in die Ständegesellschaft mit dem Herrscher von Gottes Gnaden an der Spitze. Auch aus diesem Grund war es ein Anliegen der Herrschenden dem einfachen Bürger zur Beruhigung und zum Festhalten an dieser gottgewollten Ordnung am Sonntag einen Kirchenraum zu bieten, der dem Himm-lischen Jerusalem nahe war. Die Kirchen erhielten eine reiche Kunstausstattung, die es später in solch aufwendiger Form nie wieder gegeben hat. Auch die künstlerisch hochwertige neugotische Ausstat-tung der Kirche von Mariensee ist mit dem Hintergrund von König, Volk und Vaterland geschaffen worden. 71 BERGER 1999, S. 223, 224. 55 Abb. 39: Bible moralisée. Gottvater vermisst die Welt. Um 1250. Wien, Österreichische Nationalbibliothek. Cod. 2554 fol. 1r In einer französischen Handschrift aus dem 13. Jahrhundert, der Bible moralisé, ist auf dem ersten Blatt Gottvater zu sehen, der sich hinunterbeugt, um mit einem Zirkel die Welt zu vermessen. Mit der linken Hand hält er das kosmische Rund, und mit der anderen Hand führt er einen Zirkelschenkel in dessen Zentrum, um den Kreis zu ziehen. Sonne, Mond sowie ein irreguläres, fraktal anmutendes Wol-kenband sind schon zu erkennen. Auffallend, dass der Künstler dieses Blattes bewusst einen Bodenzir-kel malte, so wie er damals für den Baubetrieb Verwendung fand. Dieser wurde übrigens in der zwei-ten Hälfte des 13. Jahrhunderts vom Stechzirkel abgelöst. Die präzise Kennzeichnung des Werkzeugs weist auf Gottvater, den Konstrukteur, den genialen Handwerker, der den Kosmos nicht einfach geschöpft, sondern geplant und berechnet hat. Das wich-tigste dieser Schöpfungsvorstellung aber ist deren Nachvollzug: Wenn Gott einen Plan für den Kos-mos entwarf, bevor er ihn erschuf, dann müsste der Mensch in der Lage sein, Bau und Konstruktion dieses Plans zu ergründen.72 Mit dem Rückblick auf das Mittelalter und seine der Mystik nahen Symbolik sollte das Bau-werk selbst zum Abbild des Himmels werden. In der Klosterkirche Mariensee ist der Schlüssel dazu die im Gebäude auffallend häufige Anwendung der Zahl Drei. Die Drei steht, wenn man sie als heilige Zahl ansieht, für die Trinität, die Dreieinigkeit oder die Dreifaltigkeit Gottes (Gottvater, Sohn und Heiliger Geist). Aus dieser Sicht öffnet Mariensee dem Betrachter seine ikonologische Seite. Die Stei-ne beginnen zu sprechen und die Klosterkirche wird zu einem historischen Dokument, das Vorstellun-gen über die Glaubenswelt zur Zeit ihrer Entstehung vermittelt. 72 KLUCKERT 2004: S. 448.56 Mit den Impulsen neuer Bauformen und dem Wissen über die technischen Möglichkeiten in der Anwendung des Spitzbogens kam im Mittelalter auch eine Ideologie des Bauens aus dem Westen Europas zu uns, die sich auf das Alte und Neue Testament der Bibel stützte. So wird der Apostel Pau-lus zitiert, der in einem seiner Briefe an die christliche Gemeinde von Korinth schreibt: Ich habe den Grund gelegt als weiser Baumeister, mögen andere darauf bauen. Mit diesem Leitmotiv wurde der gotische Stil nicht nur das Versetzen der Steine in neuen Formen zu einem Gesamtkunstwerk, sondern es war das Bauen am Hause Gottes an sich. Technisches Wissen befähigte die Baumeister zu bisher ungeahnten Leistungen. Dabei paarte sich Kreativität mit tiefer Frömmigkeit und schuf Werke der Architektur, deren Bedeutung uns heute kaum noch zugänglich ist. Vielleicht erahnen wir sie noch in ihrer so selbstverständlichen Harmonie. Der Baumeister der Klosterkirche zu Mariensee war mit allen handwerklichen Möglichkeiten vertraut und hatte, was die Verarbeitung vieler Einflüsse zeigt, ein allgemeines Wissen über die vor-handenen Kirchenbauten seiner Zeit. Seine Fähigkeiten als Mathematiker – er musste die Methoden der euklidischen Geometrie kennen – erfährt der Beobachter an der regelmäßigen Anwendung und Gestaltung von Quadrat, Dreieck, Vieleck, Kreis und Kreisteilen. Darüber hinaus gab der Meister sei-nem Bau über alle Zeit etwas mit, was eine genaue Kenntnis des Alten und Neuen Testamentes und der Interpretation ihrer Texte voraussetzte. Auf der Suche nach der Anwendung des hintergründigen Sinns biblischer Weisheiten erfahren wir, dass Gott im Mittelalter oft als Architekt, als Baumeister der Welt angesehen wurde (Abb. 39). Man zitierte König Salomon im Buch der Weisheit (11, 20): Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet. Denn Du bist immer imstande, Deine große Macht zu entfalten. So wurde der Kirchenbau zu einer Widerspiegelung der Machtentfaltung Gottes und göttlicher Gesetze, in deren Sinne sich uns auch die Klosterkirche Mariensee mit einer Fülle von Zahlensymbo-len offenbart. Vorstellbar ist dies am Bau im mittelalterlichen Zustand, in der Vollständigkeit seiner Fenster und mit der großen steinernen Nonnenempore im Inneren, die das Schiff zu 2/3 seiner Länge in zwei Etagen teilte. Der Grundriss der Klosterkirche zeigt die Vielzahl der ursprünglichen Fenster-öffnungen, die das Kirchenschiff ehemals hell und somit auch warm erscheinen ließen. Sie brachten eine enorme Lichtfülle in den östlichen und oberen Kirchenraum, während die Halle oder Unterkirche darunter nur im dämmrigen Licht stand. Die Maße der Klosterkirche sind uns heute in neuzeitlichen Metern bekannt: 32 m Länge, 9 m Breite und 16 m Höhe im Inneren. Doch zur Zeit der Erbauung gab es kein feststehendes Längenmaß, sondern jeder Werk- oder Baumeister baute nach einem individuellen Maß. Allgemein wurde als Maß-stab der Fuß oder der Schuh genannt, der zwischen 28 und 33 cm betragen konnte. Eine Bestimmung des am Marienseer Bau angewandten Fußmaßes, könnte sich durch Regelmäßigkeit aus dem einfachen Vielfachen der oben angegebenen Abmessungen ergeben. Abgesehen von der durch Clasen/Kiesow 1958 durchgeführten Vermessung der Apsis, fußen die Marienseer Abmessungen auf Literaturanga-ben, die zur Erhärtung solcher Thesen durch eine genaue Vermessung des Kirchenraums zu überprü-fen wären. Obwohl der Suchende zuweilen mit erheblichen Toleranzen am Bauwerk rechnen muss,73 ist in Mariensee jedoch offensichtlich eine auffallende Einheitlichkeit zu erkennen. Bei 32 Metern längs der Mitte des Kirchenraums ergäbe die Anwendung eines Fußmaßes von 32 cm eine Grundlinie von genau 100 Fuß. Die Höhe der Gewölbekuppel von 16 Metern beträgt um-gerechnet 50 Fuß und deutet auf ein berechnetes Raumverhältnis. Auch die anderen Bauglieder plante der Baumeister anscheinend nach diesem Fußmaß und lieferte seinen Maurern glatte, verständliche Arbeitsvorgaben. So ist der Scheitel des Gurtbogens 12.8 m = 40 Fuß, seine Spannweite am Kämpfer 8 m = 25 Fuß, die einzelnen Teile des Chorpolygons messen gleichmäßig 3.20 m = 10 Fuß und die Stärke des Mauerwerks ist größtenteils 1,30 m = 4 Fuß. Im Vergleich Länge zur Höhe der Kirche stellt sich das ideale Verhältnis von 2:1 ein. Gleichermaßen findet dieses Verhältnis beim Vergleich Höhe der Gewölbekuppel zur Breite des Gurtbogens mit 2:1 statt. Die innere Höhe der Kirche teilt sich in zwei Zonen auf. Die untere Mauerzone bis zu den Kämpfern nennt man den irdischen Teil und bezeichnet die von da aufgehende Gewölbezone den himmlischen Teil. In Mariensee überwiegt die Gewölbehöhe mit 28 Fuß erheblich gegenüber der Mauerzone, die nur 22 Fuß aufweist. Gegenüber der Abteikirche Marienfeld, wo die Aufteilung genau 73 Kirchenbauwerke im Bergischen Land, die um 1500 von ehemaligen Maurern der Kölner Dombauhütte vor-genommen wurden, weisen auffallend ungenau eingemessene Grundzüge auf.57 im Verhältnis 1:1 erfolgte, fällt diese Änderung auch optisch ins Gewicht. Die Münsterkirche Herfords zeigt ähnliche Verhältnisse in der Höhenaufteilung, was als Hinwendung zur Spiritualität gedeutet wird, gegen Macht und Wohlstand von Staat und Bürgertum. Mit dem größeren himmlischen Teil des Gewölbes sollte die Gottesstadt, die Wahrheit und Herrlichkeit Gottes und seines Reiches erschei-nen.74 In der Herforder Münsterkirche, die als eine um 1240 begonnene Bauleistung Marienfelder Mönche angesehen wird, findet sich die Zahl von 100 Fuß in der Grundlinie des Querhauses. Sie wur-de nach dem Polarstern ausgerichtet und ermöglichte somit geometrisch eine genaue Ostung des Kir-chenbauwerks. Dass man neben anderen heiligen Zahlen das Maß 100 sowohl in Herford als auch im älteren Mariensee findet, lässt vermuten, dass an beiden Orten die Bibel mit ihren diesbezüglichen Abschnitten zum richtungsweisenden Maßstab für den Kirchenbau wurde.75 Im Buch des Propheten Ezechiel (Hesekiel) ist in den Kapiteln 40–48 die Beschreibung der künftigen Gottesstadt nachzulesen. Während sich das Volk Israel noch in babylonischer Gefangen-schaft befindet, bekommt der Prophet im Traum den Auftrag, dass der Tempel Jerusalems nach detail-liertem Plan wieder errichtet werden soll. Im Kapitel 41, 13 heißt es: Er maß die Länge des Tempels: hundert Ellen, und der Hofraum mit jenem Gebäude und sei-nen Mauern war auch hundert Ellen lang. Einen weiteren Aufschluss gibt Kap. 42, 8: Die Länge der Kammern nach dem äußeren Vor-hof zu betrug 50 Ellen. Die Kammern sind die heiligen Kammern, in denen die Priester, die zum Herrn nahen, die hochheiligen Opfer essen. Hundert Fuß musste die Grundlinie lang sein, damit das theologisch-kosmologische Maß der ewigen Gottesstadt erfüllt wird. Mit der gleichfalls vorhandenen Zahl von 50 Fuß für die Höhe des Bauwerks entsprach die Klosterkirche Mariensee der Forderung, die an den Baumeister gestellt war: ein Bau zu sein, eingeordnet in die Hierarchie der sich im Erscheinenden abbildenden ewigen Wesen-heiten.76 Die genannten Maße von 100 und 50 Fuß werden dem Besucher der Kirche nicht offenkundig; denn vom Werkmeister war nicht beabsichtigt, das Maß-Werk der Kirche jedem zu vermitteln. Er war nur seinem Auftraggeber verpflichtet, alles nach der Ordnung des Seins zu planen und zu errichten. Die Klosterkirche Mariensee zeigt als Gesamtkunstwerk, dass diese Ordnung anscheinend auch später beibehalten wurde und sie in den geplanten Maßen des ersten Meisters vollendet worden ist. Die Zahlensymbolik der Klosterkirche Mariensee Neben den verborgenen Zahlen hält der Baumeister der Kirche für den Besucher viele sichtba-re Werte bereit. Er sucht den Eintretenden zu verwandeln, ihn zu integrieren und nimmt ihn in des Wortes Bedeutung herein in die geheiligte, geheilte und heilende Gotteswelt. Der Eingangsteil Mari-ensees war deshalb so gestaltet, dass ihm trotz seiner Schlichtheit hoher symbolischer Wert zukam. Die jetzt mit dem großen Pfeiler zugesetzte Fassade war ehemals mit sieben Fenstern aufge-gliedert, einem symbolischen Hinweis auf die sieben Tage der Woche, wobei die große Fensterrose in der Bedeutung des Sonntags als Wochenbeginn ganz oben an den Anfang gestellt war: Das ist der Tag des Herrn, an dem man die Messe besucht, wenn man es nicht auch in der Woche getan hat! Wer so die Sonntagspflicht erfüllt, betritt unter dem Segen des Herrn das Gotteshaus. In Mariensee betraten die Laien die Kirche durch das Nordportal. Mit dem Überschreiten der Schwelle des Portals verließen sie alles Böse der Welt und betraten geweihten, heiligen Boden. Die Nonnen nahmen den direkten Weg aus ihrer Klausur auf die Empore, die Priester hatten ihre eigene Pforte an der Nordseite des Ostjochs. Der Laieneingang öffnet sich auch heute mit einem Dreipass, der auf die Dreieinigkeit Gottes hinweist und den Eintritt in den sakralen Bau wie am Anfang eines Gebetes beginnen lässt: 77 Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Das noch in der katholischen Kirche übliche Eintauchen der Fingerspitzen in das am Portal dargebotene Weihwasser symbolisiert eine Waschung oder Reinigung beim Betreten des geweihten 74 MEUß 1989, S. 79f. 75 MEUß 1989, S. 89. 76 MEUß 1989, S. 89. 77 JUNGMANN 1960, III. Symbolik des Mittelalters, 1. Trinitärische Symbole.58 Raumes. Im mittelalterlichen Mariensee befand man sich nun im Halbdunkel der Unterkirche, die aus 18 kleinen quadratischen Gewölbejochen bestand, die wiederum von 12 Säulen oder Pfeilern getragen wurden. Die Zahl 18 wird in der Quersumme zur neun, was in der Allegorese einerseits auf die neun Sphären des Himmels hinweist, aber ebenso auf die Unterwelt, denn es gibt auch neun Kreise der Höl-le. So scheint sich der Besucher auf einem Scheideweg zu befinden, was mit der Teilung der Zahl 18 deutlich wird und daraus zweimal die Neun erscheint. So ist noch einmal das Irdische in die Kirche hereingenommen worden und ermöglicht hier die Entscheidung, entweder den Weg in die Finsternis zu nehmen oder den Heilsweg zum Himmel zu beschreiten. Vom Nordportal eröffnen sich beide We-ge, entweder nach Westen in die Dunkelheit oder nach Osten ins Helle, zur Schwelle des Triumphbo-gens. Aber auch der Weg zurück aus der Dunkelheit steht dem Besucher offen. Dieser führt, geleitet von den 12 Säulen der Kirche, den heiligen zwölf Aposteln, nach Osten zum Licht. Aus der dämmrigen niedrigen Halle wird das freie, hohe, lichtdurchflutete östliche Kirchen-joch erreicht. Von drei Seiten, den Fenstern des Altarraums und den Dreifenstergruppen des Raumes strömt Licht auf den Besucher, das symbolisch aus der Dreieinigkeit Gottes stammt und sich im Raum zur alles überstrahlenden Helligkeit vereinigt: Gott ist Licht! Den Raum mit quadratischer Grundform, gleichbedeutend mit der Erde, überspannt das hohe kuppelige Gewölbe aus acht Teilen, die im Zenith der Scheitelring vereinigt: Die Zahl Acht wurde als Addition der sieben Schöpfungstage und der Auferstehung Christi als Neuschöpfung des Menschen verstanden, mit denen Gott in die Weltformung eingegriffen hat.78 Der Kreis ist Symbol für den Himmel, der sich den Menschen öffnet und gleichzeitig ein Zei-chen des Neuen und Ewigen Bundes ist. Das Zeichen des Ringes erhebt das östliche Kirchenjoch zum Chor, einem Höhepunkt im Kirchenraum; Zahlensymbolik und Formen werden hier zur Programma-tik. Nach Osten, über dem Zugang zum Altarraum, schwebt Christus im Bogen als Triumphator am Kreuz. Auch der Weg durch den Triumphbogen unter dem Kreuz hindurch ist Heilsweg und eine symbolische Handlung; denn Christus sagt: Wer durch mich hindurchgeht, ist gerettet! Der Besucher hat zum Altar den beschriebenen Heilsweg zu beschreiten. Doch der Weg mahnt nicht und weist nicht zurecht, sondern geleitet den Gläubigen zum Heil und integriert ihn in die geheiligte Welt des Hauses Gottes. Der Altarraum ist eine vieleckige Apsis, das Allerheiligste der Kirche, dessen Betreten dem Laien ursprünglich verwehrt war. Entsprechend urchristlichem Verständnis ist sie nach Osten ausge-richtet, dem Aufgang der Sonne, der Quelle des Lichts. Es ist die Richtung des Paradieses und auch jene, in der die Wiederkunft Christi zu erwarten ist (2. Parusie)79. So wurde die aufgehende Sonne als die Vergegenwärtigung Christi gedeutet. Der Altar ist Stätte des Messopfers, symbolisch aber auch Grabstätte Christi und gleichzeitig der Ort seiner Auferstehung. Mariensees Altarraum ist ein Apsispolygon mit einer besonderen Bedeutung. Seine ausgeführ-ten fünf Seiten sollen zunächst an Maria, die Mutter Christi und Patronin der Kirche erinnern. Die Fenster in diesen fünf Seiten symbolisieren jedoch die fünf Wundmale Christi, womit wir dem Ge-heimnis dieses Chorpolygons in seiner Ableitung von einem Neuneck näherkommen. An dieser Stelle ist die Neun christozentrisch, also ganz auf die Person Christi bezogen. Sie steht bei ihm schon für die Geburt, denn die Quersumme seines Geburtstages am 24.12. ist die Neun. In der Allegorese Christi ist die Neun auch dreimal die Drei, die sich auf seinen Opfertod im 3. Monat seines 33. Lebensjahres bezieht. Die Neun allein ist dann die 9. Stunde, in der er sein Haupt neigte und starb. Die Zahl Neun steht auch hier wieder für Hölle und Himmel, indem er hinabstieg und am dritten Tage wieder aufer-standen ist, um gen Himmel zu fahren. Über dem Altarraum bildete der Baumeister ein achtteiliges Faltengewölbe als Zeichen der Neuschöpfung des Menschen durch die Auferstehung Christi. So hat der Erbauer die Kirche zu Mari-ensee nicht nur als seltenes Baukunstwerk geschaffen, sondern sie auch mit ihrer polygonalen Neun-eck-Apsis zu einem steinernen Abbild des christlichen Glaubensbekenntnisses werden lassen. Der Platz der Nonnen war hoch oben auf der großen Empore in der Kirche. Hier versammelten sie sich, abgeschieden von der Welt, dem Himmelreich nahe, wie die über sie gespannte hohe achttei-lige Gewölbekuppel symbolisch verhieß. Zusammen mit dem weiteren Gewölbe im Westen entstand 78 Berger 1999, Architekturikonologie, S. 223. 79 Parusie, griech. die erwartete Wiederkunft Christi zum Zeitpunkt des Jüngsten Gerichts.59 die Zahl Zwei, in der die Frauen Christus über sich sehen durften, der sie mit beiden Händen als seine Bräute schützte. Im mittleren Joch erhellten einst auf jeder Seite vier schlanke Fensterbahnen die Empore, wo-mit die Nonnen allen Lehrenden der Kirche nahe waren. Auf einer Seite standen symbolisch die Evan-gelisten des Neuen Testaments: Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Ihnen gegenüber die lateini-schen Kirchenväter: Ambrosius, Augustinus, Gregorius und Hieronymus. Sie hatten für die Zisterzien-ser eine besondere Bedeutung; man wollte sich in Theologie und Gottesdienst auf die altchristliche Zeit besinnen. In den Rundfenstern darüber war die Dreieinigkeit von Gottvater, Sohn und Heiliger Geist zu sehen, die symbolisch auch im Westjoch in den dreiteiligen Fenstern der Nord- und Westseite wiederkehrten. Auf dem nordwestlichen Mauerstützpfeiler der Kirche stand die Steinplastik eines Engels mit erhobenen Händen. Als Darstellung des Erzengels Michael hatte er die symbolische Aufgabe, das Haus und seine Menschen vor dem Unheil aus der Richtung der Nacht zu schützen.80 Greift man die Darstellungen von Kreuz, Agnus Dei und den Erzengel Michael als Wäch-terengel heraus und sieht sie ganz bewusst als wichtige Einzelheiten des Bauwerks, so erinnern sie an die Darstellungen, die im Zusammenhang mit dem Himmlischen Jerusalem in der bildenden Kunst der christlichen Kirche verwendet wurden. Zusammen mit dem biblischen Maßstab der Kirche, der großen Anzahl symbolischer Begriffe in der Architektur und der bewussten Abgrenzung der Nonnen auf ihrer Empore über dem Kirchensaal, erscheint die Klosterkirche Mariensee als ein steinernes Ab-bild des Himmlischen Jerusalems. Dieses Symbol vom himmlischen Jerusalem bekam dann, wie jüngst Hans Sedlmayr nachzuweisen versuchte, für die Kathedrale der Gotik eine ganz spezifische Bedeutung: Die Kathedrale wird nach dem Worte der Geheimen Offenbarung (21, 2—5) als die Him-melsstadt betrachtet, die sich auf diese Erde herabgelassen hat: An der Basis die starken Grundmauern, darüber das Gewölbe als Baldachin, der von leichten Säulchen — Diensten — getragen wird, dazu die in zahlreiche Fenster mit herrlichen Glasgemälden aufgelösten Wände, durch die gleichsam die „Herr-lichkeit Gottes“ als helles Licht (Geh. Offenbarung 21, 23) scheint. Der Blick auf die Ikonologie und Symbolik der Klosterkirche Mariensee kann das Verständnis für die Anlage des Bauwerks vertiefen, obwohl wir nicht sicher sein können, ob der mittelalterliche Baumeister seinen Sakralbau mit Absicht auch als Bedeutungsträger errichtete. Ein offensichtlicher Schlüssel dazu ist jedoch in der Wächterfigur des Erzengel Michaels zu sehen. Eine Reihe von Inter-pretationen gehen auf eine in der Kirche entstandene Allegorese81 zurück, die im Nachhinein Bedeu-tungen von bestimmten Dingen im biblischen Sinn aufzeigen sollen.82 Unter den zahlreichen Kirchen, die die Verfasser bisher untersuchten und beschrieben, ist die Klosterkirche Mariensee allerdings einer der ganz wenigen provenzalischen Sakralbauten, der eine solche Fülle von Zeichen in sich vereint. Auch wenn sie sich versachlichen lassen und zumeist auf erklärliche Gründe zurückgehen, sollte ihr tieferer Sinn nicht vergessen werden. Das Thema wird heute allgemein in Kirchenbeschreibungen kaum oder nur bruchstückhaft berührt oder man spürt die Abneigung der Autoren, auf dieses Kapitel mittelalterlicher Baukultur einzugehen. Möglicherweise verwehrt die säkulare Einstellung den Blick auf die einstmals tiefe Frömmigkeit, unter deren Einfluss die sakralen Bauten entstanden. Zwar wird eine symbolisch-mystische Thematik dem französischen Kathedralbau gern zuerkannt, doch eine länd-liche Kirche in unserer Region kann durchaus ebensolche Erscheinungen aufweisen, denn zu Beginn des 13. Jahrhunderts ist neben den technischen Neuerungen im Kirchenbau auch viel vom tieferen religiösen Sinn der Architektur aus Frankreich nach Deutschland gelangt. Am Beispiel Mariensees ist ersichtlich, dass Verknüpfungen jeglicher Art im Mittelalter dichter und ausgiebiger waren, als ge-meinhin angenommen wird. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, an einem mittelalterlichen Sakralbau wie Mariensee eine tiefgehende Symbolik aus Architektur und Licht in geradezu idealer Form vorzu-finden. 80 Der Wächterengel, möglicherweise schon eine Kopie aus dem 19. Jh. ist im Jahr 2005 als Exponat in die Klos-terausstellung übernommen worden. 81 Allegorese, (griechisch-lateinisch) Interpretation von Texten, nachträgliche Suche nach einem hintergründigen Sinn. 82 JUNGMANN 1960, III. Symbolik des Mittelalters, 10. Die Allegorese. SAUSER 1960.60 Gedruckte Quellen und Literatur ADAM/ALBRECHT 2009: Adam, Bernd/Albrecht,Thorsten, Christian Ludwig Ziegler (1748–1818) Kurhanno-versche Landbaumeister und Architekt von Kloster Medingen. Petersberg 2009. BACKES/FELDTKELLER 1962: Backes, Magnus/ Feldtkeller, Hans, Kunsthistorischer Wanderführer Hessen, Stuttgart-Zürich 1962. BEER 2005: Beer, Manuela, Triumphkreuze des Mittelalters – Ein Beitrag zu Typus und Genese im 12. und 13. Jahrhundert, Diss. 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Objektbeschreibung
Titel | Die Kirche des Klosters Mariensee |
Untertitel | 17.-19. Jh. |
Übergeordneter Titel | Beiträge zur Heimatgeschichte ; Band 17 A |
Bandangabe | 2 |
Ort/Verlag | Solingen |
Erscheinungsjahr | 2016 |
Signatur | 18L6762-2 |
Katkey | 7040436 |
HBZ-ID | HT018993552 |
Katkey (Überordnung) | 7040433 |
HBZ-ID (Überordnung) | HT018928299 |
Typ | Image |
Dateiformat | image/jpg |
Rechteinformation | Rechte vorbehalten - Freier Zugang |
Beschreibung
Titel | Kirche Mariensee Teil II 2016 |
Typ | Image |
Dateiformat | image/jpg |
Rechteinformation | Rechte vorbehalten - Freier Zugang |
Volltext | 7 Inhaltsverzeichnis Seite Vorreformation und Reformation im Kloster Mariensee…………….9 Zu den Wohnverhältnissen im Kloster Die Einführung der Reformation Niedergang, Verluste und Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg…13 Die Erneuerungen im 18. Jahrhundert……………………………….15 Der Neubau des Konventgebäudes Zum barockzeitlichen Baubetrieb Die Erneuerung des Kirchengebäudes Zur barocken Gestaltung des Kircheninneren………………………..24 Zum Barockkünstler J.B.F. Ziesenis Der Kanzelaltar Der Marienseer Taufengel Die Veränderung der Kirche im 19. Jahrhundert……………………36 Die neugotische Gestaltung der Kirche Die neugotische Ausstattung nach dem Entwurf von C.W. Hase……39 Orgelprospekt Der Altar mit seinem Aufbau Die bildlichen Darstellungen im Altar Ambo/Lesepult Die Kanzel Kirchensitz / Chorgestühl Taufbecken, Opferstock, Gestühl des Konvents C.W. Hase und die Künstler, die an der Ausstattung der Kirche Mariensees beteiligt waren………………………………...52 Bildteppiche - Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert …………………….53 Die Kirche als Bedeutungsträger………………………………………54 Zur Architekturikonologie der Klosterkirche Mariensee Die Zahlensymbolik der Klosterkirche Mariensee Gedruckte Quellen und Literatur………………………………………608 9 Abb. 1: Mariensee, Kirche und Klostergebäude von Osten. Foto: Eberhard Doll 2014. Vorreformation und Reformation im Kloster Mariensee Zu den Wohnverhältnissen im Kloster Aus der Frühzeit des Klosters Mariensee liegen zwar keine Angaben über die Personalstärke des Konvents vor, doch aufgrund der großen Nonnenempore in der Kirche muss die Zahl anfangs recht groß gewesen sein. In dem vergleichbaren Kloster Marienwerder waren im 13. Jahrhundert 60 Nonnen ansässig.1 In den Klöstern des Mittelalters gab man sich bei der Unterbringung vieler Perso-nen mit Schlafsälen zufrieden. Die großen, zugigen und übers ganze Jahr kalten Dormitorien waren ein Teil des auch sonst kargen Daseins im Kloster, mit einer damals eher geringen Lebenserwartung. Als aber der Zulauf der Nonnen zurückging, sind die Schlafsäle mit hölzernen Wänden zu Einzelzellen unterteilt worden (Abb. 2). In ihnen hielt sich etwas Wärme und die Frauen bekamen die Möglichkeit einer gewissen Privatsphäre. In Mariensee gibt erstmals 1512 die Liste zur Äbtissinnenwahl der Odilia v. Alden darüber Auskunft, dass zu dieser und der folgenden Zeit 12 Konventualinnen im Kloster leb-ten.2 Diese wohl schon bestehende Obergrenze der Nonnen deutet darauf hin, dass für sie bereits eine wesentlich verbesserte Lebenshaltung möglich war. Bis zu komfortablen Wohnungen für die Nonnen bzw. späteren Konventualinnen war es jedoch noch ein langer Weg. 1 DOLL 2008, S. 29. 2 DOLL 2008, S. 10 Abb. 2: Kloster Wienhausen, sogenannter Kistengang. Das ehemals große Dormitorium wurde mittels Holzwände in einen Mittelgang und Einzelzellen rechts und links abgeteilt. In den Zellen fanden die großen Truhen der Nonnen keinen Platz. Foto: Bernd Adam/Thorsten Albrecht 2009. Die Entwicklung der klösterlichen Einrichtungen für Frauen war vermutlich überall in den niedersächsischen Landen ähnlich. In der Medinger Chronik des Johann Ludolf Lyßmann wird ge-schildert, wie man seit dem Mittelalter bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts in dem alten Kloster wohnte: Was endlich die Wohnung der Conventualinnen anlanget; so hatten sie vor Zeiten zwar alle-samt ihre besonderen Zimmer oder Zellen, aber offen und ohne Türen, welche auch nicht vonnöten waren, weil keine unter ihnen, kraft des gethanen Gelübdes, etwas eigenthümliches besitzen durfte. Die Fr[au] Abatissin allein nebst ihren Capellaninnen hatten verschlossene Zimmer, die übrigen Con-ventualinnen hingegen mussten, absonderlich zur Winterzeit, in einem allgemeinen Gemach bey ei-nander wohnen, welches, nach altem Gebrauche, von unten geheitzet wurde. Als aber zu Anfang des 16ten Seculi die freywillige Armuth einiger massen ins Stecken gerieth; wurden An[no] 1518. zu aller-erst Thüren vor die Zellen gemacht, dass von der Zeit an jede Conventualin ihre Sachen verschlossen haben konnte. Dabey blieb es, bis zur Zeit der hiesigen Reformation: als aber bey den bald darauf vorgehenden Troublen die Conventualinnen zerstreuet, und ihre Anzahl über 2 Drittheil verringert wurde; bekam seit der Zeit eine jede ihre eigene Stube und Kammer oder Celle, dass sie nunmehro ihr Wesen vor sich allein haben konnte: Ja den Amtspersonen wurden über die ordentliche noch andere Stuben eingegeben, und einem jeden Amte eine eigene Stube bestimmet, welches alles noch bis auf den heutigen Tag so geblieben ist.3 Wie man sich die Anordnung der Zellen vorzustellen hat, kann man noch heute in einigen Lü-neburger Klöstern sehen. Sie sind durchweg im Obergeschoss eines Klausurflügels am Kreuzhof ein-gebaut worden. Dies traf auch für Mariensee zu, wo die Nonnen zum Stundengebet direkt vom Ober-geschoss her die hoch gelegene Empore in der Kirche betreten konnten. Die ältesten noch erhaltenen Zellen aus dem frühen 15. Jahrhundert befinden sich im Kloster Lüne. Anschaulich sind auch die Zel-len am Kistengang des Klosters Wienhausen (Abb. 2), in Ebstorf oder Isenhagen. Die Aufgliederung der ehemaligen Dormitorien ist in allen Beispielen gleich. Ein breiter Mittelgang wird von zwei Holz-wänden eingefasst, von denen hölzerne Querwände zur Außenmauer abgehen und die schmalen Zellen 3 LYßMANN 1772, S.241. ADAM/ALBRECHT 2009, S. 38, 39.11 voneinander trennen. Jede Zelle ist durch ein kleines Fenster belichtet, daneben befindet sich häufig eine Nische für einen Wandschrank. 4 Die Zellen, allgemein oben von der Balkendecke des einstigen Gemeinschaftssaales abgeschlossen, waren ungeheizt. Auch boten die durch gespundete Bretter auf-gebauten Zwischenwände kaum Schutz vor Geräuschen oder Staub. Durch Schwindungsprozesse des Holzes gab es oftmals Ritzen oder Löcher, welche die Nonnen notdürftig mit Papierstreifen überkleb-ten.5 Aus Platzgründen war in den schmalen Zellen nur eine dürftige Möblierung, bestehend aus einem schmalen Bett, einem Hocker mit Tisch und einigen Wandregalen. Der abschließbare Wandschrank dürfte das einzige Verwahrmöbel gewesen sein. Truhen waren aufgrund ihrer Größe nur selten in der Zelle, sie standen zumeist in den Gängen, wie der sogenannte Kistengang in Wienhausen noch heute zeigt. Wann der Einbau von Zellen, der den Gemeinschaftsraum, das Dormitorium ablöste, ist nicht genau fassbar. Die meisten Zellen scheinen im Laufe des 15. Jahrhunderts – eher gegen Ende - einge-richtet worden zu sein.6 Ein Grund dafür kann die in etlichen Klöstern von oben durchgeführte Klos-terreform im Zuge der devotio moderna nach 1450 gewesen sein. Ziel der Reformen war es, das klös-terliche Leben – die vita comunis – auf die geistlichen Grundlagen zurückzuführen und für die Einhal-tung der strengen Regeln und Disziplin zu sorgen.7 In Mariensee wurde mit dieser Reform, die von Windsheim oder von Bursfelde ausging, der Augustinerprior Johannes Busch tätig. Da er sich jedoch bei den Nonnen nicht durchsetzte, holte er 1455 den Calenberger Herzog Wilhelm zu Hilfe, der aber erst nach dem zweiten Anlauf und unter Androhung von Gewalt bei den Nonnen Gehör fand. Das damals recht dramatische Geschehen ist bei Hamann/Graefe ausführlich beschrieben.8 Mit der Einführung der lutherischen Lehre in Calenberg kam auch die Reformation in das Kloster Mariensee, die den Jungfrauen nicht mehr Askese und Weltentsagung, sondern mehr Freiheit brachte. Allgemein ließ sich in den Klöstern eine Tendenz zu einer Zusammenfassung mehrerer Zellen zu größeren Räumen ablesen. Dies gelang wohl nur einflussreichen Konventualinnen, wie man in Wienhausen und Isenhagen nachspüren kann. Obwohl viele kleine Zellen in ihrer Schlichtheit erhalten blieben, waren die neuen Wohnräume besonders reich ausgestaltet. Sie erhielten eine dekorative Be-malung, eine Zwischendecke wurde eingezogen und die Fenster vergrößert. Dieser Wohntrend muss auch in Mariensee vor sich gegangen sein, der sich zur weiteren Indi-vidualität der Konventualinnen entwickelte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg berichtet die Konventua-lin Sidonia von Mandelsloh am 16.12.1651 im Auftrag der Äbtissin Armgard Sprenger vom desolaten Zustand der Räume im Kloster. Dabei verweist sie auch erstmals auf einzelne Wohnungen mit mehre-ren Zimmern für die Konventualinnen. Damit lebten zu dieser Zeit die Damen nicht mehr Wand an Wand in abgeteilten Gemeinschaftsräumen, sondern hatten eigene Wohnungen, bestehend aus Küche, Stube und Schlafkammer. Ein Vorgang vom 30.11.1663 vermeldet sogar die Größe einer solchen Wohnung bestehend aus Küche, Stube und Kammer: Küche 24x24 Fuß Stube 20x24 Fuß Kammer 13x24 Fuß Nach Engel9 rechnete ein Calenberger oder Hannoverscher Fuß vor 1836 mit 0,291 m. Danach hatte eine solche Wohnung die nicht unbeträchtliche Größe von 116 qm.10 4 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 39. 5 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 39. 6 DOSE 1994, S. 149. Hanna Dose vermutet, dass im Laufe des 15, Jhs. die Dormitorien unterteilt wurden. 7 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 40. 8 HAMANN/GRAEFE 1994, S. 446. GRUBER 1886. 9 ENGEL 1982. 10 DOLL 2008, S. 18, Bericht der Sidonia Agnesa v. Mandelsloh vom 16.12.1651 über den Zustand der Gebäude sowie von Art und Größe der Wohnungen für die Konventualinnen.12 Die Einführung der Reformation Der Landesherr, in Person der Herzogin Elisabeth, die ihren noch unmündigen Sohn Erich II. vertrat, hatte sich der lutherischen Lehre angeschlossen. Elisabeth versuchte eine Einführung der Re-formation in Calenberg und gab den Klöstern eine neue lutherische Verfassung, die Calenbergische Klosterordnung von 1542.11 Im März 1543 erschien in Mariensee eine Visitationskommission unter Leitung des Superintendenten Antonius Corvinus, eines ehemaligen Zisterziensermönches aus Loc-cum.12 Der Besuch markierte zwar das Ende des mittelalterlichen Lebens im Kloster, doch es ist in Mariensee nur das wenige Nötige umgestellt worden. Selbst der alte Propst Ridder blieb in seinem Amt, da er sich der Neuordnung geneigt und an seiner Wirtschaftsführung nichts auszusetzen war.13 Die Nonnen konnten sich entscheiden das Kloster zu verlassen oder zu bleiben, dann allerdings ohne Ordenstracht und der Auflage, sich im Gottesdienst neben der lateinischen nun der deutschen Sprache zu bedienen, mit deutscher Bibel und deutschem Gesangbuch. Der Konvent blieb bestehen und nahm die Formen eines evangelischen Damenstiftes unter der Leitung einer Domina an. Aus der Klosterkir-che wurde eine Gemeindekirche. Von dieser Aufgabenerweiterung zur Tauf- und Pfarrkirche zeugt noch der spätgotische Taufstein von 1545, den der Propst Ridder selbst gestiftet hatte. Mariensee hat während der Reformation keinen Bildersturm erlebt, dafür waren den gebildeten Stiftsdamen wahr-scheinlich ihre Kunstwerke und Kleinodien, die sie oftmals selbst bei ihrem Eintritt in das Kloster mitgebracht hatten, viel zu wertvoll und teuer. Darüber hinaus sind in der Kirche wahrscheinlich kaum deutliche Veränderungen vorgenommen worden. Für die Menschen aus der Umgebung des Klosters und dem nahen Dorf Wulfelade bedeutete die neue Regelung eine wesentliche Erleichterung, sie ge-hörten jetzt zur Pfarre Mariensee und mussten nicht mehr zum Gottesdienst nach Mandelsloh gehen. Obwohl zu dieser Zeit in Calenberg noch nicht alle klösterlichen Einrichtungen unter die neue Lehre gestellt waren, hat es in Mariensee wahrscheinlich keine ernsthaften Versuche zur Rekatholisie-rung gegeben. Der junge Herzog Erich II. (1546–1584) neigte nach seiner Amtsübernahme zwar wie-der zur katholischen Lehre, er musste jedoch im Jahre 1555 Adel und Städten seines Fürstentums Calenberg-Göttingen die evangelische Lehre zusichern,14 so dass wohl auch Mariensee von keiner Unruhe mehr erfasst wurde. Nach Erichs Tod 1584 trat sein Vetter Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel 1588 die Erbfolge im Calenberger Land an. Er machte vom ius reformandi, 15 das dem Landesherrn seit dem Augsburger Religionsfrieden zustand, Gebrauch und führte in allen Klöstern die evangelische Lehre verbindlich ein. Alle Ordensverbindungen wurden gelöst und die Klöster der welt-lichen Regierung unterstellt. Die bisherigen Pröpste wurden in der Verwaltung des Klostervermögens von Klosteramtmännern abgelöst.16 Herzog Julius verfügte, dass wie in seinem Stammland Wolfenbüttel auch das Vermögen der Calenberger Klöster nicht eingezogen werden sollte. Er wies an, sie als Schatz dieser Lande zu erhalten, sie zu gottseligen Sachen zu gebrauchen und zu reformieren, nämlich zu Unterhaltung der Pfarren, zu Hospitälern, zu Knaben- und Mägdleinschulen, zur jährlichen Aus-steuerung einiger armer Jungfrauen vom Adel .17 Die Calenberger Klosterordnung des Corvinus von 1542 wurde durch die neue Klosterord-nung des Tübinger Theologen Dr. Jacob Andreae abgelöst und für alle Frauenklöster verbindlich. Der Gottesdienst sollte künftig im dreimaligen täglichen Chordienst und geregelter Ordnung von Gebet, Gesang und Vorlesung bestehen.18 Den Frauen wurde die Freiheit gewährt, sich zu vermählen oder anderweitig zu versorgen, aber es sollte niemand verjagt werden. Den im Kloster verbleibenden Frau-en wurde freigestellt, ihre Ordenskleider weiterzutragen oder sie abzulegen. An ihrer statt sollten ehr- 11 HAMANN 1994, S. 447. 12 KAYSER 1897, S. 374 ff. 13 MAMANN 1994, S. 447. KAYSER 1897, S. 376. 14 Augsburger Religionsfriede: zwischen Kaiser Ferdinand I. und den Reichsständen 1555 geschlossener Ver-trag; Anerkennung der Lutherischen Konfession als gleichberechtigt neben der katholischen. 15 Religionsfreiheit für die Reichsstände (fürstliche und städtische Obrigkeiten) nach dem Prinzip Cuius regio, eius religio (wer herrscht, bestimmt die Konfession der Untertanen). 16 BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 10. GRAEFE 1994, S. 457. 17 BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 9. 18 GRAEFE 1994, S. 458. BRENNEKE/BRAUCH; S. 9.13 bare schwarze Kleider und weiße Schleier getragen werden. Die Gelübde wurden auf den Gehorsam gegenüber der Äbtissin (Domina) und auf einen christlichen Lebenswandel beschränkt. 19 Die Rechte des Konvents bei der Wahl der Domina wurden eingeschränkt. Neben den entsandten Prälaten – für Mariensee war es über die Reformation hinaus der Abt von Loccum – behielt sich der Landesherr in Vertretung seiner weltlichen Räte ein Ernennungs- und Bestätigungsrecht vor, um die Qualifizierteste mit dem Amt zu betrauen. Auch bei der Besetzung der Konvente ging die Initiative in der Regel vom landesherrlichen Klosterregiment aus. Der Herzog selbst oder später die herzoglichen Witwen hatten stets ein waches Auge auf die Frauenklöster.20 Die Klosterstellen waren mit gesicherter Pfründe und einem standesgemäßen Lebensstil begehrt. Ohne ewiges Gelübde stand ganz im Sinne Luthers auch der Weg in die Ehe offen. Dennoch war ein voreiliges Ausscheiden nicht leicht wieder rückgängig zu machen. Trotz frühzeitiger Einführung der Reformen war Judith Richartz (1593–1598) die erste Domi-na, die 1593 anstatt nach der alten papistischen Regel, nach dem neuen evangelischen Ritus einge-führt wurde: Übergabe der Bibel, des Corpus doctrinae und der Kirchenordnung. Schon 1566 hatte sie dem Kloster als Priorin gedient und von der zunehmend kränkelnden Äbtissin Margeretha von Ahlden wichtige Verwaltungsaufgaben übernommen.21 Niedergang, Verluste und Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg Nach der Regentschaft des Herzogs Julius wurde die Zeit unter seinem Sohn Heinrich Julius und dem Enkel Friedrich Ulrich für Mariensee schwieriger. Hohe Abgaben, die das Kloster nach Wol-fenbüttel leisten musste, zogen beträchtliche Einbußen für die Klosterwirtschaft nach sich.22 Darüber hinaus nutzte zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges der Klosterverwalter Philipp Arendts (1598–1626) die allgemein desolate und unübersichtliche Lage aus. Er arbeitete nicht mehr im Sinne des Unternehmens, sondern hat sich anscheinend am Klostergut bereichert.23 Schon 1623 beklagte die Äbtissin Armgard Sprenger (1607–1657) die desolaten Dächer, besonders am Schlafhaus; seit 30 Jah-ren seien keine Reparaturen mehr durchgeführt worden. Der Klosterverwalter Arendts sah diese Auf-gabe nicht in seinem Zuständigkeitsbereich.24 Während der Belagerung von Neustadt durch Tilly ließ er das Kloster im Stich und floh zu Fuß nach Münden, wo er 1626 starb. Sein Sohn und Nachfolger Philipp Arendts jun. war so wohlhabend, dass er mit einem Kompagnon dem Kloster in der Notzeit 1632 zur Beseitigung von Schäden bei der Neustädter Belagerung 850 Taler leihen konnte und auch die Kosten von 40 Talern für die Beerdigung der Domina Armgard Sprenger vorstreckte.25 Die Besetzung des Klosters durch Truppen des Generals Tilly wurde zu einer Gefahr für die kostbare Ausstattung der Kirche, der Klostergebäude, dem Besitz der Stiftsfrauen und der gesamten Wirtschaft des Klosters. Die Frauen wurden 1625 von den Soldaten aus Mariensee verdrängt und gin-gen zuerst nach Neustadt. Bevor Tilly nach der Belagerung 1626 Neustadt einnehmen konnte, suchten sie mit den wertvollsten Sachen des Klosters ihren Marienseer Hof im sicheren Hannover auf.26 Dies war der Hof in der Köbelinger Straße, nördlich des Friedhofs der Kreuz-Kirche, den das Kloster ver-mutlich nach dem Muster des Zisterzienserordens als Absatzstelle für Klosterprodukte in Hannover unterhielt. Ursprünglich ein geräumiger Platz mit Wirtschaftsgebäuden, in denen Mariensee seine Pro-dukte lagern und verkaufen bzw. eingekaufte Waren niederlegen konnte. Der Marienseer Hof hatte sich im 17. Jahrhundert in einen Wohnkomplex verwandelt, bestehend aus einem Haupthaus sowie mehreren Anbauten und Remisen. Nach der Kopfsteuerbeschreibung von 1689 wohnten darin der Hoftischler Hans Jungblut mit seiner Familie, mehreren Gesellen und einer Magd.27 19 GRAEFE 1994, S. 458 20 BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 128, 129, 149. 21 DOLL 2008, S. 52. 22 BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 140. 23 GRAEFE 1994, S. 458. BRENNEKE/BRAUCH 1956, S. 140, 146. 24 DOLL 2008, S. 55. 25 DOLL 2008, S. 55. 26 Hierzu die Angaben von Eberhard Doll über Armgardt Sprenger, 1607–1657 Domina des Stifts Mariensee. 27 HAMANN 1994, S. 449;14 Als sich 1627 alle Personen des Klosters dort in Sicherheit gebracht hatten, berichtete die Do-mina Sprenger nach Wolfenbüttel, das Kloster sei ganz verwüstet. Wahrscheinlich hatten sie neben dem Nötigsten das kostbare silberne liturgische Gerät aus dem Kloster mitgenommen. Abgeschnitten von der Versorgung durch die ohnehin darnieder liegenden Klosterhöfe, zwang die materielle Not in Hannover zu Verkäufen dieser und weiterer wertvoller Dinge. Derweil lagen Kloster und Kirche ohne Aufsicht schutzlos in der Landschaft, jeder konnte in die Gebäude eindringen und für sich Brauchba-res jeder Art entwenden. Vermutlich sind dabei die meisten Teile der spätmittelalterlichen Kunstschät-ze zertrümmert oder geraubt worden.28 In einem Michaelis (29.9.) 1632 abgefassten Schreiben des Konvents heißt es, dass das Clos-ter Mariensee von den unterschiedlichsten Neustädtischen Belagerungen über die Maßen verwüstet, auch anderen Durchzügen außplünderungen und gedoppelter Contributions-Last nacher Nienburg und Neustadt …ausgeschöpft und ausgesogen sei. Wegen der erlittenen Schäden durch die Kriegsereignisse sowie Verlust von Gütern ist der Konvent unter Führung von Armgardt Sprenger als Domina gezwungen, sich 850 Thlr. von Julius Hein und Philipp Arendts jun., Klosteramtmann, zu leihen. Sie haben 6 % Zinsen zu entrichten und verpfänden den Zehnten zu Aulhausen und Barksen.29 Demnach lebten 1632 wieder Konventualinnen in Mariensee und als Amtmann war Philipp Arends jun. eingesetzt.30 Ein weiterer Hinweis auf Bemühungen zur Normalität in der kirchlichen Ordnung ist die Anschaffung der kleinen Glocke, die im Kloster heute noch als Uhrglocke dient. Sie trägt die Inschrift: Gloria in exelsis deo. Anno Christi 1642. Die Konventualin Sidonia von Mandelsloh berichtet am 16.12.1651 im Auftrag der Äbtissin Armgard Sprenger vom desolaten Zustand der Räume im Kloster. Das Betreten einiger Gebäudeteile sei nur unter Lebensgefahr möglich. Sidonia betont, dass es begrüßenswert wäre, wenn die Stärke des Konvents erhöht würde, aber zurzeit reichten die Einkünfte nicht aus, weitere Personen zu unterhalten. Vermutlich hatte der Konvent in der wechselvollen Kriegsgeschichte nur wenige Zugänge, denn nach dem Bericht sollen sich nur die Domina Sprenger, eine Konventualin (Sidonia v. Mandelsloh), eine Konverse sowie einige Lehrmädchen und Mägde im Kloster aufgehalten haben.31 Den Namen der mit dem Dreißigjährigen Krieg verbundenen Domina Sprenger nennt zuletzt die Domina v. Mengersen: Den 7. Januar 1786. Wie der Frl. Bülow ihr Grab Stätte ausgewiesen wurde, ließ ich den nahe dabei liegenden großen Leichstein die Erde davon abmachen. Der Hr. Pastor hat es abgeschrieben, es wahr die Do-mina Armangard Sprengers, gebohr: 1575, Erwehlet zur Domina 1605, gestorben 1655. Diese hat ohne Zweifel die wichtigste Periode dieses Klosters erlebt, indem der berüchtigte 30jährige Krieg durch die gesamte Führung ihres Amtes gedauert und ehrst die Exekution dieses Friedens, der 1648 geschlossen, aller ehrst Anno 1655 zur Würklichkeit gebracht.32 28 EHRLICH 1975: 29 DOLL 2008, S. 55. HStA Hannover, Cal. Or. 100, Mariensee, Nr. 287a. 30 DOLL 2008, S. 17. 31 DOLL 2008, S. 18. 32 DOLL 2008, S. 56. KlA Mariensee, Akte 91.15 Abb. 3: Mariensee, Innenhof des Konventgebäudes. Foto: Archiv Kloster Mariensee 1989. Die Erneuerungen im 18. Jahrhundert Der Neubau des Konventgebäudes Mit dem Erbvergleich vom 14. Dezember 1635 wurde das Fürstentum Calenberg wieder vom Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel getrennt. Es fiel mit seinen Klöstern nun der cellischen Linie zu, die 1692 die Kurwürde erwarb und 1714 in Personalunion mit der Herrschaft über Kur-Hannover gleichzeitig den Thron von Großbritannien bestieg. Diese Personalunion bestand bis 1837. Unter ihrer Regentschaft wurde ein Neubau aller vom Krieg beschädigter Calenberger Klöster in Angriff genom-men. Mariensee verdankt sein heutiges Aussehen der Initiative Georg II. König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover (1727–1760).33 34 Zur weitschauenden Tätigkeit Georgs II. ist zu 33 Georg II. britischer König,*10. November 1693 in Herrenhausen (Hannover)† 25. Oktober 1760 in London, König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover (1727-1760), Sohn von Georg I.. Georg II. gab der Sorge um sein Heimatland Hannover den Vorzug vor der englischen Weltpolitik, die W. Pitt mit Erfolg betrieb; Ver-bündeter Friedrichs des Großen im Siebenjährigen Krieg. Er gründete 1737 die Universität Göttingen, außerdem veranlasste er den Bau des Britischen Museums (1753).16 Abb. 4: Mariensee, Klostergang im Konventgebäude. Der alle vier Flügel verbindende Gang öffnet sich zum Innenhof. Links zwei Eingänge, die zu Treppenhäusern von Wohnungen der Konventualinnen führen. Foto: Archiv Kloster Mariensee 1997. bemerken, dass zu Beginn seiner Regentschaft im Jahre 1727 eine Brandkatastrophe die Ackerbür-gerstadt Neustadt völlig in Schutt und Asche legte. Hier wurde der Wiederaufbau der abgebrannten Wohnhäuser nur durch eine 100 000-Taler-Spende König Georgs II. von Hannover möglich. In Mari-ensee treten uns ausgesprochen zurückhaltend nur seine Initialen über dem Haupteingang 34 GRAEFE 1994, S. 459.17 Abb. 5: Mariensee, Konventgang. Der Aufgang zur Konventempore. Foto: Archiv Kloster Mariensee um 1970. des Konventgebäudes entgegen. Zur Erinnerung ist jedoch sein Porträt im Konventsaal auf einem zeit-genössischen Ölgemälde zu sehen. Zwei weitere Gemälde aus dieser Zeit zeigen den Kronprinzen Frederik von Dänemark im Alter von 22 Jahren sowie Louise von Plessen, Oberhofmeisterin der Kö-nigin Caroline Mathilde von Dänemark. Die dringenden Erneuerungen der nun im Staatsbesitz befindlichen klösterlichen Bauten hat-ten schon im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts unter der Regentschaft der Vorgänger von Georg II. begonnen. Zwischen 1688 und 89 war von dem Celler Hofarchitekten Johann Heinrich de Münter ein Teil-Neubau des Konventgebäudes im Kloster Marienwerder entstanden. Der im Amt des Hofarchi-tekten folgende Johann Caspar Borchmann führte 1703/04 in Marienwerder Vergrößerungen sowie 1731 einen weiteren Wohnflügel aus. Das Kloster Barsinghausen entstand in den Jahren 1700–1704 als Neubau. Im Kloster Wenningsen baute Borchmann 1706–1711 zwei neue Konventflügel. Unter König Georg I., der 1714 Großbritannien und Hannover unter einem Herrscherhaus vereinte,35 ent-stand das Kloster Walsrode nach Borchmanns Entwurf von 1715, die Ost- und Südflügel in Isenhagen 1723–1726. Der 1727 folgende König Georg II. führte das Klosterbauprogramm seines Vorgängers mit dem kurfürstlichen Oberbaumeister J.C. Borchmann36 weiter bis 1735–1740 beim Kloster Wülfin-ghausen. Johann Caspar Borchmann (Borgmann), geboren vor 1669 in Berlin, übernahm 1696 das Amt des Hofbaumeisters in Celle wo er am 9. November 1736 auch starb.37 Auch die Klosteranlage von Mariensee, zwischen 1726 und 1729 errichtet, stammt aus der Zeichenfeder J.C. Borchmanns. Die mittelalterlichen Konventbauten wurden bis auf die Kirche voll-ständig abgetragen und ein wesentlich größerer Gebäudekomplex als Vier-Flügelanlage mit einem Innenhof (Abb. 3) neu erbaut. 35 Georg I., * 7. Juni 1660 in Hannover, 1714 britischer König, † 22. Juni 1727 in Osnabrück. 36 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 43. 37 BENEZIT und THIEME/BECKER Künstlerlexikon.18 Abb. 6: Mariensee, Plan des Klosters von 1750. Die Karte ist nach alter Art orientiert, d.h. nach Osten ausgerichtet. Archiv Kloster Mariensee. Das Konventgebäude erstreckt sich seitdem südlich von der Kirche als ein geschlossenes Rechteck, das im Erdgeschoss von einem inneren umlaufenden Klostergang (Abb. 4) erschlossen wird. Mit der Aufteilung der Flügel in dreizehn Einzelwohnungen wurde die schon im 17. Jahrhundert begonnene Privatisierung der konventualen Lebensführung fortgesetzt. Jede Konventualin erhielt nun einen eige-nen Wohntrakt, in dem sie auch ihren eigenen Haushalt führte. J.C. Borchmann hatte in den bereits erstellten Klosterneubauten verschiedenartige Wohnaufteilungen nach Vorgaben der kurfürstlichen Verwaltung, in die zum Teil auch Wüsche der jeweiligen Konvente einflossen, ausgeführt. In Marien-see verwirklichte er für jede Stiftsdame eine Wohnung aus vier Räumen auf einer Ebene mit Küche und Treppenhaus. Hier ist zu erwähnen, dass der Einbau von Treppen teuer war und mehr Platz im Gebäude beanspruchte. Der Zugang zu den einzelnen abgeschlossenen Wohneinheiten erfolgt vom Klostergang im Erdgeschoss der Konventflügel (Abb. 4 und 5). Die Äbtissinnenwohnung südlich der Kirche ist die größte, da sie auch Raum für Verwaltung und Zusammenkünfte des Konvents bieten muss. Im Vergleich zur durchaus großen mittelalterlichen Backsteinkirche ist das Bauvolumen des Konventgebäudes riesig und übersteigt das der Kirche um ein Vielfaches (Abb. 7). Dabei wirkt die Gesamtheit der Anlage durch Einheitlichkeit und Geschlossenheit, wobei das massige, einmal abge-setzte Dach diesen Eindruck verstärkt. Im Nordflügel rechts von der Kirchenwestseite liegt die Haupt-fassade mit dem Zugangsportal des Klosters. Hier ist nur die Portalbekrönung mit den Initialen König Georgs schmückend ausgeführt worden, ansonsten ist die Fassade mit nur angedeuteten Fenstergesim-sen schlicht gehalten, die beiden äußeren Fensterachsen sind durch Blendnischen betont. Im Gegensatz zur Nordfassade sind alle anderen Fronten des Stiftsgebäudes nicht symmetrisch gestaltet, ihre Fens-terachsen folgen dem System der inneren Aufteilung der Trakte. Im Stiftsgebäude übernahm die Auf-gabe des früheren Kreuzgangs ein schlichter Verbindungsgang mit Kassettendecke und tiefen 19 Abb. 7: Mariensee, Grundriss von Konventgebäude und Kirche nach einem älteren Plan. Zeichnung: Archiv Kloster Mariensee. Fensternischen. Der Eingangsraum ist etwas aufwändiger als Joch mit einem Kreuzgratgewölbe ge-staltet. Eine Wendung nach Osten führt zu einer von Bogenstellungen betonten einläufigen Holztrep-pe, die mit einem geschwungenen einfach verzierten Geländer versehen wurde (Abb. 5). In jeder der dreizehn Wohnungen führt eine ähnlich gestaltete Treppe ins Obergeschoss. Die große Treppe war der Aufgang zum einst im Obergeschoss liegenden Konventsaal, bevor im 19. Jahrhundert dort die heutige Konventempore eingebaut wurde. Seit dieser Einrichtung liegt der Konventsaal im Erdgeschoss der Äbtissinnenwohnung. 20 Abb. 8: Mariensee, historische Abortanlage außerhalb des Konventgebäudes über einem Bachlauf. Foto: Archiv Kloster Mariensee 1997. Von historischem Interesse sind noch die zwei einstöckigen Fachwerkbauten, die sich südlich vom Konventbau erstrecken und von denen der östliche durch einen gedeckten Gang mit dem Kloster verbunden ist. Die beiden Schmalseiten stehen auf großen Rundbogen aus Sandstein, durch die ur-sprünglich der örtliche Bachlauf als Abwasserkanal hindurchströmte (Abb. 8). Die Anlage bestand aus 14 einsitzigen Abortzellen für Äbtissin, Konvent und Klosterdiener, sowie drei zweisitzige Zellen für die Mägde. Wahrscheinlich bestand schon im Mittelalter ein solcher exitus necessarius nach der Vor-schrift des Zisterzienserordens. Der Neubau war gerade im 18. Jahrhundert eine für die Zeit weit-schauende hygienische Einrichtung, die man sonst an vielen prunkvollen Barockbauten vermissen musste. Zum barockzeitlichen Baubetrieb Der Neubau der Konventanlage war auch mit den Mitteln des eingespielten barocken Baube-triebs eine bedeutende organisatorische Leistung. Obwohl nur die Umfassungsmauern massiv in Stein erstellt wurden, die Wände der Innenaufteilung dagegen zumeist aus Fachwerk mit Lehmausbau be-standen, war eine unübersehbar große Menge an Ziegeln erforderlich. In einer Zeit, in der die Beschaf-fung der Baumaterialien im Vergleich zur Höhe der Lohnkosten deutlich höher ins Gewicht fiel als es heute der Fall ist, war die Wiederverwendung möglichst vieler Baustoffe der Regelfall. In Mariensee dürften deshalb die Ziegel aus dem Abriss der mittelalterlichen Konventgebäude als wertvolles Bau-material größtenteils wiederverwendet worden sein und im Kern des verputzten neuen Gebäudes ste-cken. Es konnten durchaus mehrere 100 000 alte Mauersteine – vermutlich im Klosterformat - wieder-gewonnen werden. Im damaligen Baubetrieb wurden nicht nur möglichst viele Steine vom Mörtel befreit und in ordentlichen Stapeln zur Weiterverwendung geschichtet, sondern man sammelte auch den abgeklopften Kalkmörtel, um ihn zur Wiederverwendung in einem Kalkofen erneut zu brennen. Im Jahre 1783 berichtete der damalige Landbaumeister Christian Ludwig Ziegler38 vom Bau des Klos-ters Medingen: 38 Cristian Ludwig Ziegler (1748–1818), seit 1773 berufener Kurhannoverscher Landbaumeister. 21 Die Kalckbrennerei ist von Anfang mit dem größten Nutzen betrieben und man hat gesuchet, allen Schutt der abgebrochenen Kirche und die Kalckstücke desjenigen, der bisher weggeworfen wor-den, dabey aufs sorgfältigste zu nutzen. Es sind in diesem Jahr auch 2 Brände gemacht worden, wel-che 1600 Tonnen des besten Kalcks geliefert haben. 39 Diese Arbeitsweise könnte durchaus auch schon in Mariensee angewandt worden sein, zumal das für die Aufbereitung benötigte Brennholz ebenfalls aus dem Abbruch des ehemaligen Konvent-hauses gewonnen werden konnte. Baukalk war auf jeden Fall relativ teuer und der Preis erhöhte sich, je weiter der Anfahrtsweg wurde. Weil die Materiallieferungen für die Großbaustelle das ganze Jahr über andauerten, verteuerten sich die Transportkosten während der landwirtschaftlichen Saison zusätz-lich. In Medingen berichtete 1785 der Landbaumeister Ziegler: Dieser Erhöhung ungeachtet stehet in der Saat- und Erntezeit nicht einmal Gespann zur An-fuhr der Steine zu erhalten, sondern man hat selbe mit dem Holze [die Ilmenau] herunterflößen müs-sen.40 Sicherlich war es von großem Vorteil, dass sich im Neustädter Gebiet von jeher zahlreiche Ziegelbrennereien befanden, so dass die Transportkosten für das Steinmaterial im Rahmen bleiben konnten. Vermutlich wurden die Ziegel im Feldbrandverfahren hergestellt, wobei, wenn die Brände nur brauchbar ausfielen, auf die Farbe der Steine nicht geachtet werden musste. Das Eichenholz für die Konstruktion der inneren Fachwerkwände des Konventbaus, sowie das Nadelholz, das vornehmlich für die Deckenbalken und die Konstruktion des Daches verwendet werden sollte, kam vermutlich aus den klostereigenen Waldungen, die sich von Mariensee aus weithin erstre-cken. In der Regel achtete man in den Klöstern darauf, dass in den eigenen Wäldern vernünftige Holzwirtschaft betrieben wurde, um bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können, und um sich das Holz stets als letzte stille Wertreserve zu erhalten.41 Auch die Bereitstellung von Arbeitskräften auf der Großbaustelle Mariensee dürfte nicht ein-fach gewesen sein. In einer ländlichen Region wie das Neustädter Land, war das Arbeitskräfteangebot stark von den Erwerbsmöglichkeiten in der Landwirtschaft abhängig. Der Bauleitung standen die Maurer und Handlanger nur im Verlauf des Sommers verlässlich zur Verfügung. Zur Erntezeit verlie-ßen mit Sicherheit die besten von ihnen die Baustelle. Fremde Bauleute verlangten in der Regel mehr Lohn. Wurde er nicht gezahlt, was zumeist wöchentlich erfolgte, verließen sie bald wieder die Baustel-le. Nach den Erfahrungen, die der Landbaumeister in Medingen machte, hat man bei den Zimmerleu-ten diese Schwierigkeiten nicht gefunden, da sich der Landmann allgemein mehr zur Erlernung dieses Metiers entschloss. Zimmerleute konnte man ausreichend in fast allen Dörfern finden.42 39 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 29. Die Kalktonne als Maßeinheit war auch das Transportgefäß des gebrannten noch ungelöschten Kalks. 40 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 29. 41 Beispiel Marienfeld in Westfalen, dessen gesamter Klostergrund nach der Säkularisation an den Kaufmann Tenge aus Osnabrück ging. Dieser bezahlte die Rechnung umgehend aus dem Erlös des Einschlags wertvollen Baumbestandes aus dem Klosterwaldungen. 42 ADAM/ALBRECHT 2009, S. 33.22 Die Erneuerung des Kirchengebäudes Während in Mariensee die Konventbauten vollständig neu erstellt wurden, hielt man am mit-telalterlichen Bau der Klosterkirche fest. Mit Sicherheit werden hier finanzielle Überlegungen am Festhalten von brauchbarer Bausubstanz im Vordergrund gestanden haben, auch wenn erhebliche Re-paraturen an dem historischen Gebäude notwendig waren. Auch an anderen mittelalterlichen Konven-torten unter dem Schirm der späteren Klosterkammer ist man danach verfahren. Wahrscheinlich wollte man dort zumindest die Sakralgebäude zur Erinnerung für die lange Tradition der Nonnenklöster er-halten. Vielleicht haben auch damals schon gewisse denkmalpflegerische Gedanken mitgespielt. In der Regel war es aber die Sparsamkeit der Verantwortlichen oder länger andauernde schlechte Wirt-schaftsverhältnisse, die meist zum Erhalt historischer Substanz beitrugen. Während der groß angelegte Konventbau in der relativ kurzen Zeit von 1726–1729 errichtet worden war, zogen sich die Erneue-rungen und Veränderungen am Außenbau und im Inneren der Kirche vermutlich mit längeren Unter-brechungen hin. So ist der große Kanzelaltar mit der Orgel erst 1756 im Chor errichtet worden. Die Veränderungen und Sicherungen aus dieser Zeit sind im Hinblick auf eine erneut anstehende Restau-rierung durch eine vermutlich von Conrad Wilhelm Hase stammende Bauaufnahme von 1844 doku-mentiert worden (Abb. 9, 10, 11). Nach den Zeichnungen zu urteilen, dürfte sich die Kirche um 1700 in einem dramatisch schlechten Zustand befunden haben. Das größte Problem war, dass die Standfestigkeit der Nordwand des Mitteljochs nicht mehr gegeben war. Sie drohte nach außen auszuweichen, womit ein Einsturz des mittleren Gewölbejochs einhergegangen, und die Kirche in zwei Teile zerbrochen wäre. Unter dem groß angelegten, vielfach profilierten Schildbogen des Mitteljochs im Inneren der Kirche war beim Bau die Dicke des Mauerwerks von 1,20 m auf 0,80 m reduziert worden, um eine entsprechend ele-gantere Durchfensterung mit drei Rundfenstern und vier Fensterbahnen zu erreichen. Möglicherweise war die Mauerstatik bei dieser Fensterlösung für die Gewölbeauflast nicht ausreichend, so dass sich Schäden durch beginnende Risse zeigten. Die Begründung dafür im Absinken des Baugrundes zu su-chen, ist auszuschließen, da an den Sockel- und Quaderlagen aus Sandstein in diesem Bereich optisch keine Senkungen wahrnehmbar sind. Auf der gegenüberliegenden Südseite war die Schildwand mit ihren Fensterbahnen und Rosenfenstern schon von einem mittelalterlichen Konventbau zugestellt wor-den, wobei sich – vermutlich ungewollt – eine gewisse Stützung ergab. So wurde auf der Nordseite zur Sicherung des Bauwerks ein massiger Stützpfeiler angebaut, der leider die einstige Fensterordnung größtenteils verdeckte und empfindlich störte. Darüber hinaus wurde auch das mittig angelegte Haupt-portal verstellt, so dass ein neuer Zugang mit der geborgenen mittelalterlichen Werksteinrahmung westlich neben dem Pfeiler ausgeführt wurde. Das zweite Eingangsportal östlich des Pfeilers ist erst im 19. Jahrhundert eingebrochen worden, wobei auch die Reliefs der Bogenfelder entstanden. Aufgrund der größeren Ausdehnung des Konventbaues nach Osten, wurde die südliche Drei-fenstergruppe im Ostjoch bis auf eine Fensterbahn verdeckt, was einen erheblichen Lichtverlust im östlichen Kirchenraum mit sich brachte. Auch das Westfenster, heute noch durch den Blendbogen hinter der Orgel nachvollziehbar, wurde aufgrund der Errichtung eines Nordflügels am Konventbau verstellt und musste zugemauert werden. Mit der Schließung von insgesamt neun Fenstern an vier Schildwänden büßte die Kirche nicht nur wesentliche Lichtquellen ein, sondern verlor auch einen er-heblichen Teil ihrer ursprünglich vom Geist der Gotik zugedachten Transparenz. Die Vergrößerung der drei kleinen Fenster auf der Nord- und Westseite zur Erhellung der einstigen Unterkirche brachte dagegen nur wenig Ausgleich. Wahrscheinlich erhielt der Bau ein neues Dach, wobei die Höhe des gotischen Westgiebels um 2/3 zurückgenommen und abgewalmt wurde, der untere Teil jedoch unangetastet blieb. Am Beginn des westlichen Dachfirstes wurde ein kleiner vierseitiger Dachreiter mit offener Laterne und barocker Zwiebelhaube errichtet. Er ersetzte den ursprünglichen gotischen Turm, denn eine kleine Glocke die heute noch als Uhrglocke dient, trägt die Inschrift: Gloria in exelsis deo. Anno Christi 1642. Diese war also noch zum Ende des Dreißigjährigen Krieges als Ersatz für die vermutlich von Kriegsleuten ent-wendete oder als Kontribution abgegebene Klosterglocke beschafft worden. Traditionell befindet sich das Glockentürmchen bei allen Frauenkirchen über der Damenem-pore im Westen der Kirche, von wo die Nonnen mancherorts auch selbst läuteten. Es wurde zwar ver-mutet, dass sich in Mariensee ein Glockentürmchen ursprünglich über dem Ostjoch befunden haben soll, da im Gewölbescheitel eine Öffnung ist. Doch in dem sehr hohen Bau war mit einem unendlich 23 Abb. 9: Mariensee, Klosterkirche. Grundriss nach dem barockzeitlichen Umbau um 1760. Ein großer Teil der einstigen Durchfensterung ist geschlossen, die steinerne Empore abgebrochen und durch hölzerne Einbauten ersetzt. Umzeichnung: Andreas Sassen 2015.24 langen Seil die kleine Zisterzienserglocke kaum beherrschbar. Deshalb läutete der Küster die Glocke vom Dachboden aus, den er über die Wendeltreppe auf der Südseite zwischen Mittel- und Westjoch erreichte. Dieser Wendelstein, der relativ eng gebaut ist, war ausschließlich für das Klosterpersonal zum Besteigen des Kirchendachbodens gedacht. Die oft geäußerte Vermutung, die Klosterfrauen wä-ren über die Wendeltreppe zur Empore gelangt, trifft nicht zu. Die Nonnen des Mittelalters betraten von ihrem im Oberstock liegenden Dormitorium oder ihren Zellen die gleichhoch liegende Empore in der Kirche. Seit dem 18. Jahrhundert verlassen die Stiftsfrauen ihre Wohnungen im Erdgeschoss zum Konventgang, steigen dann die große Treppe nach oben, von wo sie direkt auf die Konventempore gelangen. Die sich im Kircheninneren über das Mittel- und Westjoch erstreckende massive mittelalterli-che Nonnenempore mit der darunter befindlichen Unterkirche hat man damals abgebrochen und die dabei anfallenden Backsteine als Baumaterial am Konventbau mitverwendet. Der Wegfall der vielen Gewölbepfeiler der Unterkirche ergab mehr Platz für die anwachsende Gemeinde. Der durchgängige Raum ermöglichte auch die Aufstellung einer einheitlichen Bestuhlung, denn mit der Einführung des lutherischen Gottesdienstes mit zuweilen langen Predigten wurden Sitzgelegenheiten für die Kirch-gänger unverzichtbar. Die Stiftsfrauen erhielten als Ersatz eine hölzerne Empore, die nun das West-joch und nur noch ein Drittel des Mitteljochs einnahm. Ihre nach Osten im barocken Stil gehaltene Brüstung war im mittleren Bereich nach innen halbkreisförmig eingezogen. Auf dem Grundriss von 1814 sind im Westen der Empore Einzeichnungen, die einen Altar und südlich davon ein Chorgestühl vermuten lassen. Anscheinend trafen sich nach dem Umbau der Kirche hier die Konventualinnen zum Gebet. Die Abgeschiedenheit ganz am westlichen Ende der Empore deutet darauf hin, dass die Frauen auch nach der Reformation für die allgemeinen Kirchgänger unsichtbar blieben. Mit der Wiederherstellung der Kirche wurden jedoch die noch verbliebenen Reste der mittelal-terlichen Ausstattung einschließlich des Triumphkreuzes aus dem Innenraum entfernt und eine spätba-rocke Möblierung vorgenommen, die man mit der Aufstellung des großen Kanzelaltars mit bekrönen-der Orgel abschloss (Abb.). Auch der spätgotische Taufstein kam, wie damals in fast allen Gemeinde-kirchen aus der Mode. Man benutzte nun allgemein handliche Taufgeschirre, in Mariensee seit 1739 ein silbernes Taufgeschirr, zu dem später die Figur eines schwebenden Taufengels kam. Nach langem Krieg und der wüsten Zeit des Klosters wird auch die mittelalterliche Kunstverglasung der Marienseer Fenster in schlechtem Zustand gewesen sein. Zur Erneuerung ist bei der barockzeitlichen Fassung des 18. Jahrhunderts eine einfache Klarverglasung zu vermuten. Zur barocken Gestaltung des Kircheninneren In Süddeutschland, vor allem in Bayern stehen wir heute vor den Zeugnissen klösterlicher Pracht aus dem barocken Bauboom des 18. Jahrhunderts. Hier hatte die katholische Kirche mit der Gegenreformation eine Inszenierung des Glaubens begonnen. Neben Repräsentationsansprüchen ging es bei den Klosterneubauten in vielen Fällen einfach nur darum, mit modernen Bauten, die im Stil der Zeit ausgeführt und eingerichtet waren, ein dem Zeitgeschmack entsprechendes Lebensumfeld zu schaffen.43 Aus demselben Grund wurden auch ältere Klostergebäude umgebaut und neugestaltet, wurde die – häufig als ästhetische Zumutung empfundene - mittelalterliche Ausstattung aus den Kir-chen entfernt, um diese zu barockisieren. Während im süddeutschen Barock mittelalterliche Architek-tur hinter kannelierten Pilastern und klassischem Gebälk verschwand und die Ausstattung der Kirchen wahre Feste in Gold und Purpur feierte, ist man auch in Norddeutschland nicht ganz von diesem Le-bensgefühl unberührt geblieben. Im bisher oft zitierten westfälischen Zisterzienserkloster Marienfeld entstand ein neuer Klausurbau für die Mönche. Die bislang bis zur Spätgotik ausgestaltete, aber sonst unberührt erhaltene mittelalterliche Klosterkirche erhielt im Verlauf des 18. Jahrhunderts eine barocke Ausstattung, die von dem prachtliebenden Paderborner Bischof Friedrich von Fürstenberg initiiert worden war. 43 KRÜGER o. J.: S. 386.25 Abb. 10: Mariensee, Nordseite der Klosterkirche nach dem barockzeitlichen Umbau um 1760. Der Westgiebel wurde geändert und mit einem Dachreiter versehen, das Mitteljoch stützt ein großer Pfeiler, der Rundfenster und Portal verdeckt. Umzeichnung: Andreas Sassen26 Auch das sonst vom Wesen so streng gläubig und sparsam eingestellte Niedersachsen wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg erst nach langer Erholungsphase vom barocken Stil berührt. In den Schloss- und Kirchenbauten der landesfürstlichen Zentren wie Celle, Wolfenbüttel, Helmstedt, Bückeburg oder Stadthagen waren im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts Beispiele der Renaissance und des Manierismus entstanden, dessen Stilformen sich bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges handwerklich hervorragend entwickelt hatten. Während des Krieges entfielen die Aufträge, an die Stelle des Schaffens kam die Zerstörung: Notzeit, Hunger und Tod waren die Folge, so dass danach kaum mit kunsthandwerklicher Weiterentwicklung und entsprechend ausgebildetem regionalen Nach-wuchs zu rechnen war. Impulse zur Anwerbung ausländischer Kunsthandwerker, vor allem aus Italien, kamen aus dem Zentrum Hannover, das zur kurfürstlichen Residenz aufstieg. Während die Stadt selbst eine Fachwerkstadt in calenbergisch-nüchterner Art blieb, entfaltete sich das künstlerisch-barocke Schwergewicht der Kurfürstenzeit außerhalb der Stadt in der höfischen Schöpfung Herrenhausen. Nachdem dort die italienischen Architekten und Künstler, Sartorio, Giusti, Grana und Rosso im 17. Jahrhundert mit dem Bau des Schlosses den Barockstil eingeführt hatten, entwickelte sich auch ein gewisses barockes Lebensgefühl in Hannover. Zudem war seit 1714 die Würde eines Kurfürsten von Hannover in Personalunion identisch mit der englischen Königswürde, was neben der Hofhaltung einen bescheidenen Bedarf bei den dortigen Staatsträgern aus dem Adel hervorrief und auch im Ver-lauf des 18. Jahrhundert die benötigten Kunsthandwerker hervorbrachte. Als König Georg II. nach 1726 Mariensee neu erbauen ließ, setzte sich der Konvent zu einem großen Teil aus Töchtern dieser adligen Kreise zusammen. Allerdings fiel der kürfürstlich-königliche Hof in Hannover als großer Kunstmäzen aus, Aufträge erteilten die katholischen und evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden, in diesem Fall auch das Stift Mariensee. Auch wenn der Konventbau vom Architekten Borchmann vornehm-zurückhaltend ausgerich-tet war, sollte die Kirche als Haus Gottes etwas den Glanz der Zeit widerspiegeln. Allein davon übrig-geblieben ist jedoch nur der heute im Westen der Kirche noch schwebende Taufengel, der von dem Hannoverschen Bildhauer Ziesenis geschaffen wurde (Abb. 14). Dieses einzig erhaltene Kunstwerk des 18. Jahrhunderts könnte ein Hinweis sein, dass der damals in der Residenz und dem Kurfürsten-tum Hannover tätige Hofbildhauer und vielseitig begabte Johann Friedrich Blasius Ziesenis (1715–1785) einen Teil der barocken Ausgestaltung der Marienseer Kirche durchgeführt hat. Möglicherweise könnte sein Vater Johann Friedrich Ludwig Ziesenis schon mit Arbeiten an Kirche und Kloster Mari-ensee beschäftigt gewesen sein. Ziesenis jun. bekam erst 1746 das Bürgerrecht in Hannover und rich-tete dann eine eigene Werkstatt in der Calenberger Str. ein. In der Folgezeit von 1747 bis zu seinem Tode 1787 entstand eine Reihe von Kanzelaltären, die der Autor Ulfried Müller in seiner Arbeit von 1972 auf J.F.B. Ziesenis zurückführt.44 Die Jahreszahl 1754, die Ingrid Falldorf im Zusammenhang mit dem Aufbau der Orgel von Zuberbier aus Hannover nennt,45 fällt also mitten in die Schaffenszeit von J.F.B. Ziesenis. Da zu dieser Zeit in der Region Hannover kein gleichwertiger Kunsthandwerker zu nennen ist,46 könnte dieser also der Urheber des großen Kanzelaltars in der Marienseer Klosterkir-che gewesen sein. Die nach 1726/29 eingeleitete Erneuerung des Kirchenraums brachte eine Abkehr von der far-bigen Raumfassung. Anstelle der damals mit Sicherheit von Ruß und Staub völlig verdunkelten spät-gotischen Wandmalereien traten weiße Wände. Auch wenn in dem historischen Gebäude keine Stu-ckaturen und Fresken ausgeführt wurden, sah der Barockstil einfache, weiß gekalkte Wände und Ge-wölbe vor, starkfarbige Glasmalereien – sofern diese die schlechten Zeiten überstanden hatten - wur-den durch lichtdurchlässiges klares Fensterglas ersetzt und die Ausstattung der Kirche in abgestimmter Farbfassung und aufwendiger Vergoldung dazu in Kontrast gestellt. Damals war der Grundton der Farbfassung von Altarwand, Emporenbrüstung und Kirchenbestuhlung ein zurückhaltendes Weiß/Grau/Gold, wie die erhaltenen Kanzelaltäre in den Dorfkirchen und auch die restaurierte Fas-sung des von der Barockzeit erhaltenen Taufengels zeigen. In Süddeutschland spiegeln die barocken Kirchenbauten und ihre Ausstattungsprogramme das zeitgenössische Verständnis von Religion, bei dem die Inszenierung des Glaubens durch Bilder hinter dem Sakralen selbst zurücktritt. Während man im Mittelalter möglichst direkten Kontakt zur Sphäre 44 MÜLLER 1972. S. 129–156. 45 FALLDORF 1997. S. 21. Angaben nach Hausarchiv des Klosters Mariensee. 46 MÜLLER 1972. S. 149.27 Abb. 11: Mariensee, Längsschnitt durch die Klosterkirche, Blick von Süden. Die Fenster des Mitteljochs sind teilweise verstellt. Die große steinerne Nonnenempore ist durch eine hölzerne Konventempore ersetzt. Umzeichnung: Andreas Sassen 2015.28 des Sakralen suchte – durch Nähe zum Altar, Annäherung an die Reliquien und erst in zweiter Linie Reliquienschau –, steht nun das Schauen im Mittelpunkt, und zwar das Schauen theatralisch insze-nierter, dramatisch gesteigerter Bilder.47 Wahrscheinlich müssen wir im Verhältnis dazu das vermutlich von Ziesenis für die evange-lisch-lutherischen Anforderungen in Mariensee umgesetzte Werk sehen. Der von seinem Vater mit Sicherheit früh ausgebildete, dann in Mannheim, Paris sowie Straßburg sich weiterbildende und tätig gewesene katholische Künstler hatte genügend Weitblick, sowohl für das Bistum Hildesheim als auch für die protestantische Hannoversche Kirche Aufträge in sakraler Kunst auszuführen.48 Zum Barockkünstler Ziesenis Johann Friedrich Blasius Ziesenis, * in Hannover als Sohn des Bildhauers Johann Friedrich Ludwig Ziesenis, getauft 10. August 1715 in der katholischen St. Clemenskirche in Hannover, † 16. September 1787 in Hannover. Holz und Steinbildhauer des Barocks, Hofbildhauer in Hannover. Nach den ersten Lehrjahren bei seinem Vater, von dem keine Werke bekannt sind, vervollständigte er sein Können bei Ernst Dietrich Bartels in Hildesheim, dann bei Paul Egell in Mannheim. Am 1.12.1746 erhält Ziesenis das Bürgerrecht in Hannover und richtet sich in der Calenberger Straße eine Werkstatt ein. 1747 wird er zum Hofbildhauer ernannt und erhält gleichzeitig ein Stipendium für Paris, um sich unter dem berühmten Bouchardon zu perfectionieren.49 Mit der Zeit von Paris werden Aufenthalt und Arbeiten in Straßburg genannt. Seit seinem Pariser Aufenthalt bis zu seinem Tode 1787 hat er in Hannover gelebt und gearbeitet. Ein schriftli-cher und zeichnerischer Nachlass ist außer wenigen handgeschriebenen Kostenanschlägen und einigen Hand-zeichnungen nicht überliefert.50 Unter seinen zahlreichen Arbeiten finden sich im Dom zu Hildesheim die Alabasterfiguren des Altars in der Georgskapelle von 1743; für den Schnellen Graben in Hannover schuf er das Kleeblattwappen; 1746 das Epitaph des Landdrosten von Bussche. In der Liebfrauenkirche von Neustadt a.Rbge. stehen von Ziesenis noch ein veränderter Kanzelaltar und ein Taufständer von 1787. Auf Ziesenis werden 11 Kanzelaltäre in ev. Kirchen der Region Hannover zurückgeführt. Kohlenfeld 1747, Harpstedt 1751, Helstorf 1753, Grone 1754, Groß-Goltern 1754, Hoya 1755, Kirchwehren 1755, Seelze 1767, Groß-Berkel 1777, Kirchrode 1784, Neustadt 1787. In Verbindung mit Ziesenis wird der Consistorial-Secretarius Gerhard Justus Arenhold (1707–1775) genannt. Arenhold stand dem Bauwesen des gesamten Konsistoriums Hannover vor und schlug häufig bei ent-sprechenden Kirchenerneuerungen Ziesenis als Bildhauer und Innenarchitekten vor. Das Kurfürstentum Hanno-ver war arm an guten Gestaltungskräften, so dass Arenhold immer wieder auf Ziesenis zurückgreifen musste. Die Kunst des Hofbildhauers Ziesenis schließt die Epoche des späten Barocks und des Rokokos in den kurhan-noverschen Landen glanzvoll ab. Ziesenis, als Sohn dieser Landschaft, überträgt die französische Bildhauerkunst dieser Zeit nach hier. In seinem letzten Lebensjahrzehnt leitet er sie bereits über in die aufkommende Periode des Klassizismus. Text nach Ulfried Müller, Garbsen.51 47 KRÜGER o. J.: S. 386. 48 Tätigkeiten für beide Konfessionen waren damals nicht selten. In Westfalen waren die Arbeiten des evangeli-schen Lippstädter Orgelbauers Johann Patroklus Möller so gefragt, dass er neben Marienfeld (1751) fast alle großen Klosterkirchen mit seinen Orgeln ausstattete. 49 StA.H., Hofbau-Sachen II B, Bestallungssachen 27a, Ouvriers Conv. 2. 50 Kostenanschläge in den ev. Kirchen Groß-Goltern 1750, Harpstedt 1751, Helstorf 1753, Groß-Berkel 1775; Neustadt, Archiv der Kirchengemeinde, Zeichnung der Taufe von 1787. 51 MÜLLER 1972. S. 148.29 Abb. 12: Helstorf, Pfarrkirche, Kanzelaltar. Die von dem Baumeister Z.H. Vick 1753 erbaute Kirche erhielt bis Oktober 1753 den Kanzelaltar von J.F.B. Ziesenis. Zum Vergleich des damals typischen Aufbaus als Mittelrisalit mit schräggestellten Stützsäulen unter einem reich gegliedertem Hauptgesims. Foto: H. Nölter 52 Der Kanzelaltar Nach den in der Zeit des Spätbarocks üblichen Formen entwarf Johann Friedrich Blasius Ziesenis als Blickfang im Altarraum der Klosterkirche Mariensee eine Kombination der evangelisch-lutherischen Prinzipalstücke Altar und Kanzel, die aufgrund der möglichen Raumhöhe von einer Orgel bekrönt wurden (Abb. 13). In der Ausstattung der evangelischen Kirchen erhielten damals zwei Hauptstücke der Ausstattung eine besondere Gestaltung und wurden dadurch zu kleinen Kunstwerken: 52 MÜLLER 1972. S. 134.30 Abb. 13: Mariensee Klosterkirche Barocker Kanzelaltar mit Orgel von J.F.B. Ziesenis im Chor der Kirche. Abbildung von 1844, Archiv Mariensee.31 die Orgel auf der Westempore und der für die Zeit des Rationalismus nahezu obligatorische Kanzelal-tar.53 Aus theologischer Sicht lag die Forderung nach dem Kanzelaltar darin begründet, dass das Wort höher stehen solle als die Liturgie. Baulich war die Gruppierung im Hinblick auf die ein- bis zweige-schossigen Emporenanlagen nötig, um den Gottesdienstbesuchern von allen Plätzen gleich gutes Hö-ren und Sehen zu ermöglichen. Dadurch wurden die beiden Hauptstücke des lutherischen Gottesdiens-tes – Altar und Kanzel – zu einem Stück zusammengefasst (Abb. 12).54 Die Altarwand ohne Kanzel, dafür jedoch mit aufwändigen Bildwerken versehen, fand sich dagegen vornehmlich in den katholischen Kirchen. In der Klosterkirche Marienfeld zu Beispiel gehör-te sie zur barocken Neuausstattung. Wie weit diese Variante sich steigern ließ vermitteln jedoch die riesigen Altarwände der Gegenreformation in den Kirchen der Jesuiten. In Büren/Westf. ist eine solche Anordnung aus dem Barock erhalten, während die Altarwände in den Jesuitenkirchen von Paderborn und Köln nach völliger Kriegszerstörung neu geschaffen wurden. Aber auch in den größeren evangeli-schen Kirchen wurden barocke Bildaltäre aufgestellt, sofern keine Emporeneinbauten vorhanden wa-ren. In der Klosterkirche Amelungsborn stand im Chor bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein auf-wendiger Barockaltar mit großem Bildblatt und seitlichen Begleitfiguren der Apostelfürsten Petrus und Paulus.55 In der Stadtkirche von Quedlinburg steht ebenfalls ein solch opulentes Kunstwerk. Der Kanzelaltar, eine eigenartige und vom Protestantismus favorisierte Anordnung, war im niedersächsischen Raum weit verbreitet und ist auch heute noch in einigen ländlichen Emporenkirchen vorhanden (Abb. 12).56 Im 17. Jahrhundert waren die Kanzelaltäre reich dekoriert und mit zahlreichen Figuren versehen, doch mit fortschreitender Entwicklung wurde ihr Bildprogramm reduziert. Sie hiel-ten sich noch bis ins 19. Jahrhundert, doch die gestalterischen Lösungen blieben im Übergang zum Klassizismus bescheiden. Später standen sie der Liturgie im Weg, ein großer Teil ging durch den Zweiten Weltkrieg verloren und die Argumente gegen sie dienen bis in die Gegenwart hinein als Be-gründung, wenn die Beseitigung von Kanzelaltären gefordert wird. Trotzdem werden diese Stücke, wo sie noch vorhanden sind, mittlerweile als Denkmäler einer besonderen Zeiterscheinung sorgsam gehü-tet. In Mariensee wurden um 1754 die beiden Prinzipalstücke architektonisch von J.F.B. Ziesenis konzipiert. Sie nahmen als imposante Altarwand die gesamte Breite des Chorraums ein und reichten zusammen mit der von dem Orgelbaumeister Johann Andreas Zuberbier gebauten Orgel bis in den oberen Bereich des Apsisgewölbes (Abb. 13). Die zentralen Teile Altar, Kanzel und Orgel traten ein-achsig in ganzer Höhe wie der Mittelrisalit eines Gebäudes aus der Fassade hervor, der nach damals verbreiteter Form an beiden Ecken mit schräggestellten Säulenachsen gestützt wurde. In drei Geschosse unterteilt, befand sich unten eine geschlossene Wand mit dem zentral ste-henden Altartisch und auf beiden Seiten ein rundbogiger Durchgang mit einem Supraport. Der Altar, über dem allgemein in den lutherischen Kirchen ein Gemälde des Letzten Abendmahls als Andachts-bild angebracht war, wurde beidseitig durch diagonalgestellte nacheinander angeordnete Säulen und Pilaster mit attischen Basen und korinthischen Kapitellen eingefasst. Sie trugen aufstrebend das vor-springende Kordongesims des nächsten Geschosses mit dem Gehäuse für den Durchgang zum Kan-zelkorb. Dieser war polygonal gestaltet und mit reich profiliertem Kassettenwerk versehen. Links und rechts vom Kanzelgehäuse befanden sich Emporen zur Aufnahme von Sängern und Bläsern. Das Ge-häuse selbst war nach oben mit einem ausladendem Hauptgesims und einem zentralen geschwungenen Giebel abgeschlossen, recht und links von einer kunstvollen Vase begleitet. Über dieser Anordnung ein abgerundetes Dach, aus dem wiederum die Orgel mit Mittelturm und zwei seitlichen Pedaltürmen herauswuchs. Neben Säulen und Pilastern im Untergeschoss fanden sich reiche Verzierungen in Höhe der Emporenbrüstungen, Filigranwerk über dem Kanzelbogen, figürlicher Schmuck an den Ecken, Ku-gelaufsätze am Gesims und am Giebel des Gehäuses sowie ein Erzengel als krönender figürlicher Ab-schluss auf den Mittelturm der Orgel. Das Altarwerk machte den Eindruck einer überdimensionalen Kulisse, war aber – wie im Barock üblich – solide und massiv gebaut. Das Untergeschoss mit der Sak-ristei hinter dem Altar war mit dem Fußboden der Sängerempore abgedeckt, die mit der Kanzel über 53 MÜLLER 1972. S. 129. 54 MÜLLER 1972. S.129. 55 Hinweis in den Bau- und Kunstdenkmalern des Kreises Holzminden. 56 In Vahlbruch/Kreis Holzminden, ein noch vollständig erhaltener klassizistischer Kanzelaltar mit Orgelpros-pekt im Westen und gegenüberliegenden Emporen auf Nord- und Südseite.32 eine Treppe erreicht werden konnte. Auch das Mittelgeschoss bildete trotz Kassettierung und filigraner Verzierung einen soliden Bau, denn es musste das daraufstehende schwere Orgelgehäuse mit dem Pfeifenwerk tragen. Das Ganze war also eine beeindruckende Anlage, die im Vergleich zu den etwa sieben Meter hohen Kanzelaltären von Helstorf, Kolenfeld oder Neustadt fast doppelte Höhe erreichte. Die Wirkung dieses Altarwerks blieb keinesfalls nur auf den visuellen Bereich beschränkt. Auch die bereits auf eine lange Tradition zurückblickende Kirchenmusik erlebte im 18. Jahrhundert mit Kantaten, Arien, religiösen Singspielen und Messen einen produktiven Höhepunkt. Während sich vor dem Kirchenbesucher überwältigend die hohe Altarwand mit Kanzel und Orgel aufbaute, bemäch-tigte sich die religiöse Musik seines Ohres, um so – wie man glaubte – direkten Zugang zu seiner See-le zu finden. Der Bildhauer J.F.B. Ziesenis war wie bei allen seinen Kanzelaltären auch in Mariensee so-wohl für den Riss– also der Planung, als auch für die Aufsicht bei der Fertigung und der Ablieferung zuständig. Sein praktischer Anteil lag bei den kunsthandwerklich auszuführenden Teilen, figürlichen und dekorativen oder ornamentalen Schnitzarbeiten, die Säulen mit den korinthischen Kapitellen so-wie anderes schmückendes Beiwerk. Den übrigen Aufbau, bestehend aus Rahmen, flächigen und tra-genden Teilen, Kanzeltreppe und Altartisch besorgte eine Tischlerwerkstatt. In ähnlicher Arbeitstei-lung erarbeitete man auch beim Bau der Orgel das Orgelgehäuse, während das Pfeifenwerk mit der Traktur vom Orgelbauer kam. Die Ausstattung bekam damals eine Fassung nach französischer Manier, die einfarbig weiß auf Kreidegrund aufgetragen wurde und einen farblosen Hochglanzüberzug erhielt. Zur Akzentuierung wurden Kapitelle, Basen und Kartuschen mit Blattgold überzogen. Bei diesem optischen Aufwand wurde aber die Rückseite der Anlage mit kreidehaltiger Leimfarbe gestrichen, um die Atmung des Holzes zu gewährleisten und sein Reißen zu vermeiden. Diese Arbeiten übernahm eine Maler- und Vergolderwerkstatt, die in der Regel auch das Abendmahlsgemälde über dem Altartisch lieferte. In erhaltenen Rechnungslegungen von Ziesenis wurde allgemein für das Gesamtwerk abge-rechnet, denn in der Kostenaufstellung findet sich der Bildhauer Ziesenis neben Tischer und Vergol-der. In der Zeit von 1751–1755 waren der Tischler Georg Friedrich Bone und der Maler und Vergol-der Anthon Thilo aus Hannover Partner Ziesenis. Diese Zeit passt in etwa auf das Werk in Mariensee, sodass man annehmen kann, dass dort nach gleichem Schema verfahren wurde. Zu den genannten Handwerkern kam jedoch noch der Orgelbauer Johann Andreas Zuberbier aus Hannover. Nach 1755 begann eine Zusammenarbeit Ziesenis mit dem Tischler Johann Christian Lauber, der bereits selbst einige Kanzelaltäre geschaffen hatte.57 Die von Anthon Thilo ausgeführten und erhaltenen Altarbilder, die sich auf der Fläche unter-halb der Kanzel befanden, sind von beachtlicher Qualität. Diesen Anforderungen dürfte auch das Ge-mälde des großen Altarwerks in Mariensee entsprochen haben, obwohl es nicht mehr erhalten ist. Auf den Bildern, die alle in Öl auf Leinen gemalt sind, findet sich zumeist die Einsetzung des Heiligen Abendmahls. Es war ein Motiv, das Martin Luther selbst vorgeschlagen hatte, denn der Gemeinde sollte bei der Abendmahlsfeier deren Urbild vor Augen gestellt werden. Neben dem Künstler Thilo, gab es eine Anzahl von sehr fähigen Kunstmalern, deren Tätigkeit nach damaligem Verständnis aber eher als Handwerk angesehen wurde. Sie traten namentlich nicht hervor, haben ihre Bilder auch nicht signiert, so dass sichere Zuschreibungen zumeist nur über die Rechnungen möglich sind. Die ins Bild geführten biblischen Darstellungen waren allgemein keine Originalerfindungen der Maler, sondern direkte oder freie Wiedergaben der Werke berühmter europäischer Künstler, die als Kupferstiche überallhin verbreitet wurden.58 Die regionalen Maler übertrugen die kleinformatigen Stiche im Raster auf ihre grundierten großformatigen Leinwände und haben sie nach eigenen Vorstellungen und per-sönlichen Können farbig ausgearbeitet. Dies ist ein Grund dafür, dass uns oftmals in sehr schlichten Dorfkirchen Altargemälde mit durchaus hohen Ansprüchen begegnen. Johann Friedrich Blasius Ziesenis Altar-Kanzel-Orgelwerk stand noch weit bis in das 19. Jahrhundert hinein, bis es Opfer der Purifizierung wurde, zumal sich in diesem Jahrhundert eine theo-logisch begründete Gegenströmung herausbildete, die den Kanzelaltar ablehnte. 57 MÜLLER 1972. S. 149. 58 OERTEL 1974. S. 223–271. In Kolenfeld ist von Wiedemann ein Abendmahlsbild nach Rubens für die Ka-thedrale zu Mecheln (heute Galerie Brera, Mailand), das mehrfach gestochen (zuerst von Boetius a Bolswert 1633) und verbreitet wurde. 33 Abb. 14: Mariensee, Klosterkirche, Taufengel von J.F.B. Ziesenis mit einer Silberschale von 1739. Aufnahme. Kloster Mariensee 1997. Der Marienseer Taufengel Die Altarwand und weitere Ausstattungsstücke, wie ein besonderes Gestühl für die Geistlich-keit, aufwendige Leuchter und Leuchterkronen in der Kirche waren typisch für den Barock und seine Grundhaltung, auch das liturgische Geschehen durch gesteigerten äußeren Aufwand aufzuwerten. Zu diesem Geschehen gehört auch eine Figur wie der Taufengel (Abb. 14). Passend zum Altarprospekt lieferte J.F.B. Ziesenis einen solchen schwebenden lebensgroßen Himmelsboten, der vor der Barock-kulisse von der Höhe herabgelassen werden konnte. In seinen vorgestreckten Händen trägt er eine ovale silberne Taufschale wozu auch eine Kanne für das Taufwasser gehört. Die Schale zum Auffan-gen des Taufwassers hat im Boden das eingravierte Siegel des Klosters und die Inschrift Mariensee 1739. Schon mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert fiel diese Sonderform der Taufe den auf die Be-seitigung aller Äußerlichkeiten bedachten kirchlichen Bewegungen wieder zum Opfer. Heute sind Taufengel bewunderte, jedoch selten gewordene Ausstattungsstücke in unseren Kirchen. Der Marien-seer Engel, eine hervorragende Arbeit des J.F.B. Ziesenis, hängt heute unter der Orgelempore im Wes-ten der Kirche (Abb. im Buchvorspann). So wie dieser heute nur noch als Ausnahmekunstwerk zu finden ist, gehört auch das Taufgeschirr von 1739 zu den Seltenheiten, die im Kloster bewahrt werden. 34 Abb. 15: Mariensee, Klosterkirche, Ansicht nach Westen. Neugotische Gestaltung des Kirchenschiffs von C.W. Hase nach 1867. Foto: Carola Faber 201535 Abb. 16: Mariensee, Klosterkirche. Blick nach Osten durchs Kirchenschiff zum Chor. Foto: Carola Faber 2015.36 Die Veränderung der Kirche im 19. Jahrhundert Die neugotische Gestaltung der Kirche Die zweite Erneuerung, die die heutige Form des Kirchenäußeren und auch des Innenraums bewirkt hat, erfolgte zwischen 1867 und 1872 59 nach den Plänen des niedersächsischen Meisters der Neugotik Conrad Wilhelm Hase.60 Der Architekturpapst C.W. Hase war Begründer der Hannover-schen Architekturschule. Ausgeführt wurden die Arbeiten in Mariensee durch den Landbaumeister Hugo Steffen, einem der zahlreichen Schüler C.W. Hases. Sie erstreckten sich auf die Restaurierung der mittelalterlichen Substanz, besonders auf die Wiederherstellung und Ausbesserung des Back-steinmauerwerks, des romanisch/gotischen Bogenfrieses aus Formsteinen und der Erneuerung des Traufgesimses aus Deister-Sandstein. Zur Sicherung des gesamten Kirchenbaus erfolgte ein Ausbau der schon im 18. Jahrhundert verstärkten mittelalterlichen Lisenen zu Strebepfeilern. Im oberen Be-reich erhielten die Pfeiler einen Giebel mit Satteldeckung aus Sandstein und unten eine Pultabdeckung aus gleichem Material. Dabei wurde auch der große Pfeiler am Mitteljoch noch einmal mit einer Um-mantelung auf seine jetzige Dimension verstärkt (Abb. 10). Durch diese Maßnahmen begegnete man dem Auseinanderdriften des hochragenden Baukörpers infolge des jahrhundertelangen Seitendrucks der Gewölbe. Sie reichten anscheinend soweit aus, so dass der Innenraum durch keine Zuganker ge-stört werden musste. An der Nordseite des Mitteljochs wurde die durch den Pfeiler teilweise noch offene mittelalterliche Fenstergestaltung aufgegeben und zwei neue Fensteröffnungen nach Große und Art des Ostjochs geschaffen. Das westlich vom Pfeiler schon im 18. Jahrhundert eingesetzte Portal erhielt ein Tympanon mit einem agnus dei und auf der anderen Seite des Pfeilers wurde ein gleiches Portal mit einem adäquaten Tympanonrelief eingebaut. Die Ausführung der Steinfassungen geschah wiederum im passenden hellgrauen Sandstein vom Deister. Bei der Vergrößerung der Fenster des Mitteljochs wurden die beiden noch vorhandenen Vier-passrosen überflüssig. Eine davon wurde hinter dem Altar in die Scheitelseite des Apsispolygons als Blendrose eingesetzt. Hier verkürzte man das mittlere Apsisfenster zum Einbau einer Tür und baute außen in östlicher Verlängerung der Apsis in Form einer sechseckigen Scheitelkapelle eine neue Sak-ristei an. In Angleichung der frühgotischen Architektur der Kirche erhielt die Sakristei sowohl ein Traufgesims aus Sandstein als auch einen Bogenfries, der an den Polygonalecken von Lisenen einge-fasst ist. Auch die Fensterbogen wurden der frühgotisch-gedrückten Art der Kirchenfenster angepasst. Die alten Sakristeianbauten an der Nordseite, die auf dem Plan des Klosters von 1750 noch zu sehen sind (Abb. 6), wurden zu dieser Zeit aufgegeben. Auf der Nordseite des Westjochs sind die beiden bereits im 18. Jahrhundert vergrößerten Rundbogenfenster der Unterkirche erweitert und in die jetzige spitzbogige Form umgewandelt wor-den; ebenso das noch verbliebene einzelne Fenster auf der Westseite. Ein alter waagerechter Back-steinfries darüber wurde dabei entfernt. Alle Fenster der Kirche erhielten ein einheitliches gusseisernes Rahmenwerk, das einem Maßwerk ähnelt, dazu eine komplette neue Rautenbleiverglasung mit farbi-gen Begleitbändern. Bei allen Veränderungen, Erweiterungen und Erneuerungen an der Kirche wurden durchweg farblich korrekte Backsteine im Klosterformat verwendet, so dass man kaum einen Unter-schied zu den mittelalterlichen Ziegeln wahrnimmt. Änderungen im Ziegelbild sind durch die Anwen-dung des Kreuzverbandes im Gegensatz zum mittelalterlichen Wilden Verband feststellbar. Wahrscheinlich ist bei der Außensanierung auch der Dachstuhl erneuert und mit naturroten Ziegelpfannen neu gedeckt worden. Dabei hat man den kleinen Dachreiter des 18. Jahrhunderts über dem Westjoch entfernt. Der ebenfalls in jener Zeit abgewalmte Westgiebel ist wieder aufgebaut wor-den und nach neugotischer Art des Architekten Hase mit einem Uhr- und Glockenturm versehen wor-den (Abb. 17). Möglicherweise stand dabei die Klosterkirche Heiligengrabe oder Güldenstern in Mühlberg an der Elbe Pate (Abb. 18). Sie sind zwei der wenigen alten Backsteinkirchen Branden-burgs, die einen kleinen auf die Westseite aufgesetzten steinernen Turm aufweisen. Der Turmbau von Mühlberg erfolgte zusammen mit einer aufwendigen Westfassade jedoch erst im späten 15. Jahrhun-dert und 59 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 532 60 Hase, Conrad Wilhelm, deutscher Baumeister, Neugotiker, * 2.10.1818 in Einbeck, † 28.3.1902 in Hannover.37 Abb. 17: Links: Mariensee, Turm auf dem Westgiebel der Klosterkirche. Abb. 18: Rechts: Güldenstern, Klosterkirche, spätgotische Westfassade aus dem 15. Jh. mit dem aus dem Giebel herauswachsenden Turm. C.W. Hase, der über den nord-deutschen Backsteinbau gut unterrichtet war, könnte die Turmanordnung von Güldenstern zum Vorbild genommen haben. Aufnahmen: Mariensee, Andreas Sassen 2001; Güldenstern, Claudia Mohn 2006. ist später barock verändert worden. Der in Mariensee aus Backsteinen vierseitig aufgemauerte Turm-stumpf wächst mit einer Vorkragung auf Konsolen aus der Giebelspitze. Ihm ist eine hölzerne achtsei-tige Turmlaterne aufgesetzt, dem jeder Seite eine Schallöffnung zugeordnet ist. Darüber ist jeweils ein kleiner Giebel, der zum Spitzhelm überleitet. Im Turm ist die historische Glocke von 1642 erhalten geblieben und dient seit 1867 als Uhr-glocke. Das im 19. Jahrhundert angeschaffte mehrstimmige Geläut musste für Rüstungszwecke in den beiden Weltkriegen abgegeben werden. Im Jahre 1955 erhielt die Kirche wieder ein Geläut von vier neuen Bronzeglocken. Das Kircheninnere ist nach 1867 nach den Vorstellungen C.W. Hases grundlegend ver-ändert worden. Dabei ist die beschriebene, 1844 dokumentierte und bis zu diesem Zeitpunkt noch vollständig erhaltene barocke Ausstattung entfernt worden. Die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ganz auf mittelalterliche Formen puristisch ausgerichtete Architektur und das kunsthandwerkliche Schaffen lehnten die Werke des vorangegangenen Barockstils fast völlig ab. Wahrscheinlich blieb damals eher aus Zufall der Taufengel allein von der umfangreichen Barockausstattung erhalten. Auch die hölzerne Konventempore, die zu dieser Zeit noch von Westen bis ins Mitteljoch reichte, wurde komplett abgebaut. Durch den Abbruch wurde das ehemals zweistöckige Kirchenschiff ein nach oben freier Saal. Die dadurch freiliegenden Ansätze der Wandvorlagen für den Gurtbogen zum Westjoch bekamen Blockkonsolen mit neugotischen Zierformen. An der Westwand entstand über einer massiven gotischen Dreierarkade aus Sandstein die schmale Empore, auf der eine Orgel mit 16 Registern vom hannoverschen Orgelbaumeister Ernst Wilhelm Meyer gestellt wurde (Abb. 15). Das Instrument ist mit seiner romantischen Stimmung in alter Form 1995/96 restauriert worden. 38 Abb. 19: Mariensee, Klosterkirche. Blick nach Osten zum Chor. Rechts die von C.W. Hase eingerichtete Konventempore in Form einer Loggia. Foto: Carola Faber 2015 Für die abgebrochene große Stiftsempore musste ein Ersatz geschaffen werden, den Hase dann auf der Südseite im Mitteljoch einplante. Möglicherweise wurde er dabei von der 1850/51 entstande-nen Bogenstellung in der ehemaligen Klosterkirche Arendsee inspiriert, die an einen spätmittelalterli-chen Nonnenchor erinnern sollte, was aber nicht erwiesen ist.61 In Mariensee ist nach ähnlichem Prin-zip die Südwand des Mitteljochs zu einer Loggia geöffnet und mit einer neugotischen Dreierarkade aus Sandstein versehen worden (Abb. 19), hinter der sich die neue Damenempore befindet. Den Raum dafür lieferte der ehemalige Konventssaal im anstoßenden Stiftsgebäude, der über die große Treppe vom Klostergang zugänglich ist. Im Stockwerk darüber ist die Südaußenwand mit den damaligen Ver-änderungen einsehbar und 2001 von Dr. Anette Roggatz und Werner Lemke aufgenommen worden (Abb. 16, Band I). Dabei zeigte sich, dass diese Wand des Mitteljochs ursprünglich die gleiche Fens-tergestaltung besaß, wie auf der Nordseite. Nach dem jetzigen Zustand zeigt sich auffällig ein großer Segmentbogen, der von Steffen zur Druckentlastung der darunter liegenden Bogenarkade in die Wand eingezogen wurde. Beim Ausstemmen der dafür notwendigen Wandmasse ist die oben gelegene große Rose in der Mitte durchschnitten worden, wodurch die in den Kreis eingesetzten Füllsteine absackten und ein Teil des darüber befindlichen Mauerwerks nachstürzte. Einen Hinweis auf die alte Fensterge-staltung geben nur noch zwei geringe Bogenreste der glasierten Begleitsteine der Rose. Außerdem lässt der Rest eines Dachansatzes unterhalb der barockzeitlichen Dachhaube vermuten, dass an dieser Stelle schon frühzeitig ein mittelalterlicher Konventanbau die Fenster verdeckte. In der während der Sanierung seit 1867 ganz leergeräumte Kirche hat man auch die zahlrei-chen aus vielen Jahrhunderten stammenden Grabplatten aufgenommen und aus der Kirche entfernt. Allein die Platte vom Klosterpropst Busmann ist zur Erinnerung im Westen an der Wand aufgerichtet worden (Abb. im Buchvorspann). Die Kirche erhielt damals einen einheitlichen Plattenbelag aus Wes-ersandstein, der auch heute noch vorhanden ist. 61 Die „Nonnenempore“ auf der Südseite in Arendsee hat keine Verbindung zum Konventbau auf der Nordseite.39 Abb. 20: Mariensee Klosterkirche. Orgelprospekt. An der Brüstung der Empore die biblischen Könige Salomon und David. Foto: Carola Faber. Mit der Rückbesinnung auf die mittelalterlichen Stile fand im 19. Jahrhundert wieder die Far-be Eingang in den Kirchenraum. Der im Folgenden aufgeführten neugotischen Ausstattung der Kirche, in naturbelassenem Eichenholz ausgeführt, wurde vom Architekten Hase eine aufwendige ornamentale Wand- und Gewölbemalerei gegenübergestellt. Diese Raumfassung verschwand aber später wieder zugunsten eines weißen Anstrichs mit roten Architekturgliedern. Die heutige Fassung des Kirchenraums, die in den 90er Jahren entstand, nimmt die Farben des 19. Jahrhunderts in einfacher Form ohne Ornamentik auf und korrespondiert wieder mit der neugotischen Sakralausstattung. Die neugotische Ausstattung nach dem Entwurf von C.W. Hase Da man im 19. Jahrhundert wenig Wert auf die kunsthandwerklichen Arbeiten des Barocks legte, erhielt die Kirche um 1872 eine einheitliche neugotische Ausstattung, die sich vom Altar über das Gestühl bis zum Prospekt der Orgel erstreckte. Die kunsthandwerklich aus Eichenholz gefertigten Teile wie Altar mit Aufbau, Kanzel und Kirchensitz sowie das steinerne Lesepult, Taufstein und Op-ferstock sind wahrscheinlich nach Entwürfen des Architekten C.W. Hase entstanden (Abb. 20–35). Hase hatte auch in anderen seiner zahlreichen Kirchenneubauten die Ausstattung stets selbst gezeich-net.62 An der Ausführung der figürlichen und bildlichen Ausstattung waren bedeutende Maler und Bildhauer aus der damaligen Kunstszene der königlichen Residenzstadt Hannover beteiligt.63 Sie hat-ten sich der von C.W. Hase ins Leben gerufenen Hannoverschen Schule und Niedersächsischen Bau-hütte angeschlossen. Dabei wurden nicht nur hervorragende Sakralgebäude sondern auch einzigartige Kunstwerke zur Ausstattung erstellt. Ihre kunsthandwerklichen Arbeiten sind mittlerweile schon wie-der 150 Jahre alt und Zeugnisse einer eigenständigen Stilrichtung unserer Vergangenheit. 62 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 423–432. 63 Siehe auch Magazin der Künstler.40 Abb. 21: Mariensee, Orgel des 19. Jahrhunderts von Ernst Wilhelm Meyer. Foto: Carola Faber 2015 Leider hatte die bildende Kunst von jeher – und auch heute – mit sich selbst das große Prob-lem, dass geschaffene Werke schon von der Folgegeneration abgelehnt wurden. Dementsprechend kamen schon in den 30iger Jahren des 20. Jahrhunderts die Arbeiten der Hannoverschen Schule in Misskredit und wurden teilweise zerstört. Was dann der Zweite Weltkrieg überließ, ist mit völlig falschem Verständnis beim Wiederaufbau und später noch in der kath. Kirche infolge des II. Vatikani-schen Konzils untergegangen. So gesehen ist es ein schon seltener Fall, in Mariensee die Ausstattung der Hannoverschen Schule geradezu unversehrt anzutreffen. Orgelprospekt Zur Aufstellung einer Kirchenorgel und Platz für einen Kirchenchor im Westteil der Kirche, errichtete man eine Orgelempore über einer gotischen Dreierarkade aus Sandstein (Abb. 15). Darauf wurde eine Orgel mit 16 Registern vom hannoverschen Orgelbaumeister Ernst Wilhelm Meyer gestellt. Die Kir-chenorgeln damaliger Zeit hatten eine sogenannte romantische Stimmung. Das Instrument ist in alter Form und Stimmung 1995/96 restauriert worden und korrespondiert mit der Chorausstattung im Osten der Kirche. Wahrscheinlich stammt auch der Prospektentwurf für die Orgel des Ernst Wilhelm Meyer aus der Feder von Hase. Im Gegensatz zu den berühmten barocken Orgelbauern stellten C.W. Hase 41 Abb. 22: Links: Entwurf zu einem Altar von Christian Hehl für die Dreifaltigkeitskirche Hannover 1882. Abb. 23: Rechts: Altaraufbau in der Klosterkirche Mariensee nach dem Entwurf von C.W. Hase um 1870. Zeichnung aus: Kokkeling 1985. Foto: Archiv Kloster Mariensee und seine Schüler die langen Basspfeifen nicht in seitlichen Prospekttürmen auf, sondern im Mittel-feld. Die Orgelprospekte der Hannoverschen Schule waren den räumlichen Gegebenheiten angepasst, wo die verfügbare Raumhöhe aufgrund der Gewölbe zur Seite hin abnahm (Abb. 20 und 21).64 Die Architektur der Prospekte ähnelte den Fassaden symmetrischer Gebäude mit gegiebelten Mittelrisali-ten, in vielen Fällen auch den Aufbauten der Altäre, wie das Beispiel in Mariensee zeigt. Der Altar mit seinem Aufbau Im Dreißigjährigen Krieg waren durch den Vandalismus der Soldateska die spätgotischen Schnitzaltäre aus römisch-katholischer Zeit zerstört worden und wurden mit dem Aufbau der barocken Orgel-Kanzel-Altarwand ersetzt, wobei die klosterzeitliche Altarmensa verlorenging. Die Arbeiten Hases und seiner Hannoverschen Schule hatten immer das Ziel mit den vorhandenen oder neu errich-teten Kirchenbauten eine Verbindung einzugehen und mit ihnen ein Gesamtkunstwerk zu bilden. Da-bei arbeitete man im Chor von Mariensee auf ein ausgewogenes Erscheinungsbild hin, so dass die Hauptstücke Kanzel, Altar und Ambo einen steinernen Unterbau bekamen (Abb. 16). Die breite Alt-armensa aus Sandstein mit ihrer architektonisch gestalteten Vorderfront ist ruhender Mittelpunkt im Chorbild, zu dem sich das Säulenbündel der Kanzel und der Körper des Ambos im gleichen Material hinzugesellen. Ebenso betont der Altaraufbau den Mittelpunkt des Chores, wobei das Gewicht der seitlich stehenden 64 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 423.42 Abb. 24: Mariensee, Klosterkirche. Die Chorausstattung, in seiner Vollzähligkeit wichtig für ein ausgeglichenes Bild . Foto: Carola Faber 2015 Kanzel vom gegenüberstehenden Ambo nicht ausgeglichen werden kann. Das Chorgestühl hinter dem Ambo ist deshalb wichtig für das ausgewogene Bild im Chor (Abb. 24) In der Rückbesinnung auf die alte Kunst des Mittelalters wählte man eine bildliche Altarge-staltung, die auf die Empfehlungen Martin Luthers zurückging und mit der Reformation in der Zeit des Übergangs von der Spätgotik zur Renaissance Verbreitung fand. Der dafür nötige Schrein wurde als Retabel aus Eichenholz in Form eines Triptychons mit feststehenden Flügeln gearbeitet (Abb. 25). Es erinnert an einen mittelalterlichen Schrein oder ein gotisches giebelständisches Haus mit zwei Seiten-flügeln, darunter eine hohe Predella mit einer breiten Nische unter einer Bogenarkade. Diese Altar-form war schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der romantischen Neugotik sehr verbreitet. C.W. Hase verwendete sie außer in Mariensee nur bei einigen frühen Dorfkirchen, doch die Grund-form wurde später von seinen Schülern aufgegriffen und weiterentwickelt. Der von dem Architekten Christian Hehl 1883 für die Dreifaltigkeitskirche Hannover gezeichnete Altaraufbau ist ein solches Beispiel, der in der Grundkonzeption dem Marienseer Altar gleicht (Abb. 22 und 23).65 Auch die Figu-ren- und Bildfolge – Jesus wandelt auf dem Meer (Matth. 14, 22-33) als Hauptthema, darunter ein Relief des Abendmahls und die Begleitfiguren Petrus und Paulus – entsprechen den neutestamentari-schen Themen des ausgeführten Entwurfs von C.W. Hase in Mariensee. 65 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 429, Abb. 665.43 Abb. 25: Mariensee, Klosterkirche, neugotischer Altar von 1870. Entwurf von Hase, Bild von Oesterley, Figuren von Engelhard, Relief von Hurtzig. Foto: Carola Faber 201544 Abb. 26: Mariensee, Klosterkirche, Altar. Maria und Johannes unter dem Kreuz. Gemälde von Oesterley 1870. Petrus und Paulus als Begleitfiguren von Engelhard. Foto: Carola Faber 2015 Die bildlichen Darstellungen im Altar Für das große gotische Bogenfeld im Mittelrisalit des Retabels wählte man das Gemälde einer Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes aus der Hand des hannoverschen Hofmalers Carl Wilhelm Friedrich Oesterley (1806–1891). Es hat die Signierung und Datierung von 1870. Mit der Darstellung der Mutter Maria und dem Jünger Johannes unter dem gekreuzigten Christus, thematisierte Oesterley die Begebenheit aus dem Johannes-Evangelium 19, 26–27: Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Weib, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu seinem Jünger: Siehe, das ist dei-ne Mutter! Und von der Stunde an nahm der sie der Jünger zu sich. Mit dieser biblischen Szene schließt sich der Kreis in Mariensee, der mit der Weihe der Kirche unter dem Patronat von Maria und Johannes heute vor 800 Jahren begonnen hatte. Möglicherweise hatten Oesterley mit seinen Auftraggebern das neutestamentarische Thema in diesem Sinne und zur Erinne-rung an die einstigen Patrone der ersten Kirchenweihe für Mariensee ausgesucht (Abb. 26 und 27). Die Szene der Kreuzigung mit Maria und Johannes folgt einer strengen Komposition mit ei-nem linearen Bildaufbau. So bildet das Kreuz mit Christus den Mittelpunkt der Darstellung und steht im Licht hoch im gotischen Bogen des Bildrahmens. Es ist nicht mehr der leidende Christus, der hier am Kreuz dahingeschieden ist, sondern der bereits verklärte Leib des Gottessohnes, der seiner Aufer-stehung entgegengeht. Maria und Johannes schauen mit ernstem Gesicht und fest verschränkten Hän-den zu ihm auf. Von ihnen ist die Trauer gewichen, Mimik und Gestik zeigen den tiefen Glauben und die Hoffnung an die Auferstehung des Gottessohnes. Die klare Bildkomposition Oesterleys zeigt zeichnerische Präzision und kühle Farbigkeit. Seine klassizistische Malweise im Stil betonter Umriss-formen wirkt ernst und nachdenklich, gemäß Winkelmanns edler Einfalt und stiller Größe. Das Ge-mälde im Altar der Klosterkirche Mariensee verdient Aufmerksamkeit.45 Abb. 27. Mariensee, Klosterkirche. Maria und der Apostel Johannes unter dem Kreuz. Altarbild von C.W.F. Oesterley. Aufnahme: Carola Faber 201546 Abb. 28: Mariensee, Klosterkirche. Altar. Einsetzung des Abendmahls. Relief von Hurtzig. Foto: Carola Faber 2015 Rechts und links vom Hauptbild stehen in Nischen unter Baldachinen der kleinen übergiebel-ten Flügel des Schreins die Figuren der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus (Abb. 26). Sie stam-men aus der Werkstatt des hannoverschen Bildhauers Wilhelm Engelhard (1813-1902). Nach den be-rühmten Gemälden Petrus und Paulus durch Albrecht Dürer fanden die beiden Apostel ihren festen Platz in der Kunst und im Bewusstsein der evangelischen Kirche. Petrus, der in Jesus den Gottessohn erkannte: Siehe wir haben alles verlassen und sind dir gefolgt (Matth. 19, 27), und als erster die Worte des Gottessohnes in Predigten verbreitete. Paulus dagegen, der Jesus nie gesehen hatte, steht hier als Lehrer aller Völker. Aus dem pharisäischen Gesetzesfanatiker, der das junge Christentum vernichten wollte, war der leidenschaftlichste und treueste Anhänger Christi geworden.66 In der Predella des Altarschreines fand eine Reliefdarstellung der Einsetzung des Abendmah-les ihren Platz (Abb. 28). Sie ist 1864/65 aus Mooreiche von dem Bildhauer Georg Ludwig Hurtzig (1812-1865) aus Hannover geschaffen worden. Auch diese Darstellung war ein Rückgriff auf die bil-dende Kunst in lutherischer Tradition. Luther liebte die Musik, der stete Umgang mit der Kunst war ihm nicht persönliches Bedürfnis, doch bilderfeindlich war er nicht. Als Seelsorger verstand er das Verlangen des Gläubigen nach Anschauung des Heilsgeschehens. Die Frage, ob auch dem Altar ein Bild gezieme und welches Bildthema das angemessenste sei, hat Luther eindeutig beantwortet. Ein Tisch ohne Aufsatz hat sein Altar-Ideal am reinsten verwirklicht. Wenn aber der Altar ein Bild haben soll, sollte es nach seiner Meinung das Abendmahlsbild sein, sodass die Gemeinde bei der Abendmahlsfeier auf deren Ur- und Vorbild blicken konnte. Da das Bildthema der Einsetzung des heiligen Abendmahls und auch die ähnliche, mehr beleb-te Verratsszene der religiösen Kunst des Mittelalters fremd blieb – außer im Heilig-Blut-Altar in der Stadtkirche von Rothenburg/o.T. und in den Refektorien der florentinischen Klöster – wurde es in der evangelisch-lutherischen Kirche gern aufgenommen. In den Dorf- und Stadtkirchen entlang der Weser sowie in den hannoverschen und braunschweigischen Provinzen fand die Darstellung des Abendmahls 66 MELCHERS 1980, S. 393–401.47 Abb. 29: Mariensee, Klosterkirche. Ambo. Lesepult aus Sandstein. Rechts der Adler unter dem Parament. Fotos: Carola Faber 2015. weite Verbreitung. Örtliche Künstler malten diese Bilder zumeist nach Kupferstichvorlagen berühmter Maler wie Dürer, Rubens, Hans von Aachen, de Voos, Pieter Pourbus, Matthaeus Merian u. a. und auch die Bildhauer nahmen sich der Thematik über die Vorlagen an.67 Die Arbeit Georg Ludwig Hur-tigs im 19. Jahrhundert ist also ein Aufgreifen des neutestamentarischen Bildthemas im besten evange-lisch-lutherischen Sinne. Unter der Vielfalt der in der Renaissancezeit verbreiteten Kupferstichblätter wird sich wahrscheinlich die Vorlage für das Marienseer Abendmahlrelief finden lassen. Ambo/Lesepult Eine besondere Beachtung verdient der aus Sandstein gefertigte Ambo, links vom Altar über den Stufen zum Altarraum (Abb. 29). Auch dieses Stück ist wahrscheinlich von C.W. Hase entworfen worden und zeigt die in Mariensee heimische Zierform des Bogenfrieses. In der frühchristlichen und mittelalterlichen Kirche diente der Ambo zum Verlesen des Evangeliums und der Epistel, zum Vor-singen der Psalmen und zum Predigen. Verbreitung fand der Ambo seit dem 6. Jh. in Byzanz und Ita-lien, z.B. im Dom von Ravenna. Die Errichtung des Marienseer Ambos aus dem Material Stein zeigt, dass C.W. Hase sehr viel an diesem liturgischen Einrichtungsstück der Kirche lag. Er hatte schon in seinem 1849 entworfenen Konzept für die Neuausstattung der Klosterkirche in Loccum auf die Bedeu-tung der Kanzel und des altchristlichen Ambos unmittelbar am Altar hingewiesen: Um der Kanzel eine bedeutungsvolle und zugleich practische Stellung zu geben, ohne der Idee der christlichen Kirche zu nahe zu treten, zeichnet sich vorzüglich eine Anordnung aus, welche vor allen anderen genannt zu werden verdient. Es ist das altchristliche System der Ambonen wieder her gestellt, die zwar nun nicht im Langschiffe, sondern da, wo der hohe Chor beginnt, angebracht sind, und zwar einer, wie in der alten Kirche auf der Südseite fürs Vorlesen der Episteln (Lesepult) und einer an der Nordseite für die Predigt des Evangeliums (Kanzel), beide mit dem Aufgange vom Chore aus.68 67 OERTEL 1974, S. 223–270. Abendmahlgemälde des 16./17 Jhs. finden sich um Mariensee u. a. in Idensen, Kolenfeld, Helstorf, Metel, Schneeren, Celler Schloss, Celler Stadtkirche, Kloster Isenhagen. 68 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 360.48 Abb. 30–34: Mariensee, Klosterkirche. Neugotische Kanzel nach dem Entwurf von C.W. Hase, gegenüber die Figuren der Evangelisten von W. Engelhard. Fotos: Carola Faber 2015.49 50 Abb. 35 und 36: Mariensee, Klosterkirche. Neugotischer Taufstein (links) und Opferstock. Fotos: Carola Faber 2015 Die Kanzel Auch die Marienseer Kanzel ist eine Schreinerarbeit aus Eichenholz, die von C.W. Hase ent-worfen wurde (Abb. 30). Sie wird von einer gebündelten 3er Steinsäule getragen und besitzt einen filigran gearbeiteten Schalldeckel. Er ist nach dem Motiv eines vieleckigen flachen Gebäudes gestal-tet, dessen Fassaden Kolonnaden, Mittelrisalite und Ecktürmchen haben und das mit einem laternen-bekrönten Spitzdach versehen ist. Hier wird man an das Himmlische Jerusalem erinnert, das so oder ähnlich in den Radleuchtern der Romanik vorgegeben ist. Der gestreckte Aufgang zum Kanzelkorb korrespondiert in der Bogenstaffelung seiner Verkleidung mit dem gegenüberstehenden Chorgestühl. Der polygon gehaltene Kanzelkorb ist mit einem vorkragenden Unterbau versehen auf dem vorgestell-ten Säulen an den Ecken stehen. Die spitzbogigen Nischen der Brüstungsfelder sind mit den Figuren der vier Evangelisten und ihren Symbolen von Wilhelm Engelhard ausgestattet worden (Abb. 31-34). Engelhard, der die gesamte figürliche Ausstattung, wohl auch an der Orgel und der Orgelbrüstung geliefert hat, war Bildhauer aber auch Porträtmaler. Obwohl seine Skulpturen aufgrund des Eichen-holzmaterials einen rustikalen Eindruck machen, gelang ihm trotz des schwierigen Materials, seinen Figuren sehr viel Individualität mitzugeben. Zudem beeindruckt die Formenvielfalt der fließend fal-lenden Gewänder, die sich nicht wiederholt. Taufstein / Opferstock / Kirchensitz (Chorgestühl) Zur Ausstattung aus Eichenholz gehört der mit einem Baldachin überdeckte Kirchensitz, der dem Winkel des Chorpolygons angepasst ist und die Bogendekoration des Kanzelaufgangs über-nimmt. Von kunsthandwerklichem Wert sind auch die eigens für den Konvent angefertigten Stühle auf der seitlichen Empore sowie das Gestühl im Kirchenschiff. Das bei der Erneuerung des 19. Jahrhun-derts aus Sandstein gefertigte Taufbecken (Abb. 35) und der Opferstock (Abb. 36) zeigen schließlich, dass zusammen mit der übrigen Ausstattung ein Gesamtkunstwerk geschaffen werden sollte.51 Abb. 37. Mariensee, Klosterkirche, Kirchensitz im Altarraum. Aufnahme: Carola Faber 201552 C.W. Hase und die Künstler, die an der neugotischen Ausstattung in Mariensee beteiligt waren. Bild Universitätsarchiv Hannover CONRAD WILHELM HASE, * 2.10.1818 in Einbeck, † 28.3.1902 in Hannover. Architekt, Studium: 1834–37 Polytechn. Schule Hann., 1838 Uni. Göttingen; 1838-39 Maurerlehre Hann.; 1840–42 Kunstakademie München bei F.v. Gaertner; 1842 Bauleitung für G.L.F. Laves Hann.; 1843–48 Baukondukteur bei der Kgl. Hann. Eisenbahndirektion; 1848–49 Wohnsitz in Loccum (Rest. d. Klos-terkirche); 1849–94 Lehrer der Baukunst an der Polytechn. Schule Hann. (seit 1880 Techn. Hochschu-le); 1852 Titel Bauinspektor; 1858 Titel Baurat; 1878 Titel Professor; 1882 Geh. Regierungsrat; 1863–97 nebenamtlicher Konsistorialbaumeister der ev. luth. Landeskirche Hann. 1888 Ehrenbürger der Städte Einbeck und Hildesheim. Hase war Begründer der Hannoverschen Architekturschule. 1860 gründete er die Niedersächsische Bauhütte Hann.; 1880 die Bauhütte zum weißen Blatt Hann.; Mit-gliedschaften in Vereinen, Akademien, Gelehrtenausschüssen. Einseitige Stilorientierung: 1848–52 Rundbogenstil, 1853–59 Neugotik mit unterschiedlichen Tenden-zen, 1859–1898 Neugotik des eigenen persönlichen Stils. Werke: Neubau von Kirchen und Kapellen in Backstein sowie in Hau- und Werkstein. Holzkirchen, Kirchenerweiterungen und Anbauten, Türme. Friedhofskapellen, Mausoleen, Grabbauten. Restaurie-rung von Kirchen. Restaurierung von Profanbauten. Schulbauten. Wohngebäude. Bahnhofsbauten. Hospitalbauten, Museumsbauten, Villen, Schlösser.69. In seiner 45jährigen Lehrtätigkeit unterrichtete er ca. 3500 Studenten des In- und Auslandes. 1860 gründete er die Niedersächsische Bauhütte Hanno-ver. Hase war einer der fleißigsten und kreativsten Baumeister und Architekten des 19. Jahrhunderts, der mit Unterstützung der Arbeiten seiner Schüler durch Schaffung unterschiedlichster Bauten, vom Wohnhaus über Schlösser, öffentliche Gebäude und Kirchen das Vorkriegs-Stadtbild Hannovers und anderer niedersächsischer Städte bis hin nach Hamburg nachhaltig prägte. 1848–49 wohnte er in Loc-cum, wo unter seiner Leitung bis 1854 die Klosterkirche restauriert wurde und danach eine große An-zahl weiterer Kirchenrestaurierungen und Neubauten folgte. Dabei waren zumeist historische Back-steinkirchen, darunter während der Arbeiten in Mariensee auch 1866–69 die Kirche des Damenstiftes Bassum. Hases Eintreten für eine allgemeingültige liturgische Gestaltung des evangelischen Kirchen-raums folgte der Ruf zur Mitarbeit an der Erstellung der Eisenacher Thesen.70 CARL WILHELM FRIEDRICH OESTERLEY, * 1805(6) in Göttingen, † 1891 in Hannover. Abitur am Gymnasium in Holzminden, Schüler bei Wilhelm Schadow an der Düsseldorfer Malerschule. Vertreter der Nazarenerkunst und anderer Richtungen. Oesterley malte nicht nur das Hauptbild in Mariensee, sondern auch Altarbilder für die Kirchen in Rosdorf bei Göttingen, Molzen bei Uelzen und Bad Iburg bei Osnabrück. Er ent-warf und erarbeitete die Kartons vieler Glasbildfenster für die Kirchen in Niedersachsen. Seine beiden Töchter wurden ebenfalls Malerinnen. 69 KOKKELING/LEMKE-KOKKELING 1998, S. 531–533 (Auswahl) 70 Das Eisenacher Regulativ bestimmte nachhaltig den Kirchenbau des 19. Jhs. Nach diesem Reglement sollten die Kirchen in einem romanischen Stil gebaut werden. Die Altäre sollten im Osten und die Eingänge im Westen sein. Das Regulativ bekam schon bald Risse z.B. nachdem die Kirchen in den Stadterweiterungsplänen nicht mehr unbedingt nach Osten, sondern vornehmlich nach dem Straßen- und Platzbild ausgerichtet wurden. Es folgte mit dem Wiesbadener Programm eine Rückkehr zum Kanzelaltar, dem traditionellen protestantischen Aufbau von Altar, Kanzel und Orgel an einer Wand. Hase lehnte das ab und ist dem nicht mehr gefolgt. 53 WILHELM ENGELHARD, * 1813 † 1902 in Hannover, war als Porträtmaler und Bildhauer in Hanno-ver tätig. In der Kunst gilt er als der große Unbekannte unter den Bildhauern der königlichen Residenzstadt. Er schuf die Kolossalstatue des Erzengels Michael für die Kuppel der Kadettenanstalt in Berlin, den Marktbrunnen und das Schillerdenkmal in Hannover sowie die Kanossasäule in Bad Harzburg. In Mariensee stehen seine unge-fassten Holzfiguren im Altarbild und der Kanzel. GEORG LUDWIG HURTZIG, *1812, † 1865 in Hannover, Vergolder, Bildhauer und Lehrer an der Polytechnischen Schule in Hannover. In Mariensee schuf er das Relief des Abendmahls. Er arbeitete den Böde-cker Engel auf dem Kirchröder Friedhof, das Standbild von Carl Maria von Weber auf dem Altan der Oper in Hannover und die Bronzebüste Heinrich Marschners. In den königlichen Gärten von Hannover finden sich seine historisierenden Standbilder von Otto das Kind und Kaiser Otto. FRIEDRICH BUHMANN, * 1875, † 1960, Bildhauer, Restaurator und Denkmalpfleger in Hannover, Vater von Christian Buhmann, ebenfalls in diesem Beruf tätig. In Mariensee fertigte Buhmann das Kreuz mit den Symbolen der Evangelisten, 1927–29 machte Buhmann mit der Restaurierung des dekorativen Gipsfußbo-dens in der Stiftskirche von Bassum auf sich aufmerksam. REINHOLD EBELING, tätig um 1900 bis etwa 1930 als Kirchenmaler, Restaurator und Konservator. Schüler von Prof. Hermann Schapers in Hannover. Ebeling unterhielt eine Werkstatt mit mehreren Mitarbeitern in Hannover und war einer der meistbeschäftigten Kirchenmaler in Niedersachsen. Er führte Restaurierungen einer ganzen Anzahl von mittelalterlichen Wandgemälden in der Provinz Hannover aus, so in der Nilolaikirche in Sulingen und an den Deckenmalereien der Kirche von Isernhagen. Auf Ebeling gehen die Farbfassungen des Kruzifixes und der fränkischen Madonna in Mariensee zurück. Bildteppiche - Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert Zu den neuzeitlichen künstlerischen Arbeiten, die im Kloster Mariensee geschaffen wurden, gehört eine inzwischen größere Anzahl von Bildteppichen mit biblischem Inhalt. Sie wurden in der handwerklichen Technik der Wienhausener Teppiche hergestellt. In der Vorstellung, dass einst auch im mittelalterlichen Mariensee die Nonnen ein solches Handwerk pflegten, ist in der Zeit der Äbtissin Barbara Bosse-Klahn nach 1980 diese Tradition wieder aufgenommen worden. Die Teppiche wurden nach historischen Vorlagen und nach modernen Entwürfen des Malers Erich Klahn in alter Kloster-Sticktechnik von den Konventualinnen angefertigt. Die besondere Technik des Klosterstichs liegt in der materialsparenden Stickweise, eine aus dem Mittelalter für das Klosterleben heraus wichtige Dis-ziplin sparsam mit wertvollen Ressourcen umzugehen. Unter anderen ist in der Kirche ein großer Wandteppich in Schlüssellochform zu sehen, der 1994/95 entstand und eine frühe Darstellung des Jüngsten Gerichts nach einem römischen Tafelbild des 11. Jahrhunderts zeigt. Abb. 38: Mariensee, Klosterkirche. Detail einer Stickerei nach historischem Muster. Foto: Carola Faber 201554 Die Kirche als Bedeutungsträger Zur Architekturikonologie der Klosterkirche Mariensee Unter Architekturikonologie versteht man die Deutung eines Baus aus seiner Form als Wider-spiegelung einer übergeordneten Idee. Für den Menschen ist der Bau oft Bild für etwas anderes. Dieses Andere zu erfassen, ist Ziel der Architekturikonologie. Mit ihr geschieht der Vorstoß in die überge-ordnete Idee des Baus. Der Bau wird als Selbstaussage und Bedeutungsträger gesehen.71 Mit Blick auf diesen Hintergrund haben die Verfasser in den einzelnen Kapiteln des ersten Bandes zuweilen bei der Beschreibung von Bauformen auf mögliche symbolische Bedeutungen verwiesen, auch wenn sich zumeist praktische Gründe für das Vorhandensein oder die Form eines Bauteils ergaben. Bedenkens-wert erscheint jedoch ein Verweis in einem der ersten Kirchenführer von Mariensee, herausgegeben von der Äbtissin Helly Wätjen (1970–1980), dass Bischof, Stifter und Konvent Mariensees einen Kirchbau beabsichtigten, der in seiner Großartigkeit jeden Vergleich mit den Gründungen der Zeit standhalten sollte. Wahrscheinlich ging dieser Vorsatz aus einer der 95 Schenkungsurkunden zurück, mit dem die Stiftung zum Wohle des Klosters Mariensees begründet wurde. Doch womit sollte dieses Ziel, dem Antrieb und Motiv des menschlichen Handelns erreicht werden? Größe und Gestalt des Bauwerks – sicherlich eindrucksvoll für den damaligen und auch heutigen Betrachter – konnten es aber nicht allein sein. Eine reiche und prunkvolle Ausstattung verbot sich von selbst, da eine Kirche der Zisterzienser nach den Vorgaben Bernhard von Clairvaux und den ständig erneuerten Beschlüssen des Generalkapi-tels in Citeaux sehr schlicht zu sein hatte. Skulpturen und farbige Fenster waren verboten; einzig ein Kreuz - zunächst nur mit aufgemaltem Corpus Christi - war im Chorbogen erlaubt. Die Nonnen von Mariensee, stets darum bemüht vom Generalkapitel in den Orden aufgenommen zu werden, haben sich sicherlich im vorauseilenden Gehorsam schon deshalb an die Vorschriften gehalten. Die tiefere Bedeutung der Bezeichnung Großartigkeit muss wahrscheinlich in der Architektur des Sakralgebäudes von Mariensee selbst gesucht werden, das nicht für die Aufgabe als Gemeindekir-che gedacht war. Die Kirche wurde als geistliches Zentrum sowie als Grablege der Herrschaft Wölpe errichtet und für einen Konvent, der beständig für das Seelenheil der Stifter betete. Dabei konzentrierte sich die Errichtung ausschließlich auf diese Aufgaben, was sich in der Gesamtgestaltung niederschlug. Ein Sakralraum mit absoluter Harmonie, bei dem jede Baugruppe und jedes Detail mit einem tiefern Sinn geschaffen wurde. Um sich diesem tieferen Sinn erschließen zu können, müssen wir uns in den Menschen des Hohen Mittelalters hineinversetzen, der sein Wissen zur Errichtung eines Sakralbaus stets mit christlicher Religiosität verband. In vielen Dingen tritt diese tiefe Gläubigkeit ganz offen zutage, Anderes bleibt für den flüchtigen Beschauer jedoch im Hause Gottes verborgen. Der genauere Blick hinter die Geheimnisse eines solchen Sakralbaus offenbart dann Zahlen und Symbole, die ihn aus dem Alltag herausheben sowie der besonderen Gunst und dem Schutz des Himmels unterstellen sollen. Dabei wird auch der Gedanke an die Vorstellung des Himmlischen Jerusalems lebendig. All-gemein verbindet sich die Bezeichnung des Himmlischen Jerusalems mit jeder Kirche, sei sie auch noch so einfach. Die Kirche als Ort der Gegenwart Christi im Altar sollte immer ein besonderer Raum für die Gläubigen sein. Nicht zuletzt deshalb schmückte man sie zu allen Zeiten, um dem Besucher neben der Last und dem Grau des Alltags, mit der Schönheit des Raumes einen Vorgeschmack auf das zu erwartende Jenseits zu geben. Diese Philosophie versteckte sich noch einmal im 19. Jahrhundert mit der Einbindung der Menschen in die Ständegesellschaft mit dem Herrscher von Gottes Gnaden an der Spitze. Auch aus diesem Grund war es ein Anliegen der Herrschenden dem einfachen Bürger zur Beruhigung und zum Festhalten an dieser gottgewollten Ordnung am Sonntag einen Kirchenraum zu bieten, der dem Himm-lischen Jerusalem nahe war. Die Kirchen erhielten eine reiche Kunstausstattung, die es später in solch aufwendiger Form nie wieder gegeben hat. Auch die künstlerisch hochwertige neugotische Ausstat-tung der Kirche von Mariensee ist mit dem Hintergrund von König, Volk und Vaterland geschaffen worden. 71 BERGER 1999, S. 223, 224. 55 Abb. 39: Bible moralisée. Gottvater vermisst die Welt. Um 1250. Wien, Österreichische Nationalbibliothek. Cod. 2554 fol. 1r In einer französischen Handschrift aus dem 13. Jahrhundert, der Bible moralisé, ist auf dem ersten Blatt Gottvater zu sehen, der sich hinunterbeugt, um mit einem Zirkel die Welt zu vermessen. Mit der linken Hand hält er das kosmische Rund, und mit der anderen Hand führt er einen Zirkelschenkel in dessen Zentrum, um den Kreis zu ziehen. Sonne, Mond sowie ein irreguläres, fraktal anmutendes Wol-kenband sind schon zu erkennen. Auffallend, dass der Künstler dieses Blattes bewusst einen Bodenzir-kel malte, so wie er damals für den Baubetrieb Verwendung fand. Dieser wurde übrigens in der zwei-ten Hälfte des 13. Jahrhunderts vom Stechzirkel abgelöst. Die präzise Kennzeichnung des Werkzeugs weist auf Gottvater, den Konstrukteur, den genialen Handwerker, der den Kosmos nicht einfach geschöpft, sondern geplant und berechnet hat. Das wich-tigste dieser Schöpfungsvorstellung aber ist deren Nachvollzug: Wenn Gott einen Plan für den Kos-mos entwarf, bevor er ihn erschuf, dann müsste der Mensch in der Lage sein, Bau und Konstruktion dieses Plans zu ergründen.72 Mit dem Rückblick auf das Mittelalter und seine der Mystik nahen Symbolik sollte das Bau-werk selbst zum Abbild des Himmels werden. In der Klosterkirche Mariensee ist der Schlüssel dazu die im Gebäude auffallend häufige Anwendung der Zahl Drei. Die Drei steht, wenn man sie als heilige Zahl ansieht, für die Trinität, die Dreieinigkeit oder die Dreifaltigkeit Gottes (Gottvater, Sohn und Heiliger Geist). Aus dieser Sicht öffnet Mariensee dem Betrachter seine ikonologische Seite. Die Stei-ne beginnen zu sprechen und die Klosterkirche wird zu einem historischen Dokument, das Vorstellun-gen über die Glaubenswelt zur Zeit ihrer Entstehung vermittelt. 72 KLUCKERT 2004: S. 448.56 Mit den Impulsen neuer Bauformen und dem Wissen über die technischen Möglichkeiten in der Anwendung des Spitzbogens kam im Mittelalter auch eine Ideologie des Bauens aus dem Westen Europas zu uns, die sich auf das Alte und Neue Testament der Bibel stützte. So wird der Apostel Pau-lus zitiert, der in einem seiner Briefe an die christliche Gemeinde von Korinth schreibt: Ich habe den Grund gelegt als weiser Baumeister, mögen andere darauf bauen. Mit diesem Leitmotiv wurde der gotische Stil nicht nur das Versetzen der Steine in neuen Formen zu einem Gesamtkunstwerk, sondern es war das Bauen am Hause Gottes an sich. Technisches Wissen befähigte die Baumeister zu bisher ungeahnten Leistungen. Dabei paarte sich Kreativität mit tiefer Frömmigkeit und schuf Werke der Architektur, deren Bedeutung uns heute kaum noch zugänglich ist. Vielleicht erahnen wir sie noch in ihrer so selbstverständlichen Harmonie. Der Baumeister der Klosterkirche zu Mariensee war mit allen handwerklichen Möglichkeiten vertraut und hatte, was die Verarbeitung vieler Einflüsse zeigt, ein allgemeines Wissen über die vor-handenen Kirchenbauten seiner Zeit. Seine Fähigkeiten als Mathematiker – er musste die Methoden der euklidischen Geometrie kennen – erfährt der Beobachter an der regelmäßigen Anwendung und Gestaltung von Quadrat, Dreieck, Vieleck, Kreis und Kreisteilen. Darüber hinaus gab der Meister sei-nem Bau über alle Zeit etwas mit, was eine genaue Kenntnis des Alten und Neuen Testamentes und der Interpretation ihrer Texte voraussetzte. Auf der Suche nach der Anwendung des hintergründigen Sinns biblischer Weisheiten erfahren wir, dass Gott im Mittelalter oft als Architekt, als Baumeister der Welt angesehen wurde (Abb. 39). Man zitierte König Salomon im Buch der Weisheit (11, 20): Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet. Denn Du bist immer imstande, Deine große Macht zu entfalten. So wurde der Kirchenbau zu einer Widerspiegelung der Machtentfaltung Gottes und göttlicher Gesetze, in deren Sinne sich uns auch die Klosterkirche Mariensee mit einer Fülle von Zahlensymbo-len offenbart. Vorstellbar ist dies am Bau im mittelalterlichen Zustand, in der Vollständigkeit seiner Fenster und mit der großen steinernen Nonnenempore im Inneren, die das Schiff zu 2/3 seiner Länge in zwei Etagen teilte. Der Grundriss der Klosterkirche zeigt die Vielzahl der ursprünglichen Fenster-öffnungen, die das Kirchenschiff ehemals hell und somit auch warm erscheinen ließen. Sie brachten eine enorme Lichtfülle in den östlichen und oberen Kirchenraum, während die Halle oder Unterkirche darunter nur im dämmrigen Licht stand. Die Maße der Klosterkirche sind uns heute in neuzeitlichen Metern bekannt: 32 m Länge, 9 m Breite und 16 m Höhe im Inneren. Doch zur Zeit der Erbauung gab es kein feststehendes Längenmaß, sondern jeder Werk- oder Baumeister baute nach einem individuellen Maß. Allgemein wurde als Maß-stab der Fuß oder der Schuh genannt, der zwischen 28 und 33 cm betragen konnte. Eine Bestimmung des am Marienseer Bau angewandten Fußmaßes, könnte sich durch Regelmäßigkeit aus dem einfachen Vielfachen der oben angegebenen Abmessungen ergeben. Abgesehen von der durch Clasen/Kiesow 1958 durchgeführten Vermessung der Apsis, fußen die Marienseer Abmessungen auf Literaturanga-ben, die zur Erhärtung solcher Thesen durch eine genaue Vermessung des Kirchenraums zu überprü-fen wären. Obwohl der Suchende zuweilen mit erheblichen Toleranzen am Bauwerk rechnen muss,73 ist in Mariensee jedoch offensichtlich eine auffallende Einheitlichkeit zu erkennen. Bei 32 Metern längs der Mitte des Kirchenraums ergäbe die Anwendung eines Fußmaßes von 32 cm eine Grundlinie von genau 100 Fuß. Die Höhe der Gewölbekuppel von 16 Metern beträgt um-gerechnet 50 Fuß und deutet auf ein berechnetes Raumverhältnis. Auch die anderen Bauglieder plante der Baumeister anscheinend nach diesem Fußmaß und lieferte seinen Maurern glatte, verständliche Arbeitsvorgaben. So ist der Scheitel des Gurtbogens 12.8 m = 40 Fuß, seine Spannweite am Kämpfer 8 m = 25 Fuß, die einzelnen Teile des Chorpolygons messen gleichmäßig 3.20 m = 10 Fuß und die Stärke des Mauerwerks ist größtenteils 1,30 m = 4 Fuß. Im Vergleich Länge zur Höhe der Kirche stellt sich das ideale Verhältnis von 2:1 ein. Gleichermaßen findet dieses Verhältnis beim Vergleich Höhe der Gewölbekuppel zur Breite des Gurtbogens mit 2:1 statt. Die innere Höhe der Kirche teilt sich in zwei Zonen auf. Die untere Mauerzone bis zu den Kämpfern nennt man den irdischen Teil und bezeichnet die von da aufgehende Gewölbezone den himmlischen Teil. In Mariensee überwiegt die Gewölbehöhe mit 28 Fuß erheblich gegenüber der Mauerzone, die nur 22 Fuß aufweist. Gegenüber der Abteikirche Marienfeld, wo die Aufteilung genau 73 Kirchenbauwerke im Bergischen Land, die um 1500 von ehemaligen Maurern der Kölner Dombauhütte vor-genommen wurden, weisen auffallend ungenau eingemessene Grundzüge auf.57 im Verhältnis 1:1 erfolgte, fällt diese Änderung auch optisch ins Gewicht. Die Münsterkirche Herfords zeigt ähnliche Verhältnisse in der Höhenaufteilung, was als Hinwendung zur Spiritualität gedeutet wird, gegen Macht und Wohlstand von Staat und Bürgertum. Mit dem größeren himmlischen Teil des Gewölbes sollte die Gottesstadt, die Wahrheit und Herrlichkeit Gottes und seines Reiches erschei-nen.74 In der Herforder Münsterkirche, die als eine um 1240 begonnene Bauleistung Marienfelder Mönche angesehen wird, findet sich die Zahl von 100 Fuß in der Grundlinie des Querhauses. Sie wur-de nach dem Polarstern ausgerichtet und ermöglichte somit geometrisch eine genaue Ostung des Kir-chenbauwerks. Dass man neben anderen heiligen Zahlen das Maß 100 sowohl in Herford als auch im älteren Mariensee findet, lässt vermuten, dass an beiden Orten die Bibel mit ihren diesbezüglichen Abschnitten zum richtungsweisenden Maßstab für den Kirchenbau wurde.75 Im Buch des Propheten Ezechiel (Hesekiel) ist in den Kapiteln 40–48 die Beschreibung der künftigen Gottesstadt nachzulesen. Während sich das Volk Israel noch in babylonischer Gefangen-schaft befindet, bekommt der Prophet im Traum den Auftrag, dass der Tempel Jerusalems nach detail-liertem Plan wieder errichtet werden soll. Im Kapitel 41, 13 heißt es: Er maß die Länge des Tempels: hundert Ellen, und der Hofraum mit jenem Gebäude und sei-nen Mauern war auch hundert Ellen lang. Einen weiteren Aufschluss gibt Kap. 42, 8: Die Länge der Kammern nach dem äußeren Vor-hof zu betrug 50 Ellen. Die Kammern sind die heiligen Kammern, in denen die Priester, die zum Herrn nahen, die hochheiligen Opfer essen. Hundert Fuß musste die Grundlinie lang sein, damit das theologisch-kosmologische Maß der ewigen Gottesstadt erfüllt wird. Mit der gleichfalls vorhandenen Zahl von 50 Fuß für die Höhe des Bauwerks entsprach die Klosterkirche Mariensee der Forderung, die an den Baumeister gestellt war: ein Bau zu sein, eingeordnet in die Hierarchie der sich im Erscheinenden abbildenden ewigen Wesen-heiten.76 Die genannten Maße von 100 und 50 Fuß werden dem Besucher der Kirche nicht offenkundig; denn vom Werkmeister war nicht beabsichtigt, das Maß-Werk der Kirche jedem zu vermitteln. Er war nur seinem Auftraggeber verpflichtet, alles nach der Ordnung des Seins zu planen und zu errichten. Die Klosterkirche Mariensee zeigt als Gesamtkunstwerk, dass diese Ordnung anscheinend auch später beibehalten wurde und sie in den geplanten Maßen des ersten Meisters vollendet worden ist. Die Zahlensymbolik der Klosterkirche Mariensee Neben den verborgenen Zahlen hält der Baumeister der Kirche für den Besucher viele sichtba-re Werte bereit. Er sucht den Eintretenden zu verwandeln, ihn zu integrieren und nimmt ihn in des Wortes Bedeutung herein in die geheiligte, geheilte und heilende Gotteswelt. Der Eingangsteil Mari-ensees war deshalb so gestaltet, dass ihm trotz seiner Schlichtheit hoher symbolischer Wert zukam. Die jetzt mit dem großen Pfeiler zugesetzte Fassade war ehemals mit sieben Fenstern aufge-gliedert, einem symbolischen Hinweis auf die sieben Tage der Woche, wobei die große Fensterrose in der Bedeutung des Sonntags als Wochenbeginn ganz oben an den Anfang gestellt war: Das ist der Tag des Herrn, an dem man die Messe besucht, wenn man es nicht auch in der Woche getan hat! Wer so die Sonntagspflicht erfüllt, betritt unter dem Segen des Herrn das Gotteshaus. In Mariensee betraten die Laien die Kirche durch das Nordportal. Mit dem Überschreiten der Schwelle des Portals verließen sie alles Böse der Welt und betraten geweihten, heiligen Boden. Die Nonnen nahmen den direkten Weg aus ihrer Klausur auf die Empore, die Priester hatten ihre eigene Pforte an der Nordseite des Ostjochs. Der Laieneingang öffnet sich auch heute mit einem Dreipass, der auf die Dreieinigkeit Gottes hinweist und den Eintritt in den sakralen Bau wie am Anfang eines Gebetes beginnen lässt: 77 Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Das noch in der katholischen Kirche übliche Eintauchen der Fingerspitzen in das am Portal dargebotene Weihwasser symbolisiert eine Waschung oder Reinigung beim Betreten des geweihten 74 MEUß 1989, S. 79f. 75 MEUß 1989, S. 89. 76 MEUß 1989, S. 89. 77 JUNGMANN 1960, III. Symbolik des Mittelalters, 1. Trinitärische Symbole.58 Raumes. Im mittelalterlichen Mariensee befand man sich nun im Halbdunkel der Unterkirche, die aus 18 kleinen quadratischen Gewölbejochen bestand, die wiederum von 12 Säulen oder Pfeilern getragen wurden. Die Zahl 18 wird in der Quersumme zur neun, was in der Allegorese einerseits auf die neun Sphären des Himmels hinweist, aber ebenso auf die Unterwelt, denn es gibt auch neun Kreise der Höl-le. So scheint sich der Besucher auf einem Scheideweg zu befinden, was mit der Teilung der Zahl 18 deutlich wird und daraus zweimal die Neun erscheint. So ist noch einmal das Irdische in die Kirche hereingenommen worden und ermöglicht hier die Entscheidung, entweder den Weg in die Finsternis zu nehmen oder den Heilsweg zum Himmel zu beschreiten. Vom Nordportal eröffnen sich beide We-ge, entweder nach Westen in die Dunkelheit oder nach Osten ins Helle, zur Schwelle des Triumphbo-gens. Aber auch der Weg zurück aus der Dunkelheit steht dem Besucher offen. Dieser führt, geleitet von den 12 Säulen der Kirche, den heiligen zwölf Aposteln, nach Osten zum Licht. Aus der dämmrigen niedrigen Halle wird das freie, hohe, lichtdurchflutete östliche Kirchen-joch erreicht. Von drei Seiten, den Fenstern des Altarraums und den Dreifenstergruppen des Raumes strömt Licht auf den Besucher, das symbolisch aus der Dreieinigkeit Gottes stammt und sich im Raum zur alles überstrahlenden Helligkeit vereinigt: Gott ist Licht! Den Raum mit quadratischer Grundform, gleichbedeutend mit der Erde, überspannt das hohe kuppelige Gewölbe aus acht Teilen, die im Zenith der Scheitelring vereinigt: Die Zahl Acht wurde als Addition der sieben Schöpfungstage und der Auferstehung Christi als Neuschöpfung des Menschen verstanden, mit denen Gott in die Weltformung eingegriffen hat.78 Der Kreis ist Symbol für den Himmel, der sich den Menschen öffnet und gleichzeitig ein Zei-chen des Neuen und Ewigen Bundes ist. Das Zeichen des Ringes erhebt das östliche Kirchenjoch zum Chor, einem Höhepunkt im Kirchenraum; Zahlensymbolik und Formen werden hier zur Programma-tik. Nach Osten, über dem Zugang zum Altarraum, schwebt Christus im Bogen als Triumphator am Kreuz. Auch der Weg durch den Triumphbogen unter dem Kreuz hindurch ist Heilsweg und eine symbolische Handlung; denn Christus sagt: Wer durch mich hindurchgeht, ist gerettet! Der Besucher hat zum Altar den beschriebenen Heilsweg zu beschreiten. Doch der Weg mahnt nicht und weist nicht zurecht, sondern geleitet den Gläubigen zum Heil und integriert ihn in die geheiligte Welt des Hauses Gottes. Der Altarraum ist eine vieleckige Apsis, das Allerheiligste der Kirche, dessen Betreten dem Laien ursprünglich verwehrt war. Entsprechend urchristlichem Verständnis ist sie nach Osten ausge-richtet, dem Aufgang der Sonne, der Quelle des Lichts. Es ist die Richtung des Paradieses und auch jene, in der die Wiederkunft Christi zu erwarten ist (2. Parusie)79. So wurde die aufgehende Sonne als die Vergegenwärtigung Christi gedeutet. Der Altar ist Stätte des Messopfers, symbolisch aber auch Grabstätte Christi und gleichzeitig der Ort seiner Auferstehung. Mariensees Altarraum ist ein Apsispolygon mit einer besonderen Bedeutung. Seine ausgeführ-ten fünf Seiten sollen zunächst an Maria, die Mutter Christi und Patronin der Kirche erinnern. Die Fenster in diesen fünf Seiten symbolisieren jedoch die fünf Wundmale Christi, womit wir dem Ge-heimnis dieses Chorpolygons in seiner Ableitung von einem Neuneck näherkommen. An dieser Stelle ist die Neun christozentrisch, also ganz auf die Person Christi bezogen. Sie steht bei ihm schon für die Geburt, denn die Quersumme seines Geburtstages am 24.12. ist die Neun. In der Allegorese Christi ist die Neun auch dreimal die Drei, die sich auf seinen Opfertod im 3. Monat seines 33. Lebensjahres bezieht. Die Neun allein ist dann die 9. Stunde, in der er sein Haupt neigte und starb. Die Zahl Neun steht auch hier wieder für Hölle und Himmel, indem er hinabstieg und am dritten Tage wieder aufer-standen ist, um gen Himmel zu fahren. Über dem Altarraum bildete der Baumeister ein achtteiliges Faltengewölbe als Zeichen der Neuschöpfung des Menschen durch die Auferstehung Christi. So hat der Erbauer die Kirche zu Mari-ensee nicht nur als seltenes Baukunstwerk geschaffen, sondern sie auch mit ihrer polygonalen Neun-eck-Apsis zu einem steinernen Abbild des christlichen Glaubensbekenntnisses werden lassen. Der Platz der Nonnen war hoch oben auf der großen Empore in der Kirche. Hier versammelten sie sich, abgeschieden von der Welt, dem Himmelreich nahe, wie die über sie gespannte hohe achttei-lige Gewölbekuppel symbolisch verhieß. Zusammen mit dem weiteren Gewölbe im Westen entstand 78 Berger 1999, Architekturikonologie, S. 223. 79 Parusie, griech. die erwartete Wiederkunft Christi zum Zeitpunkt des Jüngsten Gerichts.59 die Zahl Zwei, in der die Frauen Christus über sich sehen durften, der sie mit beiden Händen als seine Bräute schützte. Im mittleren Joch erhellten einst auf jeder Seite vier schlanke Fensterbahnen die Empore, wo-mit die Nonnen allen Lehrenden der Kirche nahe waren. Auf einer Seite standen symbolisch die Evan-gelisten des Neuen Testaments: Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Ihnen gegenüber die lateini-schen Kirchenväter: Ambrosius, Augustinus, Gregorius und Hieronymus. Sie hatten für die Zisterzien-ser eine besondere Bedeutung; man wollte sich in Theologie und Gottesdienst auf die altchristliche Zeit besinnen. In den Rundfenstern darüber war die Dreieinigkeit von Gottvater, Sohn und Heiliger Geist zu sehen, die symbolisch auch im Westjoch in den dreiteiligen Fenstern der Nord- und Westseite wiederkehrten. Auf dem nordwestlichen Mauerstützpfeiler der Kirche stand die Steinplastik eines Engels mit erhobenen Händen. Als Darstellung des Erzengels Michael hatte er die symbolische Aufgabe, das Haus und seine Menschen vor dem Unheil aus der Richtung der Nacht zu schützen.80 Greift man die Darstellungen von Kreuz, Agnus Dei und den Erzengel Michael als Wäch-terengel heraus und sieht sie ganz bewusst als wichtige Einzelheiten des Bauwerks, so erinnern sie an die Darstellungen, die im Zusammenhang mit dem Himmlischen Jerusalem in der bildenden Kunst der christlichen Kirche verwendet wurden. Zusammen mit dem biblischen Maßstab der Kirche, der großen Anzahl symbolischer Begriffe in der Architektur und der bewussten Abgrenzung der Nonnen auf ihrer Empore über dem Kirchensaal, erscheint die Klosterkirche Mariensee als ein steinernes Ab-bild des Himmlischen Jerusalems. Dieses Symbol vom himmlischen Jerusalem bekam dann, wie jüngst Hans Sedlmayr nachzuweisen versuchte, für die Kathedrale der Gotik eine ganz spezifische Bedeutung: Die Kathedrale wird nach dem Worte der Geheimen Offenbarung (21, 2—5) als die Him-melsstadt betrachtet, die sich auf diese Erde herabgelassen hat: An der Basis die starken Grundmauern, darüber das Gewölbe als Baldachin, der von leichten Säulchen — Diensten — getragen wird, dazu die in zahlreiche Fenster mit herrlichen Glasgemälden aufgelösten Wände, durch die gleichsam die „Herr-lichkeit Gottes“ als helles Licht (Geh. Offenbarung 21, 23) scheint. Der Blick auf die Ikonologie und Symbolik der Klosterkirche Mariensee kann das Verständnis für die Anlage des Bauwerks vertiefen, obwohl wir nicht sicher sein können, ob der mittelalterliche Baumeister seinen Sakralbau mit Absicht auch als Bedeutungsträger errichtete. Ein offensichtlicher Schlüssel dazu ist jedoch in der Wächterfigur des Erzengel Michaels zu sehen. Eine Reihe von Inter-pretationen gehen auf eine in der Kirche entstandene Allegorese81 zurück, die im Nachhinein Bedeu-tungen von bestimmten Dingen im biblischen Sinn aufzeigen sollen.82 Unter den zahlreichen Kirchen, die die Verfasser bisher untersuchten und beschrieben, ist die Klosterkirche Mariensee allerdings einer der ganz wenigen provenzalischen Sakralbauten, der eine solche Fülle von Zeichen in sich vereint. Auch wenn sie sich versachlichen lassen und zumeist auf erklärliche Gründe zurückgehen, sollte ihr tieferer Sinn nicht vergessen werden. Das Thema wird heute allgemein in Kirchenbeschreibungen kaum oder nur bruchstückhaft berührt oder man spürt die Abneigung der Autoren, auf dieses Kapitel mittelalterlicher Baukultur einzugehen. Möglicherweise verwehrt die säkulare Einstellung den Blick auf die einstmals tiefe Frömmigkeit, unter deren Einfluss die sakralen Bauten entstanden. Zwar wird eine symbolisch-mystische Thematik dem französischen Kathedralbau gern zuerkannt, doch eine länd-liche Kirche in unserer Region kann durchaus ebensolche Erscheinungen aufweisen, denn zu Beginn des 13. Jahrhunderts ist neben den technischen Neuerungen im Kirchenbau auch viel vom tieferen religiösen Sinn der Architektur aus Frankreich nach Deutschland gelangt. Am Beispiel Mariensees ist ersichtlich, dass Verknüpfungen jeglicher Art im Mittelalter dichter und ausgiebiger waren, als ge-meinhin angenommen wird. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, an einem mittelalterlichen Sakralbau wie Mariensee eine tiefgehende Symbolik aus Architektur und Licht in geradezu idealer Form vorzu-finden. 80 Der Wächterengel, möglicherweise schon eine Kopie aus dem 19. Jh. ist im Jahr 2005 als Exponat in die Klos-terausstellung übernommen worden. 81 Allegorese, (griechisch-lateinisch) Interpretation von Texten, nachträgliche Suche nach einem hintergründigen Sinn. 82 JUNGMANN 1960, III. Symbolik des Mittelalters, 10. Die Allegorese. SAUSER 1960.60 Gedruckte Quellen und Literatur ADAM/ALBRECHT 2009: Adam, Bernd/Albrecht,Thorsten, Christian Ludwig Ziegler (1748–1818) Kurhanno-versche Landbaumeister und Architekt von Kloster Medingen. Petersberg 2009. BACKES/FELDTKELLER 1962: Backes, Magnus/ Feldtkeller, Hans, Kunsthistorischer Wanderführer Hessen, Stuttgart-Zürich 1962. BEER 2005: Beer, Manuela, Triumphkreuze des Mittelalters – Ein Beitrag zu Typus und Genese im 12. und 13. Jahrhundert, Diss. 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