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Bildungswissenschaft en: das Kölner Modell von der Erprobung zur Implementierung LEHRERINNENBILDUNG GESTALTEN Hrsg. vom Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln Band 1 Wie die Schule so ist auch das Feld der (Aus-)Bildung von Lehrerinnen und Lehrern in Bewegung und in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess begriff en. Die Einsicht in die Heterogenität der Lernvoraussetzungen und Bildungsbedingungen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler ist gestiegen und erfordert eine Organisation der (Aus-)Bil-dung, die fachliche, fachdidaktische und bildungswissenschaft liche Wissensbestandtei-le stärker aufeinander bezieht und zu einem professionellen Habitus zusammenbinden lässt. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, die Praxisphasen als roten Faden über die Ausbildungsphasen hinweg zu gestalten und die Kooperation der unterschiedlichen Akteure der grundständigen Bildung, des Vorbereitungsdiensts und der Fortbildung zu stärken. Die seit langem bekannte Forderung nach einer gelingenden Th eorie-Praxis- Verzahnung ist in den letzten Jahren in eine neue Dynamik geraten und verlangt nach einem Ausbau wie auch neuen Akzentuierungen in der bildungswissenschaft lichen und fachdidaktischen Forschung, um Unterrichts- und Schulentwicklung zu begleiten und zu unterstützen. Die Reihe LEHRERINNENBILDUNG GESTALTEN setzt an diesem Entwicklungspro-zess an und präsentiert Beiträge, die die Herausforderung einer neuen und innovativen (Aus-)Bildung von Lehrerinnen und Lehrern aktiv aufgreifen und Impulse für deren weitere Entwicklung setzen. Dirk Rohr und Hans-Joachim Roth (Hrsg.) Bildungswissenschaft en: das Kölner Modell von der Erprobung zur Implementierung Waxmann 2012 Münster / New York / München / Berlin LEHRERINNENBILDUNG GESTALTEN, Band 1 ISSN 2194-8429 ISBN 978-3-8309-2721-1 © Waxmann Verlag GmbH, 2012 Postfach 8603, 48046 Münster Waxmann Publishing Co. P.O. Box 1318, New York, NY 10028, USA www.waxmann.com info@waxmann.com Umschlaggestaltung: Anne Breidenbach, Tübingen Satz: Stoddart Satz- und Layoutservice, Münster Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier, säurefrei gemäß ISO 9706 Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schrift liche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Bibliografi sche Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. 5 Inhalt Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 1. Das Modellkolleg ....................................................................................................... 9 1.1 Methode .................................................................................................................... 10 1.2 Konzeptdarstellung und Konzeptumsetzung ....................................................... 11 1.2.1 Die Leitidee ............................................................................................................... 11 1.2.2 Lernbereiche und Kompetenzen ............................................................................ 13 1.2.3 Schlüsselthemen ....................................................................................................... 13 1.3 Aufb au des Modellstudiums ................................................................................... 14 1.4 Lern- und Lehrorganisation ................................................................................... 16 1.4.1 Praxisorientierung ................................................................................................... 16 1.4.2 Forschendes Lernen ................................................................................................. 16 1.4.3 Problemorientiertes Lernen .................................................................................... 17 1.4.4 Teamarbeit und Supervision ................................................................................... 17 1.4.5 Refl exion und Reziprozität von Lehren und Lernen ........................................... 18 1.4.6 Pädagogischer Raum ............................................................................................... 18 1.4.7 Interdisziplinarität ................................................................................................... 19 1.4.8 Dokumentation, Evaluation und Qualifi kation ................................................... 19 Meike Kricke, Kersten Reich 2. Das Modul Erziehen ................................................................................................ 20 2.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 20 2.2 Inhalte – Was haben wir gemacht? Wie haben wir es gemacht?..................................................................................... 20 2.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 24 2.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 25 2.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 26 Ellen Aschermann, Heike Gerdes 3. Das Modul Beurteilen ............................................................................................. 28 3.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 28 3.2 Inhalte ........................................................................................................................ 28 3.2.1 Was haben wir gemacht? ......................................................................................... 29 3.2.2 Wie haben wir es gemacht?..................................................................................... 30 3.3 Rahmenbedingungen .............................................................................................. 32 3.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 32 3.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 33 Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 4. Das Modul Unterrichten ......................................................................................... 36 4.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 36 4.2 Inhalte ........................................................................................................................ 36 4.2.1 Was haben wir gemacht? ......................................................................................... 36 6 4.2.2 Wie haben wir es gemacht?..................................................................................... 38 4.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 39 4.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 39 4.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 40 Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 5. Das Modul Innovieren ............................................................................................ 42 5.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 42 5.2 Inhalte ........................................................................................................................ 43 5.2.1 Was haben wir gemacht? ......................................................................................... 43 5.2.2 Wie haben wir es gemacht?..................................................................................... 44 5.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 46 5.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 46 5.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 48 Jens Boenisch, Christian Huber 6. Das Modul Sonderpädagogische Grundlagen ..................................................... 49 6.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 49 6.2 Inhalte und Methodik ............................................................................................. 49 6.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 53 6.4 Fazit ............................................................................................................................ 54 6.5 Conclusio für die allgemeine Lehramtsausbildung ............................................. 55 Gerda Heck 7. Das Modul Soziale Intervention und Kommunikation ...................................... 57 7.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 57 7.2 Inhalte und Methodik ............................................................................................. 57 7.3 Forschungsaufgabe im Modul SIK ........................................................................ 59 7.4 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 59 7.5 Fazit und Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge .......... 60 Vasili Bachtsevanidis, Michael Becker-Mrotzek, Anne Drerup, Christoph Gantefort, Magdalena Michalak, Hans-Joachim Roth, Lotte Weinrich 8. Das Modul Deutsch als Zweitsprache ................................................................... 61 8.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 61 8.2 Inhalte ........................................................................................................................ 61 8.3 Struktur des DaZ-Moduls im Modellkolleg und seine Implementierung ........................................................................................... 64 Anke Langner, Kerstin Ziemen 9. Inklusion ................................................................................................................... 67 9.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 67 9.2 Inhalte ........................................................................................................................ 67 9.3 Rahmenbedingungen .............................................................................................. 68 9.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 68 9.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 69 Inhalt 7 Michaela Artmann, Magdalena Michalak, Dirk Rohr 10. Th eorie-Praxis-Bezug .............................................................................................. 70 10.1 Zum Th eorie-Praxis-Dilemma in der Lehrerausbildung ................................... 70 10.2 Instrumente zu Verstärkung des Th eorie-Praxis-Bezugs im Modellkolleg ...... 70 10.3 Refl exion der Umsetzung und Empfehlungen für die Implementierung ......... 72 Heike Gerdes, Daniel Konrath, Ellen Aschermann 11. Medienkompetenzen erweitern: Educasts ............................................................ 74 11.1 Was sind Educasts? .................................................................................................. 74 11.2 Ziele im Modellkolleg .............................................................................................. 74 11.3 Erfahrungen im Modellkolleg ................................................................................ 75 11.4 Good Practise: E-Learning-Implikationen und Implementierung in der Fakultät ...................................................................................................................... 76 11.5 Fazit ............................................................................................................................ 77 11.6 Ausblick ..................................................................................................................... 78 Kathrin Fußangel, Christoph Gantefort, Christian Huber 12. Interdisziplinarität ................................................................................................... 80 12.1 Ziele ........................................................................................................................... 80 12.2 Datenerhebung ......................................................................................................... 80 12.3 Beschreibung der Ergebnisse .................................................................................. 80 12.3.1 Ergebnisse der off enen Befragung: Interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des Modellkollegs .................................................... 81 12.3.2 Ergebnisse der off enen Befragung: Zusammenarbeit mit weiteren externen Fachpersonen .................................................................... 82 12.4 Fazit ............................................................................................................................ 83 Silke Kargl 13. Raumperspektiven ................................................................................................... 84 13.1 Ziele/Kompetenzen .................................................................................................. 84 13.2 Inhalte und Methodik ............................................................................................. 85 13.2.1 Inhalte ........................................................................................................................ 85 13.2.2 Methoden .................................................................................................................. 85 13.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 86 13.4 Fazit ............................................................................................................................ 87 Abbildungen ........................................................................................................................... 89 Vasili Bachtesvanidis, Hendrik den Ouden, Meike Kricke, Dirk Rohr 14. Hochschuldidaktische Aspekte .............................................................................. 91 14.1 Das Portfolio im Modellkolleg Bildungswissenschaft en .................................... 91 14.1.1 Aufgaben und Ziele des Portfolios ......................................................................... 91 14.1.2 Organisation ............................................................................................................. 93 14.1.3 Bewertung ................................................................................................................. 93 14.1.4 Evaluation der Portfolioarbeit ................................................................................ 93 14.2 Evaluation der persönlichen Entwicklungsgespräche ......................................... 95 14.3 Evaluation des Modellings ...................................................................................... 96 Inhalt 8 14.4 Team Teaching .......................................................................................................... 98 14.5 Bewährte Methoden in der Lehre .......................................................................... 99 Michaela Artmann, Christoph Gantefort, Petra Herzmann, Johannes König, Meike Kricke, Stefan Karduck, Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 15. Evaluation ............................................................................................................... 101 15.1 Struktur und Zielsetzungen .................................................................................. 101 15.2 Evaluationsdesign .................................................................................................. 101 15.3 Fragestellung ........................................................................................................... 104 15.4 Methodisches Vorgehen ........................................................................................ 106 15.4.1 Probanden ............................................................................................................... 106 15.4.2 Instrumente ............................................................................................................ 107 15.5 Ergebnisse ............................................................................................................... 109 15.5.1 Pädagogische Vorerfahrungen ............................................................................. 110 15.5.2 Ergebnisse zu Berufswahlmotiven und zur Allgemeinen Leistungsmotivation .............................................................................................. 111 15.5.3 Ergebnisse zum Vorwissen und zur Wissensentwicklung ................................ 113 15.5.4 Korrelative Befunde zu Voraussetzungen und Wissen ..................................... 113 15.5.5 Ergebnisse aus der Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartungen ........... 115 15.5.6 Ergebnisse der standardisierten Erhebung der Lerngelegenheiten ................. 116 15.5.7 Ergebnisse aus der Analyse der Portfolios .......................................................... 117 15.5.8 Erste Ergebnisse der Analyse des Th eorie-Praxis-Bezugs ................................ 119 15.5.9 Ergebnisse zum Bereich Deutsch als Zweitsprache ........................................... 122 15.6 Zusammenfassung und Diskussion ..................................................................... 124 15.7 Ausblick ................................................................................................................... 126 Dirk Rohr 16. Erste Erfahrungen der Implementierung: 40 Begleitveranstaltungen des Orientierungspraktikums ................................ 128 16.1 Lernergebnisse und Kompetenzen im Orientierungspraktikum .................... 129 16.2 Inhalte und Ziele .................................................................................................... 130 16.3 Anschlussstellen ..................................................................................................... 131 16.4 Lehrformen ............................................................................................................. 131 16.5 Zwischenfazit .......................................................................................................... 132 17. Literatur ................................................................................................................... 133 Autorinnen und Autoren .................................................................................................... 138 Inhalt 9 Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 1. Das Modellkolleg D as Modellkolleg Bildungswissenschaft en an der Universität zu Köln hatte zum Ziel, den Kernbereich eines bildungswissenschaft lichen Studiums für die neue Lehreraus-bildung ab 2011/2012 zu erproben. Im Vergleich zu den erziehungswissenschaft li-chen Studien in der ‚alten‘ Lehrerausbildung (bis SoSe 2011) ging das Konzept einen neuen Weg, indem die Inhalte ausgehend von den für die spätere Berufstätigkeit als Lehrkraft benötigten Kernkompetenzen entwickelt wurden. Orientierungsgrundlage waren die von der Kultusministerkonferenz formulier-ten vier Kernkompetenzen Erziehen, Beurteilen, Unterrichten und Innovieren. Im Rahmen der Laufzeit des Modellkollegs wurden strukturelle und curriculare Umset-zungsmöglichkeiten im Praxiskontakt erprobt und evaluiert, um zu prüfen, inwie-weit ein solches Modell tragfähig für die kommende Lehramtsausbildung ist. Dieses ‚Modell‘ des Modellkollegs wurde bereits von der Gutachtergruppe im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens der Neuen Lehramtsstudiengänge (Juni 2010) mehrfach positiv hervorgehoben. Im Modellkolleg wird zwischen den bildungswissenschaft lichen Basismodulen sowie den sogenannten Andockmodulen unterschieden; letztere wurden mit den Basismodulen in Beziehung gesetzt (‚angedockt‘) unterrichtet. Die genannten vier Kernkompetenzen studierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modellkol-legs in den Modulen aufeinander folgend semesterweise. Im ersten Semester Er-ziehen (WiSe 09/10), im zweiten Semester Beurteilen (SoSe 10), im dritten Unter-richten (WiSe 10/11) und im vierten „Innovieren“ (SoSe 11). Im Neuen Lehramt verteilen sich die bildungswissenschaft lichen Module über die gesamte Studienzeit. Das Modellkolleg hat den bildungswissenschaft lichen Anteil sozusagen im Zeitraf-fer vollzogen. Mit Bezug auf das neue Lehrerausbildungsgesetz wurden zusätzlich die Modu-le ‚Sonderpäd agogische Grundlagen‘ zur Vermittlung von Basiskompetenzen in son-derpädagogischen Förderschwerpunkten an Regelschulen und das Modul ‚Deutsch als Zweitsprache‘ zur Berücksichtigung der durch Einwanderung neu entstandenen gesellschaft lichen Mehrsprachigkeit in das Modellkolleg integriert (vgl. Ministeri-um für Schule und Weiterbildung, 2009, §§ 2,2 und 11,7). Der Aspekt der Diversität bzw. Heterogenität von Lernenden und Lehrenden hinsichtlich Geschlecht, Kultur, sozialer Lage und Behinderung fl oss zudem durch die Bereiche ‚Soziale Interven-tion und Kommunikation (Schulsozialarbeit)‘ und ‚Inklusion/Integration von Schü-lerinnen und Schülern mit Behinderungen‘ in das Modellkolleg ein. Das Andock-modul ‚Sonderpädagogische Grundlagen‘ ist zu einem gewissen Teil im WS 09/10 sowie im WS 10/11 vertiefend absolviert worden (s.u.). Das Andockmodul ‚Deutsch als Zweitsprache‘ ist im WS 09/10 als auch im SS 10 außerhalb des Modellkollegs erprobt worden und wurde im WS 10/11 als auch im SS 11 innerhalb des Modell-kollegs durchgeführt (s.w.u.). Das Andockmodul ‚Soziale Intervention und Kommu- Das Modellkolleg 10 nikation (Schulsozialarbeit)‘ ist im SS 10 absolviert worden (s.w.u.). Der Bereich ‚In-klusion/ Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen‘ ist – ihrem Inhalt entsprechend – kein Andockmodul, sondern als ‚roter Faden‘ in allen Modu-len beteiligt (s.w.u.). 1.1 Methode Das Modellkolleg hatte zum Ziel, Inhalte und Methoden bestmöglich kongruent zu gestalten, d.h. sowohl auf der Ebene des Lernens von Schülerinnen und Schülern als auch auf der Ebene des Lernens der Studierenden lag der Fokus auf folgenden vier Säulen: 1) eigenverantwortliches Lernen (eigene Ziele, Biografi sches Lernen, Empower-ment, strukturierte Selbstlernzeit, Portfolio) 2) kooperatives (Lehren und) Lernen (interdisziplinäres Team Teaching, Tutoren, Tandems und Triaden (Studierenden-Peergroups), systemisch-konstruktivistische Didaktik, Inklusion, Beziehungsgestaltung) 3) problembasiertes, forschendes Lernen (interdisziplinäres Team Teaching, fallori-entiert, pädagogische Kasuistik, Supervision) 4) refl exives Lernen (Supervision, Coaching, biografi sches Lernen, Tandems/Tria-den, Portfolio) Das Modellkolleg basierte – auf der Grundlage der Curriculumtheorie von Sten-house (1975) – auf keinem fertigen Curriculum, sondern auf Ideen und Prinzipien sowie einem strukturellen Entwurf, deren Umsetzung im Prozess von den Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern und den Studierenden ausgehandelt und stetig modifi ziert wurde. Dieser Prozess wird in der Humanwissenschaft lichen Fakultät fortgeführt; zentraler Ort ist die neu eingerichtete Studiengangskommission Neues Lehramt. Mit der Übernahme der Verantwortlichkeit für das neue Lehramtsstudium und das Prü-fungsamt durch Dr. Dirk Rohr besteht personelle Kontinuität. erziehen unterrichten beurteilen innovieren unterrichten beurteilen innovieren erziehen Modul DaZ sonderpäd. Grundlagen Soziale Inter-ventionen und Kommunikation Inklusion 1. 2. 3. 4. Die Module Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth Abb. 1: Die Module des Modellkollegs 11 Das Modellkolleg baute erfolgreich auf dem Engagement und den Interessen der Be-teiligten auf, tragfähige Elemente der (Teil-)Implementierung für die neue Lehramts-ausbildung in Köln zu schaff en. Um ein off enes Angebot hinsichtlich der Inhalte und der Beteiligten im Kolleg zu erreichen, bedurft e es einer genauen, organisatorischen Planung und Struktur. Im Modellkolleg studierten 16 Studierende aus dem Bereich Grund-, Haupt- und Realschule, 18 Studierende aus dem Bereich Gymnasium/Ge-samtschule und 22 Studierende der Sonderpädagogik ihren erziehungswissenschaft - lichen Anteil ihrer Lehramtsausbildung. Die Verknüpfung von Th eorie und Praxis war ein zentrales Element und bot über die Einbeziehung von 16 Partnerschulen im Raum Köln ein an der Praxis ausgerichtetes Studium mit einem Fokus auf das for-schende Lernen. Zugleich wurden – neben traditionellen – interdisziplinär und in-termodular organisierte Lehr-/Lernformen angewendet, die andere Lernräume ein-bezogen und die einen Schwerpunkt auf teambasierte Kleingruppen legten. Struktur, Berechnung und Kreditierung orientieren sich an den gültigen Bestimmungen für Bachelor-/Master-Studiengänge. 1.2 Konzeptdarstellung und Konzeptumsetzung 1.2.1 Die Leitidee Der Ausgangspunkt des Modellkollegs ist das normative Konzept eines professionel-len Habitus. Aus der Erfahrung der vier Semester hat sich bestätigt, dass es wich-tig ist, dass die angehende Lehrperson fähig ist, eigene Fähigkeiten, Ressourcen und Grenzen zu erkennen und diese zu refl ektieren sowie zu modifi zieren. Grundlegend dabei sind die beziehungsorientierte Arbeit, (Selbst-)Refl exion und der Blick auf die Förderung aller Lernerinnen und Lerner. Dieses Förderkonzept umfasst sowohl in- P r a x i s Bildungswissenschaften eigenverant-wortliches Lernen kooperatives Lernen reflexives Lernen problem-orientiertes Lernen Das Modellkolleg Abb. 2: Methode 12 haltliche als auch verhaltensfördernde Komponenten. Vor allem das Team-Teaching hat sich als sich bereichernd und fruchtbar erwiesen – ebenso wie die Modelling- Sitzungen (s.u.). Durch die Erfahrung gemeinsamer Seminargestaltung unter Betei-ligung von Lehrenden verschiedener Disziplinen sowie von Lehrkräft en haben die Studierenden verschiedene Perspektiven wahrnehmen und einnehmen können. Im Team konnten durch wechselseitige Beratung und Unterstützung Probleme bewäl-tigt werden. Kommunikation, Kooperation und Vernetzung sind die Basis dieses Denkens und Handelns. Diese drei Bausteine beziehen sich sowohl auf das Dreieck Studierende, Lehrende und Lehrerinnen und Lehrer in Bezug zur Lehre im Mo-dellkolleg als auch auf das Dreieck Schüler, Eltern und Kollegen in Bezug zum Lern-gegenstand. Hinzu kommt die Perspektive der ‚Vernetzung im Quartier‘. Die ange-henden Lehrerinnen und Lehrer sind in der Lage, die Diff erenzen (an-)zuerkennen und in ihre Lehr-/Lerntätigkeit einzubeziehen und an Erziehungs- und Bildungspro-zesse anzupassen. Dabei werden seitens der Lehrkräft e Diff erenzen der jeweiligen In-dividuen berücksichtigt, als auch auf der Ebene der Gruppe und der Gesellschaft . Diese Betrachtungs- bzw. Herangehensweise beinhaltet auch eine kritisch refl ektie-rende Betrachtung des Schulsystems, der Inklusions- und Exklusionstendenzen einer Gesellschaft sowie der Situation von Kindern und Jugendlichen in prekären Lebens-lagen. Die Orientierung und der Anspruch an einer „Bildung für alle“ wurden im Modellkolleg den angehenden Lehrerinnen und Lehrern durch Umsetzungsmöglich-keiten und mögliche Herangehensweisen seitens der beteiligten Schulen vor Augen geführt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modellkollegs haben einen diff e-renzierten und sensibilisierten Blick auf Erziehungs- und Bildungsprozesse und ha-ben begonnen, diese wissensbasiert kritisch zu refl ektieren. Der gemeinsame Refl exionshorizont dient als Grundvoraussetzung, um fachliche, pädagogische und didaktische Perspektiven zu vermitteln. Zu diesem integrierten Bewusstsein der angehenden Lehrerinnen und Lehrer ist die Wissensorganisation entscheidend. Im Modellkolleg lernten die Studierenden nicht nur, Wissen zu erar-beiten, sondern vor allem den Prozess des Wissensaufb aus bei sich und bei anderen zu begleiten und zu fördern. Nach den vier Semestern im Modellkolleg begreifen die Studierenden den Prozess des Wissens- und Kompetenzaufb aus als einen andauern-den Prozess. Sie haben erfahren, dass Wissen sich in einem an die Gesellschaft ange-passten steten Wandlungsprozess befi ndet. Zum einen sind sie Wissensbegleiter und zum anderen sind sie selbst gefordert, im Prozess des lebenslangen Lernen ihr Wis-sen zu refl ektieren und zu erweitern. Diese Notwendigkeit der Weiterbildung wurde im Modellkolleg deutlich. Dabei müssen Diff erenzen und soziale Ungleichheit in den pädagogischen Prozess integriert werden und Fragen der Bildung und Erziehung in den Focus genommen werden, die sich auf subjektive Sinnbildung und Bedeutungs-konstituierung auf der Basis von Dialog, Kommunikation und Kooperation fokussie-ren. Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 13 1.2.2 Lernbereiche und Kompetenzen Das Studium im Modellkolleg basiert auf der Grundlage der Refl exion, der Kompe-tenzorientierung und vor allem auf der Th eorie- und Praxisverzahnung. Kompetenz-orientierung Theorie/Praxis- Verzahnung Reflexion Grundlage Die Studierenden im Modellkolleg gingen vier Semester lang einmal die Woche in eine der kooperierenden Praxisschulen des Modellkollegs. Sie erhielten in den Prä-senzzeiten ganz konkrete Beobachtungs- und Arbeitsauft räge. In enger Kooperation mit den jeweiligen Schulen hatten sie die Möglichkeit, im Seminar erlernte Metho-den zu erproben, neue wissenschaft liche Perspektiven in ihre Beobachtungen einzu-beziehen und ihre gestellten (Forschungs-)Aufgaben zu erledigen und zu refl ektieren. Dabei waren die Studierenden auf eine gute Zusammenarbeit mit den Schulen ange-wiesen. Diese Zusammenarbeit hat sich über die vier Semester größtenteils für alle Beteiligten (Studierende, Lehrerinnen und Lehrer und Lehrende des Modellkollegs) als sehr lehrreich und „Gewinn bringend“ erwiesen. 1.2.3 Schlüsselthemen Den Kompetenzen stehen Schlüsselthemen gegenüber, die als allgemeine Perspekti-ven in Lernen und Unterricht eingehen: • Diversität bzw. Heterogenität hinsichtlich Geschlecht, Kultur, sozialer Lage, Behin-derung mit Blick auf Inklusion bzw. Integration • Unterrichts- und Schulentwicklung mit Blick auf Nachhaltigkeit in Qualität und Kommunikation • Diagnostik mit Blick auf individuelle Förderung und Beratung • pädagogischer Raum als sozialarchitektonische Gestaltungsaufgabe Das Modellkolleg Abb. 3: Grundlage des Modellkollegs 14 • Professionalisierung mit Blick auf die Verknüpfung von Erziehungswissenschaft , Fachdidaktik und Fachwissenschaft 1.3 Aufbau des Modellstudiums Das Modellstudium erstreckte sich über vier Semester; es begann im Wintersemester 2009/2010 und endete nach dem Sommersemester 2011. Die ersten beiden Module haben sich auf das Kompetenzprofi l von Absolven-tinnen und Absolventen eines zukünft igen Bachelorstudiengangs konzentriert – das heißt, die Module vermitteln die angezielten Kompetenzen in einer Weise, die den Studierenden auch einen Einstieg in einem außerschulischen Berufsfeld ermögli-chen. Sie umfassten daher schwerpunktmäßig die Kompetenzbereiche ‚Erziehen‘ und ‚Beurteilen‘. In dieser Phase des Studiums traten ‚Unterrichten‘ und ‚Innovieren‘ erst einmal als „Juniormodule“ hinzu. Im ersten Semester gab es eine Zweiteilung der Studierendengruppe in eine Mon-tags- und eine Donnerstagsgruppe. Die Inhalte der beiden Seminartage waren iden-tisch. Diese Unterteilung hatte den Vorteil, dass nur die Hälft e der Teilnehmer an einem Tag ins Seminar kam und verschiedene Lehr-/Lernformen leichter zu organi-sieren waren. Auch konnte schnell eine Beziehungsebene zwischen den Lehrkräft en und den Studierenden hergestellt werden, ebenso wie eine Beziehung der Studieren-den untereinander. Durch die kleinere Gruppenanzahl konnten die räumlichen Vor-aussetzungen optimal genutzt werden. Im zweiten Semester wurden die Studierendengruppen zusammengelegt. Diese Seminargestaltung brachte neue Herausforderungen mit sich, da sich die Studieren-denzahl verdoppelte und neue Strukturen für eine größere Gruppe geschaff en wer-den mussten (u.a. um so die spätere Studierenden-Lehrenden-Relation realistischer abbilden zu können). Es wurde ein Zeitmodell erstellt, welches gemeinsame Phasen im Plenum vor-sah und sowie Einheiten in denen die Studierenden alternierend im Haupt- und Ju-niormodul ‚unterrichtet‘ wurden. Hinzu kamen Selbstlernphasen, begleitet durch die im Modellkolleg (in Kooperation mit dem Zentrum für Hochschuldidaktik) ausge-bildeten Tutorinnen und Tutoren. Nach anfänglich geäußerten Bedenken ist diese Modellstruktur als ertragreich wahrgenommen worden. Eine derartige Umstruktu-rierung bedarf einer im Vorfeld gut organisierten Planung und eines großen Engage-ments. Durch den Einsatz von Tutorinnen und Tutoren sowie eine Verstärkung des Team-Teaching der Lehrenden ließ sich die verdoppelte Studierendenanzahl gut be-wältigen. Vor allem das Team-Teaching ist in den vier Semestern als sehr hilfreich, zumindest in der ersten Zeit intensiver hinsichtlich der benötigten Vorbereitungs-zeit, wahrgenommen worden. Aus Kapazitätsgründen wird in der Zukunft eine Im-plementierung des Team-Teaching nur in ausgewählten, kleineren Bereichen und bei entsprechend motivierten und ausgebildeten Lehrkräft en möglich sein. Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 15 Im zweiten Semester der Modellkolleglaufzeit ist die Anzahl der kooperierenden Praxisschulen von 11 auf 16 gestiegen. Damit kann den Studierenden eine noch grö-ßere Auswahlmöglichkeit an Praxisschulen und eine damit verbundene größere Di-versität an Schulformen geboten werden. Im dritten Semester wurde die Modellstruktur wieder auf zwei Seminartage ge-teilt, sodass die Studierenden wie bereits im ersten Semester aus zwei Gruppen be-standen. Der Einsatz von Tutorinnen und Tutoren hat sich als sehr bereichernd he-rausgestellt und wurde in allen Semestern – in einer jeweils etwas anderen Form – weitergeführt. Die Struktur des vierten Semesters wurde durch die Methode des Planspiels festgelegt. Auch hier gab es zwei Studierendengruppen. Im Modellstudium wurde der pädagogische Fokus von Semester zu Semester vergrö-ßert: Im ersten vom individuellen Einzelfall, im zweiten Semester einer Kleingruppe von Schülerinnen und Schülern, im dritten dann der Schulklasse bis hin zum vierten Semester, in dem die gesamte Schule samt Schulträger, Eltern etc. fokussiert wurden. Eingangsphase/Blitzlicht Aufteilung/Ablauf (60 Studierende in Raum S 182) Modul/Tutorien/Selbstlernzeit/extra Module (z.B. Erziehen) Modul/Tutorien/Selbstlernzeit/extra Module (z.B. Erziehen) Pause Pause Pause Uhrzeit Andockmodul (Gruppe B) (25 Studierende in Raum 234) Modul (Gruppe B) (25 Studierende in Raum 234) 12.00 - 12.30 12.30 - 14.00 14.00 - 15.00 15.00 - 16.30 16.30 - 17.00 17.00 - 17.45 17.45 - 18.15 18.15 - 19.00 Modul (Gruppe A) (35 Studierende in Raum S 192) Andockmodul (Gruppe A) (35 Studierende in Raum S 192) 2 x 15 90 60 90 30 45 30 45 Dauer Gesamtzeit/Stunden Lehr-Lern-Zeit: 5 Stunden Abb. 4: Beispiel eines Zeitmodells Das Modellkolleg 16 1.4 Lern- und Lehrorganisation 1.4.1 Praxisorientierung Das Modellkolleg Bildungswissenschaft en arbeitete mit Schulen in der Region zu-sammen, die sich zum einen dem zu Beginn skizzierten Leitbild verpfl ichtet füh-len und sich zum anderen über innovative Projekte einen Namen gemacht haben. Es wurde dabei an bestehende Kontakte und Kooperationen aus unterschiedlichen Lehr- und Forschungskontexten angeknüpft . Darüber hinaus haben im Laufe der ersten zwei Semester weitere Schulen ihr Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt und wurden als Kooperationsschulen einbezogen. Insgesamt waren 16 Schulen im Modellkolleg verankert. Es herrscht – wie gewünscht – eine große Vielfalt an un-terschiedlichen Schulformen und Schulkonzepten. Durch die enge Verzahnung von Th eorie und Praxis sind nur Schulen aufgenommen worden, von denen ein ernsthaf-tes Engagement für das Modellkolleg und die damit verbundenen Wege der Lehr-amtsausbildung erwartet werden konnte und die bereit waren, Betreuungskapazitä-ten für die Studierenden des Kollegs bereitzustellen. Die Studierenden hatten die Möglichkeit, ihre Praktika in den Partnerschulen zu erbringen. Sie gingen regelmäßig einmal die Woche in ihre ausgewählte Prakti-kumsschule und führten dort ihre im Seminar erarbeiteten Beobachtungs- und Ar-beitsauft räge durch. Dabei standen sie in engem Austausch und Kontakt mit den be-treuenden Lehrpersonen und ihren Mentorinnen oder Mentoren an der jeweiligen Schule. Die Kooperationsschulen wurden regelmäßig ins Seminar eingeladen. Dar-über hinaus konnten die Praxisschulen auch an Workshops, Vorträgen und ande-ren im Kontext des Modellkollegs angebotenen Veranstaltungen teilnehmen. Ab dem dritten Semester wurde auch die inhaltliche Semesterplanung noch stärker als in den ersten zwei Semestern mit den Kooperationsschulen geplant und abgestimmt. Die Studierenden haben innerhalb der vier Semester jeweils zwei Kooperationsschulen kennen gelernt. Die Erfahrungen zeigen, dass es von großem Vorteil ist, auch ande-re Schulformen als das gewählte Lehramt zu erkunden. Drei Studierende haben ihr Lehramtsstudium aufgrund der Praktikumserfahrungen gezielt gewechselt und sich für die Ausbildung auf eine andere Schulform hin entschieden. 1.4.2 Forschendes Lernen Das Modellstudium sah sich dem Gedanken des forschenden Lernens verpfl ichtet. Daher verdichtete sich die Arbeit der Studierenden im dritten und vierten Semes-ter auf konkrete Forschungsbezüge hin. Die Studierenden haben sich dazu zu For-schungsteams zusammengeschlossen und konnten in Kooperation mit den betei-ligten Partnerschulen oder in Kooperation mit laufenden Forschungsprojekten der beteiligten Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft ler eigene Projekte durchführen. Hierdurch sollte gewährleistet werden, dass die Ergebnisse der Arbeit zu einer Ver-netzung zwischen Schule, Schulentwicklung und Forschung beitragen. Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 17 Im September 2010 waren 29 Studierende und vier Lehrende des Modellkollegs Bildungswissenschaft en in Joensuu, um auf einer zehntägigen Exkursion das fi nni-sche Schulsystem und die dortige Lehrerbildung zu „erforschen“. Diese Exkursion wurde vom DAAD gefördert. Jeder Studierende überlegte sich vor Abreise eine ei-gene Forschungsfrage, mit der sie oder er sich während des Aufenthaltes beschäft igt. Dabei wurden eigene Vorgehensweisen in der Durchführung des jeweiligen Projekts sowie seiner späteren Präsentation gewählt. Die individuellen Forschungsschwer-punkte wurden im Portfolio der Studierenden dokumentiert und dienten einigen als Grundlage für weitere Projekte (z.B. Examensarbeit). 1.4.3 Problemorientiertes Lernen Ausgangspunkt des Lernens sind reale ‚Probleme‘ aus der Praxis (der Kooperations-schulen). In Kleingruppenarbeit wurden die Problem- bzw. Fallstrukturen analysiert und didaktische Überlegungen formuliert. Relevante Th eorien wurden hinzugezogen und auf ihre Erklärungskraft hin befragt. Methoden wurden mit den Lehrerinnen und Lehrern geplant und in ihrer Wirkweise beobachtet. Die Ergebnisse und Prob-lemlösungen wurden gemeinsam refl ektiert und diskutiert. Die Studiengruppen arbeiteten an selbst gewählten Th emen, die sie aus den Pra-xiskontakten entwickelt hatten. Im ersten Semester wurde das Th ema individuelle Förderung mit einem Fokus auf dem Projekt „Fördern statt Sitzenbleiben“ für den Beginn von Seiten des Teams der Lehrenden vorbereitet; im zweiten Semester wurde – und den folgenden Semestern ebenfalls – die thematische Fokussierung von den Lerngruppen jeweils neu festgelegt. 1.4.4 Teamarbeit und Supervision Das Modellkolleg legte ein Augenmerk auf gelingende Teamentwicklung: Vom ersten Seme ster an arbeiteten die Studiengruppen auch in Kleingruppen. Seit dem zweiten Semester wurden diese Selbstlern- und Kleingruppenphasen durch Tutorinnen und Tutoren inhaltlich und methodisch unterstützt. Die Tutorinnen und Tutoren wieder-um wurden durch spezifi sche Train-the-Tutor-Kurse vorbereitet und begleitet. Sie er-hielten sogenannte Briefi ngs und wurden rechtzeitig in die Th ematik eingeführt und auf ihre Tutorien vorbereitet. Die Lehrenden demonstrierten Teamorientierung z.B. durch Team Teaching, kollegiale Hospitationen, partizipative Evaluation und über die Beziehung zu den Studierenden. Sowohl die Studierenden als auch die Lehren-den profi tierten von den gemeinsamen Lehr-/Lernphasen. Auch unter den Studie-renden wurde kollegiale Fallberatung angeboten und durchgeführt. Die Studierenden konnten an einer wöchentlichen Veranstaltung ‚Th eorie und Praxis der Supervisi-on teilnehmen. Für die Lehrenden wurde ein Supervisionsangebot vorgehalten, das einmal monatlich als freiwilliges Angebot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stattfand. Das Modellkolleg 18 1.4.5 Refl exion und Reziprozität von Lehren und Lernen Das Modellkolleg verstand sich als gemeinsames Projekt der Beteiligten: Das bedeu-tete Lehren, Lernen und Beraten als wechselseitigen Prozess unter gleichen Bedin-gungen zu begreifen. Institutionelle Bedingung hierfür war ein regelmäßiges Plenum, bei dem alle Beteiligten Rederecht und Stimme haben. In den ersten zwei Semes-tern haben sich unterschiedliche Teamsitzungen als sinnvoll bewährt und durchge-setzt. Es gab ein wöchentliches „Orga-Team“ (Geschäft sführung, Sekretariat, SHKs), zweiwöchentliche „Kleinteams“ mit allen Juniorprofessor(inn)en, wissenschaft lichen Mitarbeiter(inn)en und Hilfskräft en, wo organisatorische Fragen, aktuelle Th emen und anstehende Termine geplant und strukturiert werden. Darüber hinaus gab es monatliche „Großteams“, an dem alle Lehrenden beteiligt waren, inhaltlich diskutier-ten, Probleme besprachen sowie curriculare und strukturelle Entscheidungen trafen. Hierüber hinaus gab es monatliche „Plenen“, zu denen neben den genannten auch alle Studierenden und alle Lehrerinnen und Lehrer eingeladen werden. Diese Orga-nisations- und Sitzungskultur ermöglichte strukturierte Diskussionsplattformen. Zwischen den Semestern waren Workshops, Summerschools und gemeinsame Refl exionsphasen angesiedelt, in denen das neue Wissen, die Praxiserfahrungen und die erworbenen Kompetenzen interdisziplinär gebündelt und refl ektiert wurden. Da-bei wurde zum Teil auf die Methode des Refl ecting Teams zurückgegriff en. Die Re-fl exionsphasen werden in Form von Kompaktveranstaltungen organisiert. Zwischen den Semestern gab es eine zweitägige Klausurtagung, die zu Refl exion diente und zur Diskussion und Planung der kommenden Semester genutzt wurde. 1.4.6 Pädagogischer Raum Das Modellstudium zielte auch darauf, über die Universität als Lehr-/Lernraum par-tiell hinauszugehen und andere Lernorte einzubeziehen: • die beteiligten Partnerschulen, • eine Unterrichtsmitschau im Gebäude der Hochschule, • ein eigener Arbeits- und Studienraum, • ein eigener Seminarraum mit Möglichkeiten fl exibler Nutzung. Weiterhin wurden – in Kooperation mit dem an der Humanwissenschaft lichen Fa-kultät angesiedelten studentischen BildungsRaumProjekt school is open – neue Lern-räume experimentell erprobt und auf ihre Bildungsmöglichkeiten hin untersucht (und bewertet). Dafür war das Modellkolleg im regelmäßigen Kontakt mit den Betei-ligten von school is open. Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 19 1.4.7 Interdisziplinarität Alle Veranstaltungen waren interdisziplinär angelegt. Das wurde z.B. durch die ge-meinsame Organisation und Durchführung von Lehrveranstaltungen durch Lehren-de verschiedener Bezugsdisziplinen, in Kooperation mit den Studierenden und/oder die Einbeziehung von Lehrkräft en aus den beteiligten Partnerschulen umgesetzt. Die Studierenden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Kooperationsschulen des Modellkollegs profi tierten von der Perspektivenvielfalt der Beteiligten. 1.4.8 Dokumentation, Evaluation und Qualifi kation Die Studierenden dokumentierten ihren Lernprozess hinsichtlich des Wissens- und Kompetenzerwerbs anhand eines Portfolios, das über alle vier Semester geführt wur-de. Bestandteil des Portfolios sind verwendete Materialien, Projektbeschreibungen, eigene wissenschaft liche Texte und Fallstudien. Die Studierenden hatten aus den Rei-hen aller Lehrenden Mentorinnen und Mentoren, mit denen sie in regelmäßigen Ab-ständen die Portfolios in sogenannten Persönlichen Entwicklungsgesprächen (PEGs) besprochen haben. Ein Beispiel-Portfolio befi ndet sich im Anhang.1 Die Studierenden hatten auch die Möglichkeit, im Rahmen ihrer konkreten For-schungsprojekte ihre Staatsexamensarbeiten vorzubereiten oder Th emen für andere Prüfungsteile zu generieren. Grundlage dafür konnte bzw. kann das Portfolio sein. Neben den studienbezogenen Qualifi kationen wurden weitere Angebote gemacht, zum Beispiel zum Schreiben englischer Texte, zu Forschungsmethoden oder Unter-richtsmethoden. Der enge Kontakt der Studierenden zu den Lehrenden gewährleistete fachkompe-tente und kontinuierliche Studienberatung und ermöglichte eine höhere Verbindlich-keit der Lehrenden gegenüber den Studierenden sowie der Studierenden gegenüber den beteiligten Disziplinen. Diese Beratungsmöglichkeit wurde im ersten und zwei-ten Semester vielfach von den Studierenden genutzt. Die beteiligten Lehrenden ste-hen nun für Betreuung von Abschlussarbeiten und Prüfungen zur Verfügung. 1 Der Anhang ist unter www.waxmann.com/buch2721 herunterladbar. Das Modellkolleg 20 Meike Kricke, Kersten Reich 2. Das Modul Erziehen 2.1 Ziele und Kompetenzen Das Modul Erziehen verstand sich im Modellkolleg Bildungswissenschaft en als Fun-dament einer fördernden Beziehungsarbeit. Dabei wurden folgende schulformüber-greifende Kompetenzen angestrebt: • Pädagogische und sozialwissenschaft liche Grundbegriff e und Handlungsfelder systematisch vor allem in historischen, kulturellen, sozialen Kontexten erläutern können • Bedeutung von Beziehungen und Fördern in Lern- und Lehrprozessen erfahren und wahrnehmungssensibel werden für Interaktionen • Interaktion als Schlüsselverhältnis in pädagogischen Prozessen erfahren • Zentrale Grundlagen der Erziehungs-, Bildungs-, und Sozialisationstheorien auf (außer-)schulische Situationen beziehen und kritisch refl ektieren • „LehrerIn sein“ und „new learning“: Lehrerinnen und Lehrer als Ermöglicher, För-derer, Begleiter in einer sich stets wandelnden Lebenswirklichkeit (Diversität) be-gründen • Förderung der kommunikativen und interaktiven Kompetenzen (Kommunikation, Moderation, Beratung, Konfl iktprävention, Förderung) • Refl exion und Weiterentwicklung der eigenen Haltungen und Wertevorstellungen auf Grundlage der eigenen Motivation und Biografi e • Entwicklung eines systemischen Verständnisses von Erziehung, Beratung und Kommunikation 2.2 Inhalte – Was haben wir gemacht? Wie haben wir es gemacht? Die Inhalte des Moduls Erziehen basieren auf • den Bildungsstandards der KMK vom 16.12.2004 für den Kompetenzbereich Er-ziehen, • den Wünschen der Studierenden, die in der ersten Sitzung aufgenommen wurden, • den Zielvorstellungen der Modulverantwortlichen, die aus einer systemisch-kons-truktivistischen Sichtweise argumentieren, • Grundlagen der fi nnischen Lehrerbildung, in der die modularisierte Lehrerbil-dung bereits seit 2005 erfolgreich praktiziert wird und ein Beziehungslernen im Mittelpunkt steht. Meike Kricke, Kersten Reich 21 Daraus ergaben sich die im Folgenden dargestellten Inhalte und Ziele:1 Thema der Sitzung Ziele Übergreifende Kompetenzen Organisation/ Portfolio „Meine Motivation zum Lehramtsstudium“/ „Meine erste Arbeits-theorie“ Studierende werden sich ihrer Vorer-fahrungen und Haltungen im pädago-gischen Bereich bewusst und tau-schen sich darüber untereinander aus. Re exion und Weiterentwicklung der eigenen Haltungen und Wertevorstellungen auf Grund-lage der eigenen Motivation und Biogra e Kennenlernen Erziehungswissen-schaftlicher Grundbe-griffe und Arbeitsfelder der Erziehungswissen-schaft Die Studierenden erhalten in aktiver Auseinandersetzung Gelegenheit, die anderen und sich im Blick auf das Lehramtsstudium zu erfahren. Sie lernen für sie und für die Wissenschaft relevante Grundbegriffe kennen und erwerben die Fähigkeit, diese darzu-stellen und zu erläutern. Zentrale Grundlagen der Erzie-hungswissenschaften und So-zialisationstheorien auf (außer-) schulische Situationen beziehen und re ektieren Wirklichkeitskonstruk-tionen und der Sinn von Förderung (growth) in pädagogi-schen Prozessen Die Studierenden erfahren unter-schiedliche Wirklichkeitskonstruktio-nen in der Wahrnehmung und Inter-pretation pädagogischer Ereignisse. Förderung wird als das bedeutsamste pädagogische Ziel der Gegenwart rekonstruiert. Sie erkennen die Be-deutung von Multiperspektivität im pädagogischen Handeln und unter-scheiden verschiedene Wege und Ergebnisse der Förderung von Lernen in pädagogischen Situationen. Kritische Re exion der eigenen Haltungen und Wertevorstellun-gen Fallstudien I – eine Einführung und Portfolio-Re exion Die Studierenden formulieren erste Beobachtungen aus der Schulpraxis. Sie lernen die Methode der Einzel-fallstudie als wissenschaftliches Er-kenntnisinstrument in der qualitativen Sozialforschung und als didaktisches Ausbildungsinstrument in der Lehr-amtsausbildung kennen und führen erste Interpretationen durch. Dabei wenden sie den Labeling-Approach- Ansatz an. Die Lehrperson als „ForscherIn“: Verzahnung von konkreten Pra-xisbeispielen und wissenschaft-lichen Theorien („Forschendes Lernen“) Wandel der Lehr-/ Lernkulturen und des Lehrerbildes Der Wandel der Lehr- und Lernkultu-ren wird am Beispiel des Lehrerberu-fes diskutiert und auf eigene Erfah-rungen bezogen. Ein professionelles Verständnis des Lehrerberufes als Ermöglicher(in), Förderer/in, Begleiter/ in und Helfer/in wird erarbeitet („new learning“). „LehrerIn sein“ und „new learning“: Lehrerinnen und Lehrer als Ermöglicher, Förderer, Begleiter in einer sich stets wan-delnden Lebenswirklichkeit 1 Eine ausführliche Dokumentation aller Materialien zu den Einzelsitzungen fi nden sich unter: http://www.hf.uni-koeln.de/33814 (Datum des Abrufs: 10.12.2011). Das Modul Erziehen 22 Interaktion Interaktion wird als pädagogisches Schlüsselverhältnis verstanden und auf eigene Wirklichkeitskonstruktio-nen bezogen. Es werden äußere und innere Interaktionsformen erörtert und auf pädagogische Kon iktfälle konkret angewandt. Darüber hinaus erhalten die Studie-renden einen Überblick über den gesellschaftlichen Wandel der Interak-tionstheorie Interaktive und kommunikative Kompetenzen als Ressource für professionelles Erziehungshan-deln fördern Kon iktpräventions- und -lö-sungsstrategien kennenlernen Interaktion als Schlüsselverhält-nis in pädagogischen Prozessen erfahren Kommunikation Die Studierenden lernen Elemente der Selbstkundgabe und Selbstwahrneh-mung sowie grundlegende Aspekte der Körpersprache vor allem bezogen auf ihre Rolle als Lehrerin/Lehrer kennen. Sie erarbeiten und erproben Interaktionen im Rahmen des Mo-dells der Transaktionsanalyse von E. Berne. Erwerb von Grundwissen zur Gestaltung von Kommunikation, Beratung und Förderung zur Kompensationen von Benachtei-ligungen im Bildungssystem Fallstudien II Die Studierenden arbeiten mit ihren ersten Beobachtungen zu ihrem Fall (ihrer Schülerin/ihrem Schüler). Sie erarbeiten einen Gesprächsleitfaden für ein Interview mit ihrem Fall. Die Studierenden lernen altersbezo-gene Sozialisationsstufen und Aspek-te außerschulischer Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen kennen. Die Studierenden beschäftigen sich mit Erklärungen und Einstellungen von Lehrpersonen und deren Wahr-nehmung von Schülerleistungen und -verhalten. Zentrale Grundlagen der Erzie-hungswissenschaften und So-zialisationstheorien auf (außer-) schulische Situationen beziehen und re ektieren Förderung von Diagnostik im Hinblick auf individuelle Förde-rung „Forschendes Lernen“ Lerntheorien und Classroom-Manage-ment Klassenführung Die Studierenden kennen wichtige Dimensionen effektiver Klassenfüh-rung zur Vermeidung von Unterrichts-störungen. Klassenraumgestaltung Die Studierenden kennen relevante Aspekte bei der Klassenraumgestal-tung und können diese in einem kon-kreten Fall umsetzen. Verhaltensmodi kation Die Studierenden wissen, wie Bedin-gungsfaktoren von unerwünschtem Verhalten im Unterricht systematisch analysiert werden können und wie erwünschtes Verhalten aufgebaut wer-den kann. Sie können dieses Wissen auf einen konkreten Fall anwenden. Kon iktpräventions- und -lö-sungsstrategien kennenlernen Umgang mit Heterogenität und Diversität in einer sich wandeln-den Lebenswirklichkeit Interaktion als Schlüsselverhält-nis in pädagogischen Prozessen erfahren Meike Kricke, Kersten Reich 23 „Beziehungen“: Initi-ieren, Begleiten, Auf-bauen (Modelling: alle Modul-beauftragten analysie-ren eine Fallbeschrei-bung aus unterschiedli-chen Perspektiven) Anhand einer Fallbeschreibung wird eine pädagogische Situation bezüglich ihrer Ressourcen und Lö-sungspotenziale aus verschiedenen Perspektiven analysiert und re ektiert. Dabei werden besonders Aspekte der Präsenz der Erzieher- und Förderrolle vertiefend erarbeitet und nach ihrer Wirksamkeit beurteilt. Beispiele für eine effektive Bezie-hungs- und Förderarbeit werden do-kumentiert. Anhand der Fallbeschreibung erhalten die Studierenden ein Exempel, wie ihre Fallbeschreibung im Portfolio dokumentiert werden kann. Zentrale Grundlagen der Erzie-hungswissenschaften und So-zialisationstheorien auf (außer-) schulische Situationen beziehen und re ektieren Bedeutung von Beziehungen und Fördern in Lern- und Lehr-prozessen erfahren und wahr-nehmungssensibel werden für Interaktionen Förderung der Interdisziplinarität Fallstudien III: Interview analyse und Präsenta tions-vorbereitung Forschendes Lernen (Verbin-dung von Theorie- und Praxiser-fahrungen) Erziehen aus Sicht der Inklusion Welche Menschenbilder gibt es? Wie ist meine eigene Vorstellung vom Menschen? Wie können Menschenbil-der das erzieherische Handeln beein- ussen? Wie sehen sich Menschen mit Behinderung? Wie ist Integration, Segregation und Inklusion zu de nie-ren? Raum für die eigene Entwicklung geben: kritische Re exion der eigenen Haltungen und Werte-vorstellungen Fallstudien IV: Vorbe-reitung auf die Fallstu-dien- Präsentationen Präsentation der eige-nen Fallstudien Die Lehrperson als „ForscherIn“: Verzahnung von konkreten Pra-xisbeispielen und wissenschaftli-chen Theorien („Forschendes Lernen“) Abschlussfeedback zum Modul 1 Re exion und Weiterentwicklung der eigenen Haltungen und Wertevorstellungen auf Grund-lage der eigenen Motivation und Biogra e Um einen Transfer von Th eorie und Praxis zu fördern, arbeiteten die Studierenden im Modul Erziehen an einer selbst gewählten Fallstudie aus ihrer Praxisschule, die sie im Portfolio dokumentierten und refl ektierten. Das Modul Erziehen 24 2.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg Das Modul Erziehen fand im WS 09/10 in Kooperation mit dem Juniormodul Un-terrichten statt. Die Studierenden bildeten nach Präferenz eine Montags- (24 Studie-rende) und eine Donnerstagsgruppe (33 Studierende). Die vierstündigen Seminare (mit einer halbstündigen Pause) waren geprägt durch vernetzte Planungen der ver-schiedenen Modulbeauft ragten (Interdisziplinarität) und Team Teaching. Sie zeich-neten sich des Weiteren besonders durch Methodenvielfalt aus. Die Teilnahme von Praxisschul-Lehrpersonen eröff nete erweiterte Sichtweisen auf die Schulpraxis inner-halb der Seminare. An einem Vormittag in der Woche besuchten die Studierenden eine der Koope-rationsschulen des Modellkollegs, um im ersten Modul Erziehen eine Fallbeschrei-bung einer Schülerin/eines Schülers zu entwickeln. Gemeinsame Regeln und Rituale: Ein Fokus wurde auf die gemeinsame Erstellung von Regeln und Ritualen in der Seminargestaltung gelegt. Dieser Vorgang wurde zum Ausgangspunkt für ein demokratisches und beziehungsintensives Miteinander. Die Regeln und Rituale wurden stetig refl ektiert und auf dieser Basis während des Semesters und darüber hinaus modifi ziert. Folgende Regeln und Rituale wurden im ersten Semester entwickelt: • Refl exionsfragen: Am Ende jedes Seminars wurden folgende Fragen beantwor-tet: Was habe ich für mich heute gelernt? Was ist noch unklar geblieben? Was wün-sche ich mir noch? Durch die regelmäßige Dokumentation der Refl exionsfragen im Portfolio setzten sich die Studierenden mit den Inhalten intensiv auseinander und refl ektierten ihren eigenen Lernfortschritt. • Das Blitzlicht: Zu Beginn jedes Seminars tauschten sich die Studierenden über folgende Fragen aus: Welche Erfahrungen habe ich in der Praxis gemacht? Was beschäft igt mich noch aus der letzten Sitzung (Bezug zu den drei Fragen)? Das Blitzlicht ermöglichte einen gemeinsamen Austausch über die Erfahrungen in der Praxis. Dabei wurde direkter Bezug auf die Seminarinhalte genommen, um eine Verzahnung von konkreten Praxisbeispielen und wissenschaft lichen Th eorien zu gewährleisten. • Die Triadengruppe: In Dreierteams trafen sich die Studierenden, um die oben genannten Fragen (1-3) gemeinsam in einem bewertungsfreien Rahmen zu refl ek-tieren und im Portfolio zu dokumentieren. Solche Lernpatenschaft en ermöglichen es, die Lehrerbildung zu individualisieren. Dies ist gerade ein großer Vorteil an „Massenuniversitäten“ wie der Universität zu Köln (vgl. Reich, 2009, S. 98). • Dabei spielt auch die Portfolioarbeit eine große Rolle, durch die die Studieren-den ihre subjektiven Th eorien über den Lehrberuf und über erlebte Praxissitua-tionen refl ektieren. Die angehenden Lehrkräft e erleben so frühzeitig einen kolle-gialen Austausch, sie „lernen, Rückmeldungen zu geben und anderer zu nutzen, um ihre pädagogische Arbeit kontinuierlich zu verbessern und damit auch Ver-antwortung für ihr professionelles Tun zu übernehmen“ (Reich, 2009 S. 96f.). Dies Meike Kricke, Kersten Reich 25 soll eine umfangreiche Vorbereitung auf eine beratende Tätigkeit als Lehrer/Leh-rer gewährleisten. Hier wurde bewusst die Form der Triade gewählt, da in die-ser Teamstruktur nicht „so schnell übereinstimmende Koalitionen“ (Reich 2009, S. 98) gebildet werden wie zum Beispiel in Zweier- oder Viererteams. Studierende konnten zudem: • „Inputs“ (Literatur, Erklärungen, Statements …) für die nächste Sitzung anfor-dern, • Personenwünsche (Expertinnen und Experten) für bestimmte Sitzungen äußern, • den Wunsch äußern, sich ohne Dozierende im Raum über ein Th ema auszutau-schen. Feedbackkultur: Am Ende jeder Sitzung hatten die Studierenden Zeit für ein indivi-duelles Feedback. Eine weitere Form des gegenseitigen Rückmeldens stellte die Me-thode der „Refl ecting Teams“ dar. Ziel dieser Methode, die in den 1980er Jahren von Tom Andersen entwickelt wurde, ist es, die „Beobachterperspektiven von Teilneh-mern“ (Reich, 2009, S. 241) zu stärken. Anregungsreiche Lernumgebung: Die Gestaltung des pädagogischen Raumes wurde von Studierenden und verschiedenen Mitarbeitenden des Modellkollegs Bildungswis-senschaft en in Zusammenarbeit mit dem Projekt school is open gemeinsam geplant und umgesetzt. Neben einer anregungsreichen und persönlichen Lernatmosphäre wurden dabei auch Möglichkeiten der Raumnutzung für verschiedene Methoden er-arbeitet. Auch stehen den Studierenden zusätzlich die Räume verschiedener Mitar-beitenden für Gruppenarbeitsphasen etc. zur Verfügung. Außerhalb der Modellkol-leg- Zeiten können die Studierenden die Räumlichkeiten für eigene Zwecke nutzen: zum Lernen, zum Austausch, zum Triadentreff en, etc. 2.4 Wie hat es funktioniert? In der Refl exion wird deutlich, dass viele inhaltliche Th emenschwerpunkte unter Einsatz einer gefächerten Methodenvielfalt nur an der Oberfl äche behandelt werden konnten. Neben der Seminarstruktur ist aus Dozierendensicht vor allem eine Vorle-sung zur theoretischen Fundierung der Inhalte notwendig. Sinnvoll ist weiterhin die im Bachelorstudiengang vorgesehene Vorlesung mit der Portfolioarbeit aus dem Ori-entierungspraktikum und den aufb auenden Seminaren zu dem Modul Erziehen ab-zustimmen, in denen an eigenen Fallstudien aus dem Orientierungspraktikum gear-beitet werden könnte. Denn hervorzuheben ist aus Dozierendensicht das Arbeiten an einem konkreten Praxisfall und die dabei entstehende Verknüpfung von Praxiser-fahrung und Th eoriefundamenten zu Beginn der Ausbildung, um eine forschenden Haltung auf Seiten der Studierenden zu fördern. Die individuelle Betreuung und das gemeinsame Erstellen von Regeln und Ritualen führte aus Dozierendensicht zu ei- Das Modul Erziehen 26 nem lernförderlichen Klima. Wünschenswert wäre es, die Studierenden von Anfang an stärker in die inhaltlichen Modulplanungen miteinzubeziehen. Dies ließ sich für das erste Semester organisatorisch nicht umsetzen. Während des Semesters hatten die Studierenden jedoch die Möglichkeit, eigene selbst gewählte Vertiefungsschwer-punkte individuell zu erarbeiten und vorzustellen. 2.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge Die Übertragung der oben dargestellten Inhalte2 stellt aus Dozierendensicht eine gute Basis für das Modul Erziehen dar. Besonders durch die Fallbezogenheit las-sen sich die beiden Praxisphasen Eignungspraktikum und Orientierungspraktikum im Bachelorstudium sehr gut in die Seminararbeit integrieren. Eine Voraussetzung dazu wäre jedoch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine höhere Transpa-renz über die Praxisphasen und deren Inhalte erhielten. Aus diesem Grund und um eine stärkere Th eorie-Praxis-Verknüpfung anzubahnen, haben wir einen Reader für das Modul Erziehen entwickelt, der darstellt, wie die Portfolioarbeit aus dem Orien-tierungspraktikum mit der Seminararbeit verknüpft werden könnte (s. Anhang unter www.waxmann.com/buch2721). In der Seminararbeit zum Modul Erziehen wurde auch eine Liste von Erzie-hungsromanen und -fi lmen erstellt (Anhang). Diese könnte in der Seminararbeit eingesetzt werden. Eine inhaltlich stärkere Beachtung sollten die Th emenbereiche „Gender“ und In-klusion erfahren. In der BA/MA-Struktur sollten außerdem aus unserer Sicht Anrei-ze geschaff en werden, interessierten Studierenden vertiefende Angebote im Rahmen des Moduls anzubieten: zum Beispiel in Form von Beratungs- oder Einführungs-workshops zum wissenschaft lichen Arbeiten als Grundlage für die eigene Fallarbeit. Es zeichnet sich ab, dass in der Seminarstruktur fl ächendeckend keine Standardi-sierung für das Modul Erziehen erreicht wird. Um eine Konstanz der Inhalte zu si-chern, wäre eine Möglichkeit, gezielte Lecturer-Stellen zu schaff en, die ein einheitli-ches Seminarkonzept umsetzen würden. Zudem zeichnet sich insgesamt ab, dass die Creditverteilung der bildungswissenschaft lichen Anteile im Vergleich zu den Fach-wissenschaft en und -didaktiken zu niedrig ist. Während des Modellkollegs wurden im Modul Erziehen vielfältige handlungsori-entierte Methoden umgesetzt. Bilanzierend fehlte eine Vorlesung zur theoretischen Fundierung. In dem akkreditierten Lehramtsstudium ist eine Vorlesung, die die Stu-dierenden als Grundlage vor der Seminararbeit zum Modul belegen, fester Bestand-teil. In dieser lassen sich neben den oben dargestellten Inhalten auch Bezüge zu den Praxisphasen Eignungspraktikum und Orientierungspraktikum knüpfen. Weiterhin hat sich das Format des „Modellings“ aus Dozierendensicht sehr be-währt. Die Studierenden meldeten zurück, dass sie besonders durch die Personifi - 2 Zu den einzelnen Sitzungen sind „Refl exionen der Lehrenden“ mit einem Bezug zum BA/ MA-Studium ab dem WS 11/12 zu fi nden unter: http://www.hf.uni-koeln.de/33814. Meike Kricke, Kersten Reich 27 zierung der verschiedenen wissenschaft lichen Disziplin einen sehr guten Einblick in den Zusammenhang der verschiedenen Anteilsdisziplinen erhalten konnten. Im Rahmen des akkreditierten Lehramtsstudiums könnten Vorlesungen aus vereinzel-ten Modelling-Einheiten bestehen oder das Format könnte das Ende einer Ringvor-lesung bilden. Um Terminabsprachen zu vereinfachen, könnten bestimmte Th emen-komplexe auf Video aufgezeichnet werden, die dann als Podcast zugänglich wären. Da der Großteil der Studierenden kaum Vorerfahrungen in Bezug auf die Portfo-lioarbeit aufweist, ist eine fundierte Einführung essentiell. Diese wird an der Univer-sität zu Köln seit dem Wintersemester 2011/12 über das Zentrum für Lehrerbildung in Verbindung mit Begleitveranstaltungen zum Orientierungspraktikum organisiert. Wurde eine individuelle Betreuung der Portfolioarbeit über alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin im Modellkolleg gesichert, erscheint der Erwerb der Credits über Portfolios im Modul für alle Studierenden als sehr aufwendig. Insgesamt zeichnet sich ab, dass es einen höheren Betreuungs- bzw. Personalschlüssel geben muss. Das Arbeiten in Triaden stellt aus Dozierendensicht eine gute Basis dar, um in heterogenen Lernteams (Studierende verschiedener Schulformen) kooperierende und kommunikative Kompetenzen zu stärken – auch im Hinblick auf das Th ema Inklu-sion. In Lernteams können sich die Studierenden in der Bearbeitung ihres Portfolios Praxiselemente gegenseitig unterstützen, beraten und Rückmeldungen geben. Durch das Arbeiten an eigenen Praxisfällen kann zudem eine forschende Grundhaltung bei den angehenden Lehrkräft en von Beginn des Studiums an gefördert werden. Die Er-fahrungen aus dem Modellkolleg zeigen, wie wichtig eine Unterstützung der Studie-renden in ihrer eigenen Fallarbeit ist. Für eine erfolgreiche Implementierung könn-te hier mit einem Tutorensystem gearbeitet werden: Studierende höherer Semester könnten die Studierenden in der Fallarbeit unterstützen und beraten. Durch die Prä-sentationen der eigenen Fallstudien könnten die Studierenden weiterhin einen mehr-perspektivischen Blick auf ihren späteren Beruf erlangen. Eine fördernde Grundein-stellung kann zudem von Anfang an des Studiums durch den Th emenkomplex der Inklusion gefördert werden. Hier stellen für uns die beiden Selbstrefl exionselemen-ten Arbeitstheorie und Erfolgs- und Wachstumsseite innerhalb der Portfolioarbeit zwei elementare Instrumente zur eigenen Weiterentwicklung dar, die z.B. auch im Rahmen von Lernteamarbeit aufgegriff en werden sollten. So würde eine Refl exion und Weiterentwicklung der eigenen Haltungen und Wertevorstellungen auf Grundla-ge der eigenen Berufsbiografi e gefördert. Das Modul Erziehen 28 Ellen Aschermann, Heike Gerdes 3. Das Modul Beurteilen 3.1 Ziele und Kompetenzen Ziel des Moduls Beurteilen war es, die Bildungsstandards der KMK im Kompetenz-bereich Beurteilen mit wissenschaft lichen Th eorien und Ergebnissen aus der Lehr-/ Lernforschung zu verbinden. Beurteilungskompetenz umfasst vier unterscheidbare Dimensionen, die im Rahmen des Moduls entwickelt werden sollen: 1. Die Erfassung der Lernvoraussetzungen, Lernprozesse und Lernergebnisse der Schüle rinnen und Schüler 2. Die Analyse der Aufgabenanforderungen und der notwendigen und möglichen Bear beitungsschritte (Verbindung zur Fachdidaktik) 3. Erkennen der Prozessmerkmale, die die Qualität der Beurteilung beeinfl ussen können, und Refl exion der eigenen internen Beurteilungsmaßstäbe (z.B. Bezugs-normorientie rung, subjektive Th eorien) 4. Adressatenangemessene Kommunikation der Befunde (Bezug zur Beratung). Mit dieser Perspektive geht das Modul Beurteilen über die klassischen Ansätze der Beurtei lung von Personenvariablen hinaus und erweitert die Perspektive auf die Dia gnose der den Lernanforderungen zugrunde liegenden kognitiven, emotionalen und sozialen Verarbeitungs schritte. Außerdem wird die soziale Dimension von Be-urteilungen, die zugleich in den gesell schaft lichen Normen als auch in den biogra-fi schen Erfahrungen der Studierenden gründet, refl ektiert und wissenschaft lichen Analysen zugänglich gemacht. In allen Bereichen werden die Th eorien und Model-le der psychologischen und pädagogischen Diagnostik als Ausgangs punkte für den Kompetenzaufb au genutzt. Die eigenen Erfahrungen der Studierenden aus pädago-gischen Situatio nen (wöchentlicher Besuch der Praxisschule) und aus den übrigen Lern bereichen werden explizit mit den wissen schaft lichen Konzepten verknüpft . Me-thodisch wird ein situationsorientierter Lernan satz vorgesehen, in dem neben der Selbsterkundung auch die Beobachtung und die Durch füh rung konkreter diagnosti-scher Situationen im schulischen Kontext integriert wird. 3.2 Inhalte Das Modul Beurteilen erweitert, aufb auend auf dem ersten Modul Erziehen, in zwei-erlei Hinsicht die Perspektive auf schulische Lehr-/Lernprozesse: Das methodische Repertoire wird von der Einzelbeobachtung auf die Beurteilung von Variablenaus-prägungen auf Grundlage von Verteilungsparametern erweitert. Auf der theoreti-schen Ebene wurden zentrale Konzepte der Psychologie eingeführt und ihre Bedeu-tung für den Beurteilungsprozess verdeutlicht. Beide Erweiterungen ermöglichten Ellen Aschermann, Heike Gerdes 29 es den Studierenden, komplexe schulische Anforderungen anhand weiterer Kriteri-en zu strukturieren und das eigene Handeln wissenschaft lich zu refl ektieren. Weiter-hin wurden die Wünsche der Studierenden, die zum Abschluss des Moduls Erziehen erhoben worden waren, in die Auswahl und Gestaltung der Th emen aufgenommen, soweit sie sich in die Zielvorstellungen des Moduls integrieren ließen. 3.2.1 Was haben wir gemacht? Auf Basis der obigen Ausführungen zu den Zielen und Kompetenzen ergaben sich die in Tabelle 1 dargestellten konkreten Inhalte des Moduls Beurteilen. Thema / Inhalte Ziele: Die Studierenden Lernvoraussetzungen: Infor-ma tionsverarbeitungsmodell, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Wissenserwerb, Lern stra te gien, Gedächtnisent wicklung, Rolle des Vorwissens, Lernen mit Texten, Lernschwierigkeiten, Transfer, Lehren und Lernen … kennen die Komponenten des Informationsverarbeitungs-modells und deren Eigenschaften sowie die Prozesse, die an der Informationsverarbeitung beteiligt sind. … wissen, wie Wissen erworben wird, wie es im Langzeitge-dächtnis repräsentiert ist und unter welchen Bedingungen es abgerufen und angewendet werden kann. … können anhand mehrerer Bei spiele erläutern, wie das In-formationsverarbeitungsmodell genutzt werden kann, um schulischen Wissenserwerb zu fördern. Rehistorisierende Diagnostik (Inklusion) … kennen das kulturhistorische Modell der Ent wicklung in Grundzügen und können grundlegende Prozesse auf die Entstehung von Behinderung übertragen. … kennen das Vorgehen der rehistorisierenden Diagnostik und können zwischen Erklären und Verstehen unterschei den. Sie kennen den Zu sammenhang mit der Syndrom analyse. … können unter rehistorisierenden Aspekten die Lebens ge-schichte betrachten und verstehen, wie es zu Lern proble-men kommen kann. Lerndiagnostik – Standardi-sierte Schultests: Normierung, Gütekriterien, Test kon struk tion, Anwendung der SELLMO, Auswer tung und Interpretation … wissen, welche Gütekriterien standardi sierte Tests erfül len müssen und wie diese bestimmt werden. … wissen, was unter Normierung zu ver ste hen ist und wie und warum Standard werte berechnet werden. … wissen, wie standardisierte Tests durchzu füh ren sind und wie man Testergebnisse inter pretiert. Lerndiagnostik – eigene Tests entwickeln: Lehrziel ma-trix, Bezug zum Infor ma tions - verarbei tungsmodell, Er stel lung konkre ter Aufgaben vor dem Hinter grund der Lehrziel matrix … können die Begriffe „Wissen“, „Ver ste hen“ und „An wen - den“ aus der Lehrziel ma trix vor dem Hinter grund des Informations verarbeitungs modells erläutern. … können unter Berücksichtigung der Lehrziele für einen spe-ziellen Inhalts bereich eine Lehrziel matrix erstellen. … können für die Zellen der Lehrzielmatrix diag nos tisch wert-volle Aufgaben in einem passen den Auf gabenformat formu-lieren. Das Modul Beurteilen 30 Leistungsbeurteilung – Prüfungen: Mündliche vs. schriftliche Prü fun gen, Va li dität, Objektivität und Re liabilität von Prüfungen, Fehler quellen, Urteils verzer run gen … kennen die Vor- und Nachteile von schriftlichen und mündli-chen Prüfungen. … wissen, welche Fehlerquellen bei der Be wer tung schriftli-cher und mündlicher Prüfungen eine Rolle spielen können. … können konkrete Maßnahmen nennen, um die Qua lität von Leistungsbewertungen (Objekti vi tät, Reliabilität, Validität) zu verbessern. Leistungsbeurteilung – Zen-suren/ Noten: Arten von Zeug-nissen, Schulge setz … können die verschiedenen Zeugnisarten benennen und hinsicht lich der rechtlichen Rahmen be din gungen die Frei-heiten in der Gestaltung der Zeugnisse einschätzen. … setzen sich diskursiv mit der Problematik der Kopfnoten auseinander. Leistungsfeedback: Selbst-bewertungsmodell, (Leis tungs - mo ti vation), Bezugsnormen, Motivations training … kennen die Vor- und Nachteile verschie dener Bezugs-normorientierungen von Lehrkräften in Bezug auf ihre moti-vationalen Effekte auf Schü lerseite. … können die Komponenten des Selbstbe wer tungs modells erläutern. … können relevante Komponenten eines Moti va tions trai nings, das auf dem Selbst bewertungs modell basiert, erläutern. Beratung: De nition von Be-ratung, Ziele von Beratung an Schu len, Beratungsan lässe, Planung, Gesprächsführung, Spie geln, Deeskalation … kennen die Phasen und die Rollen in Bera tungs situa tio nen. … können Aussagen paraphrasieren und spiegeln. … kennen Strategien, um mit überraschenden Ein wänden in Beratungssituationen umzugehen. Vergleichende Schulleistungs messungen: Überblick über Schulvergleichs-stu dien, Ziel und Zweck der Studien, VERA … kennen die Vor- und Nachteile von Schul ver gleichs mes-sungen. … können die wichtigsten Schulvergleichsstudien benennen und ihren Inhalt zusam men gefasst wiedergeben. … wissen, welche Informationen sie anhand der VERA-Studie erhalten und wie sie diese für ihren Unterricht nutzen kön-nen. 3.2.2 Wie haben wir es gemacht? Über die wöchentlich zu bearbeitenden Aufgaben hinaus (Vorbereitung einer Sit-zung oder Erarbeitung in der Sitzung) hatten die Studierenden mehrere Semester-aufgaben zu erledigen, Semester begleitend eine Fallstudie durchzuführen sowie das Portfolio weiterzuführen. Semesteraufgaben Bei den Semesterauf gaben war es den Studierenden freigestellt, zu welchem Zeit-punkt während des Semesters sie diese Aufgaben bearbeiteten. Sie wurden im Port-folio dokumentiert und refl ektiert: • Die Lernergebnisse aus den beiden Sitzungen zu „Wissen und Entwicklung“ wa-ren in Form eines Educasts (siehe Kapitel 11) aufzubereiten und den anderen Stu-dierenden auf der Lehr-Lern-Plattform ILIAS bereitzustellen. Ellen Aschermann, Heike Gerdes 31 • Jede/r Studierende hatte die Aufgabe, einen Glossareintrag rund um das Th ema Beur tei len zu verfassen. Die gesammelten Glossarbeiträge wurden am Ende des Semesters einheitlich formatiert, vervielfältigt und zu Beginn des neuen Semesters den Studie ren den in gebundener Form ausgehändigt. • Als punktuell durchzuführende Praxisaufgaben waren die Studierenden auf-gefordert, während des Semesters ein Interview mit einer Lehrkraft und einem Schüler/einer Schülerin zur Funk tion von Noten zu führen sowie einen Satz Schü-lerarbeiten mit Hilfe ihrer betreuenden Lehrkraft zu korrigieren. Fallstudie Ein Anliegen des Modellkollegs ist es, schon während der ersten Ausbildungs phase eine enge Ver zahnung von Th eorie und Praxis herzustellen. Ganz we sent liches Element dieser Th eorie-Praxis-Verzahnung war auch im Modul Be ur tei len wieder die Fallstudie, die folgender maßen formuliert war: Verfassen Sie für einen Schüler/eine Schülerin in einem Fach auf Grund von vorliegen den Daten (z.B. Zeugnisse, Klassenarbeiten, Tests, Berichte) und ei-gener Datenerhebun gen (z.B. standardisierter Schultest, Interview, qualitative Analysen, Beobachtungen, re historisierende Diagnostik) eine schrift liche Stel-lungnahme. Entwickeln Sie die Eckpunk te eines Förderplans für das nächste hal-be Jahr und formulieren Sie adressatengerechte schrift liche Berichte an die Schü-lerin/ den Schüler, die Eltern und die Lehrkraft . Die Studierenden nutzten die Vormittage, die sie regelmäßig in einer Schulklasse verbrachten, um die Datenerhebungen für die Fallstudie durchzuführen. Am Ende des Semesters präsentierten die Studierenden im Rahmen einer Posterausstellung den anderen Studierenden, den Lehrkräft en der Praxisschulen und den Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern des Modellkollegs ihre Fallstudienergebnisse. Portfolio Wie auch im ersten Semester sammelten und ordneten die Studierenden ihre Mate-rialien und Refl exionen in einem Entwicklungsportfolio. Zum abschließenden per-sönlichen Entwicklungs gespräch mit ihrem Mentor/ihrer Mentorin legten sie ein sog. öff entliches Portfolio vor, das nur einen Teil der im Laufe des Semesters ange-fertigten Aufgaben enthält: • die erste und zweite Arbeitstheorie zum Th ema Beurteilen • eine Dokumentation der Fallstudie • die Refl exion der persönlichen Ziele • ein vertiefend bearbeiteter Schwerpunkt aus dem Modul Beurteilen mit einer Be-grün dung für die Auswahl gerade dieses Schwerpunktes. Zur Gestaltung dieses öff entlichen Portfolios bekamen die Studierenden einen aus-führlichen Leitfaden an die Hand. Das Modul Beurteilen 32 3.3 Rahmenbedingungen Das Modul Beurteilen wurde in Kooperation mit dem Juniormodul Innovieren im Som mersemester 2010 durchgeführt. In dieser Zeit wurden möglichst unterschied-liche Lehr-/Lernformen praktiziert, so dass die Studierenden auch viele Unterrichts-methoden erfahren und ausprobieren konnten. Immer dann, wenn selbstständig In-halte zu erarbeiten waren, standen neben den Dozierenden mehrere Tutorinnen und Tutoren zur Verfügung, die inhaltliche und/oder metho di sche Hilfestellung gaben. Die Studierenden besuchten zusätzlich zu den Seminarsitzungen an einem Vor-mittag in der Woche weiterhin eine der kooperierenden Praxisschulen. So konnte eine enge Verzahnung von Th eorie und Praxis sichergestellt werden. Die knapp 60 Studierenden wurden zu Beginn jeder Sitzung nach verschiede-nen, didak tisch begründeten Prinzipien in zwei Teilgruppen aufgeteilt. So konnte das Andock modul Soziale Interaktion und Kommunikation (SIK) parallel zum Modul Beurteilen unterrichtet werden. Die Studierenden waren wöchentlich von 12.00 bis 19.00 Uhr im Modellkolleg; nach Abzug der Pausenzeiten verblieb eine reine Lehr- Lern-Zeit von fünf Zeitstunden wöchentlich. Nach Abzug der Unterrichtszeiten für das parallel laufende Modul SIK entfi el auf das Modul Beur tei len eine reine Lehr- Lern-Zeit von dreieinhalb Stunden. In Abbildung 1 (siehe S. 15) ist der zeitli che und inhaltliche Rahmen der Sitzungen dargestellt. Ansonsten entsprachen die Rahmenbedingungen im Modul Beurteilen den im Modul Erzie hen dokumentierten Rahmenbedingungen. Im Modul Beurteilen wur-den z.B. die im ersten Semester erarbeiteten Regeln und Rituale weitgehend beibe-halten, auf Wunsch der Stu die ren den wurden lediglich einige Feinjustierungen vor-genommen. 3.4 Wie hat es funktioniert? Schon während des laufenden Semesters wurde deutlich, dass die durch die KMK vorgegebe nen Inhalte des Kompetenzbereichs Beurteilen viel zu umfangreich sind, um sie in einem Semes ter theoretisch fundiert, mit Praxiserfahrungen angereichert und refl ektiert zu erarbei ten. Viele Inhalte konnten nur angerissen werden. Für die-ses Problem sind verschiedene Lösungen denkbar, wobei a) eine inhaltliche Redukti-on oder b) eine begleitende Vorlesung zur theoretischen Fundierung praktikabel er-scheinen. Positiv an der gewählten Vorgehensweise war, dass die Kumulativität des Wissensaufb aus in diesem Modul für alle Modulstudierenden deutlich wurde, da die Kenntnisse aus den Seminarsitzungen unmittelbar für die Fallstudie genutzt werden konnten. Durch eine weitere Modelling-Sitzung wurde die Beziehung zwischen den Th emen Erziehen und Beraten besonders verdeutlichet, da hier Live-Beratungen an-hand von Rollenspielen gemeinsam mit einer Schauspielerin in verschiedenen Set-tings durchgeführt werden konnten. Diese Settings wurden dann von den Studieren- Ellen Aschermann, Heike Gerdes 33 den und mehreren Dozierenden (auch anderer Module) sowie externen Expertinnen und Experten refl ektiert. Im Modul Beurteilen wurden die Studierenden nicht wie in den anderen Modu-len in zwei Gruppen aufgeteilt, sondern gemeinsam unterrichtet. Dieses Vorgehen hat sich, trotz des Team Teachings und der Unterstützung durch zahlreiche Tutorin-nen und Tutoren, als suboptimal erwie sen. Die Gruppe war schlicht zu groß, um ein persönliches Verhältnis aufzubauen und auf jeden Einzelnen individuell einzugehen. Zu viel Vorbereitungszeit und auch Zeit während der laufen den Sitzungen fl oss in die Planung und das Management der Lerngruppen (Gruppen ein tei lung, Th emen-auft eilung, Raumbelegung, …). Als besonders fruchtbar wurde von den Dozierenden auch in diesem zweiten Se-mester die enge Verzahnung von Th eorie und Praxis, insbesondere die Semester be-gleitende Fallarbeit in der Schule, gesehen. Sowohl die Posterpräsentationen als auch die diff erenzierteren Aus ar bei tun gen des Falles im Portfolio ließen erkennen, dass ein Transfer in die Praxis unter den gegebenen Bedingungen gelingen kann und dass darüber hinaus die Verzahnung von Th eorie und Praxis dazu führt, dass die Studie-renden ihre eigenen Haltungen und Werte refl ektieren. 3.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge Welche Formate haben sich bewährt? Da das Modellkolleg explizit auch innovative Lehr-/Lernsettings erproben woll-te, wurde im Modul Beurteilen das Format im Vergleich zum ersten Semester deut-lich verändert, indem die gesamte Kohorte (etwas mehr als 50 Studierende) gemein-sam unterrichtet wurde. Bereits während des Semesters zeichnete sich ab, dass die konzentrierte Arbeitszeit an nur einem Wochentag in Modul und Andockmodul mit wechselnden Gruppenzusammensetzungen den Lernbedürfnissen der Studieren-den und den inhaltlichen Lernanforderungen nicht optimal gerecht wurde. Im Mo-dul konnten die sich aus diesem Format ergebenden Schwierigkeiten durch intensi-ve Planung der einzelnen Tage und die intensive Unterstützung durch die SHKs und Tutorinnen und Tutoren kompensiert werden, insgesamt muss aber festgestellt wer-den, dass stabilere Lerngruppen und verteiltes Lernen in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der empirischen Bildungsforschung (Hattie, 2009) auch im Modellkol-leg als relevante Gelingensbedingung für das zielerreichende universitäre Lernen an-zusehen sind. Konsequenterweise wurde in den folgenden Modulen auf dieses For-mat verzichtet. Die Präsentation der Fallstudien im Rahmen eines Symposium-Nachmittags, bei dem die selbst gestalteten Poster erläutert und mit Dozierenden und Lehrkräf-ten aus den Kooperationsschulen diskutiert wurden, erlaubte und forderte die In-tegration der eigenen Erkenntnisse und Erfahrungen vor dem Hintergrund wissen-schaft licher Konzepte und realer Gegebenheiten in den Schulsettings. Dies förderte die Kompetenz der Studierenden zur wissenschaft lich fundierten Refl exion der ei- Das Modul Beurteilen 34 genen schulischen Tätigkeit nachhaltig. Dieses Format der Ergebnisdarstellung und Ergebnissicherung lässt sich problemlos auch mit großen Lerngruppen und veran-staltungsübergreifend in den neuen Lehramtsstudiengängen realisieren, wenn die Aufgabenstellung (Erstellung eines Posters, Präsentation der Ergebnisse) vorab für alle Beteiligten transparent gemacht wird. Eine noch breitere Einbindung von Lehrkräft en und Schulen wäre möglich und im Sinne der Vernetzung zwischen Universität und Schulen auch wünschenswert. Welche Inhalte sollten stärker berücksichtigt werden? Um Lernvoraussetzungen und Lernprozesse beurteilen zu können, erwies es sich als notwendig, die psychologischen Grundlagen der Informationsverarbeitung, der mo-tivationalen Förderung und der Kompetenzentwicklung zu vermitteln, um Beurtei-lungsprozesse und mögliche Validitätseinschränkungen bei diesen Prozessen einord-nen und diskutieren zu können. Die Zeit für die Vermittlung dieser grundlegenden psychologischen Konzepte war im Modellkolleg sehr knapp bemessen und sollte bei der Implementierung in der Fläche ausgeweitet werden. Dabei muss jedoch berück-sichtigt werden, dass der Bezug zum übergeordneten Th ema Beurteilen immer wie-der verdeutlicht wird. Damit ergibt sich die Forderung nach einer Neustrukturierung der psychologischen Inhalte, die ja auch bisher im Lehramtsstudium vermittelt wur-den, speziell vor dem Hintergrund der Beurteilungskompetenz. Eine Dokumentation dazu ist in Vorbereitung. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Implementierung in den neu-en Studiengängen? Versteht man unter Kompetenz die aufeinander bezogenen Aspekte Wissen, Kön-nen und Haltungen, so kann aus den Erfahrungen des Modellkollegs im Modul Be-urteilen gefolgert werden, dass alle drei Aspekte in den Präsenzphasen realisiert wer-den können, jedoch nicht alle in hinreichendem Ausmaß. Für die Implementierung in die neuen Studiengänge muss abgewogen werden, welche Anteile der drei Aspekte Wissen, Können und Haltungen in Selbststudiumsphasen und welche in Präsenzpha-sen erarbeitet und vertieft werden können. Eine ausschließliche Konzentration auf die Vermittlung von Wissen in universitären Präsenzveranstaltungen ist weder not-wendig noch sinnvoll. Vielmehr sollte gerade im Modul Beurteilen die Wissensver-mittlung mit dem Aufb au einer diff erenzierten Haltung zur Bedeutung empirischer Forschungsbefunde für die schulische Tätigkeit verbunden werden. Aus den im Modellkolleg gewonnenen Erfahrungen im Modul Beurteilen lässt sich für die Implementierung in die Bachelor- und Masterstudiengänge unter einer dezi-dierten Kompetenzorientierung dreierlei ableiten: 1. Das Modul eignet sich für die Vermittlung der grundlegenden psychologischen Konzepte unter einer anwendungsorientierten Perspektive. 2. Bei der Implementierung sollte für die psychologischen Grundkonzepte ausrei-chend Zeit zum Aufb au eines diff erenzierten theoretischen und empirischen Wis-sensbestandes zur Verfügung stehen, indem hier Formate umgesetzt werden, die Ellen Aschermann, Heike Gerdes 35 größere Gruppen erreichen können; dabei ist auf die Refl exion der subjektiven Th eorien hinsichtlich des eigenen Beurteilungshandelns und der Bedeutung em-pirischer Ergebnisse besonders zu achten. Der Transfer und die Vernetzung mit anderen Kernkompetenzen sollte in seminaristischen Arbeitsformen erarbeitet werden, in denen auf das Wissen zurückgegriff en werden kann. 3. Im Sinne eines Spiralcurriculums sollten die vielfältigen Anknüpfungspunkte mit den im Masterabschnitt angesiedelten sonderpädagogisch und diagnostisch aus-gerichteten Veranstaltungen noch diff erenzierter abgestimmt werden. Das Modul Beurteilen 36 Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 4. Das Modul Unterrichten 4.1 Ziele und Kompetenzen In Orientierung an den KMK-Ausbildungsstandards im Kompetenzbereich Unter-richten verfolgte das Modul Unterrichten das Ziel, die Studierenden zu befähigen, Lernprozesse und Lernergebnisse zu planen, zu organisieren und zu refl ektieren. Un-ter Bezugnahme auf (schul-)pädagogische Th eorien, (didaktische) Modelle und Un-terrichtsmethoden sowie auf empirische Befunde der Schul- und Unterrichtsfor-schung sollten die Studierenden Unterricht zunächst kriteriengeleitet beobachten und sich dann in der Analyse von Unterricht über Kriterien und Standards guten Unterrichts verständigen lernen. Die Studierenden sollten einerseits ein Verständnis über die Situiertheit und Komplexität von Unterricht und die vielschichtigen An-forderungen an Unterricht im Sinne curricularer Anforderungen, individueller und kontextbezogener Voraussetzungen, Ziele und Standards entwickeln können und an-dererseits mit Planungsentscheidungen bis hin zu Strategien des classroom manage-ment darauf in der Probehandlung erster eigener Unterrichtsversuche reagieren kön-nen. 4.2 Inhalte Im dritten Semester wurden ausgewählte Th eorien, Modelle und Konzepte der Schul- und Unterrichtsforschung und deren Bedeutung für die Unterrichtsplanung und Unterrichtsanalyse erarbeitet. Während der Fokus der erarbeiteten Seminarin-halte im ersten und zweiten Semester auf der Beobachtung einzelner Schülerinnen und Schülern lag, rückten im dritten Semester die Interaktionsprozesse in und mit der gesamten Klasse in den Mittelpunkt. 4.2.1 Was haben wir gemacht? Das Modul Unterrichten war im ersten Modellkollegsemester als Juniormodul (zu-sammen mit dem Hauptmodul Erziehen), im dritten Semester als Hauptmodul (mit dem Juniormodul Beurteilen) in die Lehre eingebunden. Folgende Th emen und In-halte wurden durch das Modul Unterrichten erarbeitet: Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 37 1. Semester: Juniormodul Unterrichten Thema / Inhalte Ziele: Die Studierenden Berufsmotivation … wissen um wichtige Hintergründe sowie die Relevanz der (eige-nen) Lernbiogra e für die Berufsmotivation (angehender) Lehre-rinnen und Lehrer. Professionswissen von Pädagog(inn)en … kennen verschiedene Konzepte und Konzeptualisierungen des Professionswissens. Situiertheit des Unterrichts … kennen altersbezogene Sozialisationsstufen und unterrichtsrele-vante Aspekte außerschulischer Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. Kommunikation in schuli-schen Kontexten … erarbeiten und erproben ausgewählte Kommunikations- und Interaktionsstrategien für ihre künftige Lehrerrolle. Die (Einzel-)Fallstudie in der qualitativen Sozialforschung als didaktisches Ausbil-dungsinstrument in der fallorientierten Lehramtsaus-bildung … kennen Theorie und Methode von (Einzel-)Fallstudien in For-schung und Lehre. … beziehen ihren erste Beobachtungen auf ausgewählte Theorien und Konzepte. … wissen um Einstellungen von Lehrpersonen und deren Wahr-nehmung von Schülerleistungen und -verhalten. … kennen und erproben Techniken des Interviews. 3. Semester: Hauptmodul Unterrichten Unterrichtsbeobachtung … kennen empirisch und theoretisch begründete Kategorien der Unterrichtsbeobachtung. … können Beobachtungskriterien theoriegeleitet erstellen und für die eigene Unterrichtsbeobachtung operationalisieren. … können Unterricht kriteriengeleitet analysieren. … können die Subjektivität der eigenen Wahrnehmung re ektieren. … können zwischen Beschreiben und Bewerten unterscheiden. Bedingungen „guten“ Un-terrichts … kennen ausgewählte didaktische Modelle sowie Modelle zur Beschreibung von Unterricht. … kennen angemessene Formen des Medieneinsatzes im Unter-richt. Historische Schulforschung … kennen die historischen Entwicklungen von Unterricht in ihren Grundzügen. … entwickeln eine historische Perspektive auf Bildungstheorien und -theoretiker(innen), die den jeweiligen pädagogischen Dis-kurs prägten. Empirische Schulforschung … kennen empirische Sichtweisen auf Unterricht. … können empirische Befunde mit den im Seminar vorgestellten normativen Konzepten zu „gutem“ Unterricht in Beziehung set-zen. Unterrichtsplanung … können Unterrichtsthema und Lernziel der eigenen Unter richts-stunde/- sequenz benennen und konkretisieren. … kennen Phasenmodelle des Unterrichts und können diese auf ihre eigene Unterrichtsplanung anwenden. … entwickeln ein Verständnis für die Heterogenität von Lerngrup-pen und deren Anforderungen an gute Unterrichtsgestaltung. Das Modul Unterrichten 38 4.2.2 Wie haben wir es gemacht? In Form von sog. Praxisaufgaben erhielten die Studierenden semesterbegleitend For-schungsauft räge, die in den Portfolios dokumentiert wurden und das „Kernstück“ des im Modellkolleg fokussierten Th eorie-Praxis-Bezugs darstellten. Im dritten Modellkollegsemester (Hauptmodul Unterrichten) waren dies: • Kriteriengeleitete Unterrichtsbeobachtungen von Unterrichtsvideografi en und von Unterricht an den Kooperationsschulen einschl. Indikatorenerstellung zur gewähl-ten Beobachtungskategorie, Erstellung von Unterrichtsprotokollen, • Interviews mit Lehrkräft en und Schüler(inne)n zu Qualitätskriterien „guten“ Un-terrichts einschl. Frageleitfaden-Erstellung, Transkription und Refl exion der sub-jektiven Einschätzung der Lehrer(innen) und Schüler(innen), sowie • Unterrichtsplanung einschließlich Planungsdokumentation (Begründungswissen: Warum habe ich den Unterricht wie geplant?), Feedbackplanung (Beobachtungs-perspektiven: Wozu möchte ich eine Rückmeldung erhalten?) und Refl exion des eigenen Unterrichts unter Bezugnahme auf zuvor erarbeitete Qualitätskriterien „guten“ Unterrichts. Eigene Unterrichtsversuche Ein besonderes Augenmerk im Modul Unterrichten lag auf den ersten Unterrichts-versuchen der Studierenden, die zum Semesterende durchgeführt wurden und im Laufe des Semesters durch die theoretische Auseinandersetzung mit Unterrichtsmo-dellen, empirischen Befunden der Schulforschung, eigenen Unterrichtsbeobachtun-gen sowie Interviews mit Lehrkräft en und Schüler(inne)n vorbereitet wurden. Die Studierenden planten – in Absprache mit den betreuenden Lehrkräft en der Koope-rationsschulen – einzelne Unterrichtseinheiten (z.B. Unterrichtseinstiege), komplet-te Unterrichtsstunden oder -reihen und führten diese an ihren Schulen durch. Dabei wurden sie von den Dozierenden des Moduls, den Lehrerinnen und Lehrern der Ko-operationsschulen und von Referendarinnen und Referendaren unterstützt. Portfolio Wie im ersten Semester bereits ein- und im zweiten Semester fortgeführt, wurden die Dokumentationen der bearbeiteten Praxisaufgaben einschließlich der verwende-ten Materialien von den Studierenden in einem modulspezifi schen Portfolio abge-legt. Zu den Semesteraufgaben gehörten im dritten Semester u.a.: • die erste und zweite Arbeitstheorie zum Modulthema Unterrichten • Refl exionsdokumente zu den eigenen semesterspezifi schen Zielen • Protokolle der eigenen Unterrichtsbeobachtungen • eine Videografi e-Analyse einschl. Beobachtungsprotokoll zu einem vorgegebenen Unterrichtsmerkmal (z.B. Motivieren/Aktivieren) Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 39 • die Planungsskizze der eigenen (selbst gehaltenen) Unterrichtsstunde • das Feedback von Lehrerenden bzw. Schülerinnen und Schülern zur eigenen Un-terrichtsstunde einschl. Feedback-Leitfragen bzw. -Fragebögen und eigener Refl e-xion dieses Feedbacks • ein Interview mit einem/einer Lehrer(in)/Schüler(in) zur Frage „Wann ist Unter-richt „guter“ Unterricht?“ einschl. Frageleitfaden und Transkript plus eigener Re-fl exion dieser subjektiven Lehrer-/Schüler-Einschätzung. Auch in diesem Semester erhielten die Studierenden zur Unterstützung einen Port-folio- Gestaltungsleitfaden. Das Portfolio diente am Ende des Semesters wiederum als Grundlage für die persönlichen Entwicklungsgespräche, in denen die Studierenden ihre modulbezogenen Entwicklungsprozesse mit ihren Mentor(inn)en refl ektierten. 4.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg Das Modul Unterrichten wurde im Wintersemester 2010/2011 als Hauptmodul in Kooperation mit dem Juniormodul Beurteilen durchgeführt. Die Studierenden be-suchten, aufgeteilt in zwei Lerngruppen, an einem Tag pro Woche für insgesamt je-weils fünf Zeitstunden die Seminare des Modellkollegs, die im Team Teaching von Dozierenden beider (o.g.) Module sowie – bei besonderen Fragestellungen – von Gast-Dozierenden anderer Fachbereiche (z.B. Medienpädagogik) und Lehrkräft en der Kooperationsschulen geleitet wurden. Unterstützt und begleitet wurden diese Se-minare durch studentische Tutor(inn)en, die den Studierenden vor allem methodi-sche Hilfestellungen gaben. Darüber hinaus besuchten die Studierenden auch in diesem Semester an einem Tag pro Woche für mindestens drei Zeitstunden eine der kooperierenden Praxis-schulen. Ein enger Th eorie-Praxis-Bezug wurde insbesondere durch die Bearbeitung der Praxisaufgaben in den Schulen und die Refl exion der Praxiserfahrungen in den Se-minaren sowie durch die Einbindung von Lehrkräft en der Praxisschulen in die Se-minare hergestellt. 4.4 Wie hat es funktioniert? In der Auseinandersetzung mit wissenschaft lichen Modellen und empirischen Studi-en und in der Refl exion eigener Unterrichtsbeobachtungen konnten theoretisch und empirisch hergeleitete Qualitätskriterien für „guten“ Unterricht erfolgreich erarbeitet werden. Die Studierenden waren zu Semesterende in der Lage, Unterrichtsbeobach-tungen kategorial zu verdichten und beispielsweise konfl iktträchtige Handlungsmus-ter von Lehrpersonen oder Lernenden zu identifi zieren und Handlungsalternativen zu entwerfen. Das Modul Unterrichten 40 Insgesamt haben die Studierenden im Modul Unterrichten erfahren können, dass sich das Unterrichten durch ein hohes Maß an komplexen, teils widersprüchlichen Anforderungen an die Beteiligten auszeichnet, die nicht in jedem Falle durch eine vorausschauende Planung bearbeitet werden können. Diese handlungstheoretisch begründete Diskrepanz zwischen Planung und Realisierung konnte nicht in jedem Fall ausführlich refl ektiert werden. Darüber hinaus zeigte sich in den Seminaren, dass das Anwendungsfeld Schul-praxis für die Studierenden zunächst eine höhere Attraktivität besaß als die Th eorie-vermittlung, da sich das Unterrichtsgeschehen in seiner unmittelbare Relevanz für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer erschließt, das Th eoriewissen als Planungs-und Refl exionswerkzeug hingegen erst nutzbar gemacht werden musste. Abschließend wäre eine stärkere Einbindung der kooperierenden Schullehrkräft e in die Seminare, insbesondere im Hinblick auf einen engeren Th eorie-Praxis-Bezug in der Lehrerbildung, wünschenswert gewesen. Diese scheiterte jedoch trotz des In-teresses vieler Lehrerinnen und Lehrer an deren dichtem Schulalltag. 4.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge Das zentrale Lehr- und Lernziel im Modul Unterrichten, nämlich Unterricht beob-achten zu lernen, konnte in Form von – durch die Dozierenden angeleitete, analy-sierte und refl ektierte – Unterrichtsbeobachtungen anhand von videografi erten Un-terrichtssequenzen im Seminar und Unterrichtshospitationen an den Praxisschulen erreicht werden. Da zum einen die Rahmenbedingungen der neuen akkreditierten Lehramtsstudiengänge mit ihrer wesentlich größeren Anzahl an Studierenden Unter-richtshospitationen nicht in derselben Häufi gkeit und Intensität wie im Modellkolleg zulassen dürft en und sich zum anderen die Arbeit mit Unterrichtsvideografi en im Seminar gut bewährt hat, ist eine Erstellung geeigneter Videovignetten als Arbeits-material für die neuen Lehramtsstudiengänge geplant. Darüber hinaus erwiesen sich auch die eigenen, im Seminar begleiteten Unter-richtsversuche der Studierenden an den Praxisschulen als geeignet im Sinne vorbe-reitenden Probehandelns zum Erwerb schulpädagogisch relevanter Handlungskom-petenzen. Eine Implementierung dieser Unterrichtsversuche empfi ehlt sich nach den Erfahrungen im Modellkolleg bereits zu Beginn bzw. in den ersten Semestern der Lehrerausbildung, um den Studierenden früh die Möglichkeit zu geben, empi-risch begründete Ansprüche an Unterricht und Lehrperson mit der Komplexität des Schulalltags in Beziehung zu setzen. Wie in Abschnitt 5.4 geschildert besaß die Schulpraxis für die Studierenden zu-nächst eine höhere Attraktivität, während sich die Bedeutung von Th eoriewissen den Kollegiat(inn)en deutlich schwerer erschloss. Die Relevanz wissenschaft licher Th eo-rien, Konzepte und Modelle für das professionelle Lehrerhandeln sollte daher in den Veranstaltungen der neuen Lehramtsstudiengänge stärker thematisiert – im günstigs-ten Falle gemeinsam mit den Studierenden erarbeitet – werden. Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 41 Nach den in Modellkolleg gewonnenen Erfahrungen sollte ein besonderes Au-genmerk auf der Vermittlung wissenschaft lichen Th eoriewissens und dessen Bedeu-tung für das professionelle Lehrerhandeln, aber auch dessen Grenzen im Sinne ei-ner Einsicht in die Diskrepanz von Wissen und Können liegen. Zentrales Lehr- und Lernziel im Modul Unterrichten sollte demzufolge die Ausbildung einer evaluati-ven, forschungsorientierten Haltung der Studierenden gegenüber dem eigenen Un-terricht und als professionelles Selbstverständnis der (künft igen) Lehrerinnen und Lehrer sein. Das Modul Unterrichten 42 Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 5. Das Modul Innovieren 5.1 Ziele und Kompetenzen Das Modul Innovieren stellt das vierte und im zeitlichen Verlauf letzte Hauptmo-dul des Modellkollegs dar. Nach einer Beschäft igung der Studierenden in den ersten drei Semestern mit der individuellen und der Klassenebene war es das Ziel des Mo-duls Innovieren, bei den Studierenden den Blick für die Schule als Gesamtsystem zu schärfen und zugleich die verschiedenen Einfl üsse des Bildungssystems auf die schu-lischen Prozesse darzustellen. Die Studierenden sollten im Laufe des Moduls Inno-vieren eine sogenannte Innovationskompetenz aufb auen, im Zuge dessen sie sich als aktive Mitglieder einer Bildungseinrichtung verstehen und wissen, welche Möglich-keiten der Gestaltung der eigenen Schule sie haben. Zentral ist dabei ein Verständnis kooperativen Handelns im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen, d.h. es wird davon ausgegangen, dass Entwicklungs- und Veränderungsprozesse in einem refl exi-ven und sozialen Austausch innerhalb der Schule stattfi nden. Die Lernergebnisse des Moduls Innovieren beziehen sich auf verschiedene Be-reiche der Innovationskompetenz, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen: • Die Studierenden kennen die Grundlagen des Bildungssystems und der Schule (rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen, Kooperationsstrukturen in der Schule). • Sie verstehen Schule als eigenverantwortliche Handlungseinheit, in der sie aktiv unter Berücksichtigung lokaler Bedingungen an der Optimierung von Lehr-/Lern-prozessen beteiligt sind. • Sie verstehen Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung als integrale Bestandteile ihrer Profession. • Die Studierenden kennen Methoden der Evaluation sowie zentrale Befunde der empirischen Schul- und Unterrichtsforschung und können diese als wichtige Be-dingung für innovative Prozesse refl ektieren. • Sie sehen die Schulprogrammarbeit als wichtige Voraussetzung innovativer Schul-und Unterrichtsentwicklung an. • Sie wenden Schulprogrammarbeit zum Schutz der seelischen und körperlichen Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler an. • Sie verstehen die Vielfalt struktureller Diskriminierung und begegnen diesen mit Antidiskriminierungsverfahren im Schulentwicklungsprozess. Innovationskompetenz bedeutet somit, sich immer wieder den aktuellen gesellschaft - lichen Herausforderungen zu stellen und das eigene Handeln als Lehrperson in Un-terricht und Schule dementsprechend anzupassen. Im Rahmen des Modellkollegs lag dabei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Th ema Inklusion, das aktuell als Heraus-forderung sowohl im wissenschaft lichen als auch gesellschaft lichen Fokus steht. Der Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 43 Begriff Inklusion bezieht sich dabei auf verschiedene Diff erenzlinien, wie etwa Be-hinderung, Geschlecht oder Migrationshintergrund und wird nicht einseitig auf ei-nen dieser Bereiche bezogen. 5.2 Inhalte Die dargestellten Ziele des Moduls Innovieren verdeutlichen sehr schnell, dass es eine große Herausforderung darstellt, bei den Studierenden die angestrebten Kompe-tenzen innerhalb eines Semesters aufzubauen. Schulentwicklungs- und Innovations-prozesse sind langwierige Prozesse, die sich selten innerhalb eines halben Jahres voll-ziehen. Das Modul Innovieren musste dementsprechend so gestaltet werden, dass die Studierenden zumindest einen fundierten Einblick in die Komplexität von Schulent-wicklung und Innovationsprozessen erhalten. Zugleich erhielten sie die Möglichkeit des eigenen Handelns und der Refl exion darüber innerhalb eines geschützten Rah-mens. 5.2.1 Was haben wir gemacht? Um den Studierenden innerhalb eines Semesters die Möglichkeit zu geben, an Schul-entwicklungs- bzw. Innovationsprozessen teilzuhaben und eigene Handlungsmög-lichkeiten kennenzulernen und aufzubauen, wurde im Modul Innovieren ein Plan-spiel durchgeführt, im Rahmen dessen die Studierenden ein Schulprogramm für eine Schule, die sich in einem Umstrukturierungsprozess zur inklusiven Ganztagsschule befi ndet, entwickeln sollten. Planspiele sind Simulationen, die einen Ausschnitt der Realität darstellen und den beteiligten Personen eine hohe Partizipation abverlangen. Sie sind in besonderem Maße geeignet, bei den Teilnehmenden Lernprozesse anzu-regen, bei denen kognitives und Handlungswissen miteinander verknüpft werden und zugleich eine Vielzahl von sozialen Kompetenzen aufgebaut werden kann. Im Rahmen des Moduls Innovieren erschien diese Methode besonders geeignet, um den Studierenden die Komplexität von schulischen Prozessen und Strukturen in kompri-mierter Form zu vermitteln und ihnen gleichzeitig eigenes Handeln im Rahmen der geschützten Planspielstruktur zu ermöglichen. Auf der Grundlage der angestrebten Ziele im Modul Innovieren bestand die zen-trale Aufgabe für die Studierenden im Planspiel in der Entwicklung eines Schulpro-gramms für eine inklusive Ganztagsschule. Die Studierenden wurden in fünf ver-schiedene Akteursgruppen eingeteilt, die gemeinsam das Schulprogramm entwickeln und dabei die Interessen ihrer jeweiligen Gruppe vertreten sollten. Die fünf Akteurs-gruppen waren die Schulleitung, die Lehrkräft e, der Schulträger, das weitere pädago-gische Personal sowie die Eltern. Die Dozierenden der Module Innovieren, Erziehen und Inklusion übernahmen die Rolle der Spielleitung. Das Modul Innovieren 44 Das Setting des Planspiels war die erfundene Stadt Krötenhausen, in der eine be-stehende Halbtagsschule in eine inklusive Ganztagsschule umgestaltet werden sollte. In einer allgemeinen Ausgangslage wurde den Studierenden diese Situation beschrie-ben. Darüber hinaus gab es für jede Akteursgruppe eine Rollenbeschreibung, in der die aktuelle Situation der Gruppe sowie die zentralen Anliegen dargestellt wurden, auf deren Grundlage die Studierenden die einzelnen Charaktere sowie die Ziele der Gruppe entwickeln sollten. Zudem wurden sie aufgefordert sich eine Strategie zu überlegen, anhand derer sie ihre selbst gesetzten Ziele erreichen könnten. Dazu soll-ten die einzelnen Akteursgruppen auch ihr Verständnis und die mögliche Zusam-menarbeit mit den anderen Akteursgruppen refl ektieren und beschreiben. Das Planspiel wurde in enger Kooperation mit den Modulen Erziehen, Inklusion und DaZ durchgeführt, die ihre Materialien und inhaltlichen Schwerpunkte in die Aufgabe der Schulprogrammentwicklung integrierten. Der inhaltliche Ablauf des Planspiels entwickelte sich in den beiden Studieren-dengruppen auf der Basis der Ausgangslage sowie den von den Gruppen entwickel-ten Strategien. Die einzelnen Akteursgruppen schrieben ab der zweiten Semester-woche inhaltliche Spielzüge und bearbeiteten auf diese Art im Laufe des gesamten Semesters die Aufgabe der Schulprogrammentwicklung. Inhaltlich bezogen sich die Spielzüge zu Beginn des Semesters vor allem auf das Kennenlernen der anderen Ak-teursgruppen und deren Ziele sowie das Mitteilen der eigenen Anliegen. Mit andau-ernder Spielzeit und nach der zusätzlichen Information durch externe Expertinnen und Experten des Schulbüros Köln, Schulgründer(innen) der „Inklusiven Univer-sitätsschule Köln“, des Landschaft sverbandes Rheinland sowie eines selbstständigen Schulentwicklungsplaners weiteten sich die Perspektive und die Handlungskompe-tenz der Studierenden aus. Deutliche Fortschritte erzielten sie dabei in der Gestal-tung von Sitzungen, der Etablierung von Steuergruppenarbeit und der Einbeziehung von außerschulischen Ressourcen. 5.2.2 Wie haben wir es gemacht? Zur Durchführung des Planspiels wurde vor Beginn des Semesters ausführlich Lite-ratur für die Studierenden zusammengestellt, in der theoretische sowie praxisbezoge-ne Texte zu den Bereichen Schulentwicklung, Innovationen und deren Implementati-on, Schulprogrammarbeit, Inklusion etc. zusammengetragen wurden. Zusätzlich gab es für jede Akteursgruppe eine spezifi sche Literaturauswahl, in der die Studierenden Texte und Materialien fanden, die sich speziell auf die Situation und die Interessen ihrer jeweiligen Gruppe bezogen. Dies stellte während des gesamten Semesters die Materialgrundlage für die Arbeit im Planspiel dar und ermöglichte den Studieren-den, eigenständig und entsprechend ihrer jeweiligen Tätigkeiten und Interessen im Planspiel Literatur auszuwählen und sich Th emen vertiefend anzueignen. Die Durchführung des Planspiels fand über die Internet-Plattform ILIAS statt, in der die Studierenden wichtige Literaturhinweise und Materialien nach Schlagworten suchen konnten. Darüber hinaus diente ILIAS vor allem der konkreten Durchfüh- Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 45 rung der Spielzüge im Rahmen des Planspiels. Die einzelnen Akteursgruppen hatten geschützte Bereiche in ILIAS, in denen sie Spielzüge an die anderen Gruppen hoch-laden konnten. Diese wurden zunächst von der Spielleitung gesichtet und kategori-siert und sodann an die Adressatengruppe(n) weitergeleitet. Der Ablauf des Planspiels während des gesamten Semesters lässt sich folgender-maßen zusammenfassen: In der ersten Sitzung erhielten die Studierenden eine all-gemeine Einführung in die Methode des Planspiels und in die Materialien. Neben den auf die Th emen des Moduls bezogenen Texten des Readers erhielten die Studie-renden zusätzlich die Materialien für ihre jeweilige Akteursgruppe. Diese enthielten eine allgemeine Ausgangslage für das gesamte Planspiel, eine Rollenbeschreibung ih-rer Gruppe sowie eine Anleitung für eine Strategieentwicklung der Gruppe. In der ersten Sitzung sollten die Studierenden sich vor allem mit ihrer Gruppe beschäft i-gen, d.h. zunächst ein individuelles Profi l für sich selbst als Teil ihrer Gruppe ent-wickeln und sodann eine Strategie ihrer gesamten Gruppe, die sie im Rahmen der Planspielaufgabe verfolgen wollten. Ab der zweiten Sitzung des Semesters haben die Studierenden nach einer kur-zen Plenumsphase zu Beginn in ihren Gruppenräumen gearbeitet und dort Th emen und entsprechende Spielzüge erarbeitet. Konferenzen und andere Zusammenkünft e, die ebenfalls über Spielzüge organisiert wurden, fanden im Seminarraum statt. Am Ende jeder Sitzung gab es eine Refl exionsphase innerhalb der einzelnen Gruppen, zu der eine Person der Spielleitung hinzukam. Ziel dieser Refl exion war vor allem, aus der Rolle der Akteursgruppe herauszutreten und aus einer übergeordneten Perspek-tive zu refl ektieren, was an dem jeweiligen Tag gut und weniger gut funktioniert hat (z.B. Rollenfi ndung, Kommunikation mit den anderen Gruppen, Konsequenzen der eigenen Spielzüge etc.). Die letzte Sitzung des Planspiels bot den Gruppen in der Form eines Hearings des Rates der Stadt Krötenhausen die Möglichkeit den Stand der Entwicklungsarbeit, d.h. das Schulprogramm bzw. den Stand, den dieses am Ende des Semesters erreicht hatte, vorzustellen. Insgesamt bestand die Rolle der Dozierenden vor allem in der Organisation der Spielzüge, was auch eine inhaltliche Prüfung bedeutete. Den Tutorinnen des Modell-kollegs kam eine besondere Rolle im Planspiel zu. Sie übernahmen die Pressearbeit der Stadt Krötenhausen und gaben zu jeder Sitzung eine Zeitung heraus, in der aktu-elle Entwicklungen der neuen Schulgründung u.a. dargestellt wurden. Die Schwierigkeit, den Studierenden im Rahmen eines Semesters Schulentwick-lungs- bzw. Innovationsprozesse nahe zu bringen, spiegelte sich nicht nur in den Überlegungen zur Methode des gesamten Moduls, sondern auch in Bezug auf Pra-xisaufgaben und Portfolio wider. Das Modul Innovieren verzichtete auf die Durch-führung einer Praxisaufgabe, da das Planspiel an sich bereits als eine solche betrach-tet werden konnte. Die Erfahrungen, die die Studierenden im Rahmen des Planspiels sammeln konnten, hätten sie an ihren Praxisschulen in der kurzen Zeit nicht gehabt, so dass die Praxisaufgabe in diesem Semester vom Modul ‚Deutsch als Zweitsprache‘ übernommen wurde. Dementsprechend bezogen sich die Aufgaben des Moduls In- Das Modul Innovieren 46 novieren im Portfolio auf einige Aspekte des Planspiels, wie z.B. die Beschreibung ei-nes Spielzugs aus der eigenen Akteursgruppe und dessen Konsequenzen. 5.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg Die Studierenden wurden im Sommersemester 2011 in zwei Gruppen zu jeweils ca. 25 Personen aufgeteilt, so dass es zwei parallele Planspiele gab, die jeweils montags bzw. donnerstags durchgeführt wurden. Vor Beginn des Semesters wurden die Stu-dierenden über die im Planspiel vorkommenden Akteursgruppen informiert und ge-fragt, ob sie Präferenzen haben, welcher Gruppe sie angehören möchten. Die Ein-teilung der Studierenden in die verschiedenen Akteursgruppen wurde somit auf der Grundlage der angegebenen Präferenzen durchgeführt, die weitgehend berücksich-tigt werden konnten. Das Modul Innovieren bzw. die aktive Durchführung des Planspiels fand im Zwei-Wochen-Rhythmus statt, so dass jeweils volle sechs Stunden für das Planspiel zur Verfügung standen. Dies erschien uns sinnvoll, damit die Studierenden genü-gend Zeit hatten, sich in die Prozesse einzufi nden und Spielzüge zu entwickeln, de-ren Konsequenzen noch am selben Tag erfahrbar waren. In der alternativen Woche fand schwerpunktmäßig die Lehre des Moduls ‚Deutsch als Zweitsprache‘ statt, wo-bei jeweils 1,5 Stunden für das Modul Innovieren zur Verfügung standen, in denen wir externe Expertinnen und Experten zu bestimmten, die Aufgabe des Planspiels betreff enden Th emen, einluden. Die Studierenden hatten somit die Gelegenheit, sich für ihre Akteursgruppe im Planspiel Expertise zu holen und ihre Strategie und ihr Vorgehen zu optimieren. Neben diesem Zwei-Wochen-Rhythmus fand im Juni 2011 eine Kompaktphase statt, in der die beiden Gruppen jeweils für zwei komplette Tage ‚planspielten‘ und somit noch einmal die Gelegenheit hatten, sich sehr intensiv mit den Prozessen des Schulprogrammentwicklung auseinanderzusetzen und viele Spielzüge durchzufüh-ren. Diese Kompakttage fanden im Haus Annaberg in Bonn statt. Der Abschluss des gesamten Moduls wurde in das Planspiel integriert: Die ver-schiedenen Akteursgruppen wurden ca. einen Monat vor Semesterende von der Spielleitung (in der Rolle des Stadtrates) darüber informiert, dass die neue Ganztags-schule ihr entwickeltes Schulprogramm dem Rat der Stadt in der letzten Semestersit-zung vorstellen soll. 5.4 Wie hat es funktioniert? Die Entwicklung einer Innovationskompetenz und die damit bei den Studierenden zu entwickelnden Kenntnisse und Fähigkeiten stellte das Modul Innovieren vor hohe Herausforderungen, denen wir versuchten, über die Methode des Planspiels zu be-gegnen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass es trotz verschiedener Schwierig- Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 47 keiten, die es im Semester gab, gelungen ist, bei den Studierenden sowohl einen auf die Inhalte des Moduls bezogenen Wissensaufb au als auch eine Handlungskompe-tenz aufzubauen. Dies wurde im Laufe des Semesters anhand der getätigten Spiel-züge, wie auch der Gestaltung von Konferenzen und Sitzungen im Rahmen des Planspiels und den entwickelten Schulprogrammen deutlich. Die beiden Schulpro-gramme, die in der Montags- und Donnerstagsgruppe entwickelt und in der letzten Sitzung vorgestellt wurden, wiesen einen unterschiedlichen Entwicklungsstand auf. Dies ist auf die verschiedenen Prozesse und Entwicklungen in den beiden Studieren-dengruppen zurück zu führen. Die Studierenden entwickelten im Laufe des Semesters ihr Prozesswissen weiter und hatten am Ende eine Vorstellung von der Komplexität von schulischen Entwick-lungsprozessen und der Einführung von Innovationen. Kritisch muss in diesem Zu-sammenhang jedoch angemerkt werden, dass der Innovationsbegriff , den die Studie-renden entwickelten, eng an die Aufgabe des Planspiels angebunden zu sein scheint. Ebenso ist fraglich, wie die Studierenden verschiedene Begriff e wie Innovationen und Schulentwicklung zueinander in Beziehung setzen und auf andere Bereiche übertra-gen. Die Kooperation mit den Modulen Erziehen und Inklusion im Rahmen des Plan-spiels hat sehr gut funktioniert. Insbesondere zu den Kompetenzen im Umgang mit den Geschlechterverhältnissen und der Umsetzung von Antidiskriminierungsverfah-ren brachte sich das Modul Erziehen im Rahmen einer Forschungsarbeit ein. Den Studierenden wurde dadurch der Praxis-Transfer von Biografi e-Refl exion im ersten Semester des Modellkollegs bis hin zur Gestaltung von Bildungsgerechtigkeit und In-klusion in der Simulation der Schulentwicklung ermöglicht. Das Potenzial der Stu-dierenden, um die Praktiken der Herstellung sozialer Ungleichheit im Kontext von inklusiver Schulentwicklung zu analysieren, konnte nicht immer voll entfaltet wer-den. Der Planspiel-Versuch hat aber Wege aufgezeigt, Lernziele für Lehramtsstudie-rende auf Grundlage der Intersektionalitätsforschung zu konkretisieren. Als subop-timal hat sich die Durchführung über die Internet-Plattform ILIAS herausgestellt. Hier bedarf es in jedem Fall einer Optimierung, falls ILIAS noch einmal für ein Planspiel genutzt werden sollte. Die einzelnen Arbeitsschritte sind insgesamt zu auf-wendig und es gab zu viele Verzögerungen und unnötige Prozesse, die den Arbeits-ablauf insgesamt gestört haben. Durch die Arbeit mit ILIAS wurden unnötig viele Ressourcen der Spielleitung gebunden. Die Nutzung einer eigens entwickelten Plan-spielsoft ware wäre sinnvoll. Die Gruppe von über 50 Studierenden erforderte eine Einteilung in zwei gleich große Gruppen, die über das Semester hinweg parallel an ihren Planspielen arbei-teten. Insbesondere für die Spielleitung stellte dies eine Herausforderung dar, da die Entwicklungen in den beiden Gruppen genau verfolgt und erinnert werden mussten, um Verwechslungen zu vermeiden. Das Modul Innovieren 48 5.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge Die zentralen Lehr- und Lernziele des Moduls Innovieren, nämlich die Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung als integralen Bestandteil ihrer Professi-on zu verstehen und diesbezüglich Prozesswissen zu erwerben sowie Schulprogram-marbeit als wichtige Voraussetzung innovativer Schul- und Unterrichtsentwicklung zu sehen, konnten erreicht werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Methode des Planspiels im Modul Innovieren prinzipiell als sehr geeignet angesehen wird, um die Ziele des Moduls und die formulierten Kompetenzen zu erreichen. Für den Einsatz dieser Methode in der neuen Lehrerbildung zwingt die große Anzahl der Studierenden zu Modifi kationen. Es empfi ehlt sich für die Gestaltung der Semi-nare im Modul Innovieren eine 4–6 SWS umfassende Veranstaltung zu konzipieren, in der eine ausführliche Vor- und Nachbereitung mit einer einwöchigen Kompakt-phase kombiniert wird. Konkret ließe sich das Konzept wie folgt umsetzen: In parallelen Seminaren mit jeweils 36 Studierenden werden in wöchentlichen Veranstaltungen die theoretischen Grundlagen im Bereich Innovieren und Schul-entwicklung erarbeitet. Für diese gleichbleibenden Lerngruppen schließt sich eine einwöchige Planspielphase an, die aus studienorganisatorischen Gründen in der vorlesungsfreien Zeit durchgeführt werden sollte. Es ist empfehlenswert, dass die Or-ganisation und Durchführung der Kompaktphase von Planspiel erfahrenen und/oder Planspiel affi nen Lehrenden übernommen wird. Für die zukünft ige Gestaltung eines solchen Planspiels sind folgende Aspekte zu beachten: • Die Aufgabe, die die Studierenden im Planspiel bearbeiten, sollte in ihrer Komple-xität begrenzt bleiben. • Die räumliche Ausstattung muss eine ungehinderte Kommunikation und Koope-ration der Akteursgruppen ermöglichen. • Die zeitlichen Rahmenbedingungen müssen gewährleisten, dass die Spielphase hinreichend lang ist. Das Modul wird durch die aktive Mitarbeit der Studierenden in der bestehenden Lerngruppe in einem weiteren Seminar abgeschlossen, in welchem das im Planspiel erworbene Prozesswissen refl ektiert und in dem zuvor gelegten theoretischen Rah-men verortet wird. Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 49 Jens Boenisch, Christian Huber 6. Das Modul Sonderpädagogische Grundlagen 6.1 Ziele und Kompetenzen Im Modul „Sonderpädagogische Grundlagen“ sollten die Studierenden sonderpä-dagogisches Grundwissen erwerben, das als Basiswissen notwendig erscheint, um zum einen der veränderten Schülerschaft in den Allgemeinen Schulen angemessen begegnen sowie zum anderen die Bereitschaft zur Aufnahme von Kindern mit Be-hinderungen stärken zu können. Aufgrund des hohen Anteils an Schülerinnen und Schülern mit Lern- und Verhaltensstörungen wurde in der Lehre hier eine deutliche Schwerpunktsetzung vollzogen. Im Mittelpunkt stand dabei jedoch ein ganzheitliches Verständnis von Lern- und Verhaltensproblematiken sowie Lernbeeinträchtigungen, die auch bei Kindern mit Körper- und Sinnesbehinderungen verstärkt auft reten. Eine Einführung in verschiedene Behinderungsformen wie Körperbehinderung, geistige Behinderung, Hörbehinderung, Sehbehinderung, schwerste Behinderung hat aufgrund der zeitlichen Begrenzung von 4 SWS für dieses Modul und der Komplexi-tät der einzelnen Behinderungsformen nicht stattgefunden. Motorik und Wahrneh-mung wurden in besonderer Weise berücksichtigt. Neben Erklärungsansätzen bei Lern- und Verhaltensproblemen bildeten auch die Th emenbereiche „Resilienz“ und „Intervention“ zentrale Eckpfeiler der Lehre. Ziel der Ausbildung ist ein lösungsori-entiertes Verständnis von Lern- und Verhaltensproblemen, in dem die Studierenden lernen, wie man Lernbarrieren präventiv begegnen oder die gefährdeten Schülerin-nen und Schüler unter Verwendung sonderpädagogischer Methoden professionell gefördert werden können. Auch hier wurde ein ganzheitliches Verständnis von Prä-vention und Intervention verfolgt, das neben kognitiven Ansätzen auch sensomo-torische und sozialemotionale Konzepte berücksichtigt. Ein vierter Eckpfeiler der Ausbildung macht mit dem Bereich „Umgang mit Heterogenität“ gleichzeitig das Selbstverständnis des Moduls „Sonderpädagogische Grundlagen“ deutlich. Zukünft i-ge Lehrerinnen und Lehrer sollten darauf vorbereitet werden, dass die Heterogenität ihrer Schülerschaft im Zuge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention weiter zunehmen wird und sie als Lehrkräft e im Regelschulwesen auch für die Lern-entwicklung dieser Kinder Verantwortung tragen werden. 6.2 Inhalte und Methodik Mit der sonderpädagogischen Grundlagenausbildung reagiert die allgemeine Lehrer-ausbildung auf die zunehmenden Unterrichtsstörungen vor allem durch Kinder mit Beeinträchtigungen im Lernen und Verhalten. Die sonderpädagogischen Grundlagen ersetzen keine sonderpädagogische Lehramtsausbildung, sondern ermöglichen den zukünft igen Lehrerinnen und Lehrern im regulären Unterricht einen verstehenden Das Modul Sonderpädagogische Grundlagen 50 Zugang und angemessenen Umgang mit den betroff enen Schülerinnen und Schü-lern. Ferner werden Basiskompetenzen zum kooperativen Unterricht, zum zieldif-ferenten Lernen und zum Einholen von sonderpädagogischer, diagnostischer oder psychologischer Expertise im Einzelfall geschaff en. Gleichzeitig wurden durch das Modellkolleg jedoch auch methodische Innovationen intendiert, die auch im Modul Sonderpädagogische Grundlagen einfl ießen. Der professionelle Umgang mit Heterogenität in der Schule ist nur möglich, wenn die Lehrkräft e die Entwicklungszusammenhänge der verschiedenen Beein-trächtigungen erkennen, refl ektieren und aus ihren Erkenntnissen professionelle In-terventionsmöglichkeiten innerhalb des eigenen Unterrichts ableiten können. Das Modul soll die Grundlage für eine inklusive Haltung zukünft iger Lehrkräft e bilden. Das Modul Sonderpädagogische Grundlagen erstreckte sich über zwei Semester. In-haltlich ließ sich die sonderpädagogische Grundlagenausbildung in zwei Teile unter-gliedern. Im ersten Teil wurden vor allem Grundlagen aus den Bereichen Motorik und Wahrnehmung vermittelt und jeweils mit konkreten Problemen im Lern- und Sozialverhalten von Schülerinnen und Schülern in Zusammenhang gesetzt. Im zwei-ten Teil wurden Ursachen, Diagnostik und Intervention einzelner Störungsbilder in den Mittelpunkt der Ausbildung gesetzt. Konkret wurden die folgenden Inhalte ver-mittelt: Thema / Inhalte Ziele Gehirnaufbau, Reizver-arbeitung und Lernen Neurophysiologische Zusammenhänge von Gehirnentwicklung, Bewe-gungserfahrung und Lernen Bedeutung unterschiedlicher Hirnregionen für unterschiedliche motori-sche, sensorische und kognitive Lernmuster Bedeutung automatisierter Handlungsabläufe für das Lernen und Aus-wirkungen von Handlungs- und Entwicklungsstörungen auf das Lernver-halten Körperwahrnehmung Bedeutung einer „guten“ Körperwahrnehmung, der sensorischen Inte-gration und sinnvollen Verarbeitung verschiedener Reize für das Lernen Bedeutung von Gleichgewicht und ausgewogener Tonusregulation als Voraussetzung für Lernen und Konzentration Taktile Wahrnehmung Bedeutung der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung für die Begriffsbil-dung und für das Schreiben Möglichkeiten der taktil-kinästhetischen Störung und deren Auswirkun-gen auf das Lernen Visuelle Wahrnehmung Bedeutung der visuellen Wahrnehmung für das Verfolgen von Unter-richtsprozessen häu ge visuelle Störungen und deren Auswirkungen auf Lernen, Kon-zentration, Schreiben und Leistungsbereitschaft Jens Boenisch, Christian Huber 51 Auditive Wahrnehmung und Auditive Verar-beitungs- und Wahr-nehmungsstörungen (AVWS) Zusammenhang von Hören und Schreiben bzw. Hörstörungen und Schreibfehler Bedeutung der auditiven Wahrnehmung für das Verfolgen von Unter-richtsprozessen Häu ge auditive Störungen (Auditive Verarbeitungs- und Wahrneh-mungsstörungen/ AVWS) und deren Auswirkungen auf Lernen, Konzen-tration und Leistungsbereitschaft Grundlagen zu Raumakustik und Störschall im Klassen
Objektbeschreibung
Autor | Rohr, Dirk [Herausgeber] ; Roth, Hans-Joachim [Herausgeber] |
Titel | Bildungswissenschaften: das Kölner Modell von der Erprobung zur Implementierung |
Übergeordneter Titel | LehrerInnenbildung gestalten ; 1 |
Bandangabe | Band 1 |
Ort/Verlag | Münster/New York/München/Berlin : Waxmann |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Katkey | 8060494 |
HBZ-ID | HT020103701 |
Katkey (Überordnung) | 8030372 |
HBZ-ID (Überordnung) | HT018731161 |
Typ | Image |
Dateiformat | image/jpg |
Rechteinformation | Rechte vorbehalten - Freier Zugang |
Beschreibung
Titel | |
Typ | Image |
Dateiformat | image/jpg |
Rechteinformation | Rechte vorbehalten - Freier Zugang |
Volltext | Bildungswissenschaft en: das Kölner Modell von der Erprobung zur Implementierung LEHRERINNENBILDUNG GESTALTEN Hrsg. vom Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln Band 1 Wie die Schule so ist auch das Feld der (Aus-)Bildung von Lehrerinnen und Lehrern in Bewegung und in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess begriff en. Die Einsicht in die Heterogenität der Lernvoraussetzungen und Bildungsbedingungen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler ist gestiegen und erfordert eine Organisation der (Aus-)Bil-dung, die fachliche, fachdidaktische und bildungswissenschaft liche Wissensbestandtei-le stärker aufeinander bezieht und zu einem professionellen Habitus zusammenbinden lässt. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, die Praxisphasen als roten Faden über die Ausbildungsphasen hinweg zu gestalten und die Kooperation der unterschiedlichen Akteure der grundständigen Bildung, des Vorbereitungsdiensts und der Fortbildung zu stärken. Die seit langem bekannte Forderung nach einer gelingenden Th eorie-Praxis- Verzahnung ist in den letzten Jahren in eine neue Dynamik geraten und verlangt nach einem Ausbau wie auch neuen Akzentuierungen in der bildungswissenschaft lichen und fachdidaktischen Forschung, um Unterrichts- und Schulentwicklung zu begleiten und zu unterstützen. Die Reihe LEHRERINNENBILDUNG GESTALTEN setzt an diesem Entwicklungspro-zess an und präsentiert Beiträge, die die Herausforderung einer neuen und innovativen (Aus-)Bildung von Lehrerinnen und Lehrern aktiv aufgreifen und Impulse für deren weitere Entwicklung setzen. Dirk Rohr und Hans-Joachim Roth (Hrsg.) Bildungswissenschaft en: das Kölner Modell von der Erprobung zur Implementierung Waxmann 2012 Münster / New York / München / Berlin LEHRERINNENBILDUNG GESTALTEN, Band 1 ISSN 2194-8429 ISBN 978-3-8309-2721-1 © Waxmann Verlag GmbH, 2012 Postfach 8603, 48046 Münster Waxmann Publishing Co. P.O. Box 1318, New York, NY 10028, USA www.waxmann.com info@waxmann.com Umschlaggestaltung: Anne Breidenbach, Tübingen Satz: Stoddart Satz- und Layoutservice, Münster Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier, säurefrei gemäß ISO 9706 Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schrift liche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Bibliografi sche Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. 5 Inhalt Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 1. Das Modellkolleg ....................................................................................................... 9 1.1 Methode .................................................................................................................... 10 1.2 Konzeptdarstellung und Konzeptumsetzung ....................................................... 11 1.2.1 Die Leitidee ............................................................................................................... 11 1.2.2 Lernbereiche und Kompetenzen ............................................................................ 13 1.2.3 Schlüsselthemen ....................................................................................................... 13 1.3 Aufb au des Modellstudiums ................................................................................... 14 1.4 Lern- und Lehrorganisation ................................................................................... 16 1.4.1 Praxisorientierung ................................................................................................... 16 1.4.2 Forschendes Lernen ................................................................................................. 16 1.4.3 Problemorientiertes Lernen .................................................................................... 17 1.4.4 Teamarbeit und Supervision ................................................................................... 17 1.4.5 Refl exion und Reziprozität von Lehren und Lernen ........................................... 18 1.4.6 Pädagogischer Raum ............................................................................................... 18 1.4.7 Interdisziplinarität ................................................................................................... 19 1.4.8 Dokumentation, Evaluation und Qualifi kation ................................................... 19 Meike Kricke, Kersten Reich 2. Das Modul Erziehen ................................................................................................ 20 2.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 20 2.2 Inhalte – Was haben wir gemacht? Wie haben wir es gemacht?..................................................................................... 20 2.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 24 2.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 25 2.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 26 Ellen Aschermann, Heike Gerdes 3. Das Modul Beurteilen ............................................................................................. 28 3.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 28 3.2 Inhalte ........................................................................................................................ 28 3.2.1 Was haben wir gemacht? ......................................................................................... 29 3.2.2 Wie haben wir es gemacht?..................................................................................... 30 3.3 Rahmenbedingungen .............................................................................................. 32 3.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 32 3.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 33 Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 4. Das Modul Unterrichten ......................................................................................... 36 4.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 36 4.2 Inhalte ........................................................................................................................ 36 4.2.1 Was haben wir gemacht? ......................................................................................... 36 6 4.2.2 Wie haben wir es gemacht?..................................................................................... 38 4.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 39 4.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 39 4.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 40 Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 5. Das Modul Innovieren ............................................................................................ 42 5.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 42 5.2 Inhalte ........................................................................................................................ 43 5.2.1 Was haben wir gemacht? ......................................................................................... 43 5.2.2 Wie haben wir es gemacht?..................................................................................... 44 5.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 46 5.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 46 5.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 48 Jens Boenisch, Christian Huber 6. Das Modul Sonderpädagogische Grundlagen ..................................................... 49 6.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 49 6.2 Inhalte und Methodik ............................................................................................. 49 6.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 53 6.4 Fazit ............................................................................................................................ 54 6.5 Conclusio für die allgemeine Lehramtsausbildung ............................................. 55 Gerda Heck 7. Das Modul Soziale Intervention und Kommunikation ...................................... 57 7.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 57 7.2 Inhalte und Methodik ............................................................................................. 57 7.3 Forschungsaufgabe im Modul SIK ........................................................................ 59 7.4 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 59 7.5 Fazit und Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge .......... 60 Vasili Bachtsevanidis, Michael Becker-Mrotzek, Anne Drerup, Christoph Gantefort, Magdalena Michalak, Hans-Joachim Roth, Lotte Weinrich 8. Das Modul Deutsch als Zweitsprache ................................................................... 61 8.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 61 8.2 Inhalte ........................................................................................................................ 61 8.3 Struktur des DaZ-Moduls im Modellkolleg und seine Implementierung ........................................................................................... 64 Anke Langner, Kerstin Ziemen 9. Inklusion ................................................................................................................... 67 9.1 Ziele und Kompetenzen .......................................................................................... 67 9.2 Inhalte ........................................................................................................................ 67 9.3 Rahmenbedingungen .............................................................................................. 68 9.4 Wie hat es funktioniert? .......................................................................................... 68 9.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge ........................... 69 Inhalt 7 Michaela Artmann, Magdalena Michalak, Dirk Rohr 10. Th eorie-Praxis-Bezug .............................................................................................. 70 10.1 Zum Th eorie-Praxis-Dilemma in der Lehrerausbildung ................................... 70 10.2 Instrumente zu Verstärkung des Th eorie-Praxis-Bezugs im Modellkolleg ...... 70 10.3 Refl exion der Umsetzung und Empfehlungen für die Implementierung ......... 72 Heike Gerdes, Daniel Konrath, Ellen Aschermann 11. Medienkompetenzen erweitern: Educasts ............................................................ 74 11.1 Was sind Educasts? .................................................................................................. 74 11.2 Ziele im Modellkolleg .............................................................................................. 74 11.3 Erfahrungen im Modellkolleg ................................................................................ 75 11.4 Good Practise: E-Learning-Implikationen und Implementierung in der Fakultät ...................................................................................................................... 76 11.5 Fazit ............................................................................................................................ 77 11.6 Ausblick ..................................................................................................................... 78 Kathrin Fußangel, Christoph Gantefort, Christian Huber 12. Interdisziplinarität ................................................................................................... 80 12.1 Ziele ........................................................................................................................... 80 12.2 Datenerhebung ......................................................................................................... 80 12.3 Beschreibung der Ergebnisse .................................................................................. 80 12.3.1 Ergebnisse der off enen Befragung: Interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des Modellkollegs .................................................... 81 12.3.2 Ergebnisse der off enen Befragung: Zusammenarbeit mit weiteren externen Fachpersonen .................................................................... 82 12.4 Fazit ............................................................................................................................ 83 Silke Kargl 13. Raumperspektiven ................................................................................................... 84 13.1 Ziele/Kompetenzen .................................................................................................. 84 13.2 Inhalte und Methodik ............................................................................................. 85 13.2.1 Inhalte ........................................................................................................................ 85 13.2.2 Methoden .................................................................................................................. 85 13.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg ................................................................ 86 13.4 Fazit ............................................................................................................................ 87 Abbildungen ........................................................................................................................... 89 Vasili Bachtesvanidis, Hendrik den Ouden, Meike Kricke, Dirk Rohr 14. Hochschuldidaktische Aspekte .............................................................................. 91 14.1 Das Portfolio im Modellkolleg Bildungswissenschaft en .................................... 91 14.1.1 Aufgaben und Ziele des Portfolios ......................................................................... 91 14.1.2 Organisation ............................................................................................................. 93 14.1.3 Bewertung ................................................................................................................. 93 14.1.4 Evaluation der Portfolioarbeit ................................................................................ 93 14.2 Evaluation der persönlichen Entwicklungsgespräche ......................................... 95 14.3 Evaluation des Modellings ...................................................................................... 96 Inhalt 8 14.4 Team Teaching .......................................................................................................... 98 14.5 Bewährte Methoden in der Lehre .......................................................................... 99 Michaela Artmann, Christoph Gantefort, Petra Herzmann, Johannes König, Meike Kricke, Stefan Karduck, Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 15. Evaluation ............................................................................................................... 101 15.1 Struktur und Zielsetzungen .................................................................................. 101 15.2 Evaluationsdesign .................................................................................................. 101 15.3 Fragestellung ........................................................................................................... 104 15.4 Methodisches Vorgehen ........................................................................................ 106 15.4.1 Probanden ............................................................................................................... 106 15.4.2 Instrumente ............................................................................................................ 107 15.5 Ergebnisse ............................................................................................................... 109 15.5.1 Pädagogische Vorerfahrungen ............................................................................. 110 15.5.2 Ergebnisse zu Berufswahlmotiven und zur Allgemeinen Leistungsmotivation .............................................................................................. 111 15.5.3 Ergebnisse zum Vorwissen und zur Wissensentwicklung ................................ 113 15.5.4 Korrelative Befunde zu Voraussetzungen und Wissen ..................................... 113 15.5.5 Ergebnisse aus der Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartungen ........... 115 15.5.6 Ergebnisse der standardisierten Erhebung der Lerngelegenheiten ................. 116 15.5.7 Ergebnisse aus der Analyse der Portfolios .......................................................... 117 15.5.8 Erste Ergebnisse der Analyse des Th eorie-Praxis-Bezugs ................................ 119 15.5.9 Ergebnisse zum Bereich Deutsch als Zweitsprache ........................................... 122 15.6 Zusammenfassung und Diskussion ..................................................................... 124 15.7 Ausblick ................................................................................................................... 126 Dirk Rohr 16. Erste Erfahrungen der Implementierung: 40 Begleitveranstaltungen des Orientierungspraktikums ................................ 128 16.1 Lernergebnisse und Kompetenzen im Orientierungspraktikum .................... 129 16.2 Inhalte und Ziele .................................................................................................... 130 16.3 Anschlussstellen ..................................................................................................... 131 16.4 Lehrformen ............................................................................................................. 131 16.5 Zwischenfazit .......................................................................................................... 132 17. Literatur ................................................................................................................... 133 Autorinnen und Autoren .................................................................................................... 138 Inhalt 9 Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 1. Das Modellkolleg D as Modellkolleg Bildungswissenschaft en an der Universität zu Köln hatte zum Ziel, den Kernbereich eines bildungswissenschaft lichen Studiums für die neue Lehreraus-bildung ab 2011/2012 zu erproben. Im Vergleich zu den erziehungswissenschaft li-chen Studien in der ‚alten‘ Lehrerausbildung (bis SoSe 2011) ging das Konzept einen neuen Weg, indem die Inhalte ausgehend von den für die spätere Berufstätigkeit als Lehrkraft benötigten Kernkompetenzen entwickelt wurden. Orientierungsgrundlage waren die von der Kultusministerkonferenz formulier-ten vier Kernkompetenzen Erziehen, Beurteilen, Unterrichten und Innovieren. Im Rahmen der Laufzeit des Modellkollegs wurden strukturelle und curriculare Umset-zungsmöglichkeiten im Praxiskontakt erprobt und evaluiert, um zu prüfen, inwie-weit ein solches Modell tragfähig für die kommende Lehramtsausbildung ist. Dieses ‚Modell‘ des Modellkollegs wurde bereits von der Gutachtergruppe im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens der Neuen Lehramtsstudiengänge (Juni 2010) mehrfach positiv hervorgehoben. Im Modellkolleg wird zwischen den bildungswissenschaft lichen Basismodulen sowie den sogenannten Andockmodulen unterschieden; letztere wurden mit den Basismodulen in Beziehung gesetzt (‚angedockt‘) unterrichtet. Die genannten vier Kernkompetenzen studierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modellkol-legs in den Modulen aufeinander folgend semesterweise. Im ersten Semester Er-ziehen (WiSe 09/10), im zweiten Semester Beurteilen (SoSe 10), im dritten Unter-richten (WiSe 10/11) und im vierten „Innovieren“ (SoSe 11). Im Neuen Lehramt verteilen sich die bildungswissenschaft lichen Module über die gesamte Studienzeit. Das Modellkolleg hat den bildungswissenschaft lichen Anteil sozusagen im Zeitraf-fer vollzogen. Mit Bezug auf das neue Lehrerausbildungsgesetz wurden zusätzlich die Modu-le ‚Sonderpäd agogische Grundlagen‘ zur Vermittlung von Basiskompetenzen in son-derpädagogischen Förderschwerpunkten an Regelschulen und das Modul ‚Deutsch als Zweitsprache‘ zur Berücksichtigung der durch Einwanderung neu entstandenen gesellschaft lichen Mehrsprachigkeit in das Modellkolleg integriert (vgl. Ministeri-um für Schule und Weiterbildung, 2009, §§ 2,2 und 11,7). Der Aspekt der Diversität bzw. Heterogenität von Lernenden und Lehrenden hinsichtlich Geschlecht, Kultur, sozialer Lage und Behinderung fl oss zudem durch die Bereiche ‚Soziale Interven-tion und Kommunikation (Schulsozialarbeit)‘ und ‚Inklusion/Integration von Schü-lerinnen und Schülern mit Behinderungen‘ in das Modellkolleg ein. Das Andock-modul ‚Sonderpädagogische Grundlagen‘ ist zu einem gewissen Teil im WS 09/10 sowie im WS 10/11 vertiefend absolviert worden (s.u.). Das Andockmodul ‚Deutsch als Zweitsprache‘ ist im WS 09/10 als auch im SS 10 außerhalb des Modellkollegs erprobt worden und wurde im WS 10/11 als auch im SS 11 innerhalb des Modell-kollegs durchgeführt (s.w.u.). Das Andockmodul ‚Soziale Intervention und Kommu- Das Modellkolleg 10 nikation (Schulsozialarbeit)‘ ist im SS 10 absolviert worden (s.w.u.). Der Bereich ‚In-klusion/ Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen‘ ist – ihrem Inhalt entsprechend – kein Andockmodul, sondern als ‚roter Faden‘ in allen Modu-len beteiligt (s.w.u.). 1.1 Methode Das Modellkolleg hatte zum Ziel, Inhalte und Methoden bestmöglich kongruent zu gestalten, d.h. sowohl auf der Ebene des Lernens von Schülerinnen und Schülern als auch auf der Ebene des Lernens der Studierenden lag der Fokus auf folgenden vier Säulen: 1) eigenverantwortliches Lernen (eigene Ziele, Biografi sches Lernen, Empower-ment, strukturierte Selbstlernzeit, Portfolio) 2) kooperatives (Lehren und) Lernen (interdisziplinäres Team Teaching, Tutoren, Tandems und Triaden (Studierenden-Peergroups), systemisch-konstruktivistische Didaktik, Inklusion, Beziehungsgestaltung) 3) problembasiertes, forschendes Lernen (interdisziplinäres Team Teaching, fallori-entiert, pädagogische Kasuistik, Supervision) 4) refl exives Lernen (Supervision, Coaching, biografi sches Lernen, Tandems/Tria-den, Portfolio) Das Modellkolleg basierte – auf der Grundlage der Curriculumtheorie von Sten-house (1975) – auf keinem fertigen Curriculum, sondern auf Ideen und Prinzipien sowie einem strukturellen Entwurf, deren Umsetzung im Prozess von den Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern und den Studierenden ausgehandelt und stetig modifi ziert wurde. Dieser Prozess wird in der Humanwissenschaft lichen Fakultät fortgeführt; zentraler Ort ist die neu eingerichtete Studiengangskommission Neues Lehramt. Mit der Übernahme der Verantwortlichkeit für das neue Lehramtsstudium und das Prü-fungsamt durch Dr. Dirk Rohr besteht personelle Kontinuität. erziehen unterrichten beurteilen innovieren unterrichten beurteilen innovieren erziehen Modul DaZ sonderpäd. Grundlagen Soziale Inter-ventionen und Kommunikation Inklusion 1. 2. 3. 4. Die Module Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth Abb. 1: Die Module des Modellkollegs 11 Das Modellkolleg baute erfolgreich auf dem Engagement und den Interessen der Be-teiligten auf, tragfähige Elemente der (Teil-)Implementierung für die neue Lehramts-ausbildung in Köln zu schaff en. Um ein off enes Angebot hinsichtlich der Inhalte und der Beteiligten im Kolleg zu erreichen, bedurft e es einer genauen, organisatorischen Planung und Struktur. Im Modellkolleg studierten 16 Studierende aus dem Bereich Grund-, Haupt- und Realschule, 18 Studierende aus dem Bereich Gymnasium/Ge-samtschule und 22 Studierende der Sonderpädagogik ihren erziehungswissenschaft - lichen Anteil ihrer Lehramtsausbildung. Die Verknüpfung von Th eorie und Praxis war ein zentrales Element und bot über die Einbeziehung von 16 Partnerschulen im Raum Köln ein an der Praxis ausgerichtetes Studium mit einem Fokus auf das for-schende Lernen. Zugleich wurden – neben traditionellen – interdisziplinär und in-termodular organisierte Lehr-/Lernformen angewendet, die andere Lernräume ein-bezogen und die einen Schwerpunkt auf teambasierte Kleingruppen legten. Struktur, Berechnung und Kreditierung orientieren sich an den gültigen Bestimmungen für Bachelor-/Master-Studiengänge. 1.2 Konzeptdarstellung und Konzeptumsetzung 1.2.1 Die Leitidee Der Ausgangspunkt des Modellkollegs ist das normative Konzept eines professionel-len Habitus. Aus der Erfahrung der vier Semester hat sich bestätigt, dass es wich-tig ist, dass die angehende Lehrperson fähig ist, eigene Fähigkeiten, Ressourcen und Grenzen zu erkennen und diese zu refl ektieren sowie zu modifi zieren. Grundlegend dabei sind die beziehungsorientierte Arbeit, (Selbst-)Refl exion und der Blick auf die Förderung aller Lernerinnen und Lerner. Dieses Förderkonzept umfasst sowohl in- P r a x i s Bildungswissenschaften eigenverant-wortliches Lernen kooperatives Lernen reflexives Lernen problem-orientiertes Lernen Das Modellkolleg Abb. 2: Methode 12 haltliche als auch verhaltensfördernde Komponenten. Vor allem das Team-Teaching hat sich als sich bereichernd und fruchtbar erwiesen – ebenso wie die Modelling- Sitzungen (s.u.). Durch die Erfahrung gemeinsamer Seminargestaltung unter Betei-ligung von Lehrenden verschiedener Disziplinen sowie von Lehrkräft en haben die Studierenden verschiedene Perspektiven wahrnehmen und einnehmen können. Im Team konnten durch wechselseitige Beratung und Unterstützung Probleme bewäl-tigt werden. Kommunikation, Kooperation und Vernetzung sind die Basis dieses Denkens und Handelns. Diese drei Bausteine beziehen sich sowohl auf das Dreieck Studierende, Lehrende und Lehrerinnen und Lehrer in Bezug zur Lehre im Mo-dellkolleg als auch auf das Dreieck Schüler, Eltern und Kollegen in Bezug zum Lern-gegenstand. Hinzu kommt die Perspektive der ‚Vernetzung im Quartier‘. Die ange-henden Lehrerinnen und Lehrer sind in der Lage, die Diff erenzen (an-)zuerkennen und in ihre Lehr-/Lerntätigkeit einzubeziehen und an Erziehungs- und Bildungspro-zesse anzupassen. Dabei werden seitens der Lehrkräft e Diff erenzen der jeweiligen In-dividuen berücksichtigt, als auch auf der Ebene der Gruppe und der Gesellschaft . Diese Betrachtungs- bzw. Herangehensweise beinhaltet auch eine kritisch refl ektie-rende Betrachtung des Schulsystems, der Inklusions- und Exklusionstendenzen einer Gesellschaft sowie der Situation von Kindern und Jugendlichen in prekären Lebens-lagen. Die Orientierung und der Anspruch an einer „Bildung für alle“ wurden im Modellkolleg den angehenden Lehrerinnen und Lehrern durch Umsetzungsmöglich-keiten und mögliche Herangehensweisen seitens der beteiligten Schulen vor Augen geführt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modellkollegs haben einen diff e-renzierten und sensibilisierten Blick auf Erziehungs- und Bildungsprozesse und ha-ben begonnen, diese wissensbasiert kritisch zu refl ektieren. Der gemeinsame Refl exionshorizont dient als Grundvoraussetzung, um fachliche, pädagogische und didaktische Perspektiven zu vermitteln. Zu diesem integrierten Bewusstsein der angehenden Lehrerinnen und Lehrer ist die Wissensorganisation entscheidend. Im Modellkolleg lernten die Studierenden nicht nur, Wissen zu erar-beiten, sondern vor allem den Prozess des Wissensaufb aus bei sich und bei anderen zu begleiten und zu fördern. Nach den vier Semestern im Modellkolleg begreifen die Studierenden den Prozess des Wissens- und Kompetenzaufb aus als einen andauern-den Prozess. Sie haben erfahren, dass Wissen sich in einem an die Gesellschaft ange-passten steten Wandlungsprozess befi ndet. Zum einen sind sie Wissensbegleiter und zum anderen sind sie selbst gefordert, im Prozess des lebenslangen Lernen ihr Wis-sen zu refl ektieren und zu erweitern. Diese Notwendigkeit der Weiterbildung wurde im Modellkolleg deutlich. Dabei müssen Diff erenzen und soziale Ungleichheit in den pädagogischen Prozess integriert werden und Fragen der Bildung und Erziehung in den Focus genommen werden, die sich auf subjektive Sinnbildung und Bedeutungs-konstituierung auf der Basis von Dialog, Kommunikation und Kooperation fokussie-ren. Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 13 1.2.2 Lernbereiche und Kompetenzen Das Studium im Modellkolleg basiert auf der Grundlage der Refl exion, der Kompe-tenzorientierung und vor allem auf der Th eorie- und Praxisverzahnung. Kompetenz-orientierung Theorie/Praxis- Verzahnung Reflexion Grundlage Die Studierenden im Modellkolleg gingen vier Semester lang einmal die Woche in eine der kooperierenden Praxisschulen des Modellkollegs. Sie erhielten in den Prä-senzzeiten ganz konkrete Beobachtungs- und Arbeitsauft räge. In enger Kooperation mit den jeweiligen Schulen hatten sie die Möglichkeit, im Seminar erlernte Metho-den zu erproben, neue wissenschaft liche Perspektiven in ihre Beobachtungen einzu-beziehen und ihre gestellten (Forschungs-)Aufgaben zu erledigen und zu refl ektieren. Dabei waren die Studierenden auf eine gute Zusammenarbeit mit den Schulen ange-wiesen. Diese Zusammenarbeit hat sich über die vier Semester größtenteils für alle Beteiligten (Studierende, Lehrerinnen und Lehrer und Lehrende des Modellkollegs) als sehr lehrreich und „Gewinn bringend“ erwiesen. 1.2.3 Schlüsselthemen Den Kompetenzen stehen Schlüsselthemen gegenüber, die als allgemeine Perspekti-ven in Lernen und Unterricht eingehen: • Diversität bzw. Heterogenität hinsichtlich Geschlecht, Kultur, sozialer Lage, Behin-derung mit Blick auf Inklusion bzw. Integration • Unterrichts- und Schulentwicklung mit Blick auf Nachhaltigkeit in Qualität und Kommunikation • Diagnostik mit Blick auf individuelle Förderung und Beratung • pädagogischer Raum als sozialarchitektonische Gestaltungsaufgabe Das Modellkolleg Abb. 3: Grundlage des Modellkollegs 14 • Professionalisierung mit Blick auf die Verknüpfung von Erziehungswissenschaft , Fachdidaktik und Fachwissenschaft 1.3 Aufbau des Modellstudiums Das Modellstudium erstreckte sich über vier Semester; es begann im Wintersemester 2009/2010 und endete nach dem Sommersemester 2011. Die ersten beiden Module haben sich auf das Kompetenzprofi l von Absolven-tinnen und Absolventen eines zukünft igen Bachelorstudiengangs konzentriert – das heißt, die Module vermitteln die angezielten Kompetenzen in einer Weise, die den Studierenden auch einen Einstieg in einem außerschulischen Berufsfeld ermögli-chen. Sie umfassten daher schwerpunktmäßig die Kompetenzbereiche ‚Erziehen‘ und ‚Beurteilen‘. In dieser Phase des Studiums traten ‚Unterrichten‘ und ‚Innovieren‘ erst einmal als „Juniormodule“ hinzu. Im ersten Semester gab es eine Zweiteilung der Studierendengruppe in eine Mon-tags- und eine Donnerstagsgruppe. Die Inhalte der beiden Seminartage waren iden-tisch. Diese Unterteilung hatte den Vorteil, dass nur die Hälft e der Teilnehmer an einem Tag ins Seminar kam und verschiedene Lehr-/Lernformen leichter zu organi-sieren waren. Auch konnte schnell eine Beziehungsebene zwischen den Lehrkräft en und den Studierenden hergestellt werden, ebenso wie eine Beziehung der Studieren-den untereinander. Durch die kleinere Gruppenanzahl konnten die räumlichen Vor-aussetzungen optimal genutzt werden. Im zweiten Semester wurden die Studierendengruppen zusammengelegt. Diese Seminargestaltung brachte neue Herausforderungen mit sich, da sich die Studieren-denzahl verdoppelte und neue Strukturen für eine größere Gruppe geschaff en wer-den mussten (u.a. um so die spätere Studierenden-Lehrenden-Relation realistischer abbilden zu können). Es wurde ein Zeitmodell erstellt, welches gemeinsame Phasen im Plenum vor-sah und sowie Einheiten in denen die Studierenden alternierend im Haupt- und Ju-niormodul ‚unterrichtet‘ wurden. Hinzu kamen Selbstlernphasen, begleitet durch die im Modellkolleg (in Kooperation mit dem Zentrum für Hochschuldidaktik) ausge-bildeten Tutorinnen und Tutoren. Nach anfänglich geäußerten Bedenken ist diese Modellstruktur als ertragreich wahrgenommen worden. Eine derartige Umstruktu-rierung bedarf einer im Vorfeld gut organisierten Planung und eines großen Engage-ments. Durch den Einsatz von Tutorinnen und Tutoren sowie eine Verstärkung des Team-Teaching der Lehrenden ließ sich die verdoppelte Studierendenanzahl gut be-wältigen. Vor allem das Team-Teaching ist in den vier Semestern als sehr hilfreich, zumindest in der ersten Zeit intensiver hinsichtlich der benötigten Vorbereitungs-zeit, wahrgenommen worden. Aus Kapazitätsgründen wird in der Zukunft eine Im-plementierung des Team-Teaching nur in ausgewählten, kleineren Bereichen und bei entsprechend motivierten und ausgebildeten Lehrkräft en möglich sein. Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 15 Im zweiten Semester der Modellkolleglaufzeit ist die Anzahl der kooperierenden Praxisschulen von 11 auf 16 gestiegen. Damit kann den Studierenden eine noch grö-ßere Auswahlmöglichkeit an Praxisschulen und eine damit verbundene größere Di-versität an Schulformen geboten werden. Im dritten Semester wurde die Modellstruktur wieder auf zwei Seminartage ge-teilt, sodass die Studierenden wie bereits im ersten Semester aus zwei Gruppen be-standen. Der Einsatz von Tutorinnen und Tutoren hat sich als sehr bereichernd he-rausgestellt und wurde in allen Semestern – in einer jeweils etwas anderen Form – weitergeführt. Die Struktur des vierten Semesters wurde durch die Methode des Planspiels festgelegt. Auch hier gab es zwei Studierendengruppen. Im Modellstudium wurde der pädagogische Fokus von Semester zu Semester vergrö-ßert: Im ersten vom individuellen Einzelfall, im zweiten Semester einer Kleingruppe von Schülerinnen und Schülern, im dritten dann der Schulklasse bis hin zum vierten Semester, in dem die gesamte Schule samt Schulträger, Eltern etc. fokussiert wurden. Eingangsphase/Blitzlicht Aufteilung/Ablauf (60 Studierende in Raum S 182) Modul/Tutorien/Selbstlernzeit/extra Module (z.B. Erziehen) Modul/Tutorien/Selbstlernzeit/extra Module (z.B. Erziehen) Pause Pause Pause Uhrzeit Andockmodul (Gruppe B) (25 Studierende in Raum 234) Modul (Gruppe B) (25 Studierende in Raum 234) 12.00 - 12.30 12.30 - 14.00 14.00 - 15.00 15.00 - 16.30 16.30 - 17.00 17.00 - 17.45 17.45 - 18.15 18.15 - 19.00 Modul (Gruppe A) (35 Studierende in Raum S 192) Andockmodul (Gruppe A) (35 Studierende in Raum S 192) 2 x 15 90 60 90 30 45 30 45 Dauer Gesamtzeit/Stunden Lehr-Lern-Zeit: 5 Stunden Abb. 4: Beispiel eines Zeitmodells Das Modellkolleg 16 1.4 Lern- und Lehrorganisation 1.4.1 Praxisorientierung Das Modellkolleg Bildungswissenschaft en arbeitete mit Schulen in der Region zu-sammen, die sich zum einen dem zu Beginn skizzierten Leitbild verpfl ichtet füh-len und sich zum anderen über innovative Projekte einen Namen gemacht haben. Es wurde dabei an bestehende Kontakte und Kooperationen aus unterschiedlichen Lehr- und Forschungskontexten angeknüpft . Darüber hinaus haben im Laufe der ersten zwei Semester weitere Schulen ihr Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt und wurden als Kooperationsschulen einbezogen. Insgesamt waren 16 Schulen im Modellkolleg verankert. Es herrscht – wie gewünscht – eine große Vielfalt an un-terschiedlichen Schulformen und Schulkonzepten. Durch die enge Verzahnung von Th eorie und Praxis sind nur Schulen aufgenommen worden, von denen ein ernsthaf-tes Engagement für das Modellkolleg und die damit verbundenen Wege der Lehr-amtsausbildung erwartet werden konnte und die bereit waren, Betreuungskapazitä-ten für die Studierenden des Kollegs bereitzustellen. Die Studierenden hatten die Möglichkeit, ihre Praktika in den Partnerschulen zu erbringen. Sie gingen regelmäßig einmal die Woche in ihre ausgewählte Prakti-kumsschule und führten dort ihre im Seminar erarbeiteten Beobachtungs- und Ar-beitsauft räge durch. Dabei standen sie in engem Austausch und Kontakt mit den be-treuenden Lehrpersonen und ihren Mentorinnen oder Mentoren an der jeweiligen Schule. Die Kooperationsschulen wurden regelmäßig ins Seminar eingeladen. Dar-über hinaus konnten die Praxisschulen auch an Workshops, Vorträgen und ande-ren im Kontext des Modellkollegs angebotenen Veranstaltungen teilnehmen. Ab dem dritten Semester wurde auch die inhaltliche Semesterplanung noch stärker als in den ersten zwei Semestern mit den Kooperationsschulen geplant und abgestimmt. Die Studierenden haben innerhalb der vier Semester jeweils zwei Kooperationsschulen kennen gelernt. Die Erfahrungen zeigen, dass es von großem Vorteil ist, auch ande-re Schulformen als das gewählte Lehramt zu erkunden. Drei Studierende haben ihr Lehramtsstudium aufgrund der Praktikumserfahrungen gezielt gewechselt und sich für die Ausbildung auf eine andere Schulform hin entschieden. 1.4.2 Forschendes Lernen Das Modellstudium sah sich dem Gedanken des forschenden Lernens verpfl ichtet. Daher verdichtete sich die Arbeit der Studierenden im dritten und vierten Semes-ter auf konkrete Forschungsbezüge hin. Die Studierenden haben sich dazu zu For-schungsteams zusammengeschlossen und konnten in Kooperation mit den betei-ligten Partnerschulen oder in Kooperation mit laufenden Forschungsprojekten der beteiligten Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft ler eigene Projekte durchführen. Hierdurch sollte gewährleistet werden, dass die Ergebnisse der Arbeit zu einer Ver-netzung zwischen Schule, Schulentwicklung und Forschung beitragen. Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 17 Im September 2010 waren 29 Studierende und vier Lehrende des Modellkollegs Bildungswissenschaft en in Joensuu, um auf einer zehntägigen Exkursion das fi nni-sche Schulsystem und die dortige Lehrerbildung zu „erforschen“. Diese Exkursion wurde vom DAAD gefördert. Jeder Studierende überlegte sich vor Abreise eine ei-gene Forschungsfrage, mit der sie oder er sich während des Aufenthaltes beschäft igt. Dabei wurden eigene Vorgehensweisen in der Durchführung des jeweiligen Projekts sowie seiner späteren Präsentation gewählt. Die individuellen Forschungsschwer-punkte wurden im Portfolio der Studierenden dokumentiert und dienten einigen als Grundlage für weitere Projekte (z.B. Examensarbeit). 1.4.3 Problemorientiertes Lernen Ausgangspunkt des Lernens sind reale ‚Probleme‘ aus der Praxis (der Kooperations-schulen). In Kleingruppenarbeit wurden die Problem- bzw. Fallstrukturen analysiert und didaktische Überlegungen formuliert. Relevante Th eorien wurden hinzugezogen und auf ihre Erklärungskraft hin befragt. Methoden wurden mit den Lehrerinnen und Lehrern geplant und in ihrer Wirkweise beobachtet. Die Ergebnisse und Prob-lemlösungen wurden gemeinsam refl ektiert und diskutiert. Die Studiengruppen arbeiteten an selbst gewählten Th emen, die sie aus den Pra-xiskontakten entwickelt hatten. Im ersten Semester wurde das Th ema individuelle Förderung mit einem Fokus auf dem Projekt „Fördern statt Sitzenbleiben“ für den Beginn von Seiten des Teams der Lehrenden vorbereitet; im zweiten Semester wurde – und den folgenden Semestern ebenfalls – die thematische Fokussierung von den Lerngruppen jeweils neu festgelegt. 1.4.4 Teamarbeit und Supervision Das Modellkolleg legte ein Augenmerk auf gelingende Teamentwicklung: Vom ersten Seme ster an arbeiteten die Studiengruppen auch in Kleingruppen. Seit dem zweiten Semester wurden diese Selbstlern- und Kleingruppenphasen durch Tutorinnen und Tutoren inhaltlich und methodisch unterstützt. Die Tutorinnen und Tutoren wieder-um wurden durch spezifi sche Train-the-Tutor-Kurse vorbereitet und begleitet. Sie er-hielten sogenannte Briefi ngs und wurden rechtzeitig in die Th ematik eingeführt und auf ihre Tutorien vorbereitet. Die Lehrenden demonstrierten Teamorientierung z.B. durch Team Teaching, kollegiale Hospitationen, partizipative Evaluation und über die Beziehung zu den Studierenden. Sowohl die Studierenden als auch die Lehren-den profi tierten von den gemeinsamen Lehr-/Lernphasen. Auch unter den Studie-renden wurde kollegiale Fallberatung angeboten und durchgeführt. Die Studierenden konnten an einer wöchentlichen Veranstaltung ‚Th eorie und Praxis der Supervisi-on teilnehmen. Für die Lehrenden wurde ein Supervisionsangebot vorgehalten, das einmal monatlich als freiwilliges Angebot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stattfand. Das Modellkolleg 18 1.4.5 Refl exion und Reziprozität von Lehren und Lernen Das Modellkolleg verstand sich als gemeinsames Projekt der Beteiligten: Das bedeu-tete Lehren, Lernen und Beraten als wechselseitigen Prozess unter gleichen Bedin-gungen zu begreifen. Institutionelle Bedingung hierfür war ein regelmäßiges Plenum, bei dem alle Beteiligten Rederecht und Stimme haben. In den ersten zwei Semes-tern haben sich unterschiedliche Teamsitzungen als sinnvoll bewährt und durchge-setzt. Es gab ein wöchentliches „Orga-Team“ (Geschäft sführung, Sekretariat, SHKs), zweiwöchentliche „Kleinteams“ mit allen Juniorprofessor(inn)en, wissenschaft lichen Mitarbeiter(inn)en und Hilfskräft en, wo organisatorische Fragen, aktuelle Th emen und anstehende Termine geplant und strukturiert werden. Darüber hinaus gab es monatliche „Großteams“, an dem alle Lehrenden beteiligt waren, inhaltlich diskutier-ten, Probleme besprachen sowie curriculare und strukturelle Entscheidungen trafen. Hierüber hinaus gab es monatliche „Plenen“, zu denen neben den genannten auch alle Studierenden und alle Lehrerinnen und Lehrer eingeladen werden. Diese Orga-nisations- und Sitzungskultur ermöglichte strukturierte Diskussionsplattformen. Zwischen den Semestern waren Workshops, Summerschools und gemeinsame Refl exionsphasen angesiedelt, in denen das neue Wissen, die Praxiserfahrungen und die erworbenen Kompetenzen interdisziplinär gebündelt und refl ektiert wurden. Da-bei wurde zum Teil auf die Methode des Refl ecting Teams zurückgegriff en. Die Re-fl exionsphasen werden in Form von Kompaktveranstaltungen organisiert. Zwischen den Semestern gab es eine zweitägige Klausurtagung, die zu Refl exion diente und zur Diskussion und Planung der kommenden Semester genutzt wurde. 1.4.6 Pädagogischer Raum Das Modellstudium zielte auch darauf, über die Universität als Lehr-/Lernraum par-tiell hinauszugehen und andere Lernorte einzubeziehen: • die beteiligten Partnerschulen, • eine Unterrichtsmitschau im Gebäude der Hochschule, • ein eigener Arbeits- und Studienraum, • ein eigener Seminarraum mit Möglichkeiten fl exibler Nutzung. Weiterhin wurden – in Kooperation mit dem an der Humanwissenschaft lichen Fa-kultät angesiedelten studentischen BildungsRaumProjekt school is open – neue Lern-räume experimentell erprobt und auf ihre Bildungsmöglichkeiten hin untersucht (und bewertet). Dafür war das Modellkolleg im regelmäßigen Kontakt mit den Betei-ligten von school is open. Dirk Rohr, Hans-Joachim Roth 19 1.4.7 Interdisziplinarität Alle Veranstaltungen waren interdisziplinär angelegt. Das wurde z.B. durch die ge-meinsame Organisation und Durchführung von Lehrveranstaltungen durch Lehren-de verschiedener Bezugsdisziplinen, in Kooperation mit den Studierenden und/oder die Einbeziehung von Lehrkräft en aus den beteiligten Partnerschulen umgesetzt. Die Studierenden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Kooperationsschulen des Modellkollegs profi tierten von der Perspektivenvielfalt der Beteiligten. 1.4.8 Dokumentation, Evaluation und Qualifi kation Die Studierenden dokumentierten ihren Lernprozess hinsichtlich des Wissens- und Kompetenzerwerbs anhand eines Portfolios, das über alle vier Semester geführt wur-de. Bestandteil des Portfolios sind verwendete Materialien, Projektbeschreibungen, eigene wissenschaft liche Texte und Fallstudien. Die Studierenden hatten aus den Rei-hen aller Lehrenden Mentorinnen und Mentoren, mit denen sie in regelmäßigen Ab-ständen die Portfolios in sogenannten Persönlichen Entwicklungsgesprächen (PEGs) besprochen haben. Ein Beispiel-Portfolio befi ndet sich im Anhang.1 Die Studierenden hatten auch die Möglichkeit, im Rahmen ihrer konkreten For-schungsprojekte ihre Staatsexamensarbeiten vorzubereiten oder Th emen für andere Prüfungsteile zu generieren. Grundlage dafür konnte bzw. kann das Portfolio sein. Neben den studienbezogenen Qualifi kationen wurden weitere Angebote gemacht, zum Beispiel zum Schreiben englischer Texte, zu Forschungsmethoden oder Unter-richtsmethoden. Der enge Kontakt der Studierenden zu den Lehrenden gewährleistete fachkompe-tente und kontinuierliche Studienberatung und ermöglichte eine höhere Verbindlich-keit der Lehrenden gegenüber den Studierenden sowie der Studierenden gegenüber den beteiligten Disziplinen. Diese Beratungsmöglichkeit wurde im ersten und zwei-ten Semester vielfach von den Studierenden genutzt. Die beteiligten Lehrenden ste-hen nun für Betreuung von Abschlussarbeiten und Prüfungen zur Verfügung. 1 Der Anhang ist unter www.waxmann.com/buch2721 herunterladbar. Das Modellkolleg 20 Meike Kricke, Kersten Reich 2. Das Modul Erziehen 2.1 Ziele und Kompetenzen Das Modul Erziehen verstand sich im Modellkolleg Bildungswissenschaft en als Fun-dament einer fördernden Beziehungsarbeit. Dabei wurden folgende schulformüber-greifende Kompetenzen angestrebt: • Pädagogische und sozialwissenschaft liche Grundbegriff e und Handlungsfelder systematisch vor allem in historischen, kulturellen, sozialen Kontexten erläutern können • Bedeutung von Beziehungen und Fördern in Lern- und Lehrprozessen erfahren und wahrnehmungssensibel werden für Interaktionen • Interaktion als Schlüsselverhältnis in pädagogischen Prozessen erfahren • Zentrale Grundlagen der Erziehungs-, Bildungs-, und Sozialisationstheorien auf (außer-)schulische Situationen beziehen und kritisch refl ektieren • „LehrerIn sein“ und „new learning“: Lehrerinnen und Lehrer als Ermöglicher, För-derer, Begleiter in einer sich stets wandelnden Lebenswirklichkeit (Diversität) be-gründen • Förderung der kommunikativen und interaktiven Kompetenzen (Kommunikation, Moderation, Beratung, Konfl iktprävention, Förderung) • Refl exion und Weiterentwicklung der eigenen Haltungen und Wertevorstellungen auf Grundlage der eigenen Motivation und Biografi e • Entwicklung eines systemischen Verständnisses von Erziehung, Beratung und Kommunikation 2.2 Inhalte – Was haben wir gemacht? Wie haben wir es gemacht? Die Inhalte des Moduls Erziehen basieren auf • den Bildungsstandards der KMK vom 16.12.2004 für den Kompetenzbereich Er-ziehen, • den Wünschen der Studierenden, die in der ersten Sitzung aufgenommen wurden, • den Zielvorstellungen der Modulverantwortlichen, die aus einer systemisch-kons-truktivistischen Sichtweise argumentieren, • Grundlagen der fi nnischen Lehrerbildung, in der die modularisierte Lehrerbil-dung bereits seit 2005 erfolgreich praktiziert wird und ein Beziehungslernen im Mittelpunkt steht. Meike Kricke, Kersten Reich 21 Daraus ergaben sich die im Folgenden dargestellten Inhalte und Ziele:1 Thema der Sitzung Ziele Übergreifende Kompetenzen Organisation/ Portfolio „Meine Motivation zum Lehramtsstudium“/ „Meine erste Arbeits-theorie“ Studierende werden sich ihrer Vorer-fahrungen und Haltungen im pädago-gischen Bereich bewusst und tau-schen sich darüber untereinander aus. Re exion und Weiterentwicklung der eigenen Haltungen und Wertevorstellungen auf Grund-lage der eigenen Motivation und Biogra e Kennenlernen Erziehungswissen-schaftlicher Grundbe-griffe und Arbeitsfelder der Erziehungswissen-schaft Die Studierenden erhalten in aktiver Auseinandersetzung Gelegenheit, die anderen und sich im Blick auf das Lehramtsstudium zu erfahren. Sie lernen für sie und für die Wissenschaft relevante Grundbegriffe kennen und erwerben die Fähigkeit, diese darzu-stellen und zu erläutern. Zentrale Grundlagen der Erzie-hungswissenschaften und So-zialisationstheorien auf (außer-) schulische Situationen beziehen und re ektieren Wirklichkeitskonstruk-tionen und der Sinn von Förderung (growth) in pädagogi-schen Prozessen Die Studierenden erfahren unter-schiedliche Wirklichkeitskonstruktio-nen in der Wahrnehmung und Inter-pretation pädagogischer Ereignisse. Förderung wird als das bedeutsamste pädagogische Ziel der Gegenwart rekonstruiert. Sie erkennen die Be-deutung von Multiperspektivität im pädagogischen Handeln und unter-scheiden verschiedene Wege und Ergebnisse der Förderung von Lernen in pädagogischen Situationen. Kritische Re exion der eigenen Haltungen und Wertevorstellun-gen Fallstudien I – eine Einführung und Portfolio-Re exion Die Studierenden formulieren erste Beobachtungen aus der Schulpraxis. Sie lernen die Methode der Einzel-fallstudie als wissenschaftliches Er-kenntnisinstrument in der qualitativen Sozialforschung und als didaktisches Ausbildungsinstrument in der Lehr-amtsausbildung kennen und führen erste Interpretationen durch. Dabei wenden sie den Labeling-Approach- Ansatz an. Die Lehrperson als „ForscherIn“: Verzahnung von konkreten Pra-xisbeispielen und wissenschaft-lichen Theorien („Forschendes Lernen“) Wandel der Lehr-/ Lernkulturen und des Lehrerbildes Der Wandel der Lehr- und Lernkultu-ren wird am Beispiel des Lehrerberu-fes diskutiert und auf eigene Erfah-rungen bezogen. Ein professionelles Verständnis des Lehrerberufes als Ermöglicher(in), Förderer/in, Begleiter/ in und Helfer/in wird erarbeitet („new learning“). „LehrerIn sein“ und „new learning“: Lehrerinnen und Lehrer als Ermöglicher, Förderer, Begleiter in einer sich stets wan-delnden Lebenswirklichkeit 1 Eine ausführliche Dokumentation aller Materialien zu den Einzelsitzungen fi nden sich unter: http://www.hf.uni-koeln.de/33814 (Datum des Abrufs: 10.12.2011). Das Modul Erziehen 22 Interaktion Interaktion wird als pädagogisches Schlüsselverhältnis verstanden und auf eigene Wirklichkeitskonstruktio-nen bezogen. Es werden äußere und innere Interaktionsformen erörtert und auf pädagogische Kon iktfälle konkret angewandt. Darüber hinaus erhalten die Studie-renden einen Überblick über den gesellschaftlichen Wandel der Interak-tionstheorie Interaktive und kommunikative Kompetenzen als Ressource für professionelles Erziehungshan-deln fördern Kon iktpräventions- und -lö-sungsstrategien kennenlernen Interaktion als Schlüsselverhält-nis in pädagogischen Prozessen erfahren Kommunikation Die Studierenden lernen Elemente der Selbstkundgabe und Selbstwahrneh-mung sowie grundlegende Aspekte der Körpersprache vor allem bezogen auf ihre Rolle als Lehrerin/Lehrer kennen. Sie erarbeiten und erproben Interaktionen im Rahmen des Mo-dells der Transaktionsanalyse von E. Berne. Erwerb von Grundwissen zur Gestaltung von Kommunikation, Beratung und Förderung zur Kompensationen von Benachtei-ligungen im Bildungssystem Fallstudien II Die Studierenden arbeiten mit ihren ersten Beobachtungen zu ihrem Fall (ihrer Schülerin/ihrem Schüler). Sie erarbeiten einen Gesprächsleitfaden für ein Interview mit ihrem Fall. Die Studierenden lernen altersbezo-gene Sozialisationsstufen und Aspek-te außerschulischer Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen kennen. Die Studierenden beschäftigen sich mit Erklärungen und Einstellungen von Lehrpersonen und deren Wahr-nehmung von Schülerleistungen und -verhalten. Zentrale Grundlagen der Erzie-hungswissenschaften und So-zialisationstheorien auf (außer-) schulische Situationen beziehen und re ektieren Förderung von Diagnostik im Hinblick auf individuelle Förde-rung „Forschendes Lernen“ Lerntheorien und Classroom-Manage-ment Klassenführung Die Studierenden kennen wichtige Dimensionen effektiver Klassenfüh-rung zur Vermeidung von Unterrichts-störungen. Klassenraumgestaltung Die Studierenden kennen relevante Aspekte bei der Klassenraumgestal-tung und können diese in einem kon-kreten Fall umsetzen. Verhaltensmodi kation Die Studierenden wissen, wie Bedin-gungsfaktoren von unerwünschtem Verhalten im Unterricht systematisch analysiert werden können und wie erwünschtes Verhalten aufgebaut wer-den kann. Sie können dieses Wissen auf einen konkreten Fall anwenden. Kon iktpräventions- und -lö-sungsstrategien kennenlernen Umgang mit Heterogenität und Diversität in einer sich wandeln-den Lebenswirklichkeit Interaktion als Schlüsselverhält-nis in pädagogischen Prozessen erfahren Meike Kricke, Kersten Reich 23 „Beziehungen“: Initi-ieren, Begleiten, Auf-bauen (Modelling: alle Modul-beauftragten analysie-ren eine Fallbeschrei-bung aus unterschiedli-chen Perspektiven) Anhand einer Fallbeschreibung wird eine pädagogische Situation bezüglich ihrer Ressourcen und Lö-sungspotenziale aus verschiedenen Perspektiven analysiert und re ektiert. Dabei werden besonders Aspekte der Präsenz der Erzieher- und Förderrolle vertiefend erarbeitet und nach ihrer Wirksamkeit beurteilt. Beispiele für eine effektive Bezie-hungs- und Förderarbeit werden do-kumentiert. Anhand der Fallbeschreibung erhalten die Studierenden ein Exempel, wie ihre Fallbeschreibung im Portfolio dokumentiert werden kann. Zentrale Grundlagen der Erzie-hungswissenschaften und So-zialisationstheorien auf (außer-) schulische Situationen beziehen und re ektieren Bedeutung von Beziehungen und Fördern in Lern- und Lehr-prozessen erfahren und wahr-nehmungssensibel werden für Interaktionen Förderung der Interdisziplinarität Fallstudien III: Interview analyse und Präsenta tions-vorbereitung Forschendes Lernen (Verbin-dung von Theorie- und Praxiser-fahrungen) Erziehen aus Sicht der Inklusion Welche Menschenbilder gibt es? Wie ist meine eigene Vorstellung vom Menschen? Wie können Menschenbil-der das erzieherische Handeln beein- ussen? Wie sehen sich Menschen mit Behinderung? Wie ist Integration, Segregation und Inklusion zu de nie-ren? Raum für die eigene Entwicklung geben: kritische Re exion der eigenen Haltungen und Werte-vorstellungen Fallstudien IV: Vorbe-reitung auf die Fallstu-dien- Präsentationen Präsentation der eige-nen Fallstudien Die Lehrperson als „ForscherIn“: Verzahnung von konkreten Pra-xisbeispielen und wissenschaftli-chen Theorien („Forschendes Lernen“) Abschlussfeedback zum Modul 1 Re exion und Weiterentwicklung der eigenen Haltungen und Wertevorstellungen auf Grund-lage der eigenen Motivation und Biogra e Um einen Transfer von Th eorie und Praxis zu fördern, arbeiteten die Studierenden im Modul Erziehen an einer selbst gewählten Fallstudie aus ihrer Praxisschule, die sie im Portfolio dokumentierten und refl ektierten. Das Modul Erziehen 24 2.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg Das Modul Erziehen fand im WS 09/10 in Kooperation mit dem Juniormodul Un-terrichten statt. Die Studierenden bildeten nach Präferenz eine Montags- (24 Studie-rende) und eine Donnerstagsgruppe (33 Studierende). Die vierstündigen Seminare (mit einer halbstündigen Pause) waren geprägt durch vernetzte Planungen der ver-schiedenen Modulbeauft ragten (Interdisziplinarität) und Team Teaching. Sie zeich-neten sich des Weiteren besonders durch Methodenvielfalt aus. Die Teilnahme von Praxisschul-Lehrpersonen eröff nete erweiterte Sichtweisen auf die Schulpraxis inner-halb der Seminare. An einem Vormittag in der Woche besuchten die Studierenden eine der Koope-rationsschulen des Modellkollegs, um im ersten Modul Erziehen eine Fallbeschrei-bung einer Schülerin/eines Schülers zu entwickeln. Gemeinsame Regeln und Rituale: Ein Fokus wurde auf die gemeinsame Erstellung von Regeln und Ritualen in der Seminargestaltung gelegt. Dieser Vorgang wurde zum Ausgangspunkt für ein demokratisches und beziehungsintensives Miteinander. Die Regeln und Rituale wurden stetig refl ektiert und auf dieser Basis während des Semesters und darüber hinaus modifi ziert. Folgende Regeln und Rituale wurden im ersten Semester entwickelt: • Refl exionsfragen: Am Ende jedes Seminars wurden folgende Fragen beantwor-tet: Was habe ich für mich heute gelernt? Was ist noch unklar geblieben? Was wün-sche ich mir noch? Durch die regelmäßige Dokumentation der Refl exionsfragen im Portfolio setzten sich die Studierenden mit den Inhalten intensiv auseinander und refl ektierten ihren eigenen Lernfortschritt. • Das Blitzlicht: Zu Beginn jedes Seminars tauschten sich die Studierenden über folgende Fragen aus: Welche Erfahrungen habe ich in der Praxis gemacht? Was beschäft igt mich noch aus der letzten Sitzung (Bezug zu den drei Fragen)? Das Blitzlicht ermöglichte einen gemeinsamen Austausch über die Erfahrungen in der Praxis. Dabei wurde direkter Bezug auf die Seminarinhalte genommen, um eine Verzahnung von konkreten Praxisbeispielen und wissenschaft lichen Th eorien zu gewährleisten. • Die Triadengruppe: In Dreierteams trafen sich die Studierenden, um die oben genannten Fragen (1-3) gemeinsam in einem bewertungsfreien Rahmen zu refl ek-tieren und im Portfolio zu dokumentieren. Solche Lernpatenschaft en ermöglichen es, die Lehrerbildung zu individualisieren. Dies ist gerade ein großer Vorteil an „Massenuniversitäten“ wie der Universität zu Köln (vgl. Reich, 2009, S. 98). • Dabei spielt auch die Portfolioarbeit eine große Rolle, durch die die Studieren-den ihre subjektiven Th eorien über den Lehrberuf und über erlebte Praxissitua-tionen refl ektieren. Die angehenden Lehrkräft e erleben so frühzeitig einen kolle-gialen Austausch, sie „lernen, Rückmeldungen zu geben und anderer zu nutzen, um ihre pädagogische Arbeit kontinuierlich zu verbessern und damit auch Ver-antwortung für ihr professionelles Tun zu übernehmen“ (Reich, 2009 S. 96f.). Dies Meike Kricke, Kersten Reich 25 soll eine umfangreiche Vorbereitung auf eine beratende Tätigkeit als Lehrer/Leh-rer gewährleisten. Hier wurde bewusst die Form der Triade gewählt, da in die-ser Teamstruktur nicht „so schnell übereinstimmende Koalitionen“ (Reich 2009, S. 98) gebildet werden wie zum Beispiel in Zweier- oder Viererteams. Studierende konnten zudem: • „Inputs“ (Literatur, Erklärungen, Statements …) für die nächste Sitzung anfor-dern, • Personenwünsche (Expertinnen und Experten) für bestimmte Sitzungen äußern, • den Wunsch äußern, sich ohne Dozierende im Raum über ein Th ema auszutau-schen. Feedbackkultur: Am Ende jeder Sitzung hatten die Studierenden Zeit für ein indivi-duelles Feedback. Eine weitere Form des gegenseitigen Rückmeldens stellte die Me-thode der „Refl ecting Teams“ dar. Ziel dieser Methode, die in den 1980er Jahren von Tom Andersen entwickelt wurde, ist es, die „Beobachterperspektiven von Teilneh-mern“ (Reich, 2009, S. 241) zu stärken. Anregungsreiche Lernumgebung: Die Gestaltung des pädagogischen Raumes wurde von Studierenden und verschiedenen Mitarbeitenden des Modellkollegs Bildungswis-senschaft en in Zusammenarbeit mit dem Projekt school is open gemeinsam geplant und umgesetzt. Neben einer anregungsreichen und persönlichen Lernatmosphäre wurden dabei auch Möglichkeiten der Raumnutzung für verschiedene Methoden er-arbeitet. Auch stehen den Studierenden zusätzlich die Räume verschiedener Mitar-beitenden für Gruppenarbeitsphasen etc. zur Verfügung. Außerhalb der Modellkol-leg- Zeiten können die Studierenden die Räumlichkeiten für eigene Zwecke nutzen: zum Lernen, zum Austausch, zum Triadentreff en, etc. 2.4 Wie hat es funktioniert? In der Refl exion wird deutlich, dass viele inhaltliche Th emenschwerpunkte unter Einsatz einer gefächerten Methodenvielfalt nur an der Oberfl äche behandelt werden konnten. Neben der Seminarstruktur ist aus Dozierendensicht vor allem eine Vorle-sung zur theoretischen Fundierung der Inhalte notwendig. Sinnvoll ist weiterhin die im Bachelorstudiengang vorgesehene Vorlesung mit der Portfolioarbeit aus dem Ori-entierungspraktikum und den aufb auenden Seminaren zu dem Modul Erziehen ab-zustimmen, in denen an eigenen Fallstudien aus dem Orientierungspraktikum gear-beitet werden könnte. Denn hervorzuheben ist aus Dozierendensicht das Arbeiten an einem konkreten Praxisfall und die dabei entstehende Verknüpfung von Praxiser-fahrung und Th eoriefundamenten zu Beginn der Ausbildung, um eine forschenden Haltung auf Seiten der Studierenden zu fördern. Die individuelle Betreuung und das gemeinsame Erstellen von Regeln und Ritualen führte aus Dozierendensicht zu ei- Das Modul Erziehen 26 nem lernförderlichen Klima. Wünschenswert wäre es, die Studierenden von Anfang an stärker in die inhaltlichen Modulplanungen miteinzubeziehen. Dies ließ sich für das erste Semester organisatorisch nicht umsetzen. Während des Semesters hatten die Studierenden jedoch die Möglichkeit, eigene selbst gewählte Vertiefungsschwer-punkte individuell zu erarbeiten und vorzustellen. 2.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge Die Übertragung der oben dargestellten Inhalte2 stellt aus Dozierendensicht eine gute Basis für das Modul Erziehen dar. Besonders durch die Fallbezogenheit las-sen sich die beiden Praxisphasen Eignungspraktikum und Orientierungspraktikum im Bachelorstudium sehr gut in die Seminararbeit integrieren. Eine Voraussetzung dazu wäre jedoch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine höhere Transpa-renz über die Praxisphasen und deren Inhalte erhielten. Aus diesem Grund und um eine stärkere Th eorie-Praxis-Verknüpfung anzubahnen, haben wir einen Reader für das Modul Erziehen entwickelt, der darstellt, wie die Portfolioarbeit aus dem Orien-tierungspraktikum mit der Seminararbeit verknüpft werden könnte (s. Anhang unter www.waxmann.com/buch2721). In der Seminararbeit zum Modul Erziehen wurde auch eine Liste von Erzie-hungsromanen und -fi lmen erstellt (Anhang). Diese könnte in der Seminararbeit eingesetzt werden. Eine inhaltlich stärkere Beachtung sollten die Th emenbereiche „Gender“ und In-klusion erfahren. In der BA/MA-Struktur sollten außerdem aus unserer Sicht Anrei-ze geschaff en werden, interessierten Studierenden vertiefende Angebote im Rahmen des Moduls anzubieten: zum Beispiel in Form von Beratungs- oder Einführungs-workshops zum wissenschaft lichen Arbeiten als Grundlage für die eigene Fallarbeit. Es zeichnet sich ab, dass in der Seminarstruktur fl ächendeckend keine Standardi-sierung für das Modul Erziehen erreicht wird. Um eine Konstanz der Inhalte zu si-chern, wäre eine Möglichkeit, gezielte Lecturer-Stellen zu schaff en, die ein einheitli-ches Seminarkonzept umsetzen würden. Zudem zeichnet sich insgesamt ab, dass die Creditverteilung der bildungswissenschaft lichen Anteile im Vergleich zu den Fach-wissenschaft en und -didaktiken zu niedrig ist. Während des Modellkollegs wurden im Modul Erziehen vielfältige handlungsori-entierte Methoden umgesetzt. Bilanzierend fehlte eine Vorlesung zur theoretischen Fundierung. In dem akkreditierten Lehramtsstudium ist eine Vorlesung, die die Stu-dierenden als Grundlage vor der Seminararbeit zum Modul belegen, fester Bestand-teil. In dieser lassen sich neben den oben dargestellten Inhalten auch Bezüge zu den Praxisphasen Eignungspraktikum und Orientierungspraktikum knüpfen. Weiterhin hat sich das Format des „Modellings“ aus Dozierendensicht sehr be-währt. Die Studierenden meldeten zurück, dass sie besonders durch die Personifi - 2 Zu den einzelnen Sitzungen sind „Refl exionen der Lehrenden“ mit einem Bezug zum BA/ MA-Studium ab dem WS 11/12 zu fi nden unter: http://www.hf.uni-koeln.de/33814. Meike Kricke, Kersten Reich 27 zierung der verschiedenen wissenschaft lichen Disziplin einen sehr guten Einblick in den Zusammenhang der verschiedenen Anteilsdisziplinen erhalten konnten. Im Rahmen des akkreditierten Lehramtsstudiums könnten Vorlesungen aus vereinzel-ten Modelling-Einheiten bestehen oder das Format könnte das Ende einer Ringvor-lesung bilden. Um Terminabsprachen zu vereinfachen, könnten bestimmte Th emen-komplexe auf Video aufgezeichnet werden, die dann als Podcast zugänglich wären. Da der Großteil der Studierenden kaum Vorerfahrungen in Bezug auf die Portfo-lioarbeit aufweist, ist eine fundierte Einführung essentiell. Diese wird an der Univer-sität zu Köln seit dem Wintersemester 2011/12 über das Zentrum für Lehrerbildung in Verbindung mit Begleitveranstaltungen zum Orientierungspraktikum organisiert. Wurde eine individuelle Betreuung der Portfolioarbeit über alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin im Modellkolleg gesichert, erscheint der Erwerb der Credits über Portfolios im Modul für alle Studierenden als sehr aufwendig. Insgesamt zeichnet sich ab, dass es einen höheren Betreuungs- bzw. Personalschlüssel geben muss. Das Arbeiten in Triaden stellt aus Dozierendensicht eine gute Basis dar, um in heterogenen Lernteams (Studierende verschiedener Schulformen) kooperierende und kommunikative Kompetenzen zu stärken – auch im Hinblick auf das Th ema Inklu-sion. In Lernteams können sich die Studierenden in der Bearbeitung ihres Portfolios Praxiselemente gegenseitig unterstützen, beraten und Rückmeldungen geben. Durch das Arbeiten an eigenen Praxisfällen kann zudem eine forschende Grundhaltung bei den angehenden Lehrkräft en von Beginn des Studiums an gefördert werden. Die Er-fahrungen aus dem Modellkolleg zeigen, wie wichtig eine Unterstützung der Studie-renden in ihrer eigenen Fallarbeit ist. Für eine erfolgreiche Implementierung könn-te hier mit einem Tutorensystem gearbeitet werden: Studierende höherer Semester könnten die Studierenden in der Fallarbeit unterstützen und beraten. Durch die Prä-sentationen der eigenen Fallstudien könnten die Studierenden weiterhin einen mehr-perspektivischen Blick auf ihren späteren Beruf erlangen. Eine fördernde Grundein-stellung kann zudem von Anfang an des Studiums durch den Th emenkomplex der Inklusion gefördert werden. Hier stellen für uns die beiden Selbstrefl exionselemen-ten Arbeitstheorie und Erfolgs- und Wachstumsseite innerhalb der Portfolioarbeit zwei elementare Instrumente zur eigenen Weiterentwicklung dar, die z.B. auch im Rahmen von Lernteamarbeit aufgegriff en werden sollten. So würde eine Refl exion und Weiterentwicklung der eigenen Haltungen und Wertevorstellungen auf Grundla-ge der eigenen Berufsbiografi e gefördert. Das Modul Erziehen 28 Ellen Aschermann, Heike Gerdes 3. Das Modul Beurteilen 3.1 Ziele und Kompetenzen Ziel des Moduls Beurteilen war es, die Bildungsstandards der KMK im Kompetenz-bereich Beurteilen mit wissenschaft lichen Th eorien und Ergebnissen aus der Lehr-/ Lernforschung zu verbinden. Beurteilungskompetenz umfasst vier unterscheidbare Dimensionen, die im Rahmen des Moduls entwickelt werden sollen: 1. Die Erfassung der Lernvoraussetzungen, Lernprozesse und Lernergebnisse der Schüle rinnen und Schüler 2. Die Analyse der Aufgabenanforderungen und der notwendigen und möglichen Bear beitungsschritte (Verbindung zur Fachdidaktik) 3. Erkennen der Prozessmerkmale, die die Qualität der Beurteilung beeinfl ussen können, und Refl exion der eigenen internen Beurteilungsmaßstäbe (z.B. Bezugs-normorientie rung, subjektive Th eorien) 4. Adressatenangemessene Kommunikation der Befunde (Bezug zur Beratung). Mit dieser Perspektive geht das Modul Beurteilen über die klassischen Ansätze der Beurtei lung von Personenvariablen hinaus und erweitert die Perspektive auf die Dia gnose der den Lernanforderungen zugrunde liegenden kognitiven, emotionalen und sozialen Verarbeitungs schritte. Außerdem wird die soziale Dimension von Be-urteilungen, die zugleich in den gesell schaft lichen Normen als auch in den biogra-fi schen Erfahrungen der Studierenden gründet, refl ektiert und wissenschaft lichen Analysen zugänglich gemacht. In allen Bereichen werden die Th eorien und Model-le der psychologischen und pädagogischen Diagnostik als Ausgangs punkte für den Kompetenzaufb au genutzt. Die eigenen Erfahrungen der Studierenden aus pädago-gischen Situatio nen (wöchentlicher Besuch der Praxisschule) und aus den übrigen Lern bereichen werden explizit mit den wissen schaft lichen Konzepten verknüpft . Me-thodisch wird ein situationsorientierter Lernan satz vorgesehen, in dem neben der Selbsterkundung auch die Beobachtung und die Durch füh rung konkreter diagnosti-scher Situationen im schulischen Kontext integriert wird. 3.2 Inhalte Das Modul Beurteilen erweitert, aufb auend auf dem ersten Modul Erziehen, in zwei-erlei Hinsicht die Perspektive auf schulische Lehr-/Lernprozesse: Das methodische Repertoire wird von der Einzelbeobachtung auf die Beurteilung von Variablenaus-prägungen auf Grundlage von Verteilungsparametern erweitert. Auf der theoreti-schen Ebene wurden zentrale Konzepte der Psychologie eingeführt und ihre Bedeu-tung für den Beurteilungsprozess verdeutlicht. Beide Erweiterungen ermöglichten Ellen Aschermann, Heike Gerdes 29 es den Studierenden, komplexe schulische Anforderungen anhand weiterer Kriteri-en zu strukturieren und das eigene Handeln wissenschaft lich zu refl ektieren. Weiter-hin wurden die Wünsche der Studierenden, die zum Abschluss des Moduls Erziehen erhoben worden waren, in die Auswahl und Gestaltung der Th emen aufgenommen, soweit sie sich in die Zielvorstellungen des Moduls integrieren ließen. 3.2.1 Was haben wir gemacht? Auf Basis der obigen Ausführungen zu den Zielen und Kompetenzen ergaben sich die in Tabelle 1 dargestellten konkreten Inhalte des Moduls Beurteilen. Thema / Inhalte Ziele: Die Studierenden Lernvoraussetzungen: Infor-ma tionsverarbeitungsmodell, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Wissenserwerb, Lern stra te gien, Gedächtnisent wicklung, Rolle des Vorwissens, Lernen mit Texten, Lernschwierigkeiten, Transfer, Lehren und Lernen … kennen die Komponenten des Informationsverarbeitungs-modells und deren Eigenschaften sowie die Prozesse, die an der Informationsverarbeitung beteiligt sind. … wissen, wie Wissen erworben wird, wie es im Langzeitge-dächtnis repräsentiert ist und unter welchen Bedingungen es abgerufen und angewendet werden kann. … können anhand mehrerer Bei spiele erläutern, wie das In-formationsverarbeitungsmodell genutzt werden kann, um schulischen Wissenserwerb zu fördern. Rehistorisierende Diagnostik (Inklusion) … kennen das kulturhistorische Modell der Ent wicklung in Grundzügen und können grundlegende Prozesse auf die Entstehung von Behinderung übertragen. … kennen das Vorgehen der rehistorisierenden Diagnostik und können zwischen Erklären und Verstehen unterschei den. Sie kennen den Zu sammenhang mit der Syndrom analyse. … können unter rehistorisierenden Aspekten die Lebens ge-schichte betrachten und verstehen, wie es zu Lern proble-men kommen kann. Lerndiagnostik – Standardi-sierte Schultests: Normierung, Gütekriterien, Test kon struk tion, Anwendung der SELLMO, Auswer tung und Interpretation … wissen, welche Gütekriterien standardi sierte Tests erfül len müssen und wie diese bestimmt werden. … wissen, was unter Normierung zu ver ste hen ist und wie und warum Standard werte berechnet werden. … wissen, wie standardisierte Tests durchzu füh ren sind und wie man Testergebnisse inter pretiert. Lerndiagnostik – eigene Tests entwickeln: Lehrziel ma-trix, Bezug zum Infor ma tions - verarbei tungsmodell, Er stel lung konkre ter Aufgaben vor dem Hinter grund der Lehrziel matrix … können die Begriffe „Wissen“, „Ver ste hen“ und „An wen - den“ aus der Lehrziel ma trix vor dem Hinter grund des Informations verarbeitungs modells erläutern. … können unter Berücksichtigung der Lehrziele für einen spe-ziellen Inhalts bereich eine Lehrziel matrix erstellen. … können für die Zellen der Lehrzielmatrix diag nos tisch wert-volle Aufgaben in einem passen den Auf gabenformat formu-lieren. Das Modul Beurteilen 30 Leistungsbeurteilung – Prüfungen: Mündliche vs. schriftliche Prü fun gen, Va li dität, Objektivität und Re liabilität von Prüfungen, Fehler quellen, Urteils verzer run gen … kennen die Vor- und Nachteile von schriftlichen und mündli-chen Prüfungen. … wissen, welche Fehlerquellen bei der Be wer tung schriftli-cher und mündlicher Prüfungen eine Rolle spielen können. … können konkrete Maßnahmen nennen, um die Qua lität von Leistungsbewertungen (Objekti vi tät, Reliabilität, Validität) zu verbessern. Leistungsbeurteilung – Zen-suren/ Noten: Arten von Zeug-nissen, Schulge setz … können die verschiedenen Zeugnisarten benennen und hinsicht lich der rechtlichen Rahmen be din gungen die Frei-heiten in der Gestaltung der Zeugnisse einschätzen. … setzen sich diskursiv mit der Problematik der Kopfnoten auseinander. Leistungsfeedback: Selbst-bewertungsmodell, (Leis tungs - mo ti vation), Bezugsnormen, Motivations training … kennen die Vor- und Nachteile verschie dener Bezugs-normorientierungen von Lehrkräften in Bezug auf ihre moti-vationalen Effekte auf Schü lerseite. … können die Komponenten des Selbstbe wer tungs modells erläutern. … können relevante Komponenten eines Moti va tions trai nings, das auf dem Selbst bewertungs modell basiert, erläutern. Beratung: De nition von Be-ratung, Ziele von Beratung an Schu len, Beratungsan lässe, Planung, Gesprächsführung, Spie geln, Deeskalation … kennen die Phasen und die Rollen in Bera tungs situa tio nen. … können Aussagen paraphrasieren und spiegeln. … kennen Strategien, um mit überraschenden Ein wänden in Beratungssituationen umzugehen. Vergleichende Schulleistungs messungen: Überblick über Schulvergleichs-stu dien, Ziel und Zweck der Studien, VERA … kennen die Vor- und Nachteile von Schul ver gleichs mes-sungen. … können die wichtigsten Schulvergleichsstudien benennen und ihren Inhalt zusam men gefasst wiedergeben. … wissen, welche Informationen sie anhand der VERA-Studie erhalten und wie sie diese für ihren Unterricht nutzen kön-nen. 3.2.2 Wie haben wir es gemacht? Über die wöchentlich zu bearbeitenden Aufgaben hinaus (Vorbereitung einer Sit-zung oder Erarbeitung in der Sitzung) hatten die Studierenden mehrere Semester-aufgaben zu erledigen, Semester begleitend eine Fallstudie durchzuführen sowie das Portfolio weiterzuführen. Semesteraufgaben Bei den Semesterauf gaben war es den Studierenden freigestellt, zu welchem Zeit-punkt während des Semesters sie diese Aufgaben bearbeiteten. Sie wurden im Port-folio dokumentiert und refl ektiert: • Die Lernergebnisse aus den beiden Sitzungen zu „Wissen und Entwicklung“ wa-ren in Form eines Educasts (siehe Kapitel 11) aufzubereiten und den anderen Stu-dierenden auf der Lehr-Lern-Plattform ILIAS bereitzustellen. Ellen Aschermann, Heike Gerdes 31 • Jede/r Studierende hatte die Aufgabe, einen Glossareintrag rund um das Th ema Beur tei len zu verfassen. Die gesammelten Glossarbeiträge wurden am Ende des Semesters einheitlich formatiert, vervielfältigt und zu Beginn des neuen Semesters den Studie ren den in gebundener Form ausgehändigt. • Als punktuell durchzuführende Praxisaufgaben waren die Studierenden auf-gefordert, während des Semesters ein Interview mit einer Lehrkraft und einem Schüler/einer Schülerin zur Funk tion von Noten zu führen sowie einen Satz Schü-lerarbeiten mit Hilfe ihrer betreuenden Lehrkraft zu korrigieren. Fallstudie Ein Anliegen des Modellkollegs ist es, schon während der ersten Ausbildungs phase eine enge Ver zahnung von Th eorie und Praxis herzustellen. Ganz we sent liches Element dieser Th eorie-Praxis-Verzahnung war auch im Modul Be ur tei len wieder die Fallstudie, die folgender maßen formuliert war: Verfassen Sie für einen Schüler/eine Schülerin in einem Fach auf Grund von vorliegen den Daten (z.B. Zeugnisse, Klassenarbeiten, Tests, Berichte) und ei-gener Datenerhebun gen (z.B. standardisierter Schultest, Interview, qualitative Analysen, Beobachtungen, re historisierende Diagnostik) eine schrift liche Stel-lungnahme. Entwickeln Sie die Eckpunk te eines Förderplans für das nächste hal-be Jahr und formulieren Sie adressatengerechte schrift liche Berichte an die Schü-lerin/ den Schüler, die Eltern und die Lehrkraft . Die Studierenden nutzten die Vormittage, die sie regelmäßig in einer Schulklasse verbrachten, um die Datenerhebungen für die Fallstudie durchzuführen. Am Ende des Semesters präsentierten die Studierenden im Rahmen einer Posterausstellung den anderen Studierenden, den Lehrkräft en der Praxisschulen und den Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern des Modellkollegs ihre Fallstudienergebnisse. Portfolio Wie auch im ersten Semester sammelten und ordneten die Studierenden ihre Mate-rialien und Refl exionen in einem Entwicklungsportfolio. Zum abschließenden per-sönlichen Entwicklungs gespräch mit ihrem Mentor/ihrer Mentorin legten sie ein sog. öff entliches Portfolio vor, das nur einen Teil der im Laufe des Semesters ange-fertigten Aufgaben enthält: • die erste und zweite Arbeitstheorie zum Th ema Beurteilen • eine Dokumentation der Fallstudie • die Refl exion der persönlichen Ziele • ein vertiefend bearbeiteter Schwerpunkt aus dem Modul Beurteilen mit einer Be-grün dung für die Auswahl gerade dieses Schwerpunktes. Zur Gestaltung dieses öff entlichen Portfolios bekamen die Studierenden einen aus-führlichen Leitfaden an die Hand. Das Modul Beurteilen 32 3.3 Rahmenbedingungen Das Modul Beurteilen wurde in Kooperation mit dem Juniormodul Innovieren im Som mersemester 2010 durchgeführt. In dieser Zeit wurden möglichst unterschied-liche Lehr-/Lernformen praktiziert, so dass die Studierenden auch viele Unterrichts-methoden erfahren und ausprobieren konnten. Immer dann, wenn selbstständig In-halte zu erarbeiten waren, standen neben den Dozierenden mehrere Tutorinnen und Tutoren zur Verfügung, die inhaltliche und/oder metho di sche Hilfestellung gaben. Die Studierenden besuchten zusätzlich zu den Seminarsitzungen an einem Vor-mittag in der Woche weiterhin eine der kooperierenden Praxisschulen. So konnte eine enge Verzahnung von Th eorie und Praxis sichergestellt werden. Die knapp 60 Studierenden wurden zu Beginn jeder Sitzung nach verschiede-nen, didak tisch begründeten Prinzipien in zwei Teilgruppen aufgeteilt. So konnte das Andock modul Soziale Interaktion und Kommunikation (SIK) parallel zum Modul Beurteilen unterrichtet werden. Die Studierenden waren wöchentlich von 12.00 bis 19.00 Uhr im Modellkolleg; nach Abzug der Pausenzeiten verblieb eine reine Lehr- Lern-Zeit von fünf Zeitstunden wöchentlich. Nach Abzug der Unterrichtszeiten für das parallel laufende Modul SIK entfi el auf das Modul Beur tei len eine reine Lehr- Lern-Zeit von dreieinhalb Stunden. In Abbildung 1 (siehe S. 15) ist der zeitli che und inhaltliche Rahmen der Sitzungen dargestellt. Ansonsten entsprachen die Rahmenbedingungen im Modul Beurteilen den im Modul Erzie hen dokumentierten Rahmenbedingungen. Im Modul Beurteilen wur-den z.B. die im ersten Semester erarbeiteten Regeln und Rituale weitgehend beibe-halten, auf Wunsch der Stu die ren den wurden lediglich einige Feinjustierungen vor-genommen. 3.4 Wie hat es funktioniert? Schon während des laufenden Semesters wurde deutlich, dass die durch die KMK vorgegebe nen Inhalte des Kompetenzbereichs Beurteilen viel zu umfangreich sind, um sie in einem Semes ter theoretisch fundiert, mit Praxiserfahrungen angereichert und refl ektiert zu erarbei ten. Viele Inhalte konnten nur angerissen werden. Für die-ses Problem sind verschiedene Lösungen denkbar, wobei a) eine inhaltliche Redukti-on oder b) eine begleitende Vorlesung zur theoretischen Fundierung praktikabel er-scheinen. Positiv an der gewählten Vorgehensweise war, dass die Kumulativität des Wissensaufb aus in diesem Modul für alle Modulstudierenden deutlich wurde, da die Kenntnisse aus den Seminarsitzungen unmittelbar für die Fallstudie genutzt werden konnten. Durch eine weitere Modelling-Sitzung wurde die Beziehung zwischen den Th emen Erziehen und Beraten besonders verdeutlichet, da hier Live-Beratungen an-hand von Rollenspielen gemeinsam mit einer Schauspielerin in verschiedenen Set-tings durchgeführt werden konnten. Diese Settings wurden dann von den Studieren- Ellen Aschermann, Heike Gerdes 33 den und mehreren Dozierenden (auch anderer Module) sowie externen Expertinnen und Experten refl ektiert. Im Modul Beurteilen wurden die Studierenden nicht wie in den anderen Modu-len in zwei Gruppen aufgeteilt, sondern gemeinsam unterrichtet. Dieses Vorgehen hat sich, trotz des Team Teachings und der Unterstützung durch zahlreiche Tutorin-nen und Tutoren, als suboptimal erwie sen. Die Gruppe war schlicht zu groß, um ein persönliches Verhältnis aufzubauen und auf jeden Einzelnen individuell einzugehen. Zu viel Vorbereitungszeit und auch Zeit während der laufen den Sitzungen fl oss in die Planung und das Management der Lerngruppen (Gruppen ein tei lung, Th emen-auft eilung, Raumbelegung, …). Als besonders fruchtbar wurde von den Dozierenden auch in diesem zweiten Se-mester die enge Verzahnung von Th eorie und Praxis, insbesondere die Semester be-gleitende Fallarbeit in der Schule, gesehen. Sowohl die Posterpräsentationen als auch die diff erenzierteren Aus ar bei tun gen des Falles im Portfolio ließen erkennen, dass ein Transfer in die Praxis unter den gegebenen Bedingungen gelingen kann und dass darüber hinaus die Verzahnung von Th eorie und Praxis dazu führt, dass die Studie-renden ihre eigenen Haltungen und Werte refl ektieren. 3.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge Welche Formate haben sich bewährt? Da das Modellkolleg explizit auch innovative Lehr-/Lernsettings erproben woll-te, wurde im Modul Beurteilen das Format im Vergleich zum ersten Semester deut-lich verändert, indem die gesamte Kohorte (etwas mehr als 50 Studierende) gemein-sam unterrichtet wurde. Bereits während des Semesters zeichnete sich ab, dass die konzentrierte Arbeitszeit an nur einem Wochentag in Modul und Andockmodul mit wechselnden Gruppenzusammensetzungen den Lernbedürfnissen der Studieren-den und den inhaltlichen Lernanforderungen nicht optimal gerecht wurde. Im Mo-dul konnten die sich aus diesem Format ergebenden Schwierigkeiten durch intensi-ve Planung der einzelnen Tage und die intensive Unterstützung durch die SHKs und Tutorinnen und Tutoren kompensiert werden, insgesamt muss aber festgestellt wer-den, dass stabilere Lerngruppen und verteiltes Lernen in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der empirischen Bildungsforschung (Hattie, 2009) auch im Modellkol-leg als relevante Gelingensbedingung für das zielerreichende universitäre Lernen an-zusehen sind. Konsequenterweise wurde in den folgenden Modulen auf dieses For-mat verzichtet. Die Präsentation der Fallstudien im Rahmen eines Symposium-Nachmittags, bei dem die selbst gestalteten Poster erläutert und mit Dozierenden und Lehrkräf-ten aus den Kooperationsschulen diskutiert wurden, erlaubte und forderte die In-tegration der eigenen Erkenntnisse und Erfahrungen vor dem Hintergrund wissen-schaft licher Konzepte und realer Gegebenheiten in den Schulsettings. Dies förderte die Kompetenz der Studierenden zur wissenschaft lich fundierten Refl exion der ei- Das Modul Beurteilen 34 genen schulischen Tätigkeit nachhaltig. Dieses Format der Ergebnisdarstellung und Ergebnissicherung lässt sich problemlos auch mit großen Lerngruppen und veran-staltungsübergreifend in den neuen Lehramtsstudiengängen realisieren, wenn die Aufgabenstellung (Erstellung eines Posters, Präsentation der Ergebnisse) vorab für alle Beteiligten transparent gemacht wird. Eine noch breitere Einbindung von Lehrkräft en und Schulen wäre möglich und im Sinne der Vernetzung zwischen Universität und Schulen auch wünschenswert. Welche Inhalte sollten stärker berücksichtigt werden? Um Lernvoraussetzungen und Lernprozesse beurteilen zu können, erwies es sich als notwendig, die psychologischen Grundlagen der Informationsverarbeitung, der mo-tivationalen Förderung und der Kompetenzentwicklung zu vermitteln, um Beurtei-lungsprozesse und mögliche Validitätseinschränkungen bei diesen Prozessen einord-nen und diskutieren zu können. Die Zeit für die Vermittlung dieser grundlegenden psychologischen Konzepte war im Modellkolleg sehr knapp bemessen und sollte bei der Implementierung in der Fläche ausgeweitet werden. Dabei muss jedoch berück-sichtigt werden, dass der Bezug zum übergeordneten Th ema Beurteilen immer wie-der verdeutlicht wird. Damit ergibt sich die Forderung nach einer Neustrukturierung der psychologischen Inhalte, die ja auch bisher im Lehramtsstudium vermittelt wur-den, speziell vor dem Hintergrund der Beurteilungskompetenz. Eine Dokumentation dazu ist in Vorbereitung. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Implementierung in den neu-en Studiengängen? Versteht man unter Kompetenz die aufeinander bezogenen Aspekte Wissen, Kön-nen und Haltungen, so kann aus den Erfahrungen des Modellkollegs im Modul Be-urteilen gefolgert werden, dass alle drei Aspekte in den Präsenzphasen realisiert wer-den können, jedoch nicht alle in hinreichendem Ausmaß. Für die Implementierung in die neuen Studiengänge muss abgewogen werden, welche Anteile der drei Aspekte Wissen, Können und Haltungen in Selbststudiumsphasen und welche in Präsenzpha-sen erarbeitet und vertieft werden können. Eine ausschließliche Konzentration auf die Vermittlung von Wissen in universitären Präsenzveranstaltungen ist weder not-wendig noch sinnvoll. Vielmehr sollte gerade im Modul Beurteilen die Wissensver-mittlung mit dem Aufb au einer diff erenzierten Haltung zur Bedeutung empirischer Forschungsbefunde für die schulische Tätigkeit verbunden werden. Aus den im Modellkolleg gewonnenen Erfahrungen im Modul Beurteilen lässt sich für die Implementierung in die Bachelor- und Masterstudiengänge unter einer dezi-dierten Kompetenzorientierung dreierlei ableiten: 1. Das Modul eignet sich für die Vermittlung der grundlegenden psychologischen Konzepte unter einer anwendungsorientierten Perspektive. 2. Bei der Implementierung sollte für die psychologischen Grundkonzepte ausrei-chend Zeit zum Aufb au eines diff erenzierten theoretischen und empirischen Wis-sensbestandes zur Verfügung stehen, indem hier Formate umgesetzt werden, die Ellen Aschermann, Heike Gerdes 35 größere Gruppen erreichen können; dabei ist auf die Refl exion der subjektiven Th eorien hinsichtlich des eigenen Beurteilungshandelns und der Bedeutung em-pirischer Ergebnisse besonders zu achten. Der Transfer und die Vernetzung mit anderen Kernkompetenzen sollte in seminaristischen Arbeitsformen erarbeitet werden, in denen auf das Wissen zurückgegriff en werden kann. 3. Im Sinne eines Spiralcurriculums sollten die vielfältigen Anknüpfungspunkte mit den im Masterabschnitt angesiedelten sonderpädagogisch und diagnostisch aus-gerichteten Veranstaltungen noch diff erenzierter abgestimmt werden. Das Modul Beurteilen 36 Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 4. Das Modul Unterrichten 4.1 Ziele und Kompetenzen In Orientierung an den KMK-Ausbildungsstandards im Kompetenzbereich Unter-richten verfolgte das Modul Unterrichten das Ziel, die Studierenden zu befähigen, Lernprozesse und Lernergebnisse zu planen, zu organisieren und zu refl ektieren. Un-ter Bezugnahme auf (schul-)pädagogische Th eorien, (didaktische) Modelle und Un-terrichtsmethoden sowie auf empirische Befunde der Schul- und Unterrichtsfor-schung sollten die Studierenden Unterricht zunächst kriteriengeleitet beobachten und sich dann in der Analyse von Unterricht über Kriterien und Standards guten Unterrichts verständigen lernen. Die Studierenden sollten einerseits ein Verständnis über die Situiertheit und Komplexität von Unterricht und die vielschichtigen An-forderungen an Unterricht im Sinne curricularer Anforderungen, individueller und kontextbezogener Voraussetzungen, Ziele und Standards entwickeln können und an-dererseits mit Planungsentscheidungen bis hin zu Strategien des classroom manage-ment darauf in der Probehandlung erster eigener Unterrichtsversuche reagieren kön-nen. 4.2 Inhalte Im dritten Semester wurden ausgewählte Th eorien, Modelle und Konzepte der Schul- und Unterrichtsforschung und deren Bedeutung für die Unterrichtsplanung und Unterrichtsanalyse erarbeitet. Während der Fokus der erarbeiteten Seminarin-halte im ersten und zweiten Semester auf der Beobachtung einzelner Schülerinnen und Schülern lag, rückten im dritten Semester die Interaktionsprozesse in und mit der gesamten Klasse in den Mittelpunkt. 4.2.1 Was haben wir gemacht? Das Modul Unterrichten war im ersten Modellkollegsemester als Juniormodul (zu-sammen mit dem Hauptmodul Erziehen), im dritten Semester als Hauptmodul (mit dem Juniormodul Beurteilen) in die Lehre eingebunden. Folgende Th emen und In-halte wurden durch das Modul Unterrichten erarbeitet: Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 37 1. Semester: Juniormodul Unterrichten Thema / Inhalte Ziele: Die Studierenden Berufsmotivation … wissen um wichtige Hintergründe sowie die Relevanz der (eige-nen) Lernbiogra e für die Berufsmotivation (angehender) Lehre-rinnen und Lehrer. Professionswissen von Pädagog(inn)en … kennen verschiedene Konzepte und Konzeptualisierungen des Professionswissens. Situiertheit des Unterrichts … kennen altersbezogene Sozialisationsstufen und unterrichtsrele-vante Aspekte außerschulischer Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. Kommunikation in schuli-schen Kontexten … erarbeiten und erproben ausgewählte Kommunikations- und Interaktionsstrategien für ihre künftige Lehrerrolle. Die (Einzel-)Fallstudie in der qualitativen Sozialforschung als didaktisches Ausbil-dungsinstrument in der fallorientierten Lehramtsaus-bildung … kennen Theorie und Methode von (Einzel-)Fallstudien in For-schung und Lehre. … beziehen ihren erste Beobachtungen auf ausgewählte Theorien und Konzepte. … wissen um Einstellungen von Lehrpersonen und deren Wahr-nehmung von Schülerleistungen und -verhalten. … kennen und erproben Techniken des Interviews. 3. Semester: Hauptmodul Unterrichten Unterrichtsbeobachtung … kennen empirisch und theoretisch begründete Kategorien der Unterrichtsbeobachtung. … können Beobachtungskriterien theoriegeleitet erstellen und für die eigene Unterrichtsbeobachtung operationalisieren. … können Unterricht kriteriengeleitet analysieren. … können die Subjektivität der eigenen Wahrnehmung re ektieren. … können zwischen Beschreiben und Bewerten unterscheiden. Bedingungen „guten“ Un-terrichts … kennen ausgewählte didaktische Modelle sowie Modelle zur Beschreibung von Unterricht. … kennen angemessene Formen des Medieneinsatzes im Unter-richt. Historische Schulforschung … kennen die historischen Entwicklungen von Unterricht in ihren Grundzügen. … entwickeln eine historische Perspektive auf Bildungstheorien und -theoretiker(innen), die den jeweiligen pädagogischen Dis-kurs prägten. Empirische Schulforschung … kennen empirische Sichtweisen auf Unterricht. … können empirische Befunde mit den im Seminar vorgestellten normativen Konzepten zu „gutem“ Unterricht in Beziehung set-zen. Unterrichtsplanung … können Unterrichtsthema und Lernziel der eigenen Unter richts-stunde/- sequenz benennen und konkretisieren. … kennen Phasenmodelle des Unterrichts und können diese auf ihre eigene Unterrichtsplanung anwenden. … entwickeln ein Verständnis für die Heterogenität von Lerngrup-pen und deren Anforderungen an gute Unterrichtsgestaltung. Das Modul Unterrichten 38 4.2.2 Wie haben wir es gemacht? In Form von sog. Praxisaufgaben erhielten die Studierenden semesterbegleitend For-schungsauft räge, die in den Portfolios dokumentiert wurden und das „Kernstück“ des im Modellkolleg fokussierten Th eorie-Praxis-Bezugs darstellten. Im dritten Modellkollegsemester (Hauptmodul Unterrichten) waren dies: • Kriteriengeleitete Unterrichtsbeobachtungen von Unterrichtsvideografi en und von Unterricht an den Kooperationsschulen einschl. Indikatorenerstellung zur gewähl-ten Beobachtungskategorie, Erstellung von Unterrichtsprotokollen, • Interviews mit Lehrkräft en und Schüler(inne)n zu Qualitätskriterien „guten“ Un-terrichts einschl. Frageleitfaden-Erstellung, Transkription und Refl exion der sub-jektiven Einschätzung der Lehrer(innen) und Schüler(innen), sowie • Unterrichtsplanung einschließlich Planungsdokumentation (Begründungswissen: Warum habe ich den Unterricht wie geplant?), Feedbackplanung (Beobachtungs-perspektiven: Wozu möchte ich eine Rückmeldung erhalten?) und Refl exion des eigenen Unterrichts unter Bezugnahme auf zuvor erarbeitete Qualitätskriterien „guten“ Unterrichts. Eigene Unterrichtsversuche Ein besonderes Augenmerk im Modul Unterrichten lag auf den ersten Unterrichts-versuchen der Studierenden, die zum Semesterende durchgeführt wurden und im Laufe des Semesters durch die theoretische Auseinandersetzung mit Unterrichtsmo-dellen, empirischen Befunden der Schulforschung, eigenen Unterrichtsbeobachtun-gen sowie Interviews mit Lehrkräft en und Schüler(inne)n vorbereitet wurden. Die Studierenden planten – in Absprache mit den betreuenden Lehrkräft en der Koope-rationsschulen – einzelne Unterrichtseinheiten (z.B. Unterrichtseinstiege), komplet-te Unterrichtsstunden oder -reihen und führten diese an ihren Schulen durch. Dabei wurden sie von den Dozierenden des Moduls, den Lehrerinnen und Lehrern der Ko-operationsschulen und von Referendarinnen und Referendaren unterstützt. Portfolio Wie im ersten Semester bereits ein- und im zweiten Semester fortgeführt, wurden die Dokumentationen der bearbeiteten Praxisaufgaben einschließlich der verwende-ten Materialien von den Studierenden in einem modulspezifi schen Portfolio abge-legt. Zu den Semesteraufgaben gehörten im dritten Semester u.a.: • die erste und zweite Arbeitstheorie zum Modulthema Unterrichten • Refl exionsdokumente zu den eigenen semesterspezifi schen Zielen • Protokolle der eigenen Unterrichtsbeobachtungen • eine Videografi e-Analyse einschl. Beobachtungsprotokoll zu einem vorgegebenen Unterrichtsmerkmal (z.B. Motivieren/Aktivieren) Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 39 • die Planungsskizze der eigenen (selbst gehaltenen) Unterrichtsstunde • das Feedback von Lehrerenden bzw. Schülerinnen und Schülern zur eigenen Un-terrichtsstunde einschl. Feedback-Leitfragen bzw. -Fragebögen und eigener Refl e-xion dieses Feedbacks • ein Interview mit einem/einer Lehrer(in)/Schüler(in) zur Frage „Wann ist Unter-richt „guter“ Unterricht?“ einschl. Frageleitfaden und Transkript plus eigener Re-fl exion dieser subjektiven Lehrer-/Schüler-Einschätzung. Auch in diesem Semester erhielten die Studierenden zur Unterstützung einen Port-folio- Gestaltungsleitfaden. Das Portfolio diente am Ende des Semesters wiederum als Grundlage für die persönlichen Entwicklungsgespräche, in denen die Studierenden ihre modulbezogenen Entwicklungsprozesse mit ihren Mentor(inn)en refl ektierten. 4.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg Das Modul Unterrichten wurde im Wintersemester 2010/2011 als Hauptmodul in Kooperation mit dem Juniormodul Beurteilen durchgeführt. Die Studierenden be-suchten, aufgeteilt in zwei Lerngruppen, an einem Tag pro Woche für insgesamt je-weils fünf Zeitstunden die Seminare des Modellkollegs, die im Team Teaching von Dozierenden beider (o.g.) Module sowie – bei besonderen Fragestellungen – von Gast-Dozierenden anderer Fachbereiche (z.B. Medienpädagogik) und Lehrkräft en der Kooperationsschulen geleitet wurden. Unterstützt und begleitet wurden diese Se-minare durch studentische Tutor(inn)en, die den Studierenden vor allem methodi-sche Hilfestellungen gaben. Darüber hinaus besuchten die Studierenden auch in diesem Semester an einem Tag pro Woche für mindestens drei Zeitstunden eine der kooperierenden Praxis-schulen. Ein enger Th eorie-Praxis-Bezug wurde insbesondere durch die Bearbeitung der Praxisaufgaben in den Schulen und die Refl exion der Praxiserfahrungen in den Se-minaren sowie durch die Einbindung von Lehrkräft en der Praxisschulen in die Se-minare hergestellt. 4.4 Wie hat es funktioniert? In der Auseinandersetzung mit wissenschaft lichen Modellen und empirischen Studi-en und in der Refl exion eigener Unterrichtsbeobachtungen konnten theoretisch und empirisch hergeleitete Qualitätskriterien für „guten“ Unterricht erfolgreich erarbeitet werden. Die Studierenden waren zu Semesterende in der Lage, Unterrichtsbeobach-tungen kategorial zu verdichten und beispielsweise konfl iktträchtige Handlungsmus-ter von Lehrpersonen oder Lernenden zu identifi zieren und Handlungsalternativen zu entwerfen. Das Modul Unterrichten 40 Insgesamt haben die Studierenden im Modul Unterrichten erfahren können, dass sich das Unterrichten durch ein hohes Maß an komplexen, teils widersprüchlichen Anforderungen an die Beteiligten auszeichnet, die nicht in jedem Falle durch eine vorausschauende Planung bearbeitet werden können. Diese handlungstheoretisch begründete Diskrepanz zwischen Planung und Realisierung konnte nicht in jedem Fall ausführlich refl ektiert werden. Darüber hinaus zeigte sich in den Seminaren, dass das Anwendungsfeld Schul-praxis für die Studierenden zunächst eine höhere Attraktivität besaß als die Th eorie-vermittlung, da sich das Unterrichtsgeschehen in seiner unmittelbare Relevanz für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer erschließt, das Th eoriewissen als Planungs-und Refl exionswerkzeug hingegen erst nutzbar gemacht werden musste. Abschließend wäre eine stärkere Einbindung der kooperierenden Schullehrkräft e in die Seminare, insbesondere im Hinblick auf einen engeren Th eorie-Praxis-Bezug in der Lehrerbildung, wünschenswert gewesen. Diese scheiterte jedoch trotz des In-teresses vieler Lehrerinnen und Lehrer an deren dichtem Schulalltag. 4.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge Das zentrale Lehr- und Lernziel im Modul Unterrichten, nämlich Unterricht beob-achten zu lernen, konnte in Form von – durch die Dozierenden angeleitete, analy-sierte und refl ektierte – Unterrichtsbeobachtungen anhand von videografi erten Un-terrichtssequenzen im Seminar und Unterrichtshospitationen an den Praxisschulen erreicht werden. Da zum einen die Rahmenbedingungen der neuen akkreditierten Lehramtsstudiengänge mit ihrer wesentlich größeren Anzahl an Studierenden Unter-richtshospitationen nicht in derselben Häufi gkeit und Intensität wie im Modellkolleg zulassen dürft en und sich zum anderen die Arbeit mit Unterrichtsvideografi en im Seminar gut bewährt hat, ist eine Erstellung geeigneter Videovignetten als Arbeits-material für die neuen Lehramtsstudiengänge geplant. Darüber hinaus erwiesen sich auch die eigenen, im Seminar begleiteten Unter-richtsversuche der Studierenden an den Praxisschulen als geeignet im Sinne vorbe-reitenden Probehandelns zum Erwerb schulpädagogisch relevanter Handlungskom-petenzen. Eine Implementierung dieser Unterrichtsversuche empfi ehlt sich nach den Erfahrungen im Modellkolleg bereits zu Beginn bzw. in den ersten Semestern der Lehrerausbildung, um den Studierenden früh die Möglichkeit zu geben, empi-risch begründete Ansprüche an Unterricht und Lehrperson mit der Komplexität des Schulalltags in Beziehung zu setzen. Wie in Abschnitt 5.4 geschildert besaß die Schulpraxis für die Studierenden zu-nächst eine höhere Attraktivität, während sich die Bedeutung von Th eoriewissen den Kollegiat(inn)en deutlich schwerer erschloss. Die Relevanz wissenschaft licher Th eo-rien, Konzepte und Modelle für das professionelle Lehrerhandeln sollte daher in den Veranstaltungen der neuen Lehramtsstudiengänge stärker thematisiert – im günstigs-ten Falle gemeinsam mit den Studierenden erarbeitet – werden. Michaela Artmann, Iris Flagmeyer, Petra Herzmann 41 Nach den in Modellkolleg gewonnenen Erfahrungen sollte ein besonderes Au-genmerk auf der Vermittlung wissenschaft lichen Th eoriewissens und dessen Bedeu-tung für das professionelle Lehrerhandeln, aber auch dessen Grenzen im Sinne ei-ner Einsicht in die Diskrepanz von Wissen und Können liegen. Zentrales Lehr- und Lernziel im Modul Unterrichten sollte demzufolge die Ausbildung einer evaluati-ven, forschungsorientierten Haltung der Studierenden gegenüber dem eigenen Un-terricht und als professionelles Selbstverständnis der (künft igen) Lehrerinnen und Lehrer sein. Das Modul Unterrichten 42 Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 5. Das Modul Innovieren 5.1 Ziele und Kompetenzen Das Modul Innovieren stellt das vierte und im zeitlichen Verlauf letzte Hauptmo-dul des Modellkollegs dar. Nach einer Beschäft igung der Studierenden in den ersten drei Semestern mit der individuellen und der Klassenebene war es das Ziel des Mo-duls Innovieren, bei den Studierenden den Blick für die Schule als Gesamtsystem zu schärfen und zugleich die verschiedenen Einfl üsse des Bildungssystems auf die schu-lischen Prozesse darzustellen. Die Studierenden sollten im Laufe des Moduls Inno-vieren eine sogenannte Innovationskompetenz aufb auen, im Zuge dessen sie sich als aktive Mitglieder einer Bildungseinrichtung verstehen und wissen, welche Möglich-keiten der Gestaltung der eigenen Schule sie haben. Zentral ist dabei ein Verständnis kooperativen Handelns im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen, d.h. es wird davon ausgegangen, dass Entwicklungs- und Veränderungsprozesse in einem refl exi-ven und sozialen Austausch innerhalb der Schule stattfi nden. Die Lernergebnisse des Moduls Innovieren beziehen sich auf verschiedene Be-reiche der Innovationskompetenz, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen: • Die Studierenden kennen die Grundlagen des Bildungssystems und der Schule (rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen, Kooperationsstrukturen in der Schule). • Sie verstehen Schule als eigenverantwortliche Handlungseinheit, in der sie aktiv unter Berücksichtigung lokaler Bedingungen an der Optimierung von Lehr-/Lern-prozessen beteiligt sind. • Sie verstehen Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung als integrale Bestandteile ihrer Profession. • Die Studierenden kennen Methoden der Evaluation sowie zentrale Befunde der empirischen Schul- und Unterrichtsforschung und können diese als wichtige Be-dingung für innovative Prozesse refl ektieren. • Sie sehen die Schulprogrammarbeit als wichtige Voraussetzung innovativer Schul-und Unterrichtsentwicklung an. • Sie wenden Schulprogrammarbeit zum Schutz der seelischen und körperlichen Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler an. • Sie verstehen die Vielfalt struktureller Diskriminierung und begegnen diesen mit Antidiskriminierungsverfahren im Schulentwicklungsprozess. Innovationskompetenz bedeutet somit, sich immer wieder den aktuellen gesellschaft - lichen Herausforderungen zu stellen und das eigene Handeln als Lehrperson in Un-terricht und Schule dementsprechend anzupassen. Im Rahmen des Modellkollegs lag dabei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Th ema Inklusion, das aktuell als Heraus-forderung sowohl im wissenschaft lichen als auch gesellschaft lichen Fokus steht. Der Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 43 Begriff Inklusion bezieht sich dabei auf verschiedene Diff erenzlinien, wie etwa Be-hinderung, Geschlecht oder Migrationshintergrund und wird nicht einseitig auf ei-nen dieser Bereiche bezogen. 5.2 Inhalte Die dargestellten Ziele des Moduls Innovieren verdeutlichen sehr schnell, dass es eine große Herausforderung darstellt, bei den Studierenden die angestrebten Kompe-tenzen innerhalb eines Semesters aufzubauen. Schulentwicklungs- und Innovations-prozesse sind langwierige Prozesse, die sich selten innerhalb eines halben Jahres voll-ziehen. Das Modul Innovieren musste dementsprechend so gestaltet werden, dass die Studierenden zumindest einen fundierten Einblick in die Komplexität von Schulent-wicklung und Innovationsprozessen erhalten. Zugleich erhielten sie die Möglichkeit des eigenen Handelns und der Refl exion darüber innerhalb eines geschützten Rah-mens. 5.2.1 Was haben wir gemacht? Um den Studierenden innerhalb eines Semesters die Möglichkeit zu geben, an Schul-entwicklungs- bzw. Innovationsprozessen teilzuhaben und eigene Handlungsmög-lichkeiten kennenzulernen und aufzubauen, wurde im Modul Innovieren ein Plan-spiel durchgeführt, im Rahmen dessen die Studierenden ein Schulprogramm für eine Schule, die sich in einem Umstrukturierungsprozess zur inklusiven Ganztagsschule befi ndet, entwickeln sollten. Planspiele sind Simulationen, die einen Ausschnitt der Realität darstellen und den beteiligten Personen eine hohe Partizipation abverlangen. Sie sind in besonderem Maße geeignet, bei den Teilnehmenden Lernprozesse anzu-regen, bei denen kognitives und Handlungswissen miteinander verknüpft werden und zugleich eine Vielzahl von sozialen Kompetenzen aufgebaut werden kann. Im Rahmen des Moduls Innovieren erschien diese Methode besonders geeignet, um den Studierenden die Komplexität von schulischen Prozessen und Strukturen in kompri-mierter Form zu vermitteln und ihnen gleichzeitig eigenes Handeln im Rahmen der geschützten Planspielstruktur zu ermöglichen. Auf der Grundlage der angestrebten Ziele im Modul Innovieren bestand die zen-trale Aufgabe für die Studierenden im Planspiel in der Entwicklung eines Schulpro-gramms für eine inklusive Ganztagsschule. Die Studierenden wurden in fünf ver-schiedene Akteursgruppen eingeteilt, die gemeinsam das Schulprogramm entwickeln und dabei die Interessen ihrer jeweiligen Gruppe vertreten sollten. Die fünf Akteurs-gruppen waren die Schulleitung, die Lehrkräft e, der Schulträger, das weitere pädago-gische Personal sowie die Eltern. Die Dozierenden der Module Innovieren, Erziehen und Inklusion übernahmen die Rolle der Spielleitung. Das Modul Innovieren 44 Das Setting des Planspiels war die erfundene Stadt Krötenhausen, in der eine be-stehende Halbtagsschule in eine inklusive Ganztagsschule umgestaltet werden sollte. In einer allgemeinen Ausgangslage wurde den Studierenden diese Situation beschrie-ben. Darüber hinaus gab es für jede Akteursgruppe eine Rollenbeschreibung, in der die aktuelle Situation der Gruppe sowie die zentralen Anliegen dargestellt wurden, auf deren Grundlage die Studierenden die einzelnen Charaktere sowie die Ziele der Gruppe entwickeln sollten. Zudem wurden sie aufgefordert sich eine Strategie zu überlegen, anhand derer sie ihre selbst gesetzten Ziele erreichen könnten. Dazu soll-ten die einzelnen Akteursgruppen auch ihr Verständnis und die mögliche Zusam-menarbeit mit den anderen Akteursgruppen refl ektieren und beschreiben. Das Planspiel wurde in enger Kooperation mit den Modulen Erziehen, Inklusion und DaZ durchgeführt, die ihre Materialien und inhaltlichen Schwerpunkte in die Aufgabe der Schulprogrammentwicklung integrierten. Der inhaltliche Ablauf des Planspiels entwickelte sich in den beiden Studieren-dengruppen auf der Basis der Ausgangslage sowie den von den Gruppen entwickel-ten Strategien. Die einzelnen Akteursgruppen schrieben ab der zweiten Semester-woche inhaltliche Spielzüge und bearbeiteten auf diese Art im Laufe des gesamten Semesters die Aufgabe der Schulprogrammentwicklung. Inhaltlich bezogen sich die Spielzüge zu Beginn des Semesters vor allem auf das Kennenlernen der anderen Ak-teursgruppen und deren Ziele sowie das Mitteilen der eigenen Anliegen. Mit andau-ernder Spielzeit und nach der zusätzlichen Information durch externe Expertinnen und Experten des Schulbüros Köln, Schulgründer(innen) der „Inklusiven Univer-sitätsschule Köln“, des Landschaft sverbandes Rheinland sowie eines selbstständigen Schulentwicklungsplaners weiteten sich die Perspektive und die Handlungskompe-tenz der Studierenden aus. Deutliche Fortschritte erzielten sie dabei in der Gestal-tung von Sitzungen, der Etablierung von Steuergruppenarbeit und der Einbeziehung von außerschulischen Ressourcen. 5.2.2 Wie haben wir es gemacht? Zur Durchführung des Planspiels wurde vor Beginn des Semesters ausführlich Lite-ratur für die Studierenden zusammengestellt, in der theoretische sowie praxisbezoge-ne Texte zu den Bereichen Schulentwicklung, Innovationen und deren Implementati-on, Schulprogrammarbeit, Inklusion etc. zusammengetragen wurden. Zusätzlich gab es für jede Akteursgruppe eine spezifi sche Literaturauswahl, in der die Studierenden Texte und Materialien fanden, die sich speziell auf die Situation und die Interessen ihrer jeweiligen Gruppe bezogen. Dies stellte während des gesamten Semesters die Materialgrundlage für die Arbeit im Planspiel dar und ermöglichte den Studieren-den, eigenständig und entsprechend ihrer jeweiligen Tätigkeiten und Interessen im Planspiel Literatur auszuwählen und sich Th emen vertiefend anzueignen. Die Durchführung des Planspiels fand über die Internet-Plattform ILIAS statt, in der die Studierenden wichtige Literaturhinweise und Materialien nach Schlagworten suchen konnten. Darüber hinaus diente ILIAS vor allem der konkreten Durchfüh- Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 45 rung der Spielzüge im Rahmen des Planspiels. Die einzelnen Akteursgruppen hatten geschützte Bereiche in ILIAS, in denen sie Spielzüge an die anderen Gruppen hoch-laden konnten. Diese wurden zunächst von der Spielleitung gesichtet und kategori-siert und sodann an die Adressatengruppe(n) weitergeleitet. Der Ablauf des Planspiels während des gesamten Semesters lässt sich folgender-maßen zusammenfassen: In der ersten Sitzung erhielten die Studierenden eine all-gemeine Einführung in die Methode des Planspiels und in die Materialien. Neben den auf die Th emen des Moduls bezogenen Texten des Readers erhielten die Studie-renden zusätzlich die Materialien für ihre jeweilige Akteursgruppe. Diese enthielten eine allgemeine Ausgangslage für das gesamte Planspiel, eine Rollenbeschreibung ih-rer Gruppe sowie eine Anleitung für eine Strategieentwicklung der Gruppe. In der ersten Sitzung sollten die Studierenden sich vor allem mit ihrer Gruppe beschäft i-gen, d.h. zunächst ein individuelles Profi l für sich selbst als Teil ihrer Gruppe ent-wickeln und sodann eine Strategie ihrer gesamten Gruppe, die sie im Rahmen der Planspielaufgabe verfolgen wollten. Ab der zweiten Sitzung des Semesters haben die Studierenden nach einer kur-zen Plenumsphase zu Beginn in ihren Gruppenräumen gearbeitet und dort Th emen und entsprechende Spielzüge erarbeitet. Konferenzen und andere Zusammenkünft e, die ebenfalls über Spielzüge organisiert wurden, fanden im Seminarraum statt. Am Ende jeder Sitzung gab es eine Refl exionsphase innerhalb der einzelnen Gruppen, zu der eine Person der Spielleitung hinzukam. Ziel dieser Refl exion war vor allem, aus der Rolle der Akteursgruppe herauszutreten und aus einer übergeordneten Perspek-tive zu refl ektieren, was an dem jeweiligen Tag gut und weniger gut funktioniert hat (z.B. Rollenfi ndung, Kommunikation mit den anderen Gruppen, Konsequenzen der eigenen Spielzüge etc.). Die letzte Sitzung des Planspiels bot den Gruppen in der Form eines Hearings des Rates der Stadt Krötenhausen die Möglichkeit den Stand der Entwicklungsarbeit, d.h. das Schulprogramm bzw. den Stand, den dieses am Ende des Semesters erreicht hatte, vorzustellen. Insgesamt bestand die Rolle der Dozierenden vor allem in der Organisation der Spielzüge, was auch eine inhaltliche Prüfung bedeutete. Den Tutorinnen des Modell-kollegs kam eine besondere Rolle im Planspiel zu. Sie übernahmen die Pressearbeit der Stadt Krötenhausen und gaben zu jeder Sitzung eine Zeitung heraus, in der aktu-elle Entwicklungen der neuen Schulgründung u.a. dargestellt wurden. Die Schwierigkeit, den Studierenden im Rahmen eines Semesters Schulentwick-lungs- bzw. Innovationsprozesse nahe zu bringen, spiegelte sich nicht nur in den Überlegungen zur Methode des gesamten Moduls, sondern auch in Bezug auf Pra-xisaufgaben und Portfolio wider. Das Modul Innovieren verzichtete auf die Durch-führung einer Praxisaufgabe, da das Planspiel an sich bereits als eine solche betrach-tet werden konnte. Die Erfahrungen, die die Studierenden im Rahmen des Planspiels sammeln konnten, hätten sie an ihren Praxisschulen in der kurzen Zeit nicht gehabt, so dass die Praxisaufgabe in diesem Semester vom Modul ‚Deutsch als Zweitsprache‘ übernommen wurde. Dementsprechend bezogen sich die Aufgaben des Moduls In- Das Modul Innovieren 46 novieren im Portfolio auf einige Aspekte des Planspiels, wie z.B. die Beschreibung ei-nes Spielzugs aus der eigenen Akteursgruppe und dessen Konsequenzen. 5.3 Rahmenbedingungen im Modellkolleg Die Studierenden wurden im Sommersemester 2011 in zwei Gruppen zu jeweils ca. 25 Personen aufgeteilt, so dass es zwei parallele Planspiele gab, die jeweils montags bzw. donnerstags durchgeführt wurden. Vor Beginn des Semesters wurden die Stu-dierenden über die im Planspiel vorkommenden Akteursgruppen informiert und ge-fragt, ob sie Präferenzen haben, welcher Gruppe sie angehören möchten. Die Ein-teilung der Studierenden in die verschiedenen Akteursgruppen wurde somit auf der Grundlage der angegebenen Präferenzen durchgeführt, die weitgehend berücksich-tigt werden konnten. Das Modul Innovieren bzw. die aktive Durchführung des Planspiels fand im Zwei-Wochen-Rhythmus statt, so dass jeweils volle sechs Stunden für das Planspiel zur Verfügung standen. Dies erschien uns sinnvoll, damit die Studierenden genü-gend Zeit hatten, sich in die Prozesse einzufi nden und Spielzüge zu entwickeln, de-ren Konsequenzen noch am selben Tag erfahrbar waren. In der alternativen Woche fand schwerpunktmäßig die Lehre des Moduls ‚Deutsch als Zweitsprache‘ statt, wo-bei jeweils 1,5 Stunden für das Modul Innovieren zur Verfügung standen, in denen wir externe Expertinnen und Experten zu bestimmten, die Aufgabe des Planspiels betreff enden Th emen, einluden. Die Studierenden hatten somit die Gelegenheit, sich für ihre Akteursgruppe im Planspiel Expertise zu holen und ihre Strategie und ihr Vorgehen zu optimieren. Neben diesem Zwei-Wochen-Rhythmus fand im Juni 2011 eine Kompaktphase statt, in der die beiden Gruppen jeweils für zwei komplette Tage ‚planspielten‘ und somit noch einmal die Gelegenheit hatten, sich sehr intensiv mit den Prozessen des Schulprogrammentwicklung auseinanderzusetzen und viele Spielzüge durchzufüh-ren. Diese Kompakttage fanden im Haus Annaberg in Bonn statt. Der Abschluss des gesamten Moduls wurde in das Planspiel integriert: Die ver-schiedenen Akteursgruppen wurden ca. einen Monat vor Semesterende von der Spielleitung (in der Rolle des Stadtrates) darüber informiert, dass die neue Ganztags-schule ihr entwickeltes Schulprogramm dem Rat der Stadt in der letzten Semestersit-zung vorstellen soll. 5.4 Wie hat es funktioniert? Die Entwicklung einer Innovationskompetenz und die damit bei den Studierenden zu entwickelnden Kenntnisse und Fähigkeiten stellte das Modul Innovieren vor hohe Herausforderungen, denen wir versuchten, über die Methode des Planspiels zu be-gegnen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass es trotz verschiedener Schwierig- Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 47 keiten, die es im Semester gab, gelungen ist, bei den Studierenden sowohl einen auf die Inhalte des Moduls bezogenen Wissensaufb au als auch eine Handlungskompe-tenz aufzubauen. Dies wurde im Laufe des Semesters anhand der getätigten Spiel-züge, wie auch der Gestaltung von Konferenzen und Sitzungen im Rahmen des Planspiels und den entwickelten Schulprogrammen deutlich. Die beiden Schulpro-gramme, die in der Montags- und Donnerstagsgruppe entwickelt und in der letzten Sitzung vorgestellt wurden, wiesen einen unterschiedlichen Entwicklungsstand auf. Dies ist auf die verschiedenen Prozesse und Entwicklungen in den beiden Studieren-dengruppen zurück zu führen. Die Studierenden entwickelten im Laufe des Semesters ihr Prozesswissen weiter und hatten am Ende eine Vorstellung von der Komplexität von schulischen Entwick-lungsprozessen und der Einführung von Innovationen. Kritisch muss in diesem Zu-sammenhang jedoch angemerkt werden, dass der Innovationsbegriff , den die Studie-renden entwickelten, eng an die Aufgabe des Planspiels angebunden zu sein scheint. Ebenso ist fraglich, wie die Studierenden verschiedene Begriff e wie Innovationen und Schulentwicklung zueinander in Beziehung setzen und auf andere Bereiche übertra-gen. Die Kooperation mit den Modulen Erziehen und Inklusion im Rahmen des Plan-spiels hat sehr gut funktioniert. Insbesondere zu den Kompetenzen im Umgang mit den Geschlechterverhältnissen und der Umsetzung von Antidiskriminierungsverfah-ren brachte sich das Modul Erziehen im Rahmen einer Forschungsarbeit ein. Den Studierenden wurde dadurch der Praxis-Transfer von Biografi e-Refl exion im ersten Semester des Modellkollegs bis hin zur Gestaltung von Bildungsgerechtigkeit und In-klusion in der Simulation der Schulentwicklung ermöglicht. Das Potenzial der Stu-dierenden, um die Praktiken der Herstellung sozialer Ungleichheit im Kontext von inklusiver Schulentwicklung zu analysieren, konnte nicht immer voll entfaltet wer-den. Der Planspiel-Versuch hat aber Wege aufgezeigt, Lernziele für Lehramtsstudie-rende auf Grundlage der Intersektionalitätsforschung zu konkretisieren. Als subop-timal hat sich die Durchführung über die Internet-Plattform ILIAS herausgestellt. Hier bedarf es in jedem Fall einer Optimierung, falls ILIAS noch einmal für ein Planspiel genutzt werden sollte. Die einzelnen Arbeitsschritte sind insgesamt zu auf-wendig und es gab zu viele Verzögerungen und unnötige Prozesse, die den Arbeits-ablauf insgesamt gestört haben. Durch die Arbeit mit ILIAS wurden unnötig viele Ressourcen der Spielleitung gebunden. Die Nutzung einer eigens entwickelten Plan-spielsoft ware wäre sinnvoll. Die Gruppe von über 50 Studierenden erforderte eine Einteilung in zwei gleich große Gruppen, die über das Semester hinweg parallel an ihren Planspielen arbei-teten. Insbesondere für die Spielleitung stellte dies eine Herausforderung dar, da die Entwicklungen in den beiden Gruppen genau verfolgt und erinnert werden mussten, um Verwechslungen zu vermeiden. Das Modul Innovieren 48 5.5 Konsequenzen für die akkreditierten Lehramtsstudiengänge Die zentralen Lehr- und Lernziele des Moduls Innovieren, nämlich die Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung als integralen Bestandteil ihrer Professi-on zu verstehen und diesbezüglich Prozesswissen zu erwerben sowie Schulprogram-marbeit als wichtige Voraussetzung innovativer Schul- und Unterrichtsentwicklung zu sehen, konnten erreicht werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Methode des Planspiels im Modul Innovieren prinzipiell als sehr geeignet angesehen wird, um die Ziele des Moduls und die formulierten Kompetenzen zu erreichen. Für den Einsatz dieser Methode in der neuen Lehrerbildung zwingt die große Anzahl der Studierenden zu Modifi kationen. Es empfi ehlt sich für die Gestaltung der Semi-nare im Modul Innovieren eine 4–6 SWS umfassende Veranstaltung zu konzipieren, in der eine ausführliche Vor- und Nachbereitung mit einer einwöchigen Kompakt-phase kombiniert wird. Konkret ließe sich das Konzept wie folgt umsetzen: In parallelen Seminaren mit jeweils 36 Studierenden werden in wöchentlichen Veranstaltungen die theoretischen Grundlagen im Bereich Innovieren und Schul-entwicklung erarbeitet. Für diese gleichbleibenden Lerngruppen schließt sich eine einwöchige Planspielphase an, die aus studienorganisatorischen Gründen in der vorlesungsfreien Zeit durchgeführt werden sollte. Es ist empfehlenswert, dass die Or-ganisation und Durchführung der Kompaktphase von Planspiel erfahrenen und/oder Planspiel affi nen Lehrenden übernommen wird. Für die zukünft ige Gestaltung eines solchen Planspiels sind folgende Aspekte zu beachten: • Die Aufgabe, die die Studierenden im Planspiel bearbeiten, sollte in ihrer Komple-xität begrenzt bleiben. • Die räumliche Ausstattung muss eine ungehinderte Kommunikation und Koope-ration der Akteursgruppen ermöglichen. • Die zeitlichen Rahmenbedingungen müssen gewährleisten, dass die Spielphase hinreichend lang ist. Das Modul wird durch die aktive Mitarbeit der Studierenden in der bestehenden Lerngruppe in einem weiteren Seminar abgeschlossen, in welchem das im Planspiel erworbene Prozesswissen refl ektiert und in dem zuvor gelegten theoretischen Rah-men verortet wird. Hendrik den Ouden, Kathrin Fußangel, Jürgen Zepp 49 Jens Boenisch, Christian Huber 6. Das Modul Sonderpädagogische Grundlagen 6.1 Ziele und Kompetenzen Im Modul „Sonderpädagogische Grundlagen“ sollten die Studierenden sonderpä-dagogisches Grundwissen erwerben, das als Basiswissen notwendig erscheint, um zum einen der veränderten Schülerschaft in den Allgemeinen Schulen angemessen begegnen sowie zum anderen die Bereitschaft zur Aufnahme von Kindern mit Be-hinderungen stärken zu können. Aufgrund des hohen Anteils an Schülerinnen und Schülern mit Lern- und Verhaltensstörungen wurde in der Lehre hier eine deutliche Schwerpunktsetzung vollzogen. Im Mittelpunkt stand dabei jedoch ein ganzheitliches Verständnis von Lern- und Verhaltensproblematiken sowie Lernbeeinträchtigungen, die auch bei Kindern mit Körper- und Sinnesbehinderungen verstärkt auft reten. Eine Einführung in verschiedene Behinderungsformen wie Körperbehinderung, geistige Behinderung, Hörbehinderung, Sehbehinderung, schwerste Behinderung hat aufgrund der zeitlichen Begrenzung von 4 SWS für dieses Modul und der Komplexi-tät der einzelnen Behinderungsformen nicht stattgefunden. Motorik und Wahrneh-mung wurden in besonderer Weise berücksichtigt. Neben Erklärungsansätzen bei Lern- und Verhaltensproblemen bildeten auch die Th emenbereiche „Resilienz“ und „Intervention“ zentrale Eckpfeiler der Lehre. Ziel der Ausbildung ist ein lösungsori-entiertes Verständnis von Lern- und Verhaltensproblemen, in dem die Studierenden lernen, wie man Lernbarrieren präventiv begegnen oder die gefährdeten Schülerin-nen und Schüler unter Verwendung sonderpädagogischer Methoden professionell gefördert werden können. Auch hier wurde ein ganzheitliches Verständnis von Prä-vention und Intervention verfolgt, das neben kognitiven Ansätzen auch sensomo-torische und sozialemotionale Konzepte berücksichtigt. Ein vierter Eckpfeiler der Ausbildung macht mit dem Bereich „Umgang mit Heterogenität“ gleichzeitig das Selbstverständnis des Moduls „Sonderpädagogische Grundlagen“ deutlich. Zukünft i-ge Lehrerinnen und Lehrer sollten darauf vorbereitet werden, dass die Heterogenität ihrer Schülerschaft im Zuge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention weiter zunehmen wird und sie als Lehrkräft e im Regelschulwesen auch für die Lern-entwicklung dieser Kinder Verantwortung tragen werden. 6.2 Inhalte und Methodik Mit der sonderpädagogischen Grundlagenausbildung reagiert die allgemeine Lehrer-ausbildung auf die zunehmenden Unterrichtsstörungen vor allem durch Kinder mit Beeinträchtigungen im Lernen und Verhalten. Die sonderpädagogischen Grundlagen ersetzen keine sonderpädagogische Lehramtsausbildung, sondern ermöglichen den zukünft igen Lehrerinnen und Lehrern im regulären Unterricht einen verstehenden Das Modul Sonderpädagogische Grundlagen 50 Zugang und angemessenen Umgang mit den betroff enen Schülerinnen und Schü-lern. Ferner werden Basiskompetenzen zum kooperativen Unterricht, zum zieldif-ferenten Lernen und zum Einholen von sonderpädagogischer, diagnostischer oder psychologischer Expertise im Einzelfall geschaff en. Gleichzeitig wurden durch das Modellkolleg jedoch auch methodische Innovationen intendiert, die auch im Modul Sonderpädagogische Grundlagen einfl ießen. Der professionelle Umgang mit Heterogenität in der Schule ist nur möglich, wenn die Lehrkräft e die Entwicklungszusammenhänge der verschiedenen Beein-trächtigungen erkennen, refl ektieren und aus ihren Erkenntnissen professionelle In-terventionsmöglichkeiten innerhalb des eigenen Unterrichts ableiten können. Das Modul soll die Grundlage für eine inklusive Haltung zukünft iger Lehrkräft e bilden. Das Modul Sonderpädagogische Grundlagen erstreckte sich über zwei Semester. In-haltlich ließ sich die sonderpädagogische Grundlagenausbildung in zwei Teile unter-gliedern. Im ersten Teil wurden vor allem Grundlagen aus den Bereichen Motorik und Wahrnehmung vermittelt und jeweils mit konkreten Problemen im Lern- und Sozialverhalten von Schülerinnen und Schülern in Zusammenhang gesetzt. Im zwei-ten Teil wurden Ursachen, Diagnostik und Intervention einzelner Störungsbilder in den Mittelpunkt der Ausbildung gesetzt. Konkret wurden die folgenden Inhalte ver-mittelt: Thema / Inhalte Ziele Gehirnaufbau, Reizver-arbeitung und Lernen Neurophysiologische Zusammenhänge von Gehirnentwicklung, Bewe-gungserfahrung und Lernen Bedeutung unterschiedlicher Hirnregionen für unterschiedliche motori-sche, sensorische und kognitive Lernmuster Bedeutung automatisierter Handlungsabläufe für das Lernen und Aus-wirkungen von Handlungs- und Entwicklungsstörungen auf das Lernver-halten Körperwahrnehmung Bedeutung einer „guten“ Körperwahrnehmung, der sensorischen Inte-gration und sinnvollen Verarbeitung verschiedener Reize für das Lernen Bedeutung von Gleichgewicht und ausgewogener Tonusregulation als Voraussetzung für Lernen und Konzentration Taktile Wahrnehmung Bedeutung der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung für die Begriffsbil-dung und für das Schreiben Möglichkeiten der taktil-kinästhetischen Störung und deren Auswirkun-gen auf das Lernen Visuelle Wahrnehmung Bedeutung der visuellen Wahrnehmung für das Verfolgen von Unter-richtsprozessen häu ge visuelle Störungen und deren Auswirkungen auf Lernen, Kon-zentration, Schreiben und Leistungsbereitschaft Jens Boenisch, Christian Huber 51 Auditive Wahrnehmung und Auditive Verar-beitungs- und Wahr-nehmungsstörungen (AVWS) Zusammenhang von Hören und Schreiben bzw. Hörstörungen und Schreibfehler Bedeutung der auditiven Wahrnehmung für das Verfolgen von Unter-richtsprozessen Häu ge auditive Störungen (Auditive Verarbeitungs- und Wahrneh-mungsstörungen/ AVWS) und deren Auswirkungen auf Lernen, Konzen-tration und Leistungsbereitschaft Grundlagen zu Raumakustik und Störschall im Klassen |