Digitale Sammlungen der Universität zu Köln
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Beiträge zur Heimatgeschichte Band 12 Vom Kuxthurm zum Batterieturm Der Bau des Geschützturms von Ludwig Arntz in Schloss Burg an der Wupper Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2012 2 3 Andreas Sassen / Claudia Sassen Vom Kuxthurm zum Batterieturm Der Bau des Geschützturms von Ludwig Arntz in Schloss Burg an der Wupper 4 5 Ludwig Arntz 1855 – 1940 Architekt, Denkmalpfleger, Zeichner und Bauschriftsteller Erbauer des Batterieturms in Schloss Burg Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Rheinischen Bildarchivs Köln 6 7 Beiträge zur Heimatgeschichte Band 12 Andreas Sassen / Claudia Sassen Vom Kuxthurm zum Batterieturm Der Bau des Geschützturms von Ludwig Arntz in Schloss Burg an der Wupper ISSN 2192-6840 Solingen 2012 8 Beiträge zur Heimatgeschichte Beiträge zur Heimatgeschichte ist eine Schriftenreihe zu Themen von Kunst und Architektur in NRW herausgegeben von Andreas Sassen und Claudia Sassen. Titelbild: Maskaron vom Batterieturm, Fotografie von Edgar Falkenhain Impressum: © 2012 Andreas Sassen / Claudia Sassen Hasselstr. 4, 42651 Solingen claudia.sassen@uni-dortmund.de ISSN 2192-6840 Redaktion Claudia Sassen Gestaltung Claudia Sassen Zeichnungen Andreas Sassen Fotos Andreas Sassen Druck- und Verlagsort Solingen, Selbstverlag der Herausgeber Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 9 Inhalt Lage, Architekt, Definition des Namens………………………………………………………. 11 Vermutungen zum historisch richtigen Standplatz………………………………………….. 12 Früheste Erwähnung des Burgturms durch F.E. v. Mering………………………………… 14 Frühe Pläne zur Wiedererrichtung des Burgturms…………………………………………. 16 Aufnahme der Wiederaufbaupläne mit dem Dienstantritt von Ludwig Arntz……….. …… 20 Bauausführung des Geschütz- oder Batterieturms…………………………………………. 25 Abbildungen vom mittelalterlichen Turm…………………………………………………… 31 Die Fotografie der Ruine des Südturms Drei Zeichnungen der Ruine von Ernst Stahl….…………………………………………… 32 Ansichten von Norden, Westen und Süden Sichtbare Mauerreste im Inneren des Batterieturms………………………………………. 35 Abmessungen und Beschreibung des Batterieturms………………………………………… 36 Die Uhrenseite des Batterieturms…………………………………………………………….. 38 Das mechanische Uhrwerk und sein Hersteller……………………………………………… 38 Entstehung und Bedeutung des mittelalterlichen Vorgängerturms………………………... 40 Ursprüngliches Konzept des Baumeisters Arntz……………………………………………. . 44 Resümee……………………………………………………………………………………….... 45 Exkurs: Zur Poterne an der nördlichen Burgmauer in Schloss Burg……………………………….. 46 Zur Materialgerechtigkeit des Mauerwerks in Schloss Burg……………………………… . 49 Steinsichtigkeit oder Verputz im Mittelalter………………………………………………... . 49 Biografien Ludwig Arntz …………………………………………………………………………………. 52 Paul Clemen…………………………………………………………………………………… 55 Gerhard August Fischer ……………………………………………………………………... 56 Friedrich Everhard Freiherr von Mering …………………………………………………... 59 Ernst Stahl …………………………………………………………………………………….. 60 Verwendete Literatur…………………………………………………………………………. 61 10 11 Schloss Burg, Blick vom Zwingertor auf die Anlage des Batterieturms. Im Vordergrund das ehemalige Café Sulzbach, dahinter der Batterieturm, auf dem Wehrgang der ostdeutsche Glockenturm, rechts das Mitteltor. Aufnahme der Verfasser 2011 Lage, Architekt, Definition des Namens An der südwestlichen Ecke des mittleren Burgterrains, gegenüber der Westseite des Engelbert-Palas steht auf Schloss Burg der Batterieturm. Dieser Turm, der anfangs auch Bollwerkturm genannt wurde, ist neben dem Bergfried im Hochschloss das mächtigste und massigste Bauwerk in der wiedererstan-denen Burganlage. Im Panorama der Burg, das sich dem von Solingen kommenden Betrachter bietet, erscheint er der Palasfront trutzig wie ein schützender Wächter vorgelagert. Der Batterieturm ist das letzte große Bauwerk, das im Burger Wiederaufbauprogramm seit 1890 errichtet worden ist. Entwurf und Ausführung stammen von dem ehemaligen Straßburger Dombaumeister Ludwig Arntz. Dieser übernahm auf Empfehlung des Provinzialkonservators Paul Clemen 1910 mit 55 Jahren als freier Ar-chitekt von Köln-Marienburg aus die Aufgabe des Schlossbaumeisters. Mit Arntz bekam Schloss Burg einen versierten Fachmann, der an unzähligen mittelalterlichen Objekten in Deutschland und Öster-reich geschult war.1 Nach der Definition der Burgenkunde von Otto Piper2 ist ein Batterieturm ein mehrgeschossiger Turm zur Aufstellung von Pulvergeschützen, die aus Kanonenscharten feuern. Oftmals wurden diese Türme halbrund und hinten offen gebaut, damit sich Eindringlinge nicht darin festsetzen konnten. Neben Bat-terieturm hat sich die Bezeichnung Bollwerkturm eingeführt. Korrekt bezieht sich der Begriff Boll-werk aber auf Bohle oder Balken, ein seit Aufkommen der Pulvergeschütze entwickeltes, meist run- 1 Ludwig Arntz (1855-1941), von 1910-1921Schlossbaumeister in Burg. Siehe auch im Exkurs. 2 Otto Piper, a. a. O., S. 664. 12 Schloss Burg. Blick von Norden auf die Anlage des Batterieturms nach der Instandsetzung von 2010. Von links das Mitteltor mit Wehrgang, der ostdeutsche Glockenturm und der Batterieturm. des, aus der Mauer heraustretendes Werk aus Balken zur Flankierung der Geschützscharte. Es diente der Geschützbesatzung zum Schutz vor den gefährlichen Steinsplittern, die sie bei Gegenwehrfeuer verletzen konnten. Auch die Bezeichnung Rondell ist neben Batterieturm gebräuchlich; denn man bezeichnet damit einen Verstärkungsbau der Periode von ca. 1450-1700 für turmartige, rundliche Bauwerke, die besonders zur Sicherung am Tor errichtet wurden. Vermutungen zum historisch richtigen Standplatz Im Gegensatz zu allen anderen Wiederaufbaumaßnahmen ist über den Bau des Batterieturms relativ wenig, über seine Vorgeschichte so gut wie nichts geschrieben worden. Weder auf der Ploennies- Ansicht von Schloss Burg von 1715, noch unter den akribisch aufgenommenen Ruinenfotografien Johannes Schumachers von 1887 sind Spuren eines alten Turms zu finden. Vielleicht kursieren des-halb heute recht verwunderliche Annahmen über dieses Bauwerk. Allein über seinen Standplatz wird vermutet, dass er willkürlich gewählt wurde, weil der ursprüngliche Turm angeblich völlig ver-schwunden war. Man erfährt in der Festschrift zum 100jährigen Bestehen sogar über ein Baugeheim-nis des Architekten Arntz. Sorgfalt und Elan hätten auch ihn nicht vor einer falschen Interpretation geschützt. Arntz plante Standplatz und Umfang seines neuen Turmes nach Befund - den Spuren des Trampelkreises eines Esels, der eine Göpelmühle antrieb.3 Dabei sind wohl zwei Dinge vermischt worden; denn nach Berichten der Nachfahren des Vorbesitzers der Stelle, der hier bis 1913 das Res-taurant- Café führte, wurde hinter dem Haus eine Göpel- oder Rossmühle betrieben.4 Dies geschah aber lange vor dieser Zeit im Windschatten eines noch stehenden halbrunden Turmrestes. 3 Renate und Karl Morsbach, Die sich wandelnden Architekturen a.a.O. S. 67 4 Dazu auch auf Seite 13. 13 Schloss Burg. Der Batterieturm mit seinen Kanonenscharten von Süd-West. Rechts das Haus Sulzbach, dahinter der Engelbert-Palas. Aufnahmen der Verfasser 2011 Schloss Burg. Ansicht der Burganlage von Nord-West. Ausschnitt aus der Zeichnung von Ploennies 1715. Neben dieser Aussage verweisen selbst die spärlich vorhandenen Aufzeichnungen deutlich auf den Wiederaufbau vorhandener Reste eines mittelalterlichen Turmbauwerks. Leider ist in der ältesten An-sicht von Schloss Burg, einer Zeichnung des Architekten und Kartographen Erich Philipp Ploennies von 1715 der alte Turm nicht zu finden. Hier verdeckt ein relativ dichter Baumbestand, der anschei-nend bis an den Palas heranreicht, die zu vermutende Turmruine. Der entscheidende Schnitt, mit dem auf Schloss Burg der Ruinenzustand begann, erfolgte zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Wäh-rend der Kriegszeit wechselten die Fremdbesatzungen der Burg mehrfach, da sie infolge ihrer rück-ständigen Wehrhaftigkeit im Ernstfall nicht zu halten war. Zuletzt waren in ihren Mauern Truppen des 14 kaiserlichen Obristen Heinrich v. Plettenberg einquartiert, die sich von den Einwohnern der umgeben-den Orte versorgen ließen. Nach den Friedensverhandlungen von 1648 in Münster bekam Plettenberg den Befehl, die Burg zu räumen und zu entfestigen. Bis auf die westliche Front des Hochschlosses, mit Palas, Torhaus und dem langen Ökonomiegebäude einschließlich des Diebsturms wurden dabei sämt-liche Gebäude und Verteidigungsanlagen „demoliert“5 oder verbrannt. An den massiven Teilen nahm man Sprengungen vor, wobei Teile der Mauern, alle Tore und Türme einschließlich des Bergfrieds niedergelegt wurden. Bemerkenswert ist, dass damals neben der Schlosskapelle aus der Zeit Engel-berts II. auch die Johanniterkirche zerstört wurde. Zur Anbringung der Pulverladungen an den Gebäu-den suchte man Schwachstellen, die bei den geschlossenen Türmen aber nicht unten, an den ganz mas-siven Teilen, sondern einige Meter darüber zu finden waren. Im Ergebnis stürzten die Türme dabei im oberen Bereich ein, blieben aber zumeist als Stumpf von einigen Metern Höhe stehen. Den weiteren Verfall besorgten Wind, Wetter und die Einwohner der Umgebung, die mit oder ohne Erlaubnis aus den geborstenen Mauern für sich brauchbares Steinmaterial herausbrachen. Schloss Burg. Ältester Grundplan der Burg des Feldmessers P. Becker vom August 1816. Archiv Schloss Burg. Früheste Erwähnung des Burgturms durch F.E. v. Mering Auf diese Weise verschwand nach und nach das Bild der einst festen Burg und führte zu dem Ein-druck, den wir in „Der Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien und Klöster in den Rhein-landen und den Provinzen Jülich, Cleve, Berg und Westphalen“ bekommen. Der Historiker E.F. von Mering berichtet darin um 1850 nach „archivarischen und anderen authentischen Quellen des vergangenen Jahrhunderts“ und schildert den Anblick, den Schloss Burg um die Mit-te des 18. Jahrhunderts bot. 6 5 lateinisch / französisch; etwas gewaltsam zerstören, beschädigen; heute wenig gebräuchlich. 6 F.E. v. Mering, Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien und Klöster in den Rheinlanden und den Provinzen Jülich, Cleve, Berg und Westphalen nach archivarischen und anderen authentischen Quellen. Heft 9/1853, S. 38- 78. Monatsschrift des BGV Bde. I-XXII, Elberfeld 1894-1915. 15 Schloss Burg von Süden nach einer Zeichnung von J.P. Heinrichs um 1850, schon bald nach der Aufgabe des Palas. Schloss Burg. Eine Vorstellung der Burganlage von Süden, gezeichnet von Fischer um 1892. Der Stumpf eines Rundturms ist hinter den Fachwerkhäusern erkennbar. Archiv Schloss Burg. „Die äußern Ringmauerndes Schlosses, die früher den Berg umkreisten, sind verschwunden. Die Mitte des vorigen Jahrhunderts sah noch Reste an den Abhängen nach der Eschbach und nach der Wupper herab. Damals strebte an der Südseite des Schlossberges noch ein hoher Thurm, der Kuxthurm (Kuck-turm ) genannt, mit ungeheurer Mauerwucht empor, der eine herrliche Aussicht darbot. Wegen ver-schiedener Unglücksfälle musste er abgebrochen werden. Wo der jetzige sogenannte Kesselgarten liegt, östlich vom Schlossbrunnen, stand ein hoher Turm mit hohem Eingangsthore; und weiter nach Südwesten bewohnten die Junker von Scheid-Weschpfennig früher ein hohes Burggebäude. Die Hauptzugänge zum Schlosse waren nach der untern Burg zu, in der Nähe der katholischen Kirche und oberhalb des Schlosses. Dort stand der Thal-, hier der Bergthurm mit Gatter und Zugbrücke, die über tiefen Graben gelassen wurden. Am nördlichen Bergabhange, an der Stätte, die noch „der Hagen“ genannt wird, war ein von Mauern umschlossener Park, der mit Grobwildprett besetzt war. Auf dem Platze an der Westseite des Schlosses, der eine geneigte Ebene bildet ,ist unweit der südwestlichen Ecke ein Springbrunnen thätig, der sein Wasser durch Röhren erhält, die durch die ganze Burg und außerhalb derselben angelegt sind.“ 16 Hier werden von Mering relativ präzise viele charakteristische Teile von Schloss Burg benannt und beschrieben. Davon soll uns der sogenannte „Kuxthurm“ an der Südseite des Schosses interessieren; denn aufgrund seiner Alleinstellung und seiner Größe ist dieser Südturm wahrscheinlich mit dem Vor-gänger des Batterieturms identisch. „Damals strebte an der Südseite des Schlossberges noch ein hoher Thurm, der Kuxthurm (Kuckturm) genannt, mit ungeheurer Mauerwucht empor, der eine herrliche Aussicht darbot. Wegen verschiede-ner Unglücksfälle musste er abgebrochen werden.“ Anscheinend verschwand mit dem Abbruch des Turms auch seine volkstümliche Bezeichnung aus dem Bewusstsein der Anwohner und gelangte auch nicht mehr in den Sprachgebrauch des Schloss-bauvereins; denn weder im heimatkundlichen Schrifttum von Burg noch in den frühen Wiederaufbau-plänen Fischers oder den Bauberichten des Schlosses kommt der Name „Kuxthurm“ wieder vor. Ne-ben seiner originellen Bezeichnung tritt aber die Beschreibung „mit ungeheurer Mauerwucht“ beson-ders hervor. Frühe Pläne zur Wiedererrichtung des Burgturms Auf der Suche nach dem Süd- oder Kuxthurm in älteren Abbildungen von Schloss Burg, entziehen sich die Reste dieses Bauwerks zumeist der Sicht durch eine Baumgruppe oder durch andersartige Umbauung. Vermutlich befanden sich im Schriftwerk von Gerhard August Fischer, der nach den Aus-grabungen intensive Studien und sehr viele Vorstellungszeichnungen vom Aussehen der mittelalterli-chen Burg anfertigte, auch umfangreichere Hinweise zu der betreffenden Turmruine.7 Nach dem Wie-deraufbau des Palas, ging er mit Bedacht vor und fügte weitere historische Gebäude in seinen Gesamt-plan ein. Die Ansichten der Burg, in denen Fischer auch den einstigen „Kuxthurm“ als Wiederherstel-lung in Szene setzte, vermitteln uns ein gewachsenes Bild mittelalterlicher Romantik, mit Stilformen von der Romanik bis zur Spätgotik. Auf einer Ansicht der Burg von Süden in der geplanten Wieder-herstellung von Fischer aus dem Jahr 1892 8 erscheint der Turm als Wiederaufbau in bescheidenen Abmessungen, der die vorhandenen Häuser nur einige Meter überragt. Weitere Federzeichnungen Fischers von 1892, „Schloß Burg a. d. Wupper nach der project. Wiederherstellung“, zeigen die Burg-anlage mit einem südwestlichen Eckturm als Wehrturm mit vorgekragtem Obergeschoss und spitzem Kegeldach. Zum Teil gehen kurze, aber hohe Wehrmauerreste davon nach Osten und Norden. Mit einer genaueren Planzeichnung, die vermutlich etwas später entstand, stellt Fischer bereits eine Turmrekonstruktion mit Maßangaben vor und nennt sie „Turm zum Schutz des Eingangs zur Vor-burg“. Trotz eingeschränkter Möglichkeit die Turmruine zu vermessen, hatte er sich über den Wieder-aufbau Gedanken gemacht. Er schlug einen romanischen Rundturm von 9,40 Metern Durchmesser und 24 Metern Gesamthöhe vor. Das über einem Rundbogen-Gurtgesims leicht vorkragende Obergeschoss war als Ausguck gestaltet und mit einem flachen Kegelhelm gedeckt. Direkt an den Turm schloss sich ein Torhaus mit einem Rundbogendurchlass an, das mit einem Gebäude für die Wache verbunden war. Fischer plante hierbei auf ergrabenen mittelalterlichen Fundamenten, nach denen auf seinem Plan der Burg von 1909 vom Wachhaus eine starke Mauer in gerader Flucht auf die südwestliche Ecke des Engelbertbaus zuging. Diese Giebelwand des ursprünglichen Palas verlängerte sich weiter nach Osten als Südmauer des Kapellenbaus. Im 15./16. Jahrhundert wurde der Kemenatenbau nach Süden über einige Meter hinaus erweitert. Von der Nordseite des Südturms gingen ergrabene Mauerfundamente in langer Flucht nach Norden, unmittelbar an der Apsis der Johanniterkirche vorbei bis zur Burgmantel-mauer am Hang zum Eschbachtal. Die so bis zum Diebsturm eingefriedete Fläche dürfte der lang gestreckte Hof der Vorburg gewesen sein, dessen Eingang vom besagten Südturm geschützt wurde. G.A. Fischer stellte mit seiner frühen Entwurfszeichnung einen Turm vor, der sich zwar in das Ge-samtkonzept der Burg eingefügt hätte, aber wohl noch nicht der Größe des einstigen „Kuxthurms“ oder Südturms entsprach. Nachdem er 1895/96 am Südende des Palas auch den Kemenatenbau errich-tet hatte, ist 1897 eine Fotografie der Burg von Süden aufgenommen worden.9 Im rechten mittleren 7 Fischers Haus in Barmen verbrannte im Zweiten Weltkrieg mit seinem gesamten Nachlass. 8 Festschrift 100 Jahre, a. a. O. S. 54. 9 Die Bildunterschrift im Archiv Schloss Burg weist dieses Jahr aus. 17 Schloss Burg. Ansicht von Süden im Zustand von 1897 mit grafischer Ergänzung des Bergfrieds, des Zwinger-torturms und des großen Rundturms von Fischer. Vorn rechts Julius Schumacher. Archiv Schloss Burg Vordergrund ist darauf Julius Schumacher zu sehen. Ein Exemplar dieser Aufnahme ist grafisch mit dem Bergfried, dem Zwingertor (2. Grabentor) und dem großen Südturm versehen worden, um deren Wirkung im Gesamtbild der Burg beurteilen zu können. Die Grafik stellt den Südturm schon in we-sentlich größeren Dimensionen dar, doch damit verblieb es mit dem Vorgehen Fischers. Er leitete den Wiederaufbau als alleiniger Architekt, bis er Januar 1902 nach der Einsturzkatastrophe des Bergfrieds von der preußischen Bauaufsicht seines Amtes enthoben wurde. Der Zeichner Ernst Vossnack 10 gibt 1898 mit einem Aquarell seine Vorstellung von einer ganz wieder aufgebauten Burg wieder. Vossnack stellt den Turm mit einem relativ kurzen Schaft und einem acht-seitigen Spitzhelm dar. In dieser Form ordnet sich das Bauwerk der gesamten Anlage unter. In anderer Vorstellung sieht dagegen der Zeichner Otto Dinger die Rekonstruktion des Südturms.11 In seiner Ra-dierung von 1900 stellt er den Verteidigungsturm als dominantes Bauwerk dem Hochschloss mit ei-nem ebenso massigen Bergfried gegenüber. Der Turm zeigt bereits den später von Arntz realisierten Durchmesser, ist aber um zwei Stockwerke höher und weist keine Kanonenscharten auf. Mit seinem vorgekragten Obergeschoss wirkt er als gewichtiger Nachzügler aus dem Mittelalter, könnte aber ur-sprünglich so ausgesehen haben. 10 Festschrift 100 Jahre, S. 99. 11 Festschrift 100 Jahre, S. 98. 18 Schloss Burg. „Turm zum Schutz des Eingangs zur Vorburg“, Entwurf von G.A. Fischer um 1895. Fischer stellte sich einen hochmittelalterlichen Rundturm mit vorgekragtem Obergeschoss vor. Archiv Schloss Burg. 19 Die romantische Ansicht von Schloss Burg entstand nach der Vorstellung von Otto Dinger 1900. Der Zeichner plant hier Bergfried, Grabentor und einen fünfgeschossigen Südturm ein. Schloss Burg. Grundplan der Burganlage um 1909 mit von Fischer ergrabenen Fundamenten. Archiv Schloss Burg 20 Aufnahme der Wiederaufbaupläne mit dem Dienstantritt von Ludwig Arntz Bis zum Jahr 1904 konzentrierten sich die Bemühungen des Schlossbauvereins auf die Repa-ratur und Vollendung des Bergfrieds. Erst im Baubericht des Jahres 1906, der sich in der Hauptsa-che auf Arbeiten im Inneren des Schlosses beschränkte, findet sich wieder eine Erwähnung zur Wie-dererrichtung des großen Bollwerkturms. Es heißt, dass damals die Reste des gegenüber dem Palas liegenden Rundturms freigelegt und zum Wiederaufbau vorbereitet wurden.12 Wahrscheinlich räumte man damals den Schutt an der Nordwestseite der Turmruine fort und legte den Fuß des Gemäuers frei. Weitere Arbeiten nahm man nicht vor, da alle Mittel in die notwendige Reparatur des großen Dach-stuhls am Palas gesteckt werden mussten. Dieser hatte sich aufgrund seiner zu leichten Beschaffenheit verformt und gesenkt – eine Folge des zu sparsamen Bauens von G.A. Fischer. Außerdem war man mit dem Bau des äußeren Torturms oder Grabentors beschäftigt. Nachdem 1910 Ludwig Arntz die Betreuung der baulichen Belange in Burg übernommen hatte, vollendete er zunächst das Grabentor und widmete sich umgehend der Westseite des Burggeländes. In der Hauptversammlung am 29.Juli 1911 konnte er anhand seiner Pläne die dortigen Bauvorhaben erläutern.13 „Es handelte sich dabei vor allem um das sogenannte Johannitertor und um den fehlenden Abschluss zur Talseite hin, der durch Freilegung von Fundamenten greifbare Gestalt anzunehmen begann. Man schloss aus den Grabungen, dass vermutlich mehrere Terrassen und ein dicker Bastionsturm, der von einem Wehrgang umgeben war, den westlichen Teil der Schlossanlage vor ihrer Zerstörung gebildet hatten. Soweit es auf Grund praktischer und künstlerischer Erwägungen möglich war, sollten die alten Bauwerke in historischer Treue wiedererstehen, wobei man vor allem darauf bedacht sein musste, sie in den Rahmen der erneuerten Schlossanlage harmonisch einzupassen.“14 Etwa gleichzeitig mit dem Eintritt des Architekten Arntz in seinen Aufgabenbereich, legte der Schlossbauverein eine Schrift über die Burg auf, deren Texte vom damaligen Landeskonservator Pro-fessor Paul Clemen aus Bonn verfasst wurden. In der ersten Auflage von 1910 erwähnt Clemen auf Seite 22 den alten Turm.15 „Durchschreiten wir das Torhaus, so stehen wir im Bering der Vorburg, die, wiederum von einer star-ken Mauer umschlossen, sich schützend vor die Hauptfront legte. Von dem Mauerring stehen heute nur noch einzelne Teile aufrecht. An der Südwestecke erhob sich ehemals ein starker Rundturm, der zur Hälfte noch aufrecht steht. Einige Schritte östlich fand man die Fundamente eines quadratischen Baues, und vermutlich haben wir an dieser Stelle den ehemaligen Eingang zur Vorburg zu suchen.“ Diese Aussagen bestätigen die früheren Grundpläne von Schloss Burg, 1892 angefertigt von Richard Fischer, einem Sohn G. A. Fischers, der das Barmer Architektenbüro seines Vaters weiterführte. Hier erscheint der Turm im Grundriss in relativ kleinen Abmessungen und ist vermutlich etwas zu weit westlich angelegt. 16 Für die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 1894 folgte dann eine genauere Grund-risszeichnung, von G.A. Fischer der die Situation des alten Südturms mit dem vermuteten Tor- oder Wachhaus zum Vorhof des Hochschlosses zeigt. Die von Fischer ergrabene und wahrscheinlich richtig eingeschätzte Lage der historischen Gebäude war für die Wiedererrichtung allerdings ungünstig. Das Tor hätte sich an der Stelle des heutigen ost-deutschen Glockenturmes befunden und seine südliche Zufahrtsseite wäre von dem damals schon be-stehenden Café Sulzbach, dem heutigen Ladengebäude verstellt gewesen. Dieses bergische Fachwerk-haus blieb aber stehen und wurde schon 1911/12 in das Gesamtkonzept einbezogen. Arntz gab die Pläne einer Wiedererrichtung des Wehrgangs auf den mittelalterlichen Tor- und Mauerfundamenten auf und begann den Bau einer neuen Wehrmauer weiter nördlich, parallel zu den alten Fundamenten. 12 L. Reinmöller, Festschrift 1962, S. 61. 13 Lore Reinmöller, Festschrift 1962, S. 66. 14 Lore Reinmöller, Festschrift 1962, S. 66. 15 Paul Clemen, Schloss Burg an der Wupper, Hrsg. Schlossbauverein 1. Aufl. Schwann, Düsseldorf 1910. S. 22. 16 Festschrift 100 Jahre, S. 41. 21 Schloss Burg. Grundplan von Arntz 1912. Hier ist der Wehrgang mit dem damals Zwingertor genannten Mit-teltor eingezeichnet. Im Gegensatz zu den Ausgrabungen sind diese Bauten nun nördlich der alten Fundamente angelegt. Archiv Schloss Burg. Das neue Mitteltor im Renaissance-Stilmix der ausgehenden Kaiserzeit setzte er näher zum Palas un-mittelbar an die bereits stehende Terrasse des Schlossrestaurants. Schon in der zweiten Auflage des Schlossführers von 191217 passte Paul Clemen seine Erklärungen zur Wehranlage an der Südturmruine der neu geschaffenen Realität an. Ganz sicher war er sich mit der Datierung aber wohl nicht. Diesen Text verwendete er später auch im Schlossführer von 1918.18 „Der große freie Platz westlich vor dem Palas, auf dem eine ganze Reihe alter Mauern schon früher zum Vorschein gekommen war, bildete bis in die letzten Jahre einen großen, etwas öden Vorhof. Der mächtige Rundturm an der Südwestecke, der einst hier das Plateau und den Abhang gleichmäßig be-herrscht hatte, wuchs ganz unvermittelt aus der Umgebung der kleinen bergischen Häuser heraus. Die erneuten Ausgrabungen ergaben, dass diesen Turm mit dem Palas eine breite Verbindungsmauer ver-bunden hatte, die in der Mitte von einem Tor durchbrochen war. Es lag nahe, dieses Tor und die Ver-bindungsmauer wieder herzustellen und im Anschluss an den Turm, der wohl Ende des 16. Jahrhun-derts unter dem letzten bergischen Herzog Johann Wilhelm seinen Ausbau gefunden hatte, die Formen der Spätrenaissance und des beginnenden Barocks zu wählen. 17 Paul Clemen, Schloss Burg an der Wupper, Hrsg. Schlossbauverein, 2. Aufl. Schwann, Düsseldorf 1912. S. 20 18 Paul Clemen, Schloss Burg an der Wupper, Hrsg. Schlossbauverein, 3. Aufl. Schwann, Düsseldorf 1918. S. 23 22 Schloss Burg. Eine der frühen Vorstellungen von Ludwig Arntz 1911. Sein Batterieturm aus der Renaissancezeit steht hier nur zweigeschossig, jedoch mit einem tiefliegenden Wehrgang für Schützen mit Hakenbüchsen. Archiv Schloss Burg Zum 25. Jubiläumsjahr der Gründung des Schlossbauvereins im Jahr 1912 war der Wehrgang am Mit-teltor fertig gestellt, und Arntz hatte seine Wiederaufbaupläne der westlichen Verteidigungsseite der Burg weiter entwickelt. Auf einer Vorstellungsansicht von 1911 erschien erstmals ein breit gelagerter Batterieturm mit dem sich Arntz den Wiederaufbau des Südturms im Stil der Renaissance vorstellte. Auch sein Festvortrag vor versammelter Gesellschaft des Schlossbauvereins im Rittersaal befasste sich mit dem Thema „Deutsche Wehrtürme des 16. und 17. Jahrhunderts“.19 In gleicher Weise erwähnte Adolf Werth 1912 in der von ihm verfassten Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Schlossbauvereins die Pläne von Arntz.20 Der ersehnten Ausführung standen aber noch einige Hindernisse im Wege. „In der Generalversammlung vom 29. Juli 1911wurde dann auch über die Arbeiten nach den Vor-schlägen des Herrn Dombaumeisters Arntz beschlossen. Diese Vorschläge beruhen auf den vorge-nommenen Ausgrabungen, und ermöglichen die schon lange als wünschenswert erkannte Ausgestal-tung des bisher recht öde vor der Westseite des Palas liegenden Platzes. Der Zugang zu diesem ehe-maligen Zwinger ist jetzt durch das 1912 vollendete Zwingertor gekennzeichnet, während der Platz sich in drei Terrassen abstuft. […] Des Ausbaus harrt noch der gewaltige Eckturm, das Bollwerk, an der Südwestseite des Platzes. Es kommt hier fremdes Eigentum in Frage, mit dem Eigentümer konnte bisher eine Einigung nicht erzielt werden“. Zur Klärung der damaligen Eigentumsfrage des Geländes, auf dem der Verteidigungsturm wieder erstehen sollte, geben die damaligen Grundpläne von Schloss Burg Auskunft.21 Diese Pläne mit den 19 Lore Reinmöller , Festschrift 1962, S. 68. 20 Adolf Werth, Festschrift 1912, a.a.O. S. 76. 23 Schloss Burg. Ausschnitt aus dem Grundplan mit dem um 1912 noch völlig überbauten Grundstück des alten Südturms. Arntz hat den Wehrgang und die Dimensionen des geplanten Batterieturms schon eingezeichnet. Archiv Schloss Burg Grundrissen der wieder aufgebauten Gebäude waren ursprünglich von Fischer erstellt, sind immer wieder angepasst und 1912 von Arntz ergänzt worden. Die Fläche, die später vom Bau des Batterie-turms eingenommen wurde, war ein privates Grundstück, das an seiner Nordseite an den Rest des al-ten Turms angrenzte. Auf dem Plan ist das Grundstück noch mit Wirtschafts- und Stallgebäuden be-baut, die zu dem östlich gelegenen damaligen Café Sulzbach / Muhr, dem heute noch vorhandenen Ladengebäude gehören. Aufgrund dieser Verhältnisse konnten bis 1913 nur am Rest des alten Turms Erhaltungsarbeiten durchgeführt werden. Die übrigen umfangreichen, unter der Stallbebauung liegen-den Fundamente des mittelalterlichen Bauwerks waren für den Schlossbauverein nicht zugänglich. Da der Eigentümer nicht zu einem Verkauf des Grundstücks zu bewegen war, wurde letztlich ein gericht-lich verfügtes Enteignungsverfahren eingeleitet, so dass der Schlossbauverein erst im Herbst des Jah-res 1913 hier freie Hand bekam. Solange Arntz zum Bau des Batterieturms noch die Hände gebunden waren, nutzte er die Jahre 1912 und 1913 zur Sanierung der Wehrmauern. „Es sind die äußeren Umfassungsmauern des Burgbezirks, soweit es die Eigentumsverhältnisse gestat-teten, bis zur ursprünglichen Höhe geführt worden, um den Eindruck einer geschlossenen Anlage möglichst wieder zu gewinnen. Sowohl die südliche wie die nördliche Ringmauer hatte durch Zerstö-rung der Krone und Ausbrechen des Mantels erheblich gelitten und musste zum Teil von Grund auf ergänzt und durch vorgelegte Stützpfeiler gesichert werden. […] Die nördliche Ringmauer umschließt im Wesentlichen den hochgelegenen Friedhof mit der einstigen Johanniterkirche. An die Ordenszeit erinnert die dort ausmündende Schlupfforte (Poterne), zu der nun ein verschütteter Gang führt. Die Wiederaufrichtung der nordwestlichen Mauerstrecke, die bei sehr starker Zerstörung den Anblick einer Schutthalde bot, hat auch ermöglicht, die Hauptpforte der Johanniter im Erdgeschoss wieder freizulegen und zugänglich zu machen. Das vorgelegte Stiegenhaus vermittelt nun den bequemen Auf-stieg zum Friedhof und zur Kirche und gewährt beim Austritt einen reizvollen Blick in das Eschbach-tal.“ 22 21 Adolf Werth, Festschrift, Faltblatt im Anhang. 22 Paul Clemen, Schloss Burg, Düsseldorf 1918. 24 Schloss Burg. Ansicht des sogenannten „Thalthurms“ oder Johanniterturms vor der Wiedererrichtung durch G.A. Fischer. Der Torturm war um 1894 nur noch als Stumpf erhalten, sein Torbogen und die Burgmauer sind von einer Geröllhalde verschüttet. Archiv Schloss Burg Der Johanniterturm – bei v. Mering „Thalturm“ genannt - war 1896 von G.A. Fischer unmittelbar nach dem Pfarrhaus in einheitlichem Erscheinungsbild neu erbaut worden.23 Die Johanniter (Malteser)24 bewohnten dort ursprünglich ein Fachwerkgebäude, das zusammen mit dem Torturm auf der Zeich-nung von Ploennies zu sehen ist. In der Folgezeit sind aber wohl beide Gebäude verfallen und redu-ziert worden oder Ploennies hat sie nicht authentisch als Ruine wiedergegeben. Auf der Fotografie von 1894 ist vom Johanniterturm nur noch ein Rest zu sehen, der nach Süden verlängert, und mit einem nach Osten gehenden relativ kleinen Haus zu Wohnzwecken hergerichtet war. Fischer ließ zunächst das Pfarrhaus hochziehen und begann nach Aufrichtung des Daches die noch vorhandenen Teile des Torturms in das Gesamtbild einzubeziehen. Dabei wurde das Gebäude um einige Meter erhöht und die Fenster höher eingesetzt Aus dieser Zeit stammen auch die Sandstein-Eckquader, die an Turm und Haus gleichartig sind. Die Verlängerung des Turms nach Süden brach man ab und legte damit seine alte Südwand wieder frei. Zu dieser Zeit war der gesamte Bereich um die Gebäude völlig verschüttet. Der Turm ragte daraus hervor, vom einstigen Tordurchgang war nur der obere Teil noch zugänglich und führte zu einem Abtritt. Alles andere lag unzugänglich unter dem Geröll verborgen. Nach Freile-gung des kleinen Vorplatzes und des noch vorhandenen romanischen Torbogens ließ Arntz die Torhal-le mit seiner anrüchigen Aufschüttung ausräumen. Auch der dahinter liegende etwa gleichgroße ge-wölbte Raum mit einer kleinen Fensteröffnung nach Westen, 23 Rudolf Roth, Schloss Burg, Burg an der Wupper 1920. 24 Nach der Reformation teilte sich der Orden in die evangelischen Johanniter und die katholischen Malteser. 25 Schloss Burg. Der von Fischer 1896 wieder errichtete Johanniterturm mit dem Pfarrhaus. Den Unterbau mit Tor ließ Arntz 1913 freilegen und die Burgmantelmauer wieder aufrichten. Archiv Schloss Burg wurde damals bis zur Sohle freigelegt. Die Arbeiten gingen bis zur Freiräumung des verschütteten südlichen Torbogens; denn Arntz verfolgte den Plan, das romanische Tor wieder durchgängig zu ma-chen. 25 Der anstehende Bau des Batterieturms verdrängte aber das Vorhaben, das dann nicht mehr weiter verfolgt wurde. Der Toranlage kommt für Schloss Burg eine hohe Bedeutung zu; denn sie ent-hält das einzige noch aus dem Mittelalter stammende Tor, das bei Errichtung der Johanniterkirche um 1220, vermutlich sogar früher, noch im 12. Jahrhundert entstanden ist.26 Die hier noch nachvollziehba-ren Größenverhältnisse lassen vermuten, dass die oberen Tore, Grabentor und Zwingertor, vielleicht zu groß wiedererrichtet worden sind. Bauausführung eines Geschütz- oder Batterieturms Nachdem dem Schlossbauverein infolge des Enteignungsverfahrens Ende 1913 das Grundstück des Restaurants Sulzbach zugesprochen worden war, begann Arntz sofort mit der Niederlegung der Über-bauung der historischen Fundamente des großen Südturms. Nach den relativ unsicheren Daten der Vergangenheit über die wirkliche Ausdehnung des einstigen Südturms, lagen nun nach Abbruch der Stall und Wirtschaftsgebäude die Grundmauern und die noch aufrecht stehenden Mauerteile zur ge-nauen Vermessung frei. Inmitten der Ruine bekam man erst jetzt einen Eindruck von ihrer Ausdeh-nung und im Gegensatz zu den frühen Ergebnissen Fischers stellte sich heraus, dass hier wirklich ein 25 Der Gewölberaum ist um 1990 abgemauert worden, da dort Deckensteine herabfielen. 26 Weitere Einzelheiten zu diesem Thema im Exkurs. 26 gewaltiger Wehrturm gestanden hatte. Über die Wintermonate 1913/14 stellte Arntz seine Baupläne bis März 1914 fertig, worauf mit dem Wiederaufbau begonnen wurde. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, die politische Wetterlage verfinsterte sich bedrohlich, der Erste Weltkrieg zog herauf. Noch am 25. Juli 1914 fand man sich zur jährlichen Hauptversammlung ein, der letzten vor dem Krieg. Die Grafik des Titelblatts von Dombaumeister Ludwig Arntz zum Festgruß zeigt noch optimistisch die Baustelle des Batterieturms. Die Bauarbeiter auf der Mauerkrone des etwa halbhohen Turms werden über ein hölzernes Aufzugsgerüst mit Material versorgt. Schloss Burg. Der Wiederaufbau des Batterieturms. Einladungsblatt zur Hauptversammlung 1914 von Ludwig Arntz. Archiv Schloss Burg In den Sommermonaten 1914 waren die Arbeiten am Batterieturm in vollem Gange und das Solinger Tageblatt erwähnt den Stand am 27. Juli 1914 in der Hauptversammlung, die vom Vorsitzenden Adolf Werth geleitet wurde. „Herr Dombaumeister Arntz erstattet Bericht über die im Vorjahr ausgeführten und neuerdings ge-planten Arbeiten. Im Vorjahr sei in der Hauptsache ausgeführt worden die äußere Ringmauer, ferner ist das Johannitertor ausgegraben und der Batterieturm in Angriff genommen worden. Die Aufgabe des nächsten Jahres ist die Vollendung des Batterieturms, an dem an der inneren Seite ein kleiner Ausbau erfolgen soll, an dem eine Uhr mit einem Schlagwerk angebracht werden soll. Ferner ist der Bau einer Zuführung zum Johanniterturm von der Südseite aus geplant, sowie der Abschluss des inne-ren Schlosshofs auch nach der Nordseite hin.“27 27 Auszug aus Solinger Tageblatt Nr. 173, 27. Juli 1914, S. 18/2 27 Schloss Burg. Querschnittzeichnung des Batterieturms von Ludwig Arntz 1914. Innendurchmesser und Ausdeh-nung sind Maße des alten Südturms, die von Arntz übernommen wurden. Er plante für die beiden unteren Ge-schosse Kuppelgewölbe, die aber nicht ausgeführt wurden. Archiv Schloss Burg. 28 Schloss Burg. Das Mitteltor und der Batterieturm, Zeichnungen von Ludwig Arntz 1917. Archiv Schloss Burg. Neben der Bautätigkeit ist das Hauptthema die stets prekäre finanzielle Lage des Schlossbauvereins. Die Jahresrechnung ergibt ein Defizit von 33 312 Mark, man hofft aber durch diese schlechte Finanz-lage hindurch zu kommen. Der Etat für 1915/16 wurde mit 40 000 Mark festgesetzt. Auf Vorschlag will man das Jahresfest aufgrund zuletzt flauer Beteiligung vorerst ausfallen lassen. Die plötzliche Mobilmachung und der Kriegsbeginn vereinfachen die Lage nicht. Man möchte aber unter allen Um-ständen den Bau des Turms fertig stellen. Die für den Wiederaufbau von Schloss Burg und auch zuletzt für den Batterieturm benötigten Natur-steine wurden zu einem Teil aus dem Bauschutt zurückgewonnen, der aber größtenteils nur noch aus Geröll bestand. Die besten Steine aus den Ruinen waren im Laufe der Verfallszeit bereits verkauft oder weggeschleppt worden. Neue Steine wurden aus der unmittelbaren Umgebung, bzw. aus mehre-ren Brüchen unterhalb des Schlossberges gewonnen. Nach Angaben des Heimatforschers Franz Breckerfeld ist ein Steinbruch an der ersten Linkskurve der unteren Burgtalstraße zu finden. Auch östlich oberhalb der Burg am Feuerwehrhaus sind Steingruben noch zu erkennen. Ein weiterer Bruch lag am Ende des Steinwegs in Richtung des Diedrichtempels. Der wohl ergiebigste Bruch befand sich am Hang unterhalb des Hauses „In der Straßen“, der über den Eselspfad zu erreichen war. Breckerfeld war auch noch bekannt, dass Vorfahren der Burger Familie Jäger in der Wiederaufbauzeit Spann- und Transportdienste mit Steinmaterial von den Brüchen zur Baustelle durchführten.28 Im Flachland konn-te man auf die damaligen Gespannwagen maximal 2 t (früher als 40 Zentner bezeichnet) laden. Dage-gen war bei den enormen Steigungen um Burg erheblich weniger Ladung, höchstens noch die Hälfte möglich. In Gebrauch waren vielfach zwei- oder vierräderige, bewegliche Kippkarren, die sich schnell entladen ließen. Als Zugtiere setzte man gern Ochsen ein, die nicht so schnell ermüdeten und auch dann noch zogen, wenn Pferde nichts mehr bewegen konnten. Das hohe spezifische Gewicht der Stei-ne ließ eine Ladung optisch gering erscheinen, oftmals ein Streitpunkt zwischen Fuhr- und Bauleuten. Wesentlich weitere Wege waren für das Mörtelmaterial nötig. Sand holte man aus der Rheinebene, sofern Flusssand aus den Wupperbänken nicht zur Verfügung stand. Kalksteine, von Dornap geliefert, wurden vor Ort zu Kalk gebrannt, an der Baustelle eingelöscht und als Sumpfkalk verarbeitet. Erhebli-che Schwierigkeit machte die Beschaffung von Eisen, das weitgehend der Kriegsrüstung vorbehalten war. Bei dem großvolumigen Mauerwerk des Batterieturms war also allein die Bereitstellung des Baumaterials eine besonders zu bewältigende Aufgabe. Hinzu kamen die Probleme der Kriegszeit mit Arbeitskräftemangel und fehlenden Pferden für die Transportaufgaben. Trotz der allgemeinen Be-schränkungen an Arbeitskräften und Material ist der Bau noch 1915 mit dem Aufsetzen des proviso-risch gedeckten hölzernen Kegelhelms und dem Zwerchhaus für die Uhr beendet worden. 28 Freundliche Auskunft von Franz Breckerfeld an die Verfasser Okt. 2011. 29 Schloss Burg. Ansicht der Burganlage von Südosten im Zustand von 1909. Der Bergfried steht fertig, es fehlen noch die Anlage des Grabentors und der Batterieturm. Archiv Schloss Burg. Schloss Burg. Die gleiche Ansicht im Jahre 1917. Grabentor und Batterieturm sind als hervortretende Bauten hinzugekommen. In dieser Form bleibt die Burg bis zum Brand 1920. Archiv Schloss Burg 30 Schloss Burg. Schnitt von Ost nach West durch die Burganlage, Zeichnung von Ludwig Arntz 1917. Arntz macht hier das ausgewogene Größenverhältnis des Batterieturms zum Hochschloss deutlich. Archiv Schloss Burg. In den Jahren zwischen 1914 und 1918 fand keine Generalversammlung des Schlossbauvereins mehr statt. Die Nachrichten über die Bautätigkeiten in Schloss Burg wurden spärlich, da in den Zeitungen die Kriegsberichte alle lokalen Nachrichten zurücktreten lassen. Man traf sich erst am 14. Mai 1918 wieder, um in erster Linie Nachfolger für die inzwischen verstorbenen Mitglieder zu wählen. Nach einer Bestandsaufnahme wandte man sich den zukünftigen Maßnahmen zu: „Dombaumeister Arntz-Köln teilte über die beabsichtigten Bauten mit, dass der Batterieturm im Schlosshof durch einen gedeckten Wehrgang einen künstlerischen Abschluss erhalten soll. Das ange-kaufte Schwippertsche Haus in dem bisher eine Gastwirtschaft war, soll zu einem Wohnhaus im Stil der bergischen Häuser des 18. Jahrhunderts umgebaut werden und dem Museumsleiter als Woh-nung dienen. […] Abgesehen von kleineren Ausbesserungsarbeiten am großen Saalbaudach, wurde im Laufe des Sommers 1917 die noch ausstehende Schieferung des Hofabortdaches und des neuen Wehrgangdaches am Diebsturm ausgeführt. Im Spätherbst 1917 konnte das Kegeldach des Bollwerk-turms samt dem Ostgiebel in Kauber Schiefer fertig eingedeckt werden, doch müsste die geplante Schindeldeckung der Fachwerkaufbauten [am Palas]vorerst noch zurückgestellt bleiben.29 In den Schlossführern von 191830 und 192131 macht Clemen gleich lautende genauere Angaben über den fertig gestellten Batterieturm, der damals Bollwerkturm genannt wurde. „Der Wiederaufbau eines Hauptstückes der Außenwehren des runden Bollwerkturmes, welcher ver-mutlich im Jahre 1648 von der abziehenden Besatzung unter Plettenberg gesprengt worden, ist im Frühjahr 1914 in Arbeit genommen worden. Trotz der schwierigen Verhältnisse gelang es, im folgen-den Frühjahre das stattliche Bauwerk unter Dach zu bringen und damit wenigstens in seiner wehrhaf-ten Erscheinung aus dem Gesamtbilde des Burgbereiches herauszuheben. Der etwa 14 Meter Durch-messer fassende Rundturm ist bei etwa 4 Meter Mauerstärke in zwei Hauptgeschosse und ein Dach-geschoss gegliedert, welche durch eine umlaufende Rampe zu befahren sind; außerdem ist das zweite Geschoss unmittelbar vom Zwingerwehrgang aus zu erreichen. Jedes Hauptgeschoss enthält je drei in der Mauer ausgesparte Geschützkammern mit entsprechenden, weit ausgreifenden Scharten, während das Dachgeschoss fünf Stückpforten in der einwärts gekrümmten Mauerkrone zur Bestreichung des Vorgeländes aufweist. Der Haupteingang ist durch Kleingewehrscharte sowie Schlitz- und Fußscharte besonders gedeckt. Im Mauerwerk des Erdgeschosses ergab sich die Möglichkeit, einen besonderen Backofen auszusparen, während im Dachgeschoss noch eine beheizbare Wachtstube mit darüber be-findlicher Uhrkammer angelegt werden konnte.“ 29 Bericht des Solinger Tageblatts Nr. 112, vom 15. Mai 1918. 30 Paul Clemen, Schloss Burg, Düsseldorf 1918. S.26-27. 31 Paul Clemen, Schloss Burg an der Wupper, Nieder-Rheinischer Verlag, Burg 1921. 31 Schloss Burg. Aufnahme des von Arntz neu errichteten Mitteltors mit Wehrgang von 1912. Rechts die noch vorhandene Ruine des Südturms, die in den Batterieturm integriert wurde. Archiv Schloss Burg Abbildungen vom mittelalterlichen Turm Ein Foto und drei Zeichnungen Ergänzend zur chronologischen Abfolge von Planung und Entstehung des Batterieturms dokumentie-ren verschiedene Abbildungen das Vorhandensein einer Turmruine, bevor sie in den Wiederaufbau integriert wurde. Es handelte sich damals um eine fast noch halbe Rundung des Turms, die sich über mehr als 10 Meter Länge aufrecht stehend erstreckte. Zur Lokalisierung der Mauerfugen ist die östli-che Abbruchkante über dem heutigen Eingangsportal zu suchen, das Arntz schon frühzeitig mit einem Renaissance-Rundbogen versehen hatte. Die historische Turmrundung verläuft dann zur Südwestseite wo sie dann endet. Mit etwa 8 Metern war auch die Höhe der Ruine noch recht beachtlich, wie auch die Stärke der Mauer von 4 Metern. Die Fotografie der Ruine des Südturms Von der ursprünglichen Situation findet sich in der Festschrift von 191232 eine Abbildung des damali-gen Platzes vor dem südlichen Palasgebäude mit Blick auf die schmucke neue Restaurantterrasse. Unmittelbar daran lehnt sich das neu errichtete Zwingertor (später Mitteltor) mit seinem Wehrgang, der rechts an einem älteren Gemäuer endet. Auch eine frisch gezogene halbhohe Mauer stößt an das besagte Gemäuer, dessen Mauermasse altersschwarz und verwittert ist. Mit seiner Rundung ist sie leicht als Rest eines alten Turms erkennbar, der noch etwa die Höhe vom First des Wehrgangs er-reicht. Er besteht aus Bruch- und Hausteinen, die nach Anschein auf dem Foto in relativ regelmäßigem Fugenbild mit einer Sockellinie aufgemauert sind. Dieser Eindruck einer gleichmäßigen Mauerung ist 32 Adolf Werth, Festschrift 25 Jahre Schlossbauverein, Barmen 1912. S. 83. 32 am heutigen Turm nur schwer wiederzufinden.33 Die Fotografie beweist aber, dass 1912 noch Reste eines Vorgängerturms vorhanden waren, das Bauprojekt also als Wiederaufbau eines historischen Turms am angestammten Platz erfolgen sollte. Das Foto zeigt im Winkel der Ruine zum Wehrgang auch ein in Bossen gefasstes Rundbogenportal, eine Neuschöpfung von Ludwig Arntz, mit der er seine Absicht zur Errichtung eines Renaissancebauwerks erkennen ließ. Schloss Burg. Blick vom Tor des Palas auf das noch frei stehende Caféhaus Sulzbach mit der Ruine des mittelalterlichen Südturms. Kohlezeichnung von Ernst Stahl 1911. Archiv Schloss Burg. Drei Zeichnungen der Ruine von Ernst Stahl Ernst Stahl,34 Architekt aus Düsseldorf, Burgen- und Jugendherbergsbauer und passionierter Zeichner, machte 1907 und 1908, also noch vor der Zeit von Ludwig Arntz, eine Reihe stimmungsvoller Feder-zeichnungen vom wiederaufgebauten Schloss Burg. In der Art von Radierungen sind diese Bilder im Führer von Schloss Burg 1912 von Professor Paul Clemen veröffentlicht worden. Im Jahre 1911, vermutlich noch zur Jahreswende 1910/11, fertigte Stahl drei Kohlezeichnungen von der alten Turmruine vor dem Palas an und unterschrieb sie jeweils mit der Zeile: „SCHLOSS BURG A.D.W. ES WAR EINMAL IM JAHR 1911 DER BATTERIETURM“ Die Zeichnungen Stahls ergänzen sehr anschaulich von drei Seiten das einzelne Foto aus der Fest-schrift und dokumentieren die Ruine kurz vor dem bevorstehenden Wiederaufbau mit seinen Verände-rungen. 33 Ein gleichmäßiger Steinverband ist selten in Burg und scheint auf eine präzise und qualitätvolle Mauerung zurückzugehen, als mit wesentlich mehr Zeitaufwand gebaut wurde. In späterer Zeit gab man infolge der ständig fortschreitenden Angriffstechnik eine zeitraubende Steinbearbeitung auf und errichtete die Mauern im sogenann-ten wilden Bruchsteinverband. 34 Ernst Stahl, (1882-1957) Architekt, in München, Wiesbaden, Bonn Düsseldorf, Trier und Krakau, war ver-schiedentlich in Schloss Burg tätig. Siehe auch im Exkurs. 33 Schloss Burg. Ansicht der Ruine des Südturms von Süd-West. Kohlezeichnung von Stahl 1911. Archiv Schloss Burg Schloss Burg. Blick in die Turmruine mit ihrer Überbauung von Süden. Kohlezeichnung von Stahl 1911. Archiv Schloss Burg 34 Ansicht von Norden Die drei Kohlezeichnungen sind von Ernst Stahl 1911 signiert und datiert, entstanden also noch vor dem Bau des Mitteltores mit seinem Wehrgang. Auch sie bezeugen die Ruine eines Vorgängerturms auf dem Platz des späteren Batterieturms. Entsprechend der damaligen Situation zeigt die erste An-sicht, von der Nordwestecke des Palas aufgenommen, den damals relativ weiten Platz mit seiner Be-bauung am südlichen Ende. Links steht noch unverdeckt vom späteren Wehrgang das Café Sulzbach, ein zweistöckiger Fachwerkbau. Vor dessen zurückliegenden Stall- oder Nebengebäude erhebt sich der Rest einer Turmrundung aus Bruchstein. Rechts daneben ist im Hintergrund eine heute noch vor-handene Fachwerkbebauung zu sehen. Das in der Mitte stehende ruinöse Turmgemäuer besteht aus einem Kreisabschnitt, der links – also östlich - mit einer senkrechten Abbruchkante beginnt und des-sen Rundung sich dann nach rechts, auf der Zeichnung das Ende nicht mehr sichtbar, fortsetzt. Das Mauerwerk erreicht fast noch die Höhe des Fachwerkhauses, seine Oberkante ist zerborsten und mit Bewuchs bedeckt. Im Obergeschoss der Ruine befindet sich eine hochrechteckige Öffnung, die wohl als aufgebrochene Schießscharte anzusehen ist. Ein Zugang oder gar ein in Werkstein gefasstes Rund-bogenportal, wie auf der Fotografie von 1912 abgebildet, ist auf der Zeichnung nicht auszumachen. Ernst Stahl, als Baumeister und Architekt ein akribischer Zeichner, hätte dieses Portal mit Sicherheit eingezeichnet, wenn es zu dieser Zeit schon vorhanden gewesen wäre. Ansicht von Westen Mit der zweiten Ansicht umrundet der Zeichner das Objekt nach Westen und macht deutlich, dass von dem alten Zentralbau noch über ein Drittel der aufgehenden Mauerrundung vorhanden ist. Der Blick geht jetzt auf die Nord-Westseite bis an die westliche Abbruchkante der Turmruine und auf die Rück-seite eines Stallgebäudes, das dicht angebaut ist. Am oberen Turmstumpf ist wiederum ein Mauer-schlitz zu sehen, der eindeutig als Schießscharte zu erkennen ist. Diese Scharte ist aber keine Öffnung für Feuerwaffen, da ihre engste Stelle bündig in der Maueroberfläche liegt. Zusammen mit der vorge-nannten aufgebrochenen Scharte wird sie für Armbrustwaffen vorgesehen gewesen sein. Ansicht von Süden Auch die dritte Zeichnung, mit der Ernst Stahl den Turmrest mit Gebäudegruppe von Süden aufge-nommen hat, spricht für ein wesentlich älteres Bauwerk. Hier ist das Stallgebäude des Vorbesitzers aus Ziegel mit Fachwerkoberteil, Pultdach und Aufzugsluke von seiner Zugangsseite zu sehen. Es stellt sich quer in das ehemalige Rund des aufgebrochenen Turms und ermöglicht gerade noch einen knappen Blick in das Turminnere. Rechts ist in dem alten Gemäuer das Rundbogengewölbe einer grö-ßeren Mauernische erkennbar, in die von der anderen Seite Licht einfällt. Diese Nische entspricht der Stellung der vorgenannten aufgebrochenen Schießscharte. Der Größe nach zu urteilen, dürfte es eine Schießkammer gewesen sein, die gerade Platz für einen Armbrustschützen mit einem Helfer bot. Sowohl die Zeichnungen von Ernst Stahl wie auch die Fotografie von 1912 zeigen uns eine Turmruine mit geschlossener Außenmauer. Abgesehen von den beiden kleinen Scharten im Obergeschoss sind keine weiteren Öffnungen auch nur andeutungsweise oder vermauert in der Außenhaut zu erkennen. Das absolute Fehlen großer Geschützscharten wirft die Frage auf, ob in diesem Turm jemals eine Ka-none gestanden hat. Damit verbindet sich auch die kritische Frage nach dem wirklichen Alter des Turms, dessen Entstehung Arntz und Clemen ins 16. Jahrhundert, der Zeit des Herzogs Johann Wil-helm verweisen.35 Nach dieser Vorstellung hat Arntz das Bauwerk bei der Wiedererrichtung auch mit großen Kanonenscharten versehen und sechs davon sogar in das alte Mauerwerk einbrechen lassen. Dagegen zeigen die alten Abbildungen eine im Untergeschoss geschlossene Bauweise und schmale Schießscharten im Obergeschoss. Diese Konstellation lässt eher auf ein Bauwerk schließen, das we-sentlich älter gewesen sein muss und zumindest im unteren Bereich auf die Verwendung von Pul-verwaffen nicht eingerichtet war. 35 Johann Wilhelm Herzog von Berg 1592-1609. 35 Schloss Burg. Blick auf die Mauerteile des alten Südturms im Inneren des Batterieturms. In der mittleren Wand-zone sind die vermauerten Bogen der ehemaligen Schießkammern für Armbrustschützen zu erkennen. Die unteren und oberen Nischen sind 1914 aus dem alten Mauerwerk herausgebrochen worden. Aufnahme der Verfasser 2011 Sichtbare Mauerreste im Inneren des Batterieturms Den Eindruck der Stahlschen Zeichnungen bestätigen auch die Spuren im Innenraum des heutigen Batterieturms. Der sanierungsbedürftige Zustand des zylindrischen Innenraums wird interessanter-weise im Bereich des sichtbar verbliebenen mittelalterlichen Mauerrestes besonders deutlich. Hier ist unter abblätterndem dünnen Putz- und Kalkschichten der Bogen der auf der Zeichnung Stahls erschei-nenden Schießkammer auszumachen. Gleich links daneben werden zwei weitere Bogen sichtbar, von denen einer in die Kammer der zweiten auf der Außenansicht erkennbaren Schießscharte führte. Alle drei Nischenbogen sind beim Bau zum Batterieturm vermauert worden. Ob dabei auch die dahinter liegenden Räume massiv zugesetzt wurden oder sich dort noch Hohlräume befinden, erschließt sich uns derzeit nicht. Deutlich wird aber, dass Arntz das darüber liegende alte Mauerwerk durchbrechen ließ, um den konzentrischen Aufgang im Turmmauerwerk weiterzuführen. Der Gang, sonst 1.50 m breit, verengt sich im Bereich des alten Mauerwerks über eine Länge von 10 m auf nur 70 cm. Außer-dem sind hier zwei Schießkammern ausgebrochen worden. Auch die im Erdgeschoss vorhandenen großen Schießkammern sind beim Neubau des Turms auf diese Art entstanden. Sie sind nicht ur-sprünglich; denn an den sehr flachen Segmentbogendecken ist zu erkennen, dass sie nicht als Bogen-gewölbe gemauert sind, sondern mithilfe von Beton ausgeformt wurden. Nur ihre zum Innenraum zeigenden Kanten sind als gemauerte Bögen ausgeführt. Das Turmerdgeschoss war ursprünglich ein geschlossenes, gewölbtes Gelass oder Verließ ohne jegliche Schießscharten oder Öffnungen nach au-ßen. Auch der Eingang in den Turm dürfte sich nicht im Erdgeschoss, sonder aus Sicherheitsgründen erst darüber, im 1. Obergeschoss befunden haben. Zumeist erfolgte dort der Zugang zum Verließ durch eine Öffnung im Fußboden. Die Türme vor Verbreitung der Feuerwaffen hatten keine Schieß-kammern zu ebener Erde,36 sondern erst in den oberen Geschossen. Je höher die Armbrustschützen in einem mittelalterlichen Verteidigungsturm standen, umso wirkungsvoller war ihre Abwehr. 36 Otto Piper, Burgenkunde, S. 335. 36 Schloss Burg. Blick vom Dachraum 12 m tief in das Innere des Batterieturms. Der Innendurchmesser ist vom alten Südturm übernommen worden. Aufnahme der Verfasser 2011. Abmessungen und Beschreibung des Batterieturms Arntz bezog die noch bedeutenden Mauerteile in seinen Neubau ein und veränderte oder ergänzte sie für sein Konzept zu einem mehrstöckigen Kanonenturm. Durch die noch etwa acht Meter hoch aufra-gende Ruine des mittelalterlichen Südturms war der äußere Durchmesser von 14 Metern vorgegeben. Ebenso wurde der innere lichte Durchmesser von 5.70 Meter übernommen, wodurch das neue Bau-werk wieder rundum eine Mauerstärke von über 4 Metern erhielt. Durch die Erhöhung auf 9,8o Meter bis zum Cordonstein und weiter auf 12 Meter mit der darüber liegenden, nach innen abgerundeten Mauerkrone bekam er die charakteristische Massigkeit seiner Proportionen. Das 2. Obergeschoss mit seiner oben offenen Wehrplatte und den eingeschnittenen großen Scharten wurde durch den aufgesetz-ten kegelförmigen Helm von ca. 8 Metern Höhe abgedeckt. Damit erreicht der Turm bis zum Helm-knauf an der Spitze eine Höhe von 20 Metern. Das Außenmauerwerk wird durch den Cordonstein, einem unterhalb des Turmobergeschosses umlaufenden Rundstabgurt aus Basaltlava, waagerecht ge-gliedert. Außerdem fügte Arntz dem sonst schlicht und abweisend wirkenden Gemäuer ein schmuckes Portal mit einem Rundbogen aus Bossensteinen hinzu. Leider ist dies aus unerfindlichem Grund 1950 entfernt worden. Senkrecht darüber, in fester Beziehung dazu, ließ er zur Abwehr an der Wehrplatte ein Gussloch in Form eines Maskarons einsetzen. Die fast mannsgroße Bildhauerarbeit aus einem Stein ist eine Inspiration aus der Renaissancekunst und gibt dem Gebäude glaubhaft das „gewisse Et-was“. 37 Das Innere des Turms besteht aus einem zylinderförmigen Raum der über 10 Meter frei nach oben geht und ohne Abschluss den Blick bis in das Dachwerk gehen lässt. Im Erdgeschoss gelangt man vom Innenraum direkt in die unteren Schießkammern, während die oberen Geschosse über einen Treppenaufgang mit unregelmäßig angelegten Stufen zu erreichen sind. Wie ein Wendelgang umrun- 37Maske oder fratzenhaftes Gesicht, Schreckgesicht, das Unheil abwenden soll. Ein sehr ähnlicher Maskaron von 1561 findet sich als Tor im Garten der Villa Orsini in Bomarzo / Italien. 37 Schloss Burg. Das Uhrenzwerchhaus mit Zifferblatt und Stundenglocke am Obergeschoss des Batterieturms, darunter die drei Fenster der beheizbaren Wächterstube. Aufnahme der Verfasser 2011 det er in dem 4 Meter starken Mauerwerk den Innenraum und geht in zwei Halb-Windungen nach oben zu den Schießkammern im ersten und auf die Wehrplatte im zweiten Obergeschoss. Diese von Clemen bezeichnete Rampe beginnt unmittelbar auf der linken Seite des Turmeingangs und ist in der Turmmauer mit 1,5 Metern so breit angelegt, dass darüber ein Geschütz nach oben transportiert wer-den kann. Diese Möglichkeit wird aber im ersten Obergeschoss unterbrochen; denn hier stellt sich das einst geschlossene Mauerwerk der integrierten Turmruine in den Weg. Das Hindernis ist mit einem nur 70 Zentimeter breiten Gang über 10 Meter Länge durchbrochen worden, danach setzt sich der Aufgang in voller Breite fort. Auf dieser Höhe hatte Arntz ursprünglich den Einbau einer geschlosse-nen Plattform im Turminneren geplant, ebenso in Höhe der Wehrplatte im Obergeschoss.38 Dazu sah er in seiner Bauzeichnung vom 6.4.1914 im Erdgeschoss eine Kuppel mit breiten Rippen auf Krag-steinen, sowie im 1. Geschoss eine glatte Kuppel als tragende Decken vor. Im Scheitelpunkt der Ge-wölbe zeichnete er jeweils eine Ringöffnung von 60 cm Durchmesser ein, die mit einer Abdeckung verschlossen werden konnte und der Belüftung des Turms und als Aufzugsöffnung dienen sollte. Die geplante Einwölbung in Einzelgeschosse ist nicht ausgeführt worden, das Innere des Batterieturms verblieb nach seiner Errichtung im Rohzustand. Im Plan des Ausbaus von 1950 zu einer Gedenkstätte, sollte der Innenraum in Höhe des Obergeschosses schließlich eine Kuppel erhalten, aber auch diese wurde nicht ausgeführt. Nicht nur das Turminnere blieb zum Dachstuhl offen, sondern auch der Dach-überstand unter der Traufe war nicht verschlossen. Durch die Form der nach innen abgerundeten Mau-erkrone drückte der Wind ungehindert Regen- und Schneefall in das Innere des Turms und sorgte für 38 Otto Piper, Burgenkunde, a.a.O. S. 254 ff. 38 eine ständige Durchfeuchtung und Schädigung des Mauerwerks. Wind, Wetter und Staub zogen unge-hindert ins Turminnere und wirkten sich sehr nachteilig für das Innenklima und für die Sauberkeit des Gebäudes aus. Bei der letzten Instandsetzung von 2010 wurde das Mauerwerk über dem Cordonstein saniert, die Dachtraufe mit einer Regenrinne versehen und die Unterseite des Dachüberstands bis auf die Belassung von Lüftungsschlitzen geschlossen.39 Die Uhrenseite des Batterieturms Arntz baute sein Werk nach drei Seiten als Verteidigungsturm. Die vierte Seite, zum Palas gerichtet und im Blickfeld beim Betreten der Burg, konzipierte er gefällig als Uhrenturm. Dazu ließ er aus dem Helmkegel ein großes Zwerchhaus heraustreten, deren Mauervorkragung kurz unterhalb des Cor-dongurtes ansetzt. Auf seiner Entwurfszeichnung „ Schaubild von Norden“ vom 6.4.1914 hatte Arntz als Vorkragung einen tief ansetzenden großen Bogen geplant, der mit dem Bogen des Mitteltors kor-respondieren sollte. Die Ausführung geschah dann aber in wesentlich einfacherer Form mit wenigen Kragsteinen unterhalb des Gurtgesimses. Darüber steigt die Giebelfront als Wächterstube mit drei Fenstern auf und wird in verschieferter Fachwerkbauweise mit der Uhrenkammer fortgeführt. Das Ergebnis ist eine großflächige Giebelwand, in dessen unterer Hälfte sich das quadratische Zifferblatt in weißer Grundfarbe befindet, darauf die schwarz aufgemalten arabischen Zahlen. In den oberen Ecken zwei Wappenschilde, links ein Löwe, rechts zwei gekreuzte Haken. In den unteren beiden Ecken die Jahreszahl: A D MCM XIX (1919). Die beiden filigranen Zeiger für Stunden und Minuten sind formschön aus Schmiedeeisen gearbeitet und auf dem Blatt mit einer roten Sonne hinterlegt. Über dem Zifferblatt, unterhalb der Giebelspitze sitzt an einem Kragbalken die Uhrenglocke für Halb- und Vollstundenschlag. Die kleine, etwa 30 cm hohe Bronzeglocke stammt aus dem Dachreiter der 1830 abgerissenen kleinen Muttergotteskapelle in Oberburg. Diese war im 18. Jahrhundert durch eine private Stiftung erbaut worden und mit einem Vikariat verbunden.40 Die wohlklingende Glocke ist mit einem hübschen Ornament geziert und hat die Inschrift: M(aria), JAKOB HILDEN VON KOELLEN GOSS MICH, 1779. Das mechanische Uhrwerk und sein Hersteller Im massiven unteren Uhrenzwerchhaus befindet sich die mit einem Kamin beheizbare stimmungsvolle Wächterstube. Darüber ist die Uhrenkammer, ein relativ großer, bis ins Dach reichender Raum, in dessen Mitte das durchfensterte Gehäuse der mechanischen Uhr steht. Nach den Angaben auf dem Zifferblatt ist das Uhrwerk im Jahr 1919 eingebaut worden. Stahlwellen, Zahnräder und Lager aus Messing oder Bronze waren kriegswichtiges Material und deshalb erst nach dem Ersten Weltkrieg wieder frei verfügbar. Als Hersteller nennen die in Burg in der Vergangenheit tätig gewesenen Uhr-macher die Firma Paul Vortmann, Großuhrenfabrik in Recklinghausen. Rahmenform, bestimmte Bau-teile der Uhr und ihre Anordnung weisen auf Vortmann, auch wenn eine Herstellermarke weder auf dem Gehäuse noch auf dem Uhrenrahmen zu finden ist. Das Werk ist von einer Seite des Glaskastens mittels einer großen Tür zugänglich, damit es aufgezogen und gestellt werden kann. Auch die anderen Fenster lassen sich ringsum herausnehmen, so dass man an alle Teile gelangen kann. Links befindet sich das Gehwerk für die Zeitanzeige, das mittels Hebel und Gestänge mit dem Läutwerk rechts für Halb- und Vollstundenschlag verbunden ist. In der nächtlichen Ruhezeit von 22-6 Uhr setzt der Glo-ckenschlag aus. Alle beweglichen Teile sind in Bronze gearbeitet, die in Laufbuchsen in den gegosse-nen Eisenrahmen gelagert sind. Die für den Antrieb der beiden Werke erforderlichen Seilgewichte von jeweils ca.100 kg bewegen sich normalerweise im Mauerwerk in zwei bis nach unten auf den Erdbo-den reichenden Schächten. Dombaumeister Arntz hatte diese beiden senkrechten Kanäle beim Bau des Turms speziell für das Uhrwerk vorsehen lassen. Ein Schacht geht rechts von der Uhrenstube, der andere links davon senkrecht nach unten. Im Erdgeschoss sind die unteren Meter offen, so dass die Zuggewichte rechtzeitig vor dem Stillstand des Uhrwerks gesehen werden konnten. Die Länge des als Schlaufe geführten Zugseils über eine Fallhöhe von ca. 12 Metern ließ eine Gangzeit der Uhr von 1 39 Freundlicher Hinweis vom leitenden Architekten Herrn Dr. Stannek. 40 Rudolf Roth, Schloss Burg seine Geschichte in chronologischer Form, Burg 1922. 39 Schloss Burg. Uhr im Batterieturm. Links das geöffnete Gehäuse, rechts die Vorderseite des Uhrwerks. Aufnahme der Verfasser 2011 Woche zu, dann mussten die länglichen Bleigewichte wieder hochgezogen werden.41 Bis etwa 2005 ist die Uhr noch in Betrieb gewesen, dann häuften sich die Reparaturen und man ließ sie stehen. Die nunmehr 90 Jahre alte Anlage ist danach nicht mehr gewartet worden, entsprechend sind die Laufsei-ten der Zahnräder wie auch die Wellenlager völlig trocken. Das Zeigergetriebe auf der Achse direkt hinter dem Zifferblatt ist verrostet und scheint nicht mehr gängig. Bei der Instandsetzung des Turmoberteils im Jahre 2010 wurde der Turmhelm zum Schutz der Mauer-krone vor Traufwasser mit einer Regenrinne versehen. Auf Wunsch der Denkmalpflege sind die Fall-rohre für das Regenwasser aber nicht außenwandig angebracht, sondern durch die Gewichtsschächte der Uhr nach unten verlegt worden, wo dann das Regenwasser durch zwei gebohrte Kanäle nach drau-ßen abgeleitet wird. Außerdem waren bereits vorher schon elektrische Kabel durch die Schächte ver-legt worden. Die Zugseile für das Uhrwerk sind herausgezogen, die länglichen Gewichte verlegt. Da-mit ist die alte Uhr endgültig stillgelegt. Die Entscheidungen von 2010 wurden aus optischen und aus Kostengründen gefällt, solange aber das Großuhrwerk nicht zur Verschrottung entfernt wird, ist eine Wiederherstellung der mechanischen Anlage zukünftig noch möglich. Angesichts der Tatsache, dass fast alle Uhren an Kirchen oder öffentlichen Gebäuden heute durch elektrische Gangwerke ersetzt worden sind, kommt der Uhr von Schloss Burg besondere Bedeutung zu. Sie ist eine der ganz wenigen mechanischen Großuhren, die es in der Region noch gibt. Dadurch wird sie zum Beispiel eines Präzi-sionswerks, das aus den reichen Erfahrungen der Mechanik des ausgehenden 19. Jahrhunderts hervor-gegangen ist. Nach der Instandsetzung des Batterieturms 2010 sorgte der Verschönerungsverein von Burg dafür, dass seit November 2011 ein elektrisches Werk Uhrenzeiger und Glockenschlag bewegt. 41 Freundliche Auskunft von Frau Molina-Garcia, die als Kind ihren Großvater oft bei dieser Tätigkeit begleitete. 40 Schloss Burg. Blick vom Johanniterturm über den Pfarrgarten zum Batterieturm. In dieser Richtung wird vermutlich einst die „Burgstraße“ verlaufen sein. Aufnahme der Verfasser 2011 Entstehung und Bedeutung des mittelalterlichen Südturms Dombaumeister Arntz und der Landeskonservator Paul Clemen waren der Überzeugung, dass der Süd-turm ein Bauwerk des 16. Jahrhunderts war. Clemen hielt diese Ansicht in den Führern durch Schloss Burg von 1912 und 1918 fest und die Fachliteratur folgte dieser Ansicht.42 „Es lag nahe, dieses Tor und die Verbindungsmauer wieder herzustellen und im Anschluss an den Turm, der wohl Ende des 16. Jahrhunderts unter dem letzten bergischen Herzog Johann Wilhelm sei-nen Ausbau gefunden hatte, die Formen der Spätrenaissance und des beginnenden Barocks zu wäh-len.“ In typisch gedrungener Form der späten Wehrbauten, dem Einbau von Geschützstellungen auf allen Etagen und einer im Mauerwerk aufsteigenden Rampe gestaltete Arntz seinen Geschützturm so, dass er Ende des 16. Jahrhunderts als Renaissancebauwerk entstanden sein könnte. Es ist aber nicht sicher, ob diese Festlegung richtig war, denn bestimmte Anzeichen an der Turmruine, wie auch im Kontext dazu die Politik der Bergischen Grafen, verweisen auf einen wesentlich älteren Bau. Weder auf der Fotografie von 1912 noch auf den Kohlezeichnungen Stahls sind an der Turmruine Kanonenscharten zu erkennen. Auch Vermauerungen solcher Öffnungen finden sich nicht. An der Ruine war ersichtlich, dass das Untergeschoss nach Art alter Türme ganz geschlossen war und sich darüber rundum Schießstellungen für Armbrustschützen befanden. Die Turmwände waren 4 Meter dick massiv hochgemauert und gingen auch über den Armbruststellungen in dieser Stärke weiter. Alle diese Anzeichen eines frühen Turmes machen die tiefgreifenden Veränderungen unverständlich, die 42 Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland, Darmstadt 1967, S. 110. 41 Schloss Burg. Plankarte der Burganlage von Arntz 1917. Arntz hat bereits südlich in der Flucht des Johanniterto-res den Kreis eines weiteren großen Turms eingeplant, wahrscheinlich als Gegenstück zum Batterieturm. Archiv Schloss Burg Arntz an den verbliebenen Teilen vornehmen ließ. Mit dem Bau eines reinen Geschützturms ignorierte er die historischen Gegebenheiten und vervollständigte das Bauwerk nach eigenen Vorstellungen. Bei der Konzipierung haben diverse Vorbilder nachgewirkt, die auf den Burgen Münzenberg und Blan-kenberg aber auch den Städten Büdingen (Jerusalemer Tor von 1503) und Nördlingen zu suchen sind. Die Stadttore von Nördlingen zeigen die wehrtechnisch bedingte Abrundung des Turmobergeschosses mit seinen ausgeschnittenen Scharten. Hier waren es Umbauten älterer Befestigungstürme, die nur im Obergeschoss mit Geschützen ausgerüstet wurden. Dagegen ist auf der tiefliegenden Westecke der Burg Münzenberg ein allein stehender reiner Geschützsturm zu finden, der um 1500 erbaut wurde43. Auch der in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene Batterieturm auf der Burg Blankenberg44 nahm Arntz als Vorbild. Beide Orte zeigen aber Beispiele, die jünger und moderner ausgeführt waren als der ursprüngliche Südturm auf Schloss Burg. Ebenso wie sich der einstige Südturm von Burg gegenüber seinen jüngeren Brüdern relativ rückstän-dig zeigt, wird es fraglich, ob der von Clemen genannte Landesherr Johann Wilhelm (1592-1609) den Turm noch in Auftrag gegeben hat. Zu seiner Zeit legte man Festungswerke anders an, wie Stadt und 43 Magnus Backes/Hans Feldtkeller, Hessen, Belser Kunstwanderungen, Stuttgart-Zürich 1962, S.111,87. 44 Dehio – Rheinland, Darmstadt 1967, S. 234. 42 Zitadelle von Jülich zeigen.45 Der Herzog, der tragischerweise früh in geistige Umnachtung fiel, über-nahm einen Regierungssitz, der sich schon seit 200 Jahren in Düsseldorf befand. Der militärische Wert seiner mittelalterlichen Burg war nur noch gering und Johann Wilhelm dürfte kaum noch an einer kostenintensiven Modernisierung einer Festung Schloss Burg Interesse gehabt haben. Deren neuralgi-scher Punkt lag inzwischen am Halsgraben an der Ostseite der Burg; denn die Schildmauer gewährte zu dieser Zeit schon längst keinen Schutz mehr. Auf der Anhöhe über dem Halsgraben konnten mau-erbrechende Kanonen in Stellung gebracht werden und diese bequeme Angriffsmöglichkeit wurde später, im Dreißigjährigen Krieg auch ausgenutzt. Die fremden Besatzungen der Burg wechselten ohne große Mühen mehrfach. Der Batterieturm auf der Westseite des Schlosses spielte dabei keine Rolle mehr. Der Bau des Südturms in Schloss Burg wird über die zeitliche Entwicklung der Waffentechnik zu erklären sein. Die Entwicklung und Verbreitung von Pulvergeschützen begann in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.46 Dabei ist an eine sehr langsame, schrittweise Fortentwicklung dieser Waffen-technik zu denken, wobei gleichzeitig die herkömmlichen Belagerungsmaschinen wie Steinschleudern oder Bliden weiter verwendet wurden. Vor allem blieb die Einzelbewaffnung noch lange Zeit bei Armbrust und Langbogen. Nach Piper wurden zur Mitte des 15. Jahrhunderts Verteidigungswerke an Burgen und Städten gleichzeitig mit Armbrüsten und Schießrohren versorgt. „Tatsache ist, dass noch zum Ende des 16. Jahrhunderts die Handfeuerwaffen (für) den alten Bogenwaffen an Brauchbarkeit nicht gleichkommend gehalten wurden“.47 Es gab zunächst nur schwere, unhandliche Eisenkanonen, die zudem sehr unsicher in der Handhabung waren. Da man sie kaum transportieren konnte, sind sie zunächst nur stationär in den Burgen einge-setzt worden. Piper erwähnt in seiner Burgenkunde den Kriegswissenschaftler Köhler,48 „…dass die Burgherren vielerorts die Dächer vorhandener Türme entfernten um dort Kanonen aufzustellen.“ An-dere Autoren schreiben sogar von abnehmbaren Dachwerken für den Verteidigungsfall.49 Doch diese Beispiele ließen bei Piper Zweifel aufkommen, da die betreffenden Dächer nach Augenschein sehr schwer waren und keine Anzeichen zum einfachen Abbau aufwiesen. So wie viele Stadtwappen Stadt-tore ohne Dächer zeigen, wurden auf den oben offenen Türmen Geschütze aufgestellt; denn zumeist waren die Flächen mit Gefälle und Regenabläufen versehen. Die Geschütze zog man außen hoch und brachte sie auf der regenfesten Plattform in Stellung. Hier war Platz für Laden, Abfeuern, dem starken kaum zu beherrschenden Rückschlag und geringere Selbstzerstörungen durch Rohrkrepierer zu be-fürchten. Der Höhenluftzug verwehte den schweren Pulverrauch beim Abfeuern und verstärkte danach die nötige Abkühlung der Kanonen. Fraglich blieb dabei allerdings, wie lange die schlanken, nach oben hin immer leichter gebauten gotischen Türme diesen Beanspruchungen standhielten. Der Süd-turm auf Schloss Burg bot dagegen mit vier Metern Mauerstärke über mehrere Stockwerke einen soli-den Unterbau für eine große Wehrplatte mit ihrer Bestückung. Zur Eingrenzung der Entstehungszeit des Südturms könnte am Beispiel des Batterieturms von Blan-kenberg der Schlüssel für weitere Folgerungen liegen. Wilhelm II. Graf von Berg und Ravensberg (1360-1408) erwarb 1363 Burg, Stadt und Land Blankenberg und verschuldete sich dabei so sehr, dass er den erst durch seinen Vater erworbenen Fronhof Solingen an das Kloster Altenberg verkaufen musste.50 Um Blankenberg halten zu können, verkaufte er 1368 sogar den einträglichen Rheinzoll zu Kaiserswerth. Große Investitionen in die Burg Blankenberg dürften demnach wahrscheinlich erst durch die Nachfolger Wilhelms II. getätigt worden sein.51 Entsprechend entstand dort erst etwa 80 Jahre später – Mitte des 15. Jahrhunderts– ein Batterieturm, der im Gegensatz zu dem ganz einfachen, 45 Jülich ist nach 1547 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts von Alessandro und Maximiliano Pasqualini sowie dem Meister Johann zur Festung ausgebaut worden. 46 Otto Piper, Burgenkunde, 3. Aufl. München 1912. S. 401f. 47 Piper, Burgenkunde, S.408, beruft sich auf Nachweise bei Jähn, Kriegswaffen I, 664. 48 G. Köhler, Generalmajor, Die Entwicklung des Kriegswesens und der Kriegsführung in der Ritterzeit, 3. Band, Breslau 1887, S. 64. Piper, Burgenkunde S.408f. 49 Durm, Die Kunstdenkmäler Badens I. S. 416. 50 Axel Kolodziej, Herzog Wilhelm I. von Berg 1380-1408. Neustadt /Aisch 2005. S. 10, 26ff 51 Herzog Gerhard I. (1437-1475) oder Herzog Wilhelm II. (1475-1511). 43 Schloss Burg. Der Batterieturm vor 1950, dem Zeitpunkt seiner Umgestaltung zur Gedenkstätte. Archiv Schloss Burg massiven Südturm von Schloss Burg mit einem ausgeklügelten Innensystem gebaut und in jedem Stockwerk mit Kanonen bestückt war.52 Wie verhielt es sich aber an seinem Stammsitz Burg an der Wupper? Hier könnten sich Graf Wilhelm II. oder bereits früher sein Vater Gerhard I. um wehrtechnische Neuerungen bemüht haben. Gerade zu ihrer Zeit fanden Pulverwaffen Einzug in die Angriffs- und Abwehrtechnik und machten die sonst sicheren Burgen plötzlich verwundbar. Wilhelm II. war der letzte Graf, der seinen Regierungssitz noch ganz in Burg hatte, bevor er nach Verleihung des Herzogstitels Düsseldorf zu seiner Hauptstadt aus-baute. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfte man sich im Hochschloss von Burg noch hinter der hohen östli-chen Schildmauer sicher gefühlt haben. Eher sah man den nach Westen noch ganz freistehenden Palas gefährdet; denn die aufkommenden Pulvergeschütze mit wesentlich größerer Reichweite und Durch-schlagskraft konnten die völlig offen liegende Fassade des Wohnbaues bedrohen. Wie frei und an-greifbar der Palas ursprünglich war, ist mit dem Blick auf seine Westseite von Solingen her nachvoll-ziehbar. Vermutlich sah einer der beiden Landesherren des 14. Jahrhunderts, Gerhard oder Wilhelm diese Gefahrensituation und ließ deshalb schon früh den Südturm als Schutz für ihren Wohnsitz er-bauen. Dabei entstand ein sehr massiver Turm, dessen Mauerstärke die des Bergfrieds bei weitem übertraf, um vermutlich im Obergeschoß auf der Wehrplatte Kanonen aufstellen zu können. Nach den Anzeichen der Ruine war er ein Vorläufer der genannten Batterietürme von Blankenberg und Münzenberg, war unten ganz geschlossen und hatte im ersten Geschoss Stellungen für Armbrust-schützen. Aus verschiedenen Gründen nahm man nur auf der oben offenen Wehrplatte die Aufstellung von Geschützen vor. Zu diesem Zweck war der Turm mit vier Metern Mauerstärke besonders stabil 52 Dehio, Rheinland, Burg Blankenberg, S.234. Günter, Kunstreiseführer Rheinland, S147 ff. 44 gebaut und wirkte mit seiner oberen Bestückung sicherlich weithin abschreckend. Nicht von ungefähr hat man auch heute den Eindruck, dass der Batterieturm wie ein Wächter schützend vor dem Palas steht. Im Rückblick auf die Geschichte, dürfte der militärische Wert des Turms schon bald überholt gewesen sein, wie auch das Schloss seine Bedeutung als Residenz von Berg an Düsseldorf verlor. Selbst der Schutz der starken, hohen Schildmauer war infrage gestellt. Der spätmittelalterliche Südturm, der bei seiner Sprengung wohl nur teilweise zerstört und zum Aus-sichtsturm „Kuxthurm“ wurde, war ein vorgeschobener Verteidigungsturm mit einer Wehrmauerver-bindung zum Palas. Er stand an der südwestlichen Ecke des mittleren Plateaus auf einer Ebene, die zum Hochschloss weiter ansteigt und von diesem überragt wurde. Nach den ausgegrabenen Funda-menten zu urteilen, befand sich an seiner nördlichen Seite ein Tor mit einem Wachgebäude und der Mauer, die mit der ursprünglichen Südwand des Palas fluchtete. Der Turm sicherte demnach den Zu-gang zum Vorhof des Hochschlosses. Außerdem konnte von seiner Höhe die gesamte untere Vorburg mit Umfriedung und Zwingern kontrolliert werden. Die vorderste Linie der Vorburg lag einstmals tiefer am Berghang in der Zeile der heutigen Restaurants „Schöne Aussicht“ und „Rittersprung“.53 In den Fundamenten dieser Gebäude dürfte sich Mauerwerk befinden, das der frühen Zeit von Schloss Burg entstammt. Eine Hauptaufgabe des Südturms ist aber wohl in der Absicherung der unteren Burg-auffahrt zu sehen, jener einst durchgängigen „Burgstraße“ zwischen „Thalthor“ (Johannitertor) und „Bergthor“ (Grabentor).54 Der Johanniterturm an der nordwestlichen Ecke der äußeren Burgmauer verschloss mit seinem romanischen Tor den unteren Zugang zur Burg. Das von dort zum Hochschloss ansteigende Gelände ist zwar heute aufgeschüttet, doch durch Stichgrabungen wurde eine Auffahrt nachgewiesen. Hinter dem „Thalthor“ lag das Gelände wesentlich tiefer und führte in einem anstei-genden Bogen auf den Südturm zu. Zwischen den beiden Türmen kann sich durchaus noch ein weite-res Tor befunden haben; denn dadurch entstanden zwei Zwinger, die von oben eingesehen und vertei-digt werden konnten. Auch heute ist diese Konzeption auf dem lang gezogenen Gartengrundstück des katholischen Pfarrhauses noch nachvollziehbar. Auf dem Weg vom Johanniterturm zum Batterieturm ist man voll im Blickfeld und somit in der Schusslinie der beiden Türme. Diese einstige Burgstraße führte vermutlich südlich um den Vorgänger des Batterieturms herum und verband sich mit der Zu-fahrt durch die beiden großen oberen Tore an der Ostseite der Burg. Mit dieser Gegebenheit erfüllte Schloss Burg auf dem Berg auch die Funktion eines Festungsriegels. Von Unterburg an Wupper und Eschbach nach Wermelskirchen erreichte man Oberburg früher nur über den steilen Bergweg unter-halb der Burg. Ein Weg um die Burg herum wurde vermutlich unterbunden, so dass der Reisende die Festungsanlage über die Burgstraße zwischen den Toren passieren musste. Der Weg ins Hochschloss ging an der Torwache am großen Südturm vorbei über den Hof der Vorburg zum Torhaus am Palas. An diesem Verteidigungskonzept von Schloss Burg wird sich im Prinzip später nicht mehr viel geän-dert haben. Nachdem Düsseldorf schon um 1400 Hauptstadt des Herzogtums wurde, verlor Schloss Burg sehr bald seine Bedeutung als Bergische Residenz. Die Renaissance-Herzöge nutzten den traditi-onellen Ort noch gern als Jagdschloss und für große Feste. Ende des 15. und im 16. Jahrhundert er-weiterten sie dafür auch die Gastunterkünfte, doch eine umfangreiche Modernisierung der Festungs-werke, wie sie für Feuerwaffen notwendig gewesen wäre, werden sie nicht durchgeführt haben. Die im Dreißigjährigen Krieg ständig wechselnde Besetzung der Burg beweist schon, dass sie leicht zu neh-men war und zu dieser Zeit als Festung keinen Wert mehr hatte. Durch die Sprengung der vorhande-nen Verteidigungswerke im Jahre 1648 und der damit verbundenen Verschüttungen sind im Laufe der Jahrhunderte neue Wegeverbindungen über den alten Schuttschichten entstanden. Auch nach Errich-tung neuer Stützmauern auf der Talseite und den Einschnitt der Seilbahn ist die mittelalterliche Kon-zeption der einstigen Verteidigungsanlage verändert worden. Ursprüngliches Konzept des Baumeisters Arntz Die Verfasser gehen davon aus, dass auch Arntz die aufgezeigte historische Verbindung des alten Ver-teidigungsturms mit dem Johannitertor gesehen hat; denn nur dadurch wird der Aufbau seines Batte-rieturms verständlich und nachvollziehbar. Das verwitterte Gebäude im rustikalen Bruchsteinmauer- 53 Freundliche Auskunft von Herrn Franz Breckerfeld. 54 „Thalthor“ und „Bergthor“ gehen auf die Beschreibungen v. Merings zurück. 45 werk erscheint dem heutigen Betrachter als wehrhaftes Werk des ausgehenden Mittelalters. Dieses Erscheinungsbild hat Schlossbaumeister Arntz bewusst angestrebt, denn mit dem Turm sollte der Wandel des Befestigungswesens gezeigt werden, wie er sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts vollzo-gen hatte. Arntz nahm verschiedene Vorbilder und konzipierte daraus einen Turm aus einem Guss. So ist in Nördlingen / Bayern an mehreren Stadttoren die charakteristische Abrundung des Turmoberge-schosses mit ausgeschnitten Scharten wieder zu finden. Es hatte sich herausgestellt, dass auftreffende Artilleriegeschosse an der Mauerabrundung der Wehrplatte wenig oder keinen Schaden anrichteten. In Nördlingen war es der Stadtbaumeister Wolfgang Walberger, der die älteren Stadttore nach 1590 mit Stellungen und Scharten für Feuergeschütze umbaute. Auch die vor 1600 erbauten großen Rundtürme der Sparrenburg und der Wewelsburg, der Bastionsturm der Burg Münzenberg oder die beiden niedri-gen Rundtürme des Jerusalemer Tors in Büdingen / Hessen, die bereits 1503 entstanden, dürften Vor-bilder bei den Planungen von Arntz gewesen sein. Auf den ersten Blick ist heute die Anlage des Turms mit seiner Geschützausrichtung zum Burghof und nach Westen ins Tal vom wehrtechnischen Standpunkt aus fragwürdig. Der Festungsturm mit seiner Feuerkraft macht erst Sinn, wenn man seine Aufgabe in der Sicherung der Burgauffahrt vom unteren Johannitertor sieht. Aus dem Plan der Burg von 1917 wird ersichtlich, dass der Batterieturm nur ein Teil eines ursprünglichen Projektes war, von dort eine Verteidigungslinie zu einem zweiten Batterie-turm südlich des Johannitertores anzulegen. Auf dem besagten Plan ist bereits ein gleichgroßer Kreis wie beim Batterieturmgrundriss eingezeichnet, wonach der Betrachter vermutlich annehmen sollte, dass auch am Johannitertor Fundamente eines großen Geschützturms ergraben und nachgewiesen worden sind. Das ist aber bis heute nicht bestätigt worden. Nach den Angaben auf der Hauptversamm-lung 1914 hatte Arntz schon 1913 den nördlichen Außenbereich55 des Johanniterturms ausgraben lassen. Er ließ das alte Rundbogentor freilegen und restaurieren und begann auch mit der Freilegung der südlichen Seite des Johannitertors. Doch eine Ausgrabung der Burgstraße unterblieb aus Kosten-und Zeitgründen. Erst in den letzten Jahren wurden bei Sanierungen der unteren Stützmauer Stichgra-bungen im Pfarrgarten bis auf die Straßensohle heruntergeführt aber wieder zugefüllt.56 Die Ereignisse des Ersten Weltkriegs, die Brandkatastrophe von 1920 und die Krisenzeit danach lie-ßen keine Mittel für weitere Ausgrabungen und Bauvorhaben mehr zu. Arntz beendete 1921 seine Tätigkeit als Schlossbaumeister in Burg. Durch diese Gegebenheiten steht der Batterieturm seit dieser Zeit anscheinend ohne wehrtechnischen Nutzen vor dem Palas der Burg. Es erschließt sich dem Besu-cher kaum, dass Arntz mit dem Batterieturm realistisch vergangene Wehrtechnik nachbauen wollte und dieser vermutlich nur ein Teil seines ursprünglichen Programms war. Resümee Aufgrund der überkommenden Ruine war Ludwig Arntz sicherlich bewusst, dass der mittelalterliche Südturm in den unteren Geschossen geschlossen und nicht mit Kanonen bestückt war. Nach seiner Vorstellung entstand daraus ein Rondell mit Geschützständen in allen Stockwerken. Der 60jährige Arntz war ein an historischen Gebäuden erfahrener Restaurator, doch anscheinend war es in der nach-romantisch gestimmten Kaiserzeit üblich, über die historische Authentizität hinaus zu gehen. Arntz entschied sich für die Festungsbauweise der Renaissance des 16. Jahrhunderts, die es auf Schloss Burg aber wohl nicht mehr gegeben hat. Auch später, im Dreißigjährigen Krieg, sind keine neuen Befesti-gungen mehr entstanden. Anscheinend akzeptierte der Provinzialkonservator Paul Clemen die Maß-nahmen seines früheren Mitarbeiters und übernahm sie als geschichtlich fundiert in seine Schriften. Da niemand die Richtigkeit infrage stellte, hat die damalige Einschätzung zu einer bis heute gültigen Auf-fassung geführt. Derzeit ist selbst unter Fachleuten nicht bekannt, dass im Batterieturm die Ruine eines spätmittelalterlichen Turms für Armbrustschützen steckt. 55 Der Nordbereich liegt außerhalb vor dem Johannitertor. 56 Freundliche Auskunft von Herrn Molina-Garcia an die Verfasser. 46 Schloss Burg. Anlage des Johannitertores. Bereits 1896/97 wurde von Fischer der obere Bereich des Turms mit dem Pfarrhaus neu gebaut. 1912/13 legte Arntz das Tor darunter frei und stellte die Burgmantelmauer wieder her. Archiv Schloss Burg Exkurs Zur Poterne an der nördlichen Burgmauer in Schloss Burg Der Wiederaufbau der äußeren Umfassungsmauern von Schloss Burg wurde 1912 und 1913 im Be-reich der südlichen und der nördlichen Burgmauer durchgeführt. Schon Mering weist in seinem Be-richt darauf hin: „ Die äußern Ringmauerndes Schlosses, die früher den Berg umkreisten, sind ver-schwunden. Die Mitte des vorigen Jahrhunderts sah noch Reste an den Abhängen nach der Eschbach und nach der Wupper herab.“ Tatsächlich war ein großer Teil der Ringmauern eingestürzt oder die von oben abgestürzten Steine hatten als Geröll die Mauerfüße völlig verdeckt. Ein Foto des Johanniterturms von 1895, das diesen nur noch als Rest erkennen lässt, zeigt seine ganze Umgebung nur noch als Geröllhalde. Diese Teile wurden freigelegt, und konnten wo es ging, wieder aufgebaut werden. An sehr vielen Stellen, so be-richtet Arntz, mussten die Mauerfüße völlig neu gegründet und aufgebaut werden. Am nördlichen Mauermantel waren besonders im Bereich des Friedhofs sehr umfangreiche Erneuerungsarbeiten er-forderlich. Die Fotografie von 1913 zeigt dort helle Wandflächen, was bedeutet, dass hier größtenteils neue Steine verwendet wurden. Zu dieser Zeit ließ Arntz auch das Johannitertor freiräumen, dem einzigen noch vorhandenen mittelal-terlichen Torbogen von Schloss Burg. Die Verfasser vermissten zunächst an den Torgewänden die typischen Langzeit-Gebrauchsspuren, wie sie durch Schleifspuren der Fuhrwerksachsen hervorgerufen werden. Diese Teile der Toreinfassung sind aber auf beiden Seiten von Arntz durch neue Steinquader mit deutlich scharfen Kanten ersetzt worden. Die links vom Torbogen aufsteigende Stützwand für das Gelände am Pfarrhaus besteht aus verschiedenen Aufmauerungen. Arntz ließ hier unterhalb der Mau-erkrone einen Rundbogendurchgang einbauen, den man über eine vorgesetzte Außentreppe erreichte. In dem darüber liegenden kleinen Anbau des Pfarrhauses stieg man weiter hoch und gelangte von dort 47 Schloss Burg. Die Aufnahme von 1913 zeigt die nördliche Mantelmauer am kath. Friedhof nach der Wiederher-stellung durch Arntz. Deutlich ist unterhalb der Kirche in der Mauer die Öffnung der Poterne erkennbar. Ausschnitt einer Aufnahme aus: Clemen, Führer durch Schloss Burg 1918. aus auf den Friedhof und zur Kirche. Diese romantische Anlage ist leider später zugunsten der moder-nen Betontreppe an der Nordmauer aufgegeben worden. Wenige Meter östlich dieser Betontreppe, tritt die schräg aufsteigende hohe Stützmauer des Friedhof-geländes unvermittelt zurück und bildet eine mehrstufige senkrechte Wand, in deren oberer Mitte sich eine Rundbogenöffnung befindet. Erst in der dritten Auflage des Schlossführers von 1918 weist Cle-men auf diese Maueröffnung hin und auch erst im Grundplan von 1917 ist sie eingezeichnet. Clemen bezeichnet sie als Schlupfforte, „…eine Poterne57, zu der nun ein verschütteter Gang führt“. Die 1913 aufgenommene Abbildung58 von der wiederhergestellten nördlichen Außenanlage gibt einen Eindruck von der Lage der noch offenen Schlupfpforte, die unterhalb der Kirche in der Friedhofsmauer erkenn-bar ist. Wahrscheinlich ist die Poterne erst von Arntz bei den Wiederherstellungsarbeiten 1912/13 entdeckt worden. Vor dieser Zeit ist die Stelle nicht erwähnt worden, war also G.A. Fischer noch nicht bekannt. Aufgrund der engen Bestattungen auf dem Friedhof, konnte Arntz damals den wohl teilweise eingestürzten und verschütteten Gewölbegang nicht weiter ausgraben lassen und eine mögliche Ver-bindung zur etwa 25 Meter entfernten Johanniterkirche nachweisen. Wahrscheinlich ist die Sache spä-ter auch so gut wie vergessen worden; denn Robert Killing erwähnt in seinem Kirchenführer59 nicht diesen Gang, sondern einen anderen unterirdischen Gang vom Johannitertor zum Inneren der Kirche. Ein solcher Gang wäre aber beim Bau des Kellers vom Pfarrhaus aufgedeckt und zerschnitten worden, es gibt darüber aber keine Nachrichten. Dagegen berichtet der Burger Franz Breckerfeld,60 dass erst nach 1960 bei Erneuerungsarbeiten an der Nordmauer die Rundbogenöffnung geschlossen worden ist. Als Junge hatte er früher mit seinen 57 Duden: Poterne die; (aus fr. poterne, älter posterne „Ausfallpforte“, dies aus spätlat. Posterula „Hintertür-chen“) : (veraltet) unterirdischer, bombensicherer Festungsgang. Piper: Poterne, kleiner Seitenausgang in den Zwinger oder in den Graben, Schlupfpforte. Siehe dazu auch im Exkurs. 58 Paul Clemen, Schloss Burg, Düsseldorf 1918. S. 37. 59 Robert Killing, Die St. Martinuskirche in Burg an der Wupper, Solingen-Burg 2006 60 Freundliche Auskünfte von Herrn Franz Breckerfeld und Frau Molina-Gacia. 48 Schloss Burg. Ehemalige Johanniterkirche. Bis zur Zerstörung 1648 verband ein unterirdischer Gang (Poterne) das westliche Kirchenschiff mit einer Pforte an der nördlichen Burgmantelmauer. Zeichnung A. Sassen Freunden diese Stelle erkundet und erinnert sich noch mit gewissem Gruseln daran. Der Bogen konnte in der zerklüfteten Mauer von unten erstiegen werden. Von dort gelangte man in den Beginn eines gewölbten Gangs, der mit lockerem Boden und Geröll verschüttet war, sich aber unter den Gräbern des Friedhofs wohl zur Kirche hin weiter fortsetzte. Der Totengräber der Gemeinde hatte sich auf die-ser Linie im bevorzugten unteren Bereich des Friedhofs oft über Schwierigkeiten beim Ausheben der Gruben beklagt. Er stieß hier zumeist auf fest gefügte große Steinblöcke, wahrscheinlich Scheitelstei-ne des Ganggewölbes, die ein Tiefergehen unmöglich machten. Verschiedentlich kam es auch zu Grabeinstürzen, wobei ganze Särge in den tiefer liegenden Hohlraum abrutschten und die eingesunke-nen Gräber wieder aufgefüllt werden mussten. Die Lage der nördlichen Burgmauer, deren Fuß am Berghang unterhalb der Johanniterkirche ansetzt und deren Mauerkrone in 25 Meter Entfernung auf gleicher Höhe von ihr abschließt, macht die Anlage einer hier einst vorhandenen Poterne nachvollziehbar. Als beim Bau der Mauer und der Kirche um 1220 der freie Raum zwischen Hang und Mauermantel aufgefüllt wurde, ist von der Schlupfpforte ein geschlossener Gang in Richtung Kirche aufgemauert worden. Nur wenige Meter mussten dafür in der Höhe des Erdreichs zu den Fundamenten der Kirche freigegraben werden, um eine Verbindung in das Innere des Gebäudes zu bekommen. Die dann aufgefüllte ebene Fläche des Friedhofs zwischen Kirche und Außenmauer ließ eine Verbindung von oben nicht mehr erkennen. Wahrscheinlich geht die Anla-ge auf die Johanniter zurück, die demnach den Platz für ihre Hospitalkirche hier nicht zufällig zuge-wiesen bekamen, sondern diese Stelle ganz bewusst ausgesucht haben. Mithilfe des Verbindungsgangs von der Kirche zur Außenmauer war es ihnen jederzeit möglich, das Schlossgebiet zu verlassen oder wieder hineinzugelangen. Bei einer Belagerung und damit einhergehender Verschließung der Burgtore konnte man Verwundete aus dem Vorfeld schnell über diesen Weg hereinholen und sie direkt im La-zarett- Kirchenraum versorgen. Den im damals weit voraus denkenden Byzanz ausgebildeten Johanni-tern war bekannt, dass die hieb- und stichverletzten Männer oft nur eine Überlebenschance hatten, wenn ihnen unmittelbar geholfen wurde. Die Hospitalkirche konnte mit ihrer Verbindung zur Burg-mauer also streng genommen als fester Bestandteil der Wehranlage angesehen werden. Vermutlich wurde ihr diese Bedeutung am Ende des Dreißigjährigen Krieges zum Verhängnis. Es ist möglich, 49 dass aus diesem Grunde die Truppe des Obristen Plettenbergs im Kircheninneren Sprengladungen zündeten oder sogar von der Wehrplatte des Südturms aus mit Kanonen auf die Kirche geschossen haben. Die Art der Zerstörung, auch der Stumpf des Johannitertores lässt auf Geschosstreffer schlie-ßen. Nach Piper61 ist unter der Bezeichnung „Poterne“ ein kleiner Seitenausgang in den Zwinger oder Gra-ben oder eine Schlupfpforte zu verstehen. „Eine Poterne konnte, wenn im Belagerungsfalle das Haupttor nicht mehr frei zu passieren war, als Notausgang, unter Umständen auch wohl für einen heimlichen Ausfall dienen. Diese, oft an einer versteckten und von außen nicht bequem zugänglichen Stelle angelegte Schlupfpforte wird bei Tristan das „hâl türlîn“, bei französischen Minnesängern po-terne, fausse poterne oder fausse porte genannt, so ist auch bei uns der Ausdruck Poterne (lat. pos-terna, poterna) dafür gebräuchlich geworden. Sie waren meistens einfache, nicht weiter befestigte Türen in der Ringmauer, die, nach innen schlagend, im Belagerungsfalle von da aus verrammelt wer-den konnten.“ Zur Materialgerechtigkeit des Mauerwerks in Schloss Burg Der Wiederaufbau von Schloss Burg wurde aus örtlich anstehenden Bruchsteinen erbaut. Nur für be-sondere Zwecke wie Fensterfassungen, Maßwerke, Mauerecken und Bogenfassungen verwendete man Werksteine, z. B. dem Trachyt aus dem Siebengebirge. Zu einem Großteil ist auch Tuffstein, so für die Fensterbogen und Innenwände des Palas und Teile der Burgkapelle verwendet worden. Am Batterieturm kam neben Bruchstein für das Mauerwerk nur für das Gurtgesims unter dem Oberge-schoss und an der Vorkragung des Uhrengiebels Basaltlava zum Einsatz, die kleineren Lichtscharten am Turm sind aus Trachyt. Batterieturm wie auch das gesamte übrige Mauerwerk von Schloss Burg ist steinsichtig ausgeführt worden. Dieses rustikale Aussehen aller Gebäude gehört seit dem Wiederauf-bau zum normalen Erscheinungsbild von Schloss Burg. Ob es das historische Aussehen der einstigen Burganlage wiedergibt, ist allerdings nicht gesichert. Mit der Steinsichtigkeit hat man ein Prinzip ge-wählt, das mit hohen Folgekosten verbunden ist, ein Umstand, der auch schon im Mittelalter bekannt war und möglichst vermieden wurde. Steinsichtigkeit oder Verputz im Mittelalter Wir haben uns daran gewöhnt, die mittelalterlichen Massivbauten, wie Kirchen und ihre Türme, be-sonders aber die Mauern und Gebäude der Burgen als Bruchsteinarchitektur wahrzunehmen. Dieses Aussehen ist in der Regel den Restaurierungsmaßnahmen des 19. und 20. Jahrhunderts zuzuschrei-ben. 62 Zu dieser Zeit waren die historischen Verputze infolge lange ausstehender Erneuerungen größ-tenteils verwittert, abgesandet oder vom Regenwasser abgewaschen. Auch das romantische Erschei-nungsbild der Ruinen war für die Annahme ausschlaggebend, dass historische Architektur, sowohl mittelalterliche wie auch frühneuzeitliche, ursprünglich unverputzt gewesen sei. Es setzte sich die Auffassung durch, dass nur dieser Zustand den Bauwerken gerecht werde und entfernte weitestgehend auch noch vorhandene Reste historischer Putze und Farbfassungen. Durch diese bereits lange zurückliegenden Maßnahmen ist eine weite Lücke in der Überlieferung alter Putztechnik entstanden. Auf diese Frage hat erstmals Ernst Pfänder 1957 in einer ungedruckten Dis-sertation „Putz und Farbe der Renaissancebauten im Gebiet an der oberen Weser“ aufmerksam ge-macht. 63 Erst nach 1970 wurde die Arbeit bekannt und leitete mehrere Veröffentlichungen von weite-ren Befunden ein, die ein fast völlig neues Erscheinungsbild vieler bekannter Bauten ergaben. Heute ist das Argument der Materialgerechtigkeit nur noch eine Schutzbehauptung, um die vielfach seit 100 Jahren gewohnte Fassung der Bruchsteinsichtigkeit beizubehalten.64 Leider sind die Bruchsteinfassa-den nicht so beständig gegen Verwitterung, wie man sich das angesichts der rustikalen, festen Stein-oberfläche gern vorstellt. Die Steine haben aufgrund ihrer lagerhaften Struktur zumeist Risse, in die Regenwasser oder Luftfeuchtigkeit eintreten kann, die dann bei Eisbildung und damit einhergehender 61 O. Piper, Burgenkunde, München 1912, S. 676. Piper widmet diesem Thema ein ganzes Kapitel S. 515-530. 62 G. Ulrich Großmann, Renaissance entlang der Weser, 2. überarbeitete Aufl. Köln 1990. S. 71 f. 63 Ernst Pfänder, Putz und Farbe der Renaissancebauten im Gebiet der oberen Weser, Diss. TH Hannover 1957. 64 G. Großmann a.a.O. 50 Ausdehnung zerstörend wirken. Andererseits neigen solche Mauern auch zu Durchfeuchtungen, da das Regenwasser in den Zerklüftungen zu lange verweilt. Dazu kommen die bei Bruchsteinmauerung zu-meist sehr großen Fugen, die bei Regenschlag zunehmend tiefer ausgewaschen werden, bis sich ein-zelne Steine lockern und aus der Mauerschale herausfallen. Zuweilen kann es zum Abrutschen ganzer Steinverbände kommen, so dass die Mauerfüllung zwischen den Schalen sichtbar wird – ein bereits dramatischer Zustand. Die Einstellung zur Materialgerechtigkeit hat zu den Nachteilen geführt, dass Bruchsteinfassaden in relativ kurzen Zeitabständen sanierungsbedürftig sind – ein hoher Kostenfaktor bei der Erhaltung his-torischer Bauten. Die unterschiedlich verwitterten Fugen werden dann auf eine gleichmäßige Tiefe herausgestemmt und völlig staubfrei gereinigt. Nach Anfeuchten der Vertiefung muss auch die an-schließende Neuverfugung der Steinzwischenräume von Hand geschehen. Die Arbeit ist mit hohem Kraftaufwand beim Reindrücken des Füllmaterials verbunden und sehr zeitaufwändig, da bei der Ver-wendung des kalkgebundenen Fugenmörtels die einzelnen Steine umständlich von Kalkspuren gerei-nigt werden müssen. Die Zusammensetzung des Mörtels erfordert viel Erfahrung, da er an die Härte des verwendeten Steinmaterials anzupassen ist. In der Regel sollte er etwas weicher als der Stein sein. Dagegen ist ein Fugenmörtel aus reinem Zement-Sandgemisch unbrauchbar, auch wenn dieser sich leicht und sauber verarbeiten lässt und seine Beständigkeit Erfolg zu versprechen scheint. Die Spätfol-gen sind abzusehen; denn ein mit Zement gebundener Fugenmörtel wird mit der Zeit so hart, dass er das Steinmaterial, das er schützen soll, beschädigt. Infolge des unterschiedlichen physikalischen Mate-rialverhaltens reißt irgendwann der Fugenstrich von den Steinen und löst sich in ganzen Teilen aus dem Mauergefüge heraus. An sehr vielen denkmalgeschützten Gebäuden ist in der Vergangenheit, besonders in der Erneuerungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit zementhaltigen Fugenmörteln ge-arbeitet worden. Im guten Glauben wollte man ein widerstandsfähiges Fugenmaterial einsetzen, doch die Folgen waren oftmals katastrophal. Sehr häufig sind gerade Werksteinquader mit ihren sauber gearbeiteten Kanten durch die zu harten Zementfugen aufgebrochen oder die Kanten platzten mit dem sich ablösenden Fugenstrich weg. Zement ist ein neuzeitlicher Baustoff, der natürlich an historischer Bausubstanz nicht zu finden ist. Um widerstandsfähige Mörtelfugen zu bekommen, musste man auf andere bewährte Zuschläge, wie z. B. Trass65 zurückgreifen. In jüngerer Zeit zieht man bei den Sanie-rungen von Natursteinmauern Geologen zu Rate, die ein genaues physikalisches Bild des verwendeten Steins erstellen. Je nach Eigenschaft wird dann von der Industrie ein speziell auf die Steine abge-stimmter, fertig gemischter Fugenmörtel in Trockenform bereitgestellt. Die Bestandteile bleiben dem Handwerker allerdings unbekannt und der Mörtel, der in Tüten zu 25 kg erhältlich ist, hat natürlich seinen Preis. Aus dem reichen Erfahrungsschatz des Maurer- und Putzerhandwerks im 19./20. Jahrhundert gab es aber auch Rezepturen für alle erdenklichen Anwendungsgebiete. Sie wurden in den Arbeitsgruppen weitergegeben und verschiedentlich auch aufgeschrieben. Für den privaten Eigentümer, der sein Ob-jekt mit althergebrachten Materialien sanieren möchte, sind sie sehr wertvoll, da sie bei einer Selbstbe-reitung als Kostenfaktor zurücktreten. Wie weit sie heute in der Berufsliteratur noch zur Verfügung stehen und ob man sie noch anwendet ist eine andere Frage. Die Einhaltung der DIN Anforderungen ist wahrscheinlich wegen der Haftung wichtiger. Neben der Ausfugung von Natursteinmauern ist besonders in der weit zurückliegenden Zeit ein zu-sätzlicher Schutz der Oberflächen üblich gewesen. Der mittelalterliche Massivbau wies, bis auf die besonders gestalteten Ziegelbauten, zumeist dünn geschlämmte Bruchsteinmauerungen auf. Diese Arbeit oblag damals dem Tüncher oder Putzmaurer, einem Handwerk das später im Maler und Stukka-teurberuf aufgegangen ist. Der aus leicht flüssigem Kalk-Sandmaterial bestehende Putz erhielt zuwei-len einen Zusatz von Harz aus Tannenzapfen-Absud, der Poren und Haarrisse schließt und wasserab-weisend wirkt. Er wurde mit der Kelle an die vorher mit klarem Wasser benetzte Wand angeworfen und mit einem Quast oder Netzpinsel füllend über die Vertiefungen gezogen. Dabei erhielten auch die stirnseitigen Bruch- und Hausteine einen Überzug in gleichmäßiger Dicke. Er ist oft nur wenige Mil-limeter stark und lässt die Steinstruktur noch erahnen. Dieser vielerorts noch nachzuweisende Kalk-putz überzieht das Bruchsteinmauerwerk flächig bis an die werksteinmäßig gehauenen Quader der Gebäudekanten und die Gewände der Portale und Fenster. Diese selten ganz glatten, sondern eher 65 Trass, vulkanischer Tuff, ergibt, gemahlen und mit Beimischungen von Kalk oder Zement, ein gutes Binde-mittel. 51 lebhaften Wandoberflächen hatten den Vorteil, dass mit relativ wenig Putzmaterial eine wasserabwei-sende Außenhaut für ein Gebäude geschaffen werden konnte. Es ist wichtig, dass auftreffendes Re-genwasser möglichst schnell abläuft und sich nicht im Mauergefüge verliert. Solch ein Schlämmputz verwitterte natürlich je nach Beschaffenheit und dem Einfluss des Wetters und musste nach gewisser Zeit erneuert werden. Dies geschah aber, bevor der Zerfall bis in die Fugen fort-geschritten war. Bei der Erneuerung wurde dann die Wand von verwitterten und mürben Putzresten abgeklopft, gebürstet und gereinigt. Nach guter Benetzung konnte dann auf dem festen und staubfreien Untergrund leicht und schnell ein neuer Kalk-Schlämmputz aufgetragen werden. Rechtzeitig vorge-nommen, machte ein dünnflüssiger Kalkanstrich oder besser ein Anstrich mit dem von Kalk gesättig-ten Sinterwasser aus einer Kalkgrube einen sandenden Putz wieder fest. Vorteilhaft führte man so eine Maßnahme bei etwas feuchtem Wetter durch, da der Putz das Kalkwasser dann tiefer einsaugte. Wie weit Farbfassungen für die Gebäudeaußenseiten verwendet wurden, ist aufgrund der geringen Befunde kaum bekannt. Selten haben sich unter dem Schutz von späteren Anbauten oder unter Dä-chern Reste davon erhalten. Sie können zumeist nur eine individuelle Aussage über die einstige Fas-sung eines Gebäudes machen. Allgemein sind solche Funde nur begrenzt oder nicht überall anwend-bar. Einfache Anstriche mit Kalkmilch waren jederzeit üblich, zumal mit der Tünche ein Schlämmputz wieder gefestigt und erneuert werden konnte; denn die Verwitterung „verzehrt“ nur den Kalk, der da-mit gebundene Sand fällt herunter oder verweht. Über das normale Erscheinungsbild des weißen oder mit Ocker gefärbten Kalkanstrichs hinaus hat man auch durchgefärbten Kalkputz verwendet. Im Ge-gensatz zur dünnen, wenig beständigen Tünche behielt der durchgefärbte Schlämmputz seine Farbbe-ständigkeit auch bei Verwitterung. Sehr beliebt war dabei die Verwendung des Billerbecker Kalks, der einen warmen ockerartigen Farbton ergibt. Rötlichen oder rosa Putz erzeugte man durch Zugabe von Ziegelmehl. Tiefroten Putzmörtel auch zur Imitation von Ziegel, bekam man mithilfe des caput mortuum oder Colcothar, einem roten Farbstoff, der durch Erhitzen von Eisenvitriol gewonnen wurde. Mit diesem Farbstoff malte man auch ein rotes Fugennetz auf weißem Untergrund. Zurückkommend auf Schloss Burg ist die Frage berechtigt, ob hier einstmals die erprobten Putztech-niken zur Erhaltung der Mauern angewandt wurden. Ein Nachweis kann auch mit den ältesten Abbil-dungen nicht erbracht werden. Es gibt auch keine Überlieferung Fischers, die von Putzresten auf den Mauerruinen von Schloss Burg berichten. Eine Ausnahme bildet die ehemalige Kirche der Johanniter, die aus rheinischem Bimsstein gebaut wurde, der aufgrund seiner lockeren Struktur grundsätzlich ver-putzt werden musste. Das galt auch für die einstige Kapelle Engelberts im Hochschloss, die als zeit-gleicher Bau aus demselben Material errichtet wurde. Über die Gestaltung der Außenhaut aller anderen Gebäude in der Burg muss man sich ein eigenes Bild machen. Zur Beurteilung kommt als historisches Mauerwerk nur die Reihe der Mauern in der Flucht des Engelbertbaus infrage. Alle anderen Mauern sind Neubauten der Jahrhundertwende, bei denen von vornherein auf Gestaltung von Sichtmauerwerk wert gelegt wurde. Am historischen Mauerwerk zwi-schen Diebsturm und Torturm zum Hochschloss hat man anscheinend auf diese Qualität einst auch noch geachtet. Dagegen ist die Außenwand des Engelbertbaus in diesem Sinne nicht mehr vorzeigbar gewesen. Bei seiner Wiedererrichtung nach 1890 hat Fischer einen großen Teil des Sichtmauerwerks austauschen lassen, um ein halbwegs ansehnliches Stein- und Fugenbild zu bekommen. Die ursprüng-liche Zusammensetzung des Palasmauerwerks sah anders aus. Der Ruinenzustand von1887 macht deutlich, dass man beim Bau des Palas alles zur Verfügung stehende Material verwendet hat. Die Westmauer besteht aus Bruchstein, Ziegel, Tuffstein und Trachyt. Mit Ausnahme der Trachytquader an den Gebäudeecken und dem Tuff für die Spitzbogen der Fenster im Obergeschoß ist alles Material in wilder Form verarbeitet worden. Da man aber auch damals auf ein ästhetisches Erscheinungsbild Wert gelegt hat, dürfte man die Außenwände des Palas verputzt haben. Vermutlich wurde ein Fugen-netz oder eine bestimmte Mauerdekoration aufgemalt.. Mit Sicherheit wird man damals bestrebt gewe-sen sein, mit dem Palas auch sonst ein einheitliches Erscheinungsbild der Burg, zumindest aber des Hochschlosses zu erreichen. Dafür wird man das Mauerwerk einheitlich unter Putz gelegt haben. Zum Vergleich für diese Vorstellung dürfte die Wartburg ein interessantes Muster sein. In der Wiederauf-bauphase um 1840 ist die gesamte Burg von dem Baumeister v. Ritgen steinsichtig restauriert worden und blieb in diesem Zustand bis in die Jetztzeit. In den letzten Jahren ist man aber dazu übergegangen die hohen Mantelmauern der Burg einschließlich des Torhauses mit einem hellen Verputz zu versehen. Diese Maßnahme, die sicherlich wohlüberlegt war, hat dem Bild der Burg nicht geschadet. 52 Biografien Ludwig Arntz, Porträt mit freundlicher Genehmigung des Rheinischen Bildarchivs Köln Arntz, Ludwig66 Architekt, Denkmalpfleger und Bauschriftsteller * 19. Juli 1855 in Köln, † 5. Mai 1940 in Köln Ludwig Arntz wuchs am Neumarkt in Köln auf, während der Dom allmählich seiner Vollendung ent-gegenging, was von ihm und seinen Eltern mit großem Interesse verfolgt wurde. Der Vater entstammte einer feinsinnigen und geistig interessierten Kaufmannsfamilie, während die Vorfahren seiner Mutter wohl besonders hervortreten. Die Familie Dyckerhoff mit mehreren Baumeistergenerationen aus Lü-nen wandert über Cleve nach der Pfalz. Zweifellos haben die Zeichnungen und Arbeiten des Urur-großvaters Jacob Friedrich Dyckerhoff, seines Urgroßvaters Friedrich Christian und seines Großvaters Johann Friedrich Dyckerhoff in Mannheim großen Einfluss auf den Enkel gehabt. Insbesondere war es Ludwigs Großvater, der Bauinspektor und spätere badische Baurat, der noch persönlich auf den Enkel Eindruck machte und dessen Begabungen sich offensichtlich auf den Enkel vererbten. Ludwig Arntz besuchte das Realgymnasium an der Kreuzgasse in Köln / 1873 wurde er Bauprakti-kant beim Architekten Hermann Otto Pflaume in Köln, mit Erlaubnis des Dombaumeisters Voigtel hatte er Zutritt zu den Werkplätzen des Dombaus / 1874-1878 Studium an der Polytechnischen Schule in Hannover, Schüler des Meisters der neugotischen Formenlehre Conrad Wilhelm Hase, danach Wanderfahrten mit dem Zeichenstift quer durch Deutschland. / 1880-1883 Regierungsbauführer in Brandenburg an der Havel und in Gaarden bei Kiel an modernen Staatsbauten. Während dieser Zeit zeichnete und vermaß er die märkischen Backsteinbauten in Chorin, Lehnin, Havelberg und Tanger-münde. 1883 Studium in Wien bei dem Dombaumeister Friedrich von Schmidt aus Köln, gleichzeitig Mitar-beit in der Dombauhütte St. Stephan in Wien. Nach eigenen Angaben war der Aufenthalt in Wien einer seiner eindruckvollsten Lebensabschnitte. / 1884 Regierungsbaumeister. Als erste bedeutende selbständige Arbeit wurde ihm die Leitung der Erneuerung des Heilbronner Kiliansturms übertragen / 1885 Studienreise nach Belgien / um 1885-1886 Regierungsbaumeister (Landbaumeister) in Berlin / 1887 Studienreise nach Italien / In Berlin Beteiligung am Wettbewerb eines Mustertheaters, daraufhin Bauleiter bei Otto March 1887-1889 ausführender Architekt des Festspielhauses in Worms, wo er beim ersten Festspiel selbst eine Rolle übernahm/ 1891- 1892 in der Bauhütte des Magdeburger Doms tätig, er übernahm die Aufdeckung, Aufzeichnung und Erhaltung der mittelalterlichen Putzbilder des dortigen Kreuzgangs, seine erste wissenschaftliche Forschung. / 1893 Regierungsbauinspektor (Land- 66 Text aus: archINFORM und Vogts, Gedenkfeier für Dombaumeister Ludwig Arntz, in: Jahrbuch des kölni-schen Geschichtsvereins, Nr. 23, Köln 1941, S. 213-226. 53 bauinspektor), Übernahme der Sicherung und Erhaltung der Doppelkirche von Schwarzrheindorf und die der Matthiaskapelle auf der Burg Kobern. Von dort aus schuf er auch den Ausbau der Liebigschen Burg bei Gondorf. / Von August Reichensperger kam der Auftrag, die rheinischen Denkmäler zeichne-risch aufzunehmen, mitzuarbeiten an der Denkmälerinventarisation des Geheimrats Lörsch. Er folgte dem jungen Kunstforscher Paul Clemen, der mit seiner Bearbeitung der rheinischen Kunstdenkmäler der rheinischen Denkmalpflege eine neue gesicherte Grundlage gab. Hunderte der fein und sicher ge-zeichneten Blätter sind damals und später entstanden, auf denen Arntz mit sicherem Blick und techni-schem Verständnis das Wesentliche der Bauerscheinung festzuhalten wusste. Er entwickelte dabei einen eigenen Stil, der sich zur Illustrierung besonders eignet. Als Arntz nach Berlin zurückberufen wurde, teilte Clemen Reichensperger mit, dass er Arntz gern bald wieder für die Rheinprovinz zurück-gewinnen möchte. Doch Arntz wurde als Nachfolger von Franz Schmitz, auch einem Kölner, 1895- 1902 Dombaumeister am Straßburger Münster. Untersuchung der Baumängel, besonders des Nord-turms und Verfassen der Denkschrift zur Restaurierung des Bauwerks. In Straßburg Heirat mit Maria Albrecht, Tochter des Präsidenten des Schulkollegiums im Elsass / 1900 Studienreise in die Schweiz / 1901 Studienreise in die Niederlande / Als die Stadt Straßburg seinen Ansichten zur Restaurierung des Münsters nicht folgen wollte, legte er die Arbeit nieder und betrieb1902 seine Entlassung aus dem Staatsdienst. / Ab 1902 lässt er sich als freischaffender Architekt zuerst in Schwarzrheindorf, dann in Köln nieder. Die Straßburger Münsterbauhütte kam bald auf die Arntzschen Pläne und Gedanken zu-rück und hat sie als richtig angesehen. Von Köln aus entfaltete Arntz eine umfangreiche Bautätigkeit, die sich vornehmlich auf die Wiederherstellung und den Ausbau alter Bauwerke erstreckte. Von 1910 bis 1921 war er als Schlossbaumeister in Schloss Burg tätig, nebenher arbeitete er an der Eyneburg bei Aachen, des Nellessenschen Besitzes, der Burg Nideggen und der Burg und Kirche zu Wildenberg in der Eifel. Er baute sich sein Haus an der Marienburger Straße in Köln und viele Häuser für Freunde und Verwandte in Köln, bei Solingen, in Goslar, Köpenik und im Siegkreis. Sorgsam und mit genau-ester Kenntnis des Handwerks zeichnete er alles durch, was zu seinen Hausbauten gehörte: Möbel, Beschläge und Gerät, um alles zur Harmonie zu verbinden Ludwig Arntz unterstützte viele denkmalpflegerische Baumaßnahmen anderer Architekten in der Rheinprovinz durch fachliche Ratschläge und Hinweise. Zudem veröffentlichte er mehr als 100 Schrif-ten zur Bau- und Denkmalpflege und war an der Veröffentlichung der Kunstdenkmäler der Rheinpro-vinz beteiligt. Bedeutend sind seine vielen Baubestandserfassungen, Zeichnungen und Skizzen von frühen historischen Bauzuständen, im Denkmälerarchiv des Rheinlandes dürften etwa 500 vorhanden sein. Viele davon wurden sonst nirgends dokumentiert, bevor sie verloren gingen. Mitgliedschaften: 1883 Mitglied der Dombauhütte St. Stephan in Wien Werke (soweit bekannt): • 1879 Köln: Rathausvorlaube o Baubestandsaufnahme im Auftrag des Stadtbauamtes • 1881 Köln: Stadterweiterung o Wettbewerbsentwurf o Ausführung nach einem Entwurf des Architekten Jo-seph Stübben • 1885-1887 Heilbronn: Evangelische Kilianskirche Restaurierung des Kirchturms • 1887-1889 Worms: Festspielhaus; nicht erhalten o Architekt: Otto March, Berlin o Bauleiter: Ludwig Arntz • 1891- 1892 Magdeburg: Evangelischer Dom St. Mauritius und Katharinen Restaurierung des südlichen Dom-kreuzgangflügels • um 1892 Kobern: Dreikönigskapelle auf dem Friedhof, Restaurierung • 1893 Koblenz: »Deutsches Eck« o Wettbewerbsentwurf nicht ausgeführt o Ausführung: 1895-1897 nach einem Entwurf des Architekten Bruno Schmitz 1892-1894 Kobern: Matthiaskapelle bei der Oberburg / Restaurierung • 1894 Koblenz: Baubestandsaufnahme der »Alten Burg« und Entwurf zu deren Umbau als Kreisständehaus mit Wohnung für den Landrat; nicht ausgeführt o 1898-1900 Restaurierung der »Alten Burg« durch Baurat Friedrich Wilhelm Maeckler unter beratender Mitwirkung von Ludwig Arntz 1895 Arnoldsweiler: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Arnold Erweiterung nicht ausgeführt 1895-1908 Schwarzrheindorf Stiftskirche Wiederherstellung der Doppelkapelle • 1895-1902 Straßburg: Münster Restaurierung 54 • 1897-1902 Hergenrath (Aachen): Eyneburg (»Emmaburg«) o Wiederherstellung o Neubau der Burgkapelle und des Vorburgmittelteiles • 1897 Köln-Lindenthal: Wohnhaus Wilhelm Arntz o Entwurf o auch für das Nachbarhaus liegt ein Entwurf von Ludwig Arntz vor (1898) o Ausführung unbekannt • 1898 Köln-Rodenkirchen: Wohnhaus o Entwurf o Ausführung unbekannt • 1898 Rhens: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Dionysius Erweiterungsentwurf nicht ausgeführt • 1898 Nideggen: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Johannis Baptist, Restaurierung • 1898-1900 Saarburg: Saarburg o Restaurierung o in Zusammenarbeit mit Kreisbaumeister Karl Flacke • 1901- 1903 Mettlach: Haus »Saareck« (Schloß) für Familie von Boch • 1902-1908 Altenberg (Odenthal): Kirche und Zisterzienserkloster Restaurierung • 1903-1905 Hellenthal: Wildenburg o Restaurierung • 1904-1907 Köln: Minoritenkirche / Restaurierung • 1904-1908 Wadern-Dagstuhl: Umbau der Herrenhaus-Anlage für Frau Rizza von Luisenthal • 1905-1907 Arnoldsweiler: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Arnold / Restaurierung • 1905-1907 Kalkar: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Nikolaus / Restaurierung • 1906 Xanten: Klever Tor und »Pesthäuschen« o Restaurierung • 1906-1907 Köln-Marienburg: Wohnhaus Ludwig Arntz o In diesem Haus lebte Arntz bis zu seinem Tod. • 1906-1907 Colmar: Wohnhaus Böcking o Entwurf o Ausführung unbekannt • 1907 Goslar: Wohnhaus Hirsch (?) • 1908-1909 Gierenfeld / Bröhltal: ländliches Wohnhaus o Entwurf o Ausführung unbekannt 1909-1911 Lichtringhausen: Römisch-katholische Pfarrkirche und Pfarrhaus • 1910-1921 Burg an der Wupper: Schloß Burg . Restaurierung / Entwurf und Bau des Batterieturms 1913 Solingen: Ausbau eines Wohnhauses • 1920-1921 München- Schwabing Leopoldstraße: Wohnhaus für Prof. Dr. Rudolf Müller-Erzbach o 1927 nach Plänen von Ludwig Arntz erweitert • 1924-1925 Bonn-Oberkassel, Basaltstraße: Doppel-Villa für die Brüder Dr. Karl Bleibtreu und Prof. Dr. Leo-pold Bleibtreu o bereits 1913/l9l4 Entwurf von Ludwig Arntz o Haushälfte von Dr. Karl Bleibtreu im Zweiten Weltkrieg zerstört o Haushälfte von Prof. Dr. Leopold Bleibtreu erhalten und denkmalgeschützt. Literatur • Mundhenke, Herbert: Die Matrikel der Höheren Gewerbeschule, der Polytechnischen Schule und der Techni-schen Hochschule zu Hannover. Hildesheim 1988-1992 (3 Bande). Matrikel 6065 • Centralbiatt der Bauver-waltung. 4. Jahrgang. 1884, Nr. 25, 5. 249 (Amtliche Mittheilungen) • Becker, Felix und Spemann, Wil-helm: Spemanns goldenes Buch vom eigenen Heim: eine Hauskunde für jedermann. Berlin, Stuttgart 1905 • Thieme, Ulrich und Becker, Felix (Hrsg.):Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Leipzig 1907-1950 • C Paul: Rede zum Gedenken an Dombaumeister Ludwig Arntz in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins. 23. Köln 1941, S. 221-224 • Trier, Eduard und Weyres, Willy (Hrsg.): Kunst des 19. Jahrhunderts im Rhein-land. Düsseldorf 1979-1981 (5 Bände) • Liessem, Udo: Ludwig Arntz -Architekt und Dombaumeister 1855- 1941. Koblenz 1980 • Herzog Harald: Rheinische Schloßbauten im 19. Jahrhundert. Köln 1981 Meißner, Günter (Hrsg.): Allgemeines Künstler-Lexikon - die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Leipzig 1990, 5. 256-257 (Beitrag von Udo Liessem) .• Kokkelink, Günther und Lemke-Kokkelink, Monika: Baukunst in Norddeutschland:Architektur und Kunsthandwerk der Hannoverschen Schule. Hannover 1998 • Aleweld, Norbert: Franz Mündelein (185 7-1926) - ein westfälischer Kirchenbaumeister am Ende des Historismus. Pader-born 2000, 5. 29 • Mitteilungen von Prof Dr. Harold Hammer-Schenk, Berlin • Liessem, Udo: Ludwig Arntz -Architekt und Dombaumeister 1855-194, Koblenz 1980, S. 9 55 Clemen, Paul Prof. Dr. Paul Clemen. Foto: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. Prof. Dr., Kunsthistoriker * 31. 10. 1866 in Sachsen † 8. Juli 1947 in Endorf Paul Clemen, geboren am 31. Oktober 1866 und gestorben am 8. Juli 1947 in Endorf / NRW, war Kunsthistoriker und erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz. 1885 begann er sein Studium der Kunstgeschichte und der deutschen Philosophie an der Universität Leipzig und setzte dieses 1887 an der Universität in Bonn fort. 1888 ist er an der Universität in Straßburg. 1889 erfolgte die Promotion zum Dr. phil. Schon am 1. Oktober bekam er eine feste staatliche Anstellung und wurde durch die „Kommission für die Denkmälerstatistik“ mit der Inventarisierung der Kunstdenkmäler in der Rhein-provinz beauftragt. Im Jahre 1893 erfolgte die Ernennung zum ersten Provinzialkonservator der Rheinprovinz. Prof. Dr. Paul Clemen arbeitete von 1894 bis zu seiner Emeritierung 1936 als Kunsthistoriker an der Universität Bonn. In seiner Funktion als Provinzialkonservator setzte er sich stark für den Denkmal-schutz ein. Er war einer der Initiatoren für die Gründung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Sein Lebenswerk, die „Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“ in 56 Bänden, ist ein Standardwerk der Deutschen Kunstgeschichte.67 Über ein halbes Jahrhundert lehrte und forschte Paul Clemen in Bonn und dem Rheinland. Der gebür-tige Sachse versteckte sich aber nicht hinter seinen Büchern, sondern machte sich seit Beginn seiner Arbeit an der Bonner Universität dafür stark, die Kunst des Rheinlandes zu bewahren und für die Öf-fentlichkeit zugänglich zu machen. Dem Kunsthistorischen Institut gab Clemen seine heutige Heimat im Hauptgebäude der Universität. Er vergrößerte die vorhandene Sammlung und verfolgte bis zu sei-ner Emeritierung das Ziel, eine überregional bedeutende Sammlung und Bibliothek aufzubauen. Zahl-reiche namhafte Kunsthistoriker holte Clemen Anfang des Jahrhunderts nach Bonn und machte aus seiner Wissenschaft, die es 50 Jahre vorher als eigene Disziplin nicht gab, eines der Aushängeschilder der Bonner Uni. Seine Studenten wollte Clemen auf die Bedürfnisse der Museumsbesucher aufmerk-sam machen. Neben der reinen Kunstgeschichte legte er bei der Ausbildung auch darauf Wert, was man heute Museumspädagogik nennt; er war ein Pionier auf diesem Gebiet. Clemen machte sich im Krieg Gedanken um den Schutz und die Auslagerung von Kunstgütern. Nach dem Ersten und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg rief er die Rheinländer in flammenden Reden dazu auf, ihre wertvollen Kunstschätze nicht untergehen zu lassen. Als fast Achtzigjähriger begann er auf vielfachen Wunsch, die Erinnerungen seines bewegten Lebens niederzuschreiben. Sie blieben Fragment, bedingt durch Krankheit und Tod, doch vermitteln sie das lebendige Bild eines Gelehrten, der Zeit seines Lebens „zum Ganzen“ strebte. Clemen berichtet fes-selnd, wie er von je her seinen unbändigen Bildungshunger durch die Begegnung mit den großen Geis-tern seiner Zeit, auf Wanderungen und Reisen zu stillen suchte. Er gibt Einblick in die Frühzeit von 67 Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie. 56 Denkmalschutz und Denkmalpflege, für die Clemen in Ausübung seiner Ämter selbst Maßstäbe setz-te. 68 Clemen bekannte selbst: „Der Rhein ist mein Schicksal geworden“. So ist heute sein Name eng ver-bunden mit der reichen Denkmälerlandschaft der Region. Dies gilt auch für Schloss Burg, dessen Wiederaufbau er gleich zu Beginn seiner Amtszeit wohlwollend und interessiert begleitete. Den Bau-meister G.A. Fischer unterstützte er beratend bei seinen Rekonstruktionen und Planungen des aufzu-bauenden bergischen Schlosses. Auch als die Innenausstattung der Gebäude realisiert wurde, gehörte Clemen zu der Kommission des Kunstvereins der Rheinlande und Westfalen, die die Vorplanung der Themen in den Räumen und deren Abnahme nach der Ausführung vornahm. Als Wiederaufbau und Kunst von Schloss Burg in den zwanziger Jahren in Misskredit gebracht wurden, unternahm Paul Clemen eine Ehrenrettung des Schlosses. Er wies dem Schlosse seinen Standort in der Zeit des Wie-deraufbaus an und reihte es ein in die große Linie der Burgenwiederherstellungen, die am Rhein mehr als ein halbes Jahrhundert früher mit dem Aufbau der Burg Rheinstein einsetzte. „Sie sind weniger Dokumente für die Kunst des Mittelalters als für die romantisch-historisierende Stimmung der Zeit der Wiederherstellung. So trägt auch Schloss Burg in seinem Ausbau den Charakter jener Spätlingskunst der letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts“. Paul Clemen, Werke: Kunstdenkmäler der Rheinprovinz in 56 Bänden; Belgische Baudenkmäler; Belgische Kunstdenkmä-ler; Die Sammlung Dr. Leopold Seligmann Köln; Die deutsche Kunst und die Denkmalpflege; Italienische Kunst Plastik Zeichnung Malerei; Kunstschutz im Kriege; Köln Antlitz einer alten deutschen Stadt; Lob der Stille; Rheinfahrt Führer durch Geschichte Kunst und Landschaft des Rheintales; Rheinische Baudenkmäler und ihr Schicksal- Ein Aufruf an die Rheinlän-der, Düsseldorf 1946; Clemen/Gurlitt, Die Klosterbauten der Cistercienser in Belgien, Berlin 1916. Gotische Kathedralen in Frankreich, Einleitung, Zürich 1951; Literatur: Paul Clemen 1866-1947. Erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz, Katalog der Ausstellung anlässlich seines 125. Geburtstages, Bonn 1991. Fischer, Gerhard August; Gerhard August Fischer 1833-1906 , Zeichnung aus dem Generalanzeiger für Elberfeld-Barmen v. 13.11.1906. Baumeister, Zeichner und Architekt * 29. November 1833 Dortmund-Schüren † 11. November 1906 August Eduard Gerhard Heinrich Fischer entstammte einer Bergmannsfamilie, die aus dem oberschle-sischen Kohlenrevier des Waldenburger Landes kam. Sein Vater arbeitete wiederum als Bergmann an einer Essener Zeche. Gerhard August wurde am 29. November 1833 in Schüren bei Aplerbeck (Dort-mund) geboren. Seine Mutter Louise Henriette Surmann war in Schüren zuhause. Gerhard August zeigte ein frühes Talent zum Zeichnen, was vom Vater, wie von einem sachkundigen Kollegen erkannt und gefördert wurde. Der Vater ermöglichte ihm den Besuch der Handwerker und Zeichenschule in Dortmund. Die finanziellen Möglichkeiten der Bergmannsfamilie waren aber begrenzt, so dass der 68 Aus Presseinformation der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 57 Sohn zur handwerklichen Ausbildung bei einem kleinen Maurermeister mit der Lehre begann. Noch während der Lehrzeit und nach deren Abschluss beließ es Fischer nicht nur bei der Ausübung der Ge-sellentätigkeit, sondern besuchte die Hagener Gewerbeschule. 1854, nach Abschluss dieser Ausbil-dung wurde er kurzzeitig Gehilfe des Barmer Stadtbaumeisters Bürkner und kam schon dort mit dem aktuell werdenden neugotischen Baustil intensiv in Berührung. Bald danach wechselte er in das Büro des Unterbarmer Baumeisters Christian Heyden (1803-1869) einem Schwiegersohn des bekannten Düsseldorfer Klassizisten v. Vagedes. Auch Heyden war bislang ein Vertreter dieser Stilrichtung, doch zu dieser Zeit wurde die Gotik zu bevorzugten Baustil sakraler Gebäude, einer Richtung, der sich beide Baufachleute fortan verschrieben. Im Jahre 1857 unternahm Fischer eine siebenmonatige Wanderung durch Nord- und Ostdeutschland und gelangte über die Grenzen Westfalens und Niedersachsens nach Brandenburg, sah die backstein-gotischen Hansestädte der Ostsee und kam über die Marienburg bis Danzig. Seine Rückwanderung führte ihn nach Kassel, wo er seine Zeichenstudien dem Architekten Georg Gottlieb Ungewitter vor-legen konnte. Ungewitter nahm den jungen Fischer ein halbes Jahr als Schüler auf und vermittelte ihm eine intensive Fortbildung im Bereich der Gotik. In Kassel hatte Ungewitter neben der Kölner und der Hannoverschen Schule das dritte Neugotische Zentrum eingerichtet und trat als Autor des Lehrbuchs „Die Gotik“ hervor. Fischers Wanderschaft im Jahre 1857 bildete nach seinen eigenen Worten „den Glanzpunkt seines Lebens“ und hat ihm für sein späteres Schaffen reiches Anschauungsmaterial erschlossen. Noch 40 Jahre später gab er sein Reisewissen in Vortragsreihen beim Bergischen Geschichtsverein weiter. Seit 1858 verdingte sich Fischer als Maurerpolier und Bauführer und leitete zwischen 1859 bis 1861 im Auftrag des Architekten Heyden den Bau der großen evangelischen Kirche zu Gütersloh. Bald nach bestandener Maurermeisterprüfung machte er sich selbständig. Mit dem Auftrag, 1866 die Barmer Antoniuskirche auszubauen, schuf er die Grundlage, sich in Barmen als Architekt niederzulassen. Zu dieser Zeit heiratete er seine Frau Julie geb. Moll (*1842). Sie bekamen drei Kinder, Friedrich Erwin *1868, die Tochter Maria und als jüngsten Jacob Richard * 1870, der später ebenfalls Architekt wurde. Die nachfolgenden Jahrzehnte bis zu seinem Tod 1906 sehen den Architekten in unermüdlicher Bau-tätigkeit. Die Region zwischen Ruhr und Rhein verdankt Fischer eine Vielzahl von Nutzgebäuden, so die Neugestaltung von Schloss Casparsbroich an der Itter bei Haan. Das Schwergewicht seiner Arbeit lag aber bei Neubauten und Umgestaltungen von Kirchen. Aus seinen Aufzeichnungen geht nicht her-vor, ob er sich einer bestimmten Auffassung der Neugotik angeschlossen hatte. Seine Hallenkirchen rücken ihn aber an die Raumauffassung Friedrich von Schmidts, dessen weite Hallenräume sich be-wusst von den basilikalen Räumen des Vincenz Statz absetzen. Fischer hat den größten Teil seiner Kirchen in Westfalen errichtet. Es sind in der Mehrzahl katholische Kirchenbauten, obwohl er selbst der evangelischen Kirche angehörte. Vermutlich waren die katholischen Geistlichen aufgrund des Einflusses der Kölner Schule seinen neugotischen Planungen mehr aufgeschlossen als ihre evangeli-schen Amtsbrüder.69 Mit ihnen setzte der Baumeister seiner Vorliebe zu gotischer Stilsprache unüber-sehbare Zeichen. Fischers Bindung an die Erneuerung mittelalterlicher Baukunst hat auch sein geschichtliches Interesse geweckt. In Barmen wurde er frühzeitig Mitglied des Bergischen Geschichtsvereins, wo er viele Vor-träge über seine Kunstreise von 1857 hielt. Die Fahrten des Vereins an die rheinischen Kunststätten bereitete er sorgfältig mit Zeichnungen und Informationsschriften vor. Somit galt er als prominenter Vertreter spätromantischen Bauverständnisses und ausgewiesener Kenner ihres bevorzugt gotischen Formenarsenals, als die ersten Aktivisten um Schloss Burg ihn 1886 mit ihren Plänen vertraut machten und alle baulichen Belange in seine Hände legten. Während seiner beiden let
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Autor | Sassen, Andreas |
Titel | Vom Kuxturm zum Batterieturm |
Übergeordneter Titel | Beiträge zur Heimatgeschichte / Band 12 |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Signatur | 17L7156 |
Katkey | 6587863 |
HBZ-ID | HT017182898 |
Katkey (Überordnung) | 6550992 |
HBZ-ID (Überordnung) | HT016938765 |
Typ | PDF; |
Dateiformat | application/pdf; |
Rechteinformation | Rechte vorbehalten - Freier Zugang; |
Volltext | Beiträge zur Heimatgeschichte Band 12 Vom Kuxthurm zum Batterieturm Der Bau des Geschützturms von Ludwig Arntz in Schloss Burg an der Wupper Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2012 2 3 Andreas Sassen / Claudia Sassen Vom Kuxthurm zum Batterieturm Der Bau des Geschützturms von Ludwig Arntz in Schloss Burg an der Wupper 4 5 Ludwig Arntz 1855 – 1940 Architekt, Denkmalpfleger, Zeichner und Bauschriftsteller Erbauer des Batterieturms in Schloss Burg Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Rheinischen Bildarchivs Köln 6 7 Beiträge zur Heimatgeschichte Band 12 Andreas Sassen / Claudia Sassen Vom Kuxthurm zum Batterieturm Der Bau des Geschützturms von Ludwig Arntz in Schloss Burg an der Wupper ISSN 2192-6840 Solingen 2012 8 Beiträge zur Heimatgeschichte Beiträge zur Heimatgeschichte ist eine Schriftenreihe zu Themen von Kunst und Architektur in NRW herausgegeben von Andreas Sassen und Claudia Sassen. Titelbild: Maskaron vom Batterieturm, Fotografie von Edgar Falkenhain Impressum: © 2012 Andreas Sassen / Claudia Sassen Hasselstr. 4, 42651 Solingen claudia.sassen@uni-dortmund.de ISSN 2192-6840 Redaktion Claudia Sassen Gestaltung Claudia Sassen Zeichnungen Andreas Sassen Fotos Andreas Sassen Druck- und Verlagsort Solingen, Selbstverlag der Herausgeber Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 9 Inhalt Lage, Architekt, Definition des Namens………………………………………………………. 11 Vermutungen zum historisch richtigen Standplatz………………………………………….. 12 Früheste Erwähnung des Burgturms durch F.E. v. Mering………………………………… 14 Frühe Pläne zur Wiedererrichtung des Burgturms…………………………………………. 16 Aufnahme der Wiederaufbaupläne mit dem Dienstantritt von Ludwig Arntz……….. …… 20 Bauausführung des Geschütz- oder Batterieturms…………………………………………. 25 Abbildungen vom mittelalterlichen Turm…………………………………………………… 31 Die Fotografie der Ruine des Südturms Drei Zeichnungen der Ruine von Ernst Stahl….…………………………………………… 32 Ansichten von Norden, Westen und Süden Sichtbare Mauerreste im Inneren des Batterieturms………………………………………. 35 Abmessungen und Beschreibung des Batterieturms………………………………………… 36 Die Uhrenseite des Batterieturms…………………………………………………………….. 38 Das mechanische Uhrwerk und sein Hersteller……………………………………………… 38 Entstehung und Bedeutung des mittelalterlichen Vorgängerturms………………………... 40 Ursprüngliches Konzept des Baumeisters Arntz……………………………………………. . 44 Resümee……………………………………………………………………………………….... 45 Exkurs: Zur Poterne an der nördlichen Burgmauer in Schloss Burg……………………………….. 46 Zur Materialgerechtigkeit des Mauerwerks in Schloss Burg……………………………… . 49 Steinsichtigkeit oder Verputz im Mittelalter………………………………………………... . 49 Biografien Ludwig Arntz …………………………………………………………………………………. 52 Paul Clemen…………………………………………………………………………………… 55 Gerhard August Fischer ……………………………………………………………………... 56 Friedrich Everhard Freiherr von Mering …………………………………………………... 59 Ernst Stahl …………………………………………………………………………………….. 60 Verwendete Literatur…………………………………………………………………………. 61 10 11 Schloss Burg, Blick vom Zwingertor auf die Anlage des Batterieturms. Im Vordergrund das ehemalige Café Sulzbach, dahinter der Batterieturm, auf dem Wehrgang der ostdeutsche Glockenturm, rechts das Mitteltor. Aufnahme der Verfasser 2011 Lage, Architekt, Definition des Namens An der südwestlichen Ecke des mittleren Burgterrains, gegenüber der Westseite des Engelbert-Palas steht auf Schloss Burg der Batterieturm. Dieser Turm, der anfangs auch Bollwerkturm genannt wurde, ist neben dem Bergfried im Hochschloss das mächtigste und massigste Bauwerk in der wiedererstan-denen Burganlage. Im Panorama der Burg, das sich dem von Solingen kommenden Betrachter bietet, erscheint er der Palasfront trutzig wie ein schützender Wächter vorgelagert. Der Batterieturm ist das letzte große Bauwerk, das im Burger Wiederaufbauprogramm seit 1890 errichtet worden ist. Entwurf und Ausführung stammen von dem ehemaligen Straßburger Dombaumeister Ludwig Arntz. Dieser übernahm auf Empfehlung des Provinzialkonservators Paul Clemen 1910 mit 55 Jahren als freier Ar-chitekt von Köln-Marienburg aus die Aufgabe des Schlossbaumeisters. Mit Arntz bekam Schloss Burg einen versierten Fachmann, der an unzähligen mittelalterlichen Objekten in Deutschland und Öster-reich geschult war.1 Nach der Definition der Burgenkunde von Otto Piper2 ist ein Batterieturm ein mehrgeschossiger Turm zur Aufstellung von Pulvergeschützen, die aus Kanonenscharten feuern. Oftmals wurden diese Türme halbrund und hinten offen gebaut, damit sich Eindringlinge nicht darin festsetzen konnten. Neben Bat-terieturm hat sich die Bezeichnung Bollwerkturm eingeführt. Korrekt bezieht sich der Begriff Boll-werk aber auf Bohle oder Balken, ein seit Aufkommen der Pulvergeschütze entwickeltes, meist run- 1 Ludwig Arntz (1855-1941), von 1910-1921Schlossbaumeister in Burg. Siehe auch im Exkurs. 2 Otto Piper, a. a. O., S. 664. 12 Schloss Burg. Blick von Norden auf die Anlage des Batterieturms nach der Instandsetzung von 2010. Von links das Mitteltor mit Wehrgang, der ostdeutsche Glockenturm und der Batterieturm. des, aus der Mauer heraustretendes Werk aus Balken zur Flankierung der Geschützscharte. Es diente der Geschützbesatzung zum Schutz vor den gefährlichen Steinsplittern, die sie bei Gegenwehrfeuer verletzen konnten. Auch die Bezeichnung Rondell ist neben Batterieturm gebräuchlich; denn man bezeichnet damit einen Verstärkungsbau der Periode von ca. 1450-1700 für turmartige, rundliche Bauwerke, die besonders zur Sicherung am Tor errichtet wurden. Vermutungen zum historisch richtigen Standplatz Im Gegensatz zu allen anderen Wiederaufbaumaßnahmen ist über den Bau des Batterieturms relativ wenig, über seine Vorgeschichte so gut wie nichts geschrieben worden. Weder auf der Ploennies- Ansicht von Schloss Burg von 1715, noch unter den akribisch aufgenommenen Ruinenfotografien Johannes Schumachers von 1887 sind Spuren eines alten Turms zu finden. Vielleicht kursieren des-halb heute recht verwunderliche Annahmen über dieses Bauwerk. Allein über seinen Standplatz wird vermutet, dass er willkürlich gewählt wurde, weil der ursprüngliche Turm angeblich völlig ver-schwunden war. Man erfährt in der Festschrift zum 100jährigen Bestehen sogar über ein Baugeheim-nis des Architekten Arntz. Sorgfalt und Elan hätten auch ihn nicht vor einer falschen Interpretation geschützt. Arntz plante Standplatz und Umfang seines neuen Turmes nach Befund - den Spuren des Trampelkreises eines Esels, der eine Göpelmühle antrieb.3 Dabei sind wohl zwei Dinge vermischt worden; denn nach Berichten der Nachfahren des Vorbesitzers der Stelle, der hier bis 1913 das Res-taurant- Café führte, wurde hinter dem Haus eine Göpel- oder Rossmühle betrieben.4 Dies geschah aber lange vor dieser Zeit im Windschatten eines noch stehenden halbrunden Turmrestes. 3 Renate und Karl Morsbach, Die sich wandelnden Architekturen a.a.O. S. 67 4 Dazu auch auf Seite 13. 13 Schloss Burg. Der Batterieturm mit seinen Kanonenscharten von Süd-West. Rechts das Haus Sulzbach, dahinter der Engelbert-Palas. Aufnahmen der Verfasser 2011 Schloss Burg. Ansicht der Burganlage von Nord-West. Ausschnitt aus der Zeichnung von Ploennies 1715. Neben dieser Aussage verweisen selbst die spärlich vorhandenen Aufzeichnungen deutlich auf den Wiederaufbau vorhandener Reste eines mittelalterlichen Turmbauwerks. Leider ist in der ältesten An-sicht von Schloss Burg, einer Zeichnung des Architekten und Kartographen Erich Philipp Ploennies von 1715 der alte Turm nicht zu finden. Hier verdeckt ein relativ dichter Baumbestand, der anschei-nend bis an den Palas heranreicht, die zu vermutende Turmruine. Der entscheidende Schnitt, mit dem auf Schloss Burg der Ruinenzustand begann, erfolgte zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Wäh-rend der Kriegszeit wechselten die Fremdbesatzungen der Burg mehrfach, da sie infolge ihrer rück-ständigen Wehrhaftigkeit im Ernstfall nicht zu halten war. Zuletzt waren in ihren Mauern Truppen des 14 kaiserlichen Obristen Heinrich v. Plettenberg einquartiert, die sich von den Einwohnern der umgeben-den Orte versorgen ließen. Nach den Friedensverhandlungen von 1648 in Münster bekam Plettenberg den Befehl, die Burg zu räumen und zu entfestigen. Bis auf die westliche Front des Hochschlosses, mit Palas, Torhaus und dem langen Ökonomiegebäude einschließlich des Diebsturms wurden dabei sämt-liche Gebäude und Verteidigungsanlagen „demoliert“5 oder verbrannt. An den massiven Teilen nahm man Sprengungen vor, wobei Teile der Mauern, alle Tore und Türme einschließlich des Bergfrieds niedergelegt wurden. Bemerkenswert ist, dass damals neben der Schlosskapelle aus der Zeit Engel-berts II. auch die Johanniterkirche zerstört wurde. Zur Anbringung der Pulverladungen an den Gebäu-den suchte man Schwachstellen, die bei den geschlossenen Türmen aber nicht unten, an den ganz mas-siven Teilen, sondern einige Meter darüber zu finden waren. Im Ergebnis stürzten die Türme dabei im oberen Bereich ein, blieben aber zumeist als Stumpf von einigen Metern Höhe stehen. Den weiteren Verfall besorgten Wind, Wetter und die Einwohner der Umgebung, die mit oder ohne Erlaubnis aus den geborstenen Mauern für sich brauchbares Steinmaterial herausbrachen. Schloss Burg. Ältester Grundplan der Burg des Feldmessers P. Becker vom August 1816. Archiv Schloss Burg. Früheste Erwähnung des Burgturms durch F.E. v. Mering Auf diese Weise verschwand nach und nach das Bild der einst festen Burg und führte zu dem Ein-druck, den wir in „Der Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien und Klöster in den Rhein-landen und den Provinzen Jülich, Cleve, Berg und Westphalen“ bekommen. Der Historiker E.F. von Mering berichtet darin um 1850 nach „archivarischen und anderen authentischen Quellen des vergangenen Jahrhunderts“ und schildert den Anblick, den Schloss Burg um die Mit-te des 18. Jahrhunderts bot. 6 5 lateinisch / französisch; etwas gewaltsam zerstören, beschädigen; heute wenig gebräuchlich. 6 F.E. v. Mering, Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien und Klöster in den Rheinlanden und den Provinzen Jülich, Cleve, Berg und Westphalen nach archivarischen und anderen authentischen Quellen. Heft 9/1853, S. 38- 78. Monatsschrift des BGV Bde. I-XXII, Elberfeld 1894-1915. 15 Schloss Burg von Süden nach einer Zeichnung von J.P. Heinrichs um 1850, schon bald nach der Aufgabe des Palas. Schloss Burg. Eine Vorstellung der Burganlage von Süden, gezeichnet von Fischer um 1892. Der Stumpf eines Rundturms ist hinter den Fachwerkhäusern erkennbar. Archiv Schloss Burg. „Die äußern Ringmauerndes Schlosses, die früher den Berg umkreisten, sind verschwunden. Die Mitte des vorigen Jahrhunderts sah noch Reste an den Abhängen nach der Eschbach und nach der Wupper herab. Damals strebte an der Südseite des Schlossberges noch ein hoher Thurm, der Kuxthurm (Kuck-turm ) genannt, mit ungeheurer Mauerwucht empor, der eine herrliche Aussicht darbot. Wegen ver-schiedener Unglücksfälle musste er abgebrochen werden. Wo der jetzige sogenannte Kesselgarten liegt, östlich vom Schlossbrunnen, stand ein hoher Turm mit hohem Eingangsthore; und weiter nach Südwesten bewohnten die Junker von Scheid-Weschpfennig früher ein hohes Burggebäude. Die Hauptzugänge zum Schlosse waren nach der untern Burg zu, in der Nähe der katholischen Kirche und oberhalb des Schlosses. Dort stand der Thal-, hier der Bergthurm mit Gatter und Zugbrücke, die über tiefen Graben gelassen wurden. Am nördlichen Bergabhange, an der Stätte, die noch „der Hagen“ genannt wird, war ein von Mauern umschlossener Park, der mit Grobwildprett besetzt war. Auf dem Platze an der Westseite des Schlosses, der eine geneigte Ebene bildet ,ist unweit der südwestlichen Ecke ein Springbrunnen thätig, der sein Wasser durch Röhren erhält, die durch die ganze Burg und außerhalb derselben angelegt sind.“ 16 Hier werden von Mering relativ präzise viele charakteristische Teile von Schloss Burg benannt und beschrieben. Davon soll uns der sogenannte „Kuxthurm“ an der Südseite des Schosses interessieren; denn aufgrund seiner Alleinstellung und seiner Größe ist dieser Südturm wahrscheinlich mit dem Vor-gänger des Batterieturms identisch. „Damals strebte an der Südseite des Schlossberges noch ein hoher Thurm, der Kuxthurm (Kuckturm) genannt, mit ungeheurer Mauerwucht empor, der eine herrliche Aussicht darbot. Wegen verschiede-ner Unglücksfälle musste er abgebrochen werden.“ Anscheinend verschwand mit dem Abbruch des Turms auch seine volkstümliche Bezeichnung aus dem Bewusstsein der Anwohner und gelangte auch nicht mehr in den Sprachgebrauch des Schloss-bauvereins; denn weder im heimatkundlichen Schrifttum von Burg noch in den frühen Wiederaufbau-plänen Fischers oder den Bauberichten des Schlosses kommt der Name „Kuxthurm“ wieder vor. Ne-ben seiner originellen Bezeichnung tritt aber die Beschreibung „mit ungeheurer Mauerwucht“ beson-ders hervor. Frühe Pläne zur Wiedererrichtung des Burgturms Auf der Suche nach dem Süd- oder Kuxthurm in älteren Abbildungen von Schloss Burg, entziehen sich die Reste dieses Bauwerks zumeist der Sicht durch eine Baumgruppe oder durch andersartige Umbauung. Vermutlich befanden sich im Schriftwerk von Gerhard August Fischer, der nach den Aus-grabungen intensive Studien und sehr viele Vorstellungszeichnungen vom Aussehen der mittelalterli-chen Burg anfertigte, auch umfangreichere Hinweise zu der betreffenden Turmruine.7 Nach dem Wie-deraufbau des Palas, ging er mit Bedacht vor und fügte weitere historische Gebäude in seinen Gesamt-plan ein. Die Ansichten der Burg, in denen Fischer auch den einstigen „Kuxthurm“ als Wiederherstel-lung in Szene setzte, vermitteln uns ein gewachsenes Bild mittelalterlicher Romantik, mit Stilformen von der Romanik bis zur Spätgotik. Auf einer Ansicht der Burg von Süden in der geplanten Wieder-herstellung von Fischer aus dem Jahr 1892 8 erscheint der Turm als Wiederaufbau in bescheidenen Abmessungen, der die vorhandenen Häuser nur einige Meter überragt. Weitere Federzeichnungen Fischers von 1892, „Schloß Burg a. d. Wupper nach der project. Wiederherstellung“, zeigen die Burg-anlage mit einem südwestlichen Eckturm als Wehrturm mit vorgekragtem Obergeschoss und spitzem Kegeldach. Zum Teil gehen kurze, aber hohe Wehrmauerreste davon nach Osten und Norden. Mit einer genaueren Planzeichnung, die vermutlich etwas später entstand, stellt Fischer bereits eine Turmrekonstruktion mit Maßangaben vor und nennt sie „Turm zum Schutz des Eingangs zur Vor-burg“. Trotz eingeschränkter Möglichkeit die Turmruine zu vermessen, hatte er sich über den Wieder-aufbau Gedanken gemacht. Er schlug einen romanischen Rundturm von 9,40 Metern Durchmesser und 24 Metern Gesamthöhe vor. Das über einem Rundbogen-Gurtgesims leicht vorkragende Obergeschoss war als Ausguck gestaltet und mit einem flachen Kegelhelm gedeckt. Direkt an den Turm schloss sich ein Torhaus mit einem Rundbogendurchlass an, das mit einem Gebäude für die Wache verbunden war. Fischer plante hierbei auf ergrabenen mittelalterlichen Fundamenten, nach denen auf seinem Plan der Burg von 1909 vom Wachhaus eine starke Mauer in gerader Flucht auf die südwestliche Ecke des Engelbertbaus zuging. Diese Giebelwand des ursprünglichen Palas verlängerte sich weiter nach Osten als Südmauer des Kapellenbaus. Im 15./16. Jahrhundert wurde der Kemenatenbau nach Süden über einige Meter hinaus erweitert. Von der Nordseite des Südturms gingen ergrabene Mauerfundamente in langer Flucht nach Norden, unmittelbar an der Apsis der Johanniterkirche vorbei bis zur Burgmantel-mauer am Hang zum Eschbachtal. Die so bis zum Diebsturm eingefriedete Fläche dürfte der lang gestreckte Hof der Vorburg gewesen sein, dessen Eingang vom besagten Südturm geschützt wurde. G.A. Fischer stellte mit seiner frühen Entwurfszeichnung einen Turm vor, der sich zwar in das Ge-samtkonzept der Burg eingefügt hätte, aber wohl noch nicht der Größe des einstigen „Kuxthurms“ oder Südturms entsprach. Nachdem er 1895/96 am Südende des Palas auch den Kemenatenbau errich-tet hatte, ist 1897 eine Fotografie der Burg von Süden aufgenommen worden.9 Im rechten mittleren 7 Fischers Haus in Barmen verbrannte im Zweiten Weltkrieg mit seinem gesamten Nachlass. 8 Festschrift 100 Jahre, a. a. O. S. 54. 9 Die Bildunterschrift im Archiv Schloss Burg weist dieses Jahr aus. 17 Schloss Burg. Ansicht von Süden im Zustand von 1897 mit grafischer Ergänzung des Bergfrieds, des Zwinger-torturms und des großen Rundturms von Fischer. Vorn rechts Julius Schumacher. Archiv Schloss Burg Vordergrund ist darauf Julius Schumacher zu sehen. Ein Exemplar dieser Aufnahme ist grafisch mit dem Bergfried, dem Zwingertor (2. Grabentor) und dem großen Südturm versehen worden, um deren Wirkung im Gesamtbild der Burg beurteilen zu können. Die Grafik stellt den Südturm schon in we-sentlich größeren Dimensionen dar, doch damit verblieb es mit dem Vorgehen Fischers. Er leitete den Wiederaufbau als alleiniger Architekt, bis er Januar 1902 nach der Einsturzkatastrophe des Bergfrieds von der preußischen Bauaufsicht seines Amtes enthoben wurde. Der Zeichner Ernst Vossnack 10 gibt 1898 mit einem Aquarell seine Vorstellung von einer ganz wieder aufgebauten Burg wieder. Vossnack stellt den Turm mit einem relativ kurzen Schaft und einem acht-seitigen Spitzhelm dar. In dieser Form ordnet sich das Bauwerk der gesamten Anlage unter. In anderer Vorstellung sieht dagegen der Zeichner Otto Dinger die Rekonstruktion des Südturms.11 In seiner Ra-dierung von 1900 stellt er den Verteidigungsturm als dominantes Bauwerk dem Hochschloss mit ei-nem ebenso massigen Bergfried gegenüber. Der Turm zeigt bereits den später von Arntz realisierten Durchmesser, ist aber um zwei Stockwerke höher und weist keine Kanonenscharten auf. Mit seinem vorgekragten Obergeschoss wirkt er als gewichtiger Nachzügler aus dem Mittelalter, könnte aber ur-sprünglich so ausgesehen haben. 10 Festschrift 100 Jahre, S. 99. 11 Festschrift 100 Jahre, S. 98. 18 Schloss Burg. „Turm zum Schutz des Eingangs zur Vorburg“, Entwurf von G.A. Fischer um 1895. Fischer stellte sich einen hochmittelalterlichen Rundturm mit vorgekragtem Obergeschoss vor. Archiv Schloss Burg. 19 Die romantische Ansicht von Schloss Burg entstand nach der Vorstellung von Otto Dinger 1900. Der Zeichner plant hier Bergfried, Grabentor und einen fünfgeschossigen Südturm ein. Schloss Burg. Grundplan der Burganlage um 1909 mit von Fischer ergrabenen Fundamenten. Archiv Schloss Burg 20 Aufnahme der Wiederaufbaupläne mit dem Dienstantritt von Ludwig Arntz Bis zum Jahr 1904 konzentrierten sich die Bemühungen des Schlossbauvereins auf die Repa-ratur und Vollendung des Bergfrieds. Erst im Baubericht des Jahres 1906, der sich in der Hauptsa-che auf Arbeiten im Inneren des Schlosses beschränkte, findet sich wieder eine Erwähnung zur Wie-dererrichtung des großen Bollwerkturms. Es heißt, dass damals die Reste des gegenüber dem Palas liegenden Rundturms freigelegt und zum Wiederaufbau vorbereitet wurden.12 Wahrscheinlich räumte man damals den Schutt an der Nordwestseite der Turmruine fort und legte den Fuß des Gemäuers frei. Weitere Arbeiten nahm man nicht vor, da alle Mittel in die notwendige Reparatur des großen Dach-stuhls am Palas gesteckt werden mussten. Dieser hatte sich aufgrund seiner zu leichten Beschaffenheit verformt und gesenkt – eine Folge des zu sparsamen Bauens von G.A. Fischer. Außerdem war man mit dem Bau des äußeren Torturms oder Grabentors beschäftigt. Nachdem 1910 Ludwig Arntz die Betreuung der baulichen Belange in Burg übernommen hatte, vollendete er zunächst das Grabentor und widmete sich umgehend der Westseite des Burggeländes. In der Hauptversammlung am 29.Juli 1911 konnte er anhand seiner Pläne die dortigen Bauvorhaben erläutern.13 „Es handelte sich dabei vor allem um das sogenannte Johannitertor und um den fehlenden Abschluss zur Talseite hin, der durch Freilegung von Fundamenten greifbare Gestalt anzunehmen begann. Man schloss aus den Grabungen, dass vermutlich mehrere Terrassen und ein dicker Bastionsturm, der von einem Wehrgang umgeben war, den westlichen Teil der Schlossanlage vor ihrer Zerstörung gebildet hatten. Soweit es auf Grund praktischer und künstlerischer Erwägungen möglich war, sollten die alten Bauwerke in historischer Treue wiedererstehen, wobei man vor allem darauf bedacht sein musste, sie in den Rahmen der erneuerten Schlossanlage harmonisch einzupassen.“14 Etwa gleichzeitig mit dem Eintritt des Architekten Arntz in seinen Aufgabenbereich, legte der Schlossbauverein eine Schrift über die Burg auf, deren Texte vom damaligen Landeskonservator Pro-fessor Paul Clemen aus Bonn verfasst wurden. In der ersten Auflage von 1910 erwähnt Clemen auf Seite 22 den alten Turm.15 „Durchschreiten wir das Torhaus, so stehen wir im Bering der Vorburg, die, wiederum von einer star-ken Mauer umschlossen, sich schützend vor die Hauptfront legte. Von dem Mauerring stehen heute nur noch einzelne Teile aufrecht. An der Südwestecke erhob sich ehemals ein starker Rundturm, der zur Hälfte noch aufrecht steht. Einige Schritte östlich fand man die Fundamente eines quadratischen Baues, und vermutlich haben wir an dieser Stelle den ehemaligen Eingang zur Vorburg zu suchen.“ Diese Aussagen bestätigen die früheren Grundpläne von Schloss Burg, 1892 angefertigt von Richard Fischer, einem Sohn G. A. Fischers, der das Barmer Architektenbüro seines Vaters weiterführte. Hier erscheint der Turm im Grundriss in relativ kleinen Abmessungen und ist vermutlich etwas zu weit westlich angelegt. 16 Für die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 1894 folgte dann eine genauere Grund-risszeichnung, von G.A. Fischer der die Situation des alten Südturms mit dem vermuteten Tor- oder Wachhaus zum Vorhof des Hochschlosses zeigt. Die von Fischer ergrabene und wahrscheinlich richtig eingeschätzte Lage der historischen Gebäude war für die Wiedererrichtung allerdings ungünstig. Das Tor hätte sich an der Stelle des heutigen ost-deutschen Glockenturmes befunden und seine südliche Zufahrtsseite wäre von dem damals schon be-stehenden Café Sulzbach, dem heutigen Ladengebäude verstellt gewesen. Dieses bergische Fachwerk-haus blieb aber stehen und wurde schon 1911/12 in das Gesamtkonzept einbezogen. Arntz gab die Pläne einer Wiedererrichtung des Wehrgangs auf den mittelalterlichen Tor- und Mauerfundamenten auf und begann den Bau einer neuen Wehrmauer weiter nördlich, parallel zu den alten Fundamenten. 12 L. Reinmöller, Festschrift 1962, S. 61. 13 Lore Reinmöller, Festschrift 1962, S. 66. 14 Lore Reinmöller, Festschrift 1962, S. 66. 15 Paul Clemen, Schloss Burg an der Wupper, Hrsg. Schlossbauverein 1. Aufl. Schwann, Düsseldorf 1910. S. 22. 16 Festschrift 100 Jahre, S. 41. 21 Schloss Burg. Grundplan von Arntz 1912. Hier ist der Wehrgang mit dem damals Zwingertor genannten Mit-teltor eingezeichnet. Im Gegensatz zu den Ausgrabungen sind diese Bauten nun nördlich der alten Fundamente angelegt. Archiv Schloss Burg. Das neue Mitteltor im Renaissance-Stilmix der ausgehenden Kaiserzeit setzte er näher zum Palas un-mittelbar an die bereits stehende Terrasse des Schlossrestaurants. Schon in der zweiten Auflage des Schlossführers von 191217 passte Paul Clemen seine Erklärungen zur Wehranlage an der Südturmruine der neu geschaffenen Realität an. Ganz sicher war er sich mit der Datierung aber wohl nicht. Diesen Text verwendete er später auch im Schlossführer von 1918.18 „Der große freie Platz westlich vor dem Palas, auf dem eine ganze Reihe alter Mauern schon früher zum Vorschein gekommen war, bildete bis in die letzten Jahre einen großen, etwas öden Vorhof. Der mächtige Rundturm an der Südwestecke, der einst hier das Plateau und den Abhang gleichmäßig be-herrscht hatte, wuchs ganz unvermittelt aus der Umgebung der kleinen bergischen Häuser heraus. Die erneuten Ausgrabungen ergaben, dass diesen Turm mit dem Palas eine breite Verbindungsmauer ver-bunden hatte, die in der Mitte von einem Tor durchbrochen war. Es lag nahe, dieses Tor und die Ver-bindungsmauer wieder herzustellen und im Anschluss an den Turm, der wohl Ende des 16. Jahrhun-derts unter dem letzten bergischen Herzog Johann Wilhelm seinen Ausbau gefunden hatte, die Formen der Spätrenaissance und des beginnenden Barocks zu wählen. 17 Paul Clemen, Schloss Burg an der Wupper, Hrsg. Schlossbauverein, 2. Aufl. Schwann, Düsseldorf 1912. S. 20 18 Paul Clemen, Schloss Burg an der Wupper, Hrsg. Schlossbauverein, 3. Aufl. Schwann, Düsseldorf 1918. S. 23 22 Schloss Burg. Eine der frühen Vorstellungen von Ludwig Arntz 1911. Sein Batterieturm aus der Renaissancezeit steht hier nur zweigeschossig, jedoch mit einem tiefliegenden Wehrgang für Schützen mit Hakenbüchsen. Archiv Schloss Burg Zum 25. Jubiläumsjahr der Gründung des Schlossbauvereins im Jahr 1912 war der Wehrgang am Mit-teltor fertig gestellt, und Arntz hatte seine Wiederaufbaupläne der westlichen Verteidigungsseite der Burg weiter entwickelt. Auf einer Vorstellungsansicht von 1911 erschien erstmals ein breit gelagerter Batterieturm mit dem sich Arntz den Wiederaufbau des Südturms im Stil der Renaissance vorstellte. Auch sein Festvortrag vor versammelter Gesellschaft des Schlossbauvereins im Rittersaal befasste sich mit dem Thema „Deutsche Wehrtürme des 16. und 17. Jahrhunderts“.19 In gleicher Weise erwähnte Adolf Werth 1912 in der von ihm verfassten Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Schlossbauvereins die Pläne von Arntz.20 Der ersehnten Ausführung standen aber noch einige Hindernisse im Wege. „In der Generalversammlung vom 29. Juli 1911wurde dann auch über die Arbeiten nach den Vor-schlägen des Herrn Dombaumeisters Arntz beschlossen. Diese Vorschläge beruhen auf den vorge-nommenen Ausgrabungen, und ermöglichen die schon lange als wünschenswert erkannte Ausgestal-tung des bisher recht öde vor der Westseite des Palas liegenden Platzes. Der Zugang zu diesem ehe-maligen Zwinger ist jetzt durch das 1912 vollendete Zwingertor gekennzeichnet, während der Platz sich in drei Terrassen abstuft. […] Des Ausbaus harrt noch der gewaltige Eckturm, das Bollwerk, an der Südwestseite des Platzes. Es kommt hier fremdes Eigentum in Frage, mit dem Eigentümer konnte bisher eine Einigung nicht erzielt werden“. Zur Klärung der damaligen Eigentumsfrage des Geländes, auf dem der Verteidigungsturm wieder erstehen sollte, geben die damaligen Grundpläne von Schloss Burg Auskunft.21 Diese Pläne mit den 19 Lore Reinmöller , Festschrift 1962, S. 68. 20 Adolf Werth, Festschrift 1912, a.a.O. S. 76. 23 Schloss Burg. Ausschnitt aus dem Grundplan mit dem um 1912 noch völlig überbauten Grundstück des alten Südturms. Arntz hat den Wehrgang und die Dimensionen des geplanten Batterieturms schon eingezeichnet. Archiv Schloss Burg Grundrissen der wieder aufgebauten Gebäude waren ursprünglich von Fischer erstellt, sind immer wieder angepasst und 1912 von Arntz ergänzt worden. Die Fläche, die später vom Bau des Batterie-turms eingenommen wurde, war ein privates Grundstück, das an seiner Nordseite an den Rest des al-ten Turms angrenzte. Auf dem Plan ist das Grundstück noch mit Wirtschafts- und Stallgebäuden be-baut, die zu dem östlich gelegenen damaligen Café Sulzbach / Muhr, dem heute noch vorhandenen Ladengebäude gehören. Aufgrund dieser Verhältnisse konnten bis 1913 nur am Rest des alten Turms Erhaltungsarbeiten durchgeführt werden. Die übrigen umfangreichen, unter der Stallbebauung liegen-den Fundamente des mittelalterlichen Bauwerks waren für den Schlossbauverein nicht zugänglich. Da der Eigentümer nicht zu einem Verkauf des Grundstücks zu bewegen war, wurde letztlich ein gericht-lich verfügtes Enteignungsverfahren eingeleitet, so dass der Schlossbauverein erst im Herbst des Jah-res 1913 hier freie Hand bekam. Solange Arntz zum Bau des Batterieturms noch die Hände gebunden waren, nutzte er die Jahre 1912 und 1913 zur Sanierung der Wehrmauern. „Es sind die äußeren Umfassungsmauern des Burgbezirks, soweit es die Eigentumsverhältnisse gestat-teten, bis zur ursprünglichen Höhe geführt worden, um den Eindruck einer geschlossenen Anlage möglichst wieder zu gewinnen. Sowohl die südliche wie die nördliche Ringmauer hatte durch Zerstö-rung der Krone und Ausbrechen des Mantels erheblich gelitten und musste zum Teil von Grund auf ergänzt und durch vorgelegte Stützpfeiler gesichert werden. […] Die nördliche Ringmauer umschließt im Wesentlichen den hochgelegenen Friedhof mit der einstigen Johanniterkirche. An die Ordenszeit erinnert die dort ausmündende Schlupfforte (Poterne), zu der nun ein verschütteter Gang führt. Die Wiederaufrichtung der nordwestlichen Mauerstrecke, die bei sehr starker Zerstörung den Anblick einer Schutthalde bot, hat auch ermöglicht, die Hauptpforte der Johanniter im Erdgeschoss wieder freizulegen und zugänglich zu machen. Das vorgelegte Stiegenhaus vermittelt nun den bequemen Auf-stieg zum Friedhof und zur Kirche und gewährt beim Austritt einen reizvollen Blick in das Eschbach-tal.“ 22 21 Adolf Werth, Festschrift, Faltblatt im Anhang. 22 Paul Clemen, Schloss Burg, Düsseldorf 1918. 24 Schloss Burg. Ansicht des sogenannten „Thalthurms“ oder Johanniterturms vor der Wiedererrichtung durch G.A. Fischer. Der Torturm war um 1894 nur noch als Stumpf erhalten, sein Torbogen und die Burgmauer sind von einer Geröllhalde verschüttet. Archiv Schloss Burg Der Johanniterturm – bei v. Mering „Thalturm“ genannt - war 1896 von G.A. Fischer unmittelbar nach dem Pfarrhaus in einheitlichem Erscheinungsbild neu erbaut worden.23 Die Johanniter (Malteser)24 bewohnten dort ursprünglich ein Fachwerkgebäude, das zusammen mit dem Torturm auf der Zeich-nung von Ploennies zu sehen ist. In der Folgezeit sind aber wohl beide Gebäude verfallen und redu-ziert worden oder Ploennies hat sie nicht authentisch als Ruine wiedergegeben. Auf der Fotografie von 1894 ist vom Johanniterturm nur noch ein Rest zu sehen, der nach Süden verlängert, und mit einem nach Osten gehenden relativ kleinen Haus zu Wohnzwecken hergerichtet war. Fischer ließ zunächst das Pfarrhaus hochziehen und begann nach Aufrichtung des Daches die noch vorhandenen Teile des Torturms in das Gesamtbild einzubeziehen. Dabei wurde das Gebäude um einige Meter erhöht und die Fenster höher eingesetzt Aus dieser Zeit stammen auch die Sandstein-Eckquader, die an Turm und Haus gleichartig sind. Die Verlängerung des Turms nach Süden brach man ab und legte damit seine alte Südwand wieder frei. Zu dieser Zeit war der gesamte Bereich um die Gebäude völlig verschüttet. Der Turm ragte daraus hervor, vom einstigen Tordurchgang war nur der obere Teil noch zugänglich und führte zu einem Abtritt. Alles andere lag unzugänglich unter dem Geröll verborgen. Nach Freile-gung des kleinen Vorplatzes und des noch vorhandenen romanischen Torbogens ließ Arntz die Torhal-le mit seiner anrüchigen Aufschüttung ausräumen. Auch der dahinter liegende etwa gleichgroße ge-wölbte Raum mit einer kleinen Fensteröffnung nach Westen, 23 Rudolf Roth, Schloss Burg, Burg an der Wupper 1920. 24 Nach der Reformation teilte sich der Orden in die evangelischen Johanniter und die katholischen Malteser. 25 Schloss Burg. Der von Fischer 1896 wieder errichtete Johanniterturm mit dem Pfarrhaus. Den Unterbau mit Tor ließ Arntz 1913 freilegen und die Burgmantelmauer wieder aufrichten. Archiv Schloss Burg wurde damals bis zur Sohle freigelegt. Die Arbeiten gingen bis zur Freiräumung des verschütteten südlichen Torbogens; denn Arntz verfolgte den Plan, das romanische Tor wieder durchgängig zu ma-chen. 25 Der anstehende Bau des Batterieturms verdrängte aber das Vorhaben, das dann nicht mehr weiter verfolgt wurde. Der Toranlage kommt für Schloss Burg eine hohe Bedeutung zu; denn sie ent-hält das einzige noch aus dem Mittelalter stammende Tor, das bei Errichtung der Johanniterkirche um 1220, vermutlich sogar früher, noch im 12. Jahrhundert entstanden ist.26 Die hier noch nachvollziehba-ren Größenverhältnisse lassen vermuten, dass die oberen Tore, Grabentor und Zwingertor, vielleicht zu groß wiedererrichtet worden sind. Bauausführung eines Geschütz- oder Batterieturms Nachdem dem Schlossbauverein infolge des Enteignungsverfahrens Ende 1913 das Grundstück des Restaurants Sulzbach zugesprochen worden war, begann Arntz sofort mit der Niederlegung der Über-bauung der historischen Fundamente des großen Südturms. Nach den relativ unsicheren Daten der Vergangenheit über die wirkliche Ausdehnung des einstigen Südturms, lagen nun nach Abbruch der Stall und Wirtschaftsgebäude die Grundmauern und die noch aufrecht stehenden Mauerteile zur ge-nauen Vermessung frei. Inmitten der Ruine bekam man erst jetzt einen Eindruck von ihrer Ausdeh-nung und im Gegensatz zu den frühen Ergebnissen Fischers stellte sich heraus, dass hier wirklich ein 25 Der Gewölberaum ist um 1990 abgemauert worden, da dort Deckensteine herabfielen. 26 Weitere Einzelheiten zu diesem Thema im Exkurs. 26 gewaltiger Wehrturm gestanden hatte. Über die Wintermonate 1913/14 stellte Arntz seine Baupläne bis März 1914 fertig, worauf mit dem Wiederaufbau begonnen wurde. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, die politische Wetterlage verfinsterte sich bedrohlich, der Erste Weltkrieg zog herauf. Noch am 25. Juli 1914 fand man sich zur jährlichen Hauptversammlung ein, der letzten vor dem Krieg. Die Grafik des Titelblatts von Dombaumeister Ludwig Arntz zum Festgruß zeigt noch optimistisch die Baustelle des Batterieturms. Die Bauarbeiter auf der Mauerkrone des etwa halbhohen Turms werden über ein hölzernes Aufzugsgerüst mit Material versorgt. Schloss Burg. Der Wiederaufbau des Batterieturms. Einladungsblatt zur Hauptversammlung 1914 von Ludwig Arntz. Archiv Schloss Burg In den Sommermonaten 1914 waren die Arbeiten am Batterieturm in vollem Gange und das Solinger Tageblatt erwähnt den Stand am 27. Juli 1914 in der Hauptversammlung, die vom Vorsitzenden Adolf Werth geleitet wurde. „Herr Dombaumeister Arntz erstattet Bericht über die im Vorjahr ausgeführten und neuerdings ge-planten Arbeiten. Im Vorjahr sei in der Hauptsache ausgeführt worden die äußere Ringmauer, ferner ist das Johannitertor ausgegraben und der Batterieturm in Angriff genommen worden. Die Aufgabe des nächsten Jahres ist die Vollendung des Batterieturms, an dem an der inneren Seite ein kleiner Ausbau erfolgen soll, an dem eine Uhr mit einem Schlagwerk angebracht werden soll. Ferner ist der Bau einer Zuführung zum Johanniterturm von der Südseite aus geplant, sowie der Abschluss des inne-ren Schlosshofs auch nach der Nordseite hin.“27 27 Auszug aus Solinger Tageblatt Nr. 173, 27. Juli 1914, S. 18/2 27 Schloss Burg. Querschnittzeichnung des Batterieturms von Ludwig Arntz 1914. Innendurchmesser und Ausdeh-nung sind Maße des alten Südturms, die von Arntz übernommen wurden. Er plante für die beiden unteren Ge-schosse Kuppelgewölbe, die aber nicht ausgeführt wurden. Archiv Schloss Burg. 28 Schloss Burg. Das Mitteltor und der Batterieturm, Zeichnungen von Ludwig Arntz 1917. Archiv Schloss Burg. Neben der Bautätigkeit ist das Hauptthema die stets prekäre finanzielle Lage des Schlossbauvereins. Die Jahresrechnung ergibt ein Defizit von 33 312 Mark, man hofft aber durch diese schlechte Finanz-lage hindurch zu kommen. Der Etat für 1915/16 wurde mit 40 000 Mark festgesetzt. Auf Vorschlag will man das Jahresfest aufgrund zuletzt flauer Beteiligung vorerst ausfallen lassen. Die plötzliche Mobilmachung und der Kriegsbeginn vereinfachen die Lage nicht. Man möchte aber unter allen Um-ständen den Bau des Turms fertig stellen. Die für den Wiederaufbau von Schloss Burg und auch zuletzt für den Batterieturm benötigten Natur-steine wurden zu einem Teil aus dem Bauschutt zurückgewonnen, der aber größtenteils nur noch aus Geröll bestand. Die besten Steine aus den Ruinen waren im Laufe der Verfallszeit bereits verkauft oder weggeschleppt worden. Neue Steine wurden aus der unmittelbaren Umgebung, bzw. aus mehre-ren Brüchen unterhalb des Schlossberges gewonnen. Nach Angaben des Heimatforschers Franz Breckerfeld ist ein Steinbruch an der ersten Linkskurve der unteren Burgtalstraße zu finden. Auch östlich oberhalb der Burg am Feuerwehrhaus sind Steingruben noch zu erkennen. Ein weiterer Bruch lag am Ende des Steinwegs in Richtung des Diedrichtempels. Der wohl ergiebigste Bruch befand sich am Hang unterhalb des Hauses „In der Straßen“, der über den Eselspfad zu erreichen war. Breckerfeld war auch noch bekannt, dass Vorfahren der Burger Familie Jäger in der Wiederaufbauzeit Spann- und Transportdienste mit Steinmaterial von den Brüchen zur Baustelle durchführten.28 Im Flachland konn-te man auf die damaligen Gespannwagen maximal 2 t (früher als 40 Zentner bezeichnet) laden. Dage-gen war bei den enormen Steigungen um Burg erheblich weniger Ladung, höchstens noch die Hälfte möglich. In Gebrauch waren vielfach zwei- oder vierräderige, bewegliche Kippkarren, die sich schnell entladen ließen. Als Zugtiere setzte man gern Ochsen ein, die nicht so schnell ermüdeten und auch dann noch zogen, wenn Pferde nichts mehr bewegen konnten. Das hohe spezifische Gewicht der Stei-ne ließ eine Ladung optisch gering erscheinen, oftmals ein Streitpunkt zwischen Fuhr- und Bauleuten. Wesentlich weitere Wege waren für das Mörtelmaterial nötig. Sand holte man aus der Rheinebene, sofern Flusssand aus den Wupperbänken nicht zur Verfügung stand. Kalksteine, von Dornap geliefert, wurden vor Ort zu Kalk gebrannt, an der Baustelle eingelöscht und als Sumpfkalk verarbeitet. Erhebli-che Schwierigkeit machte die Beschaffung von Eisen, das weitgehend der Kriegsrüstung vorbehalten war. Bei dem großvolumigen Mauerwerk des Batterieturms war also allein die Bereitstellung des Baumaterials eine besonders zu bewältigende Aufgabe. Hinzu kamen die Probleme der Kriegszeit mit Arbeitskräftemangel und fehlenden Pferden für die Transportaufgaben. Trotz der allgemeinen Be-schränkungen an Arbeitskräften und Material ist der Bau noch 1915 mit dem Aufsetzen des proviso-risch gedeckten hölzernen Kegelhelms und dem Zwerchhaus für die Uhr beendet worden. 28 Freundliche Auskunft von Franz Breckerfeld an die Verfasser Okt. 2011. 29 Schloss Burg. Ansicht der Burganlage von Südosten im Zustand von 1909. Der Bergfried steht fertig, es fehlen noch die Anlage des Grabentors und der Batterieturm. Archiv Schloss Burg. Schloss Burg. Die gleiche Ansicht im Jahre 1917. Grabentor und Batterieturm sind als hervortretende Bauten hinzugekommen. In dieser Form bleibt die Burg bis zum Brand 1920. Archiv Schloss Burg 30 Schloss Burg. Schnitt von Ost nach West durch die Burganlage, Zeichnung von Ludwig Arntz 1917. Arntz macht hier das ausgewogene Größenverhältnis des Batterieturms zum Hochschloss deutlich. Archiv Schloss Burg. In den Jahren zwischen 1914 und 1918 fand keine Generalversammlung des Schlossbauvereins mehr statt. Die Nachrichten über die Bautätigkeiten in Schloss Burg wurden spärlich, da in den Zeitungen die Kriegsberichte alle lokalen Nachrichten zurücktreten lassen. Man traf sich erst am 14. Mai 1918 wieder, um in erster Linie Nachfolger für die inzwischen verstorbenen Mitglieder zu wählen. Nach einer Bestandsaufnahme wandte man sich den zukünftigen Maßnahmen zu: „Dombaumeister Arntz-Köln teilte über die beabsichtigten Bauten mit, dass der Batterieturm im Schlosshof durch einen gedeckten Wehrgang einen künstlerischen Abschluss erhalten soll. Das ange-kaufte Schwippertsche Haus in dem bisher eine Gastwirtschaft war, soll zu einem Wohnhaus im Stil der bergischen Häuser des 18. Jahrhunderts umgebaut werden und dem Museumsleiter als Woh-nung dienen. […] Abgesehen von kleineren Ausbesserungsarbeiten am großen Saalbaudach, wurde im Laufe des Sommers 1917 die noch ausstehende Schieferung des Hofabortdaches und des neuen Wehrgangdaches am Diebsturm ausgeführt. Im Spätherbst 1917 konnte das Kegeldach des Bollwerk-turms samt dem Ostgiebel in Kauber Schiefer fertig eingedeckt werden, doch müsste die geplante Schindeldeckung der Fachwerkaufbauten [am Palas]vorerst noch zurückgestellt bleiben.29 In den Schlossführern von 191830 und 192131 macht Clemen gleich lautende genauere Angaben über den fertig gestellten Batterieturm, der damals Bollwerkturm genannt wurde. „Der Wiederaufbau eines Hauptstückes der Außenwehren des runden Bollwerkturmes, welcher ver-mutlich im Jahre 1648 von der abziehenden Besatzung unter Plettenberg gesprengt worden, ist im Frühjahr 1914 in Arbeit genommen worden. Trotz der schwierigen Verhältnisse gelang es, im folgen-den Frühjahre das stattliche Bauwerk unter Dach zu bringen und damit wenigstens in seiner wehrhaf-ten Erscheinung aus dem Gesamtbilde des Burgbereiches herauszuheben. Der etwa 14 Meter Durch-messer fassende Rundturm ist bei etwa 4 Meter Mauerstärke in zwei Hauptgeschosse und ein Dach-geschoss gegliedert, welche durch eine umlaufende Rampe zu befahren sind; außerdem ist das zweite Geschoss unmittelbar vom Zwingerwehrgang aus zu erreichen. Jedes Hauptgeschoss enthält je drei in der Mauer ausgesparte Geschützkammern mit entsprechenden, weit ausgreifenden Scharten, während das Dachgeschoss fünf Stückpforten in der einwärts gekrümmten Mauerkrone zur Bestreichung des Vorgeländes aufweist. Der Haupteingang ist durch Kleingewehrscharte sowie Schlitz- und Fußscharte besonders gedeckt. Im Mauerwerk des Erdgeschosses ergab sich die Möglichkeit, einen besonderen Backofen auszusparen, während im Dachgeschoss noch eine beheizbare Wachtstube mit darüber be-findlicher Uhrkammer angelegt werden konnte.“ 29 Bericht des Solinger Tageblatts Nr. 112, vom 15. Mai 1918. 30 Paul Clemen, Schloss Burg, Düsseldorf 1918. S.26-27. 31 Paul Clemen, Schloss Burg an der Wupper, Nieder-Rheinischer Verlag, Burg 1921. 31 Schloss Burg. Aufnahme des von Arntz neu errichteten Mitteltors mit Wehrgang von 1912. Rechts die noch vorhandene Ruine des Südturms, die in den Batterieturm integriert wurde. Archiv Schloss Burg Abbildungen vom mittelalterlichen Turm Ein Foto und drei Zeichnungen Ergänzend zur chronologischen Abfolge von Planung und Entstehung des Batterieturms dokumentie-ren verschiedene Abbildungen das Vorhandensein einer Turmruine, bevor sie in den Wiederaufbau integriert wurde. Es handelte sich damals um eine fast noch halbe Rundung des Turms, die sich über mehr als 10 Meter Länge aufrecht stehend erstreckte. Zur Lokalisierung der Mauerfugen ist die östli-che Abbruchkante über dem heutigen Eingangsportal zu suchen, das Arntz schon frühzeitig mit einem Renaissance-Rundbogen versehen hatte. Die historische Turmrundung verläuft dann zur Südwestseite wo sie dann endet. Mit etwa 8 Metern war auch die Höhe der Ruine noch recht beachtlich, wie auch die Stärke der Mauer von 4 Metern. Die Fotografie der Ruine des Südturms Von der ursprünglichen Situation findet sich in der Festschrift von 191232 eine Abbildung des damali-gen Platzes vor dem südlichen Palasgebäude mit Blick auf die schmucke neue Restaurantterrasse. Unmittelbar daran lehnt sich das neu errichtete Zwingertor (später Mitteltor) mit seinem Wehrgang, der rechts an einem älteren Gemäuer endet. Auch eine frisch gezogene halbhohe Mauer stößt an das besagte Gemäuer, dessen Mauermasse altersschwarz und verwittert ist. Mit seiner Rundung ist sie leicht als Rest eines alten Turms erkennbar, der noch etwa die Höhe vom First des Wehrgangs er-reicht. Er besteht aus Bruch- und Hausteinen, die nach Anschein auf dem Foto in relativ regelmäßigem Fugenbild mit einer Sockellinie aufgemauert sind. Dieser Eindruck einer gleichmäßigen Mauerung ist 32 Adolf Werth, Festschrift 25 Jahre Schlossbauverein, Barmen 1912. S. 83. 32 am heutigen Turm nur schwer wiederzufinden.33 Die Fotografie beweist aber, dass 1912 noch Reste eines Vorgängerturms vorhanden waren, das Bauprojekt also als Wiederaufbau eines historischen Turms am angestammten Platz erfolgen sollte. Das Foto zeigt im Winkel der Ruine zum Wehrgang auch ein in Bossen gefasstes Rundbogenportal, eine Neuschöpfung von Ludwig Arntz, mit der er seine Absicht zur Errichtung eines Renaissancebauwerks erkennen ließ. Schloss Burg. Blick vom Tor des Palas auf das noch frei stehende Caféhaus Sulzbach mit der Ruine des mittelalterlichen Südturms. Kohlezeichnung von Ernst Stahl 1911. Archiv Schloss Burg. Drei Zeichnungen der Ruine von Ernst Stahl Ernst Stahl,34 Architekt aus Düsseldorf, Burgen- und Jugendherbergsbauer und passionierter Zeichner, machte 1907 und 1908, also noch vor der Zeit von Ludwig Arntz, eine Reihe stimmungsvoller Feder-zeichnungen vom wiederaufgebauten Schloss Burg. In der Art von Radierungen sind diese Bilder im Führer von Schloss Burg 1912 von Professor Paul Clemen veröffentlicht worden. Im Jahre 1911, vermutlich noch zur Jahreswende 1910/11, fertigte Stahl drei Kohlezeichnungen von der alten Turmruine vor dem Palas an und unterschrieb sie jeweils mit der Zeile: „SCHLOSS BURG A.D.W. ES WAR EINMAL IM JAHR 1911 DER BATTERIETURM“ Die Zeichnungen Stahls ergänzen sehr anschaulich von drei Seiten das einzelne Foto aus der Fest-schrift und dokumentieren die Ruine kurz vor dem bevorstehenden Wiederaufbau mit seinen Verände-rungen. 33 Ein gleichmäßiger Steinverband ist selten in Burg und scheint auf eine präzise und qualitätvolle Mauerung zurückzugehen, als mit wesentlich mehr Zeitaufwand gebaut wurde. In späterer Zeit gab man infolge der ständig fortschreitenden Angriffstechnik eine zeitraubende Steinbearbeitung auf und errichtete die Mauern im sogenann-ten wilden Bruchsteinverband. 34 Ernst Stahl, (1882-1957) Architekt, in München, Wiesbaden, Bonn Düsseldorf, Trier und Krakau, war ver-schiedentlich in Schloss Burg tätig. Siehe auch im Exkurs. 33 Schloss Burg. Ansicht der Ruine des Südturms von Süd-West. Kohlezeichnung von Stahl 1911. Archiv Schloss Burg Schloss Burg. Blick in die Turmruine mit ihrer Überbauung von Süden. Kohlezeichnung von Stahl 1911. Archiv Schloss Burg 34 Ansicht von Norden Die drei Kohlezeichnungen sind von Ernst Stahl 1911 signiert und datiert, entstanden also noch vor dem Bau des Mitteltores mit seinem Wehrgang. Auch sie bezeugen die Ruine eines Vorgängerturms auf dem Platz des späteren Batterieturms. Entsprechend der damaligen Situation zeigt die erste An-sicht, von der Nordwestecke des Palas aufgenommen, den damals relativ weiten Platz mit seiner Be-bauung am südlichen Ende. Links steht noch unverdeckt vom späteren Wehrgang das Café Sulzbach, ein zweistöckiger Fachwerkbau. Vor dessen zurückliegenden Stall- oder Nebengebäude erhebt sich der Rest einer Turmrundung aus Bruchstein. Rechts daneben ist im Hintergrund eine heute noch vor-handene Fachwerkbebauung zu sehen. Das in der Mitte stehende ruinöse Turmgemäuer besteht aus einem Kreisabschnitt, der links – also östlich - mit einer senkrechten Abbruchkante beginnt und des-sen Rundung sich dann nach rechts, auf der Zeichnung das Ende nicht mehr sichtbar, fortsetzt. Das Mauerwerk erreicht fast noch die Höhe des Fachwerkhauses, seine Oberkante ist zerborsten und mit Bewuchs bedeckt. Im Obergeschoss der Ruine befindet sich eine hochrechteckige Öffnung, die wohl als aufgebrochene Schießscharte anzusehen ist. Ein Zugang oder gar ein in Werkstein gefasstes Rund-bogenportal, wie auf der Fotografie von 1912 abgebildet, ist auf der Zeichnung nicht auszumachen. Ernst Stahl, als Baumeister und Architekt ein akribischer Zeichner, hätte dieses Portal mit Sicherheit eingezeichnet, wenn es zu dieser Zeit schon vorhanden gewesen wäre. Ansicht von Westen Mit der zweiten Ansicht umrundet der Zeichner das Objekt nach Westen und macht deutlich, dass von dem alten Zentralbau noch über ein Drittel der aufgehenden Mauerrundung vorhanden ist. Der Blick geht jetzt auf die Nord-Westseite bis an die westliche Abbruchkante der Turmruine und auf die Rück-seite eines Stallgebäudes, das dicht angebaut ist. Am oberen Turmstumpf ist wiederum ein Mauer-schlitz zu sehen, der eindeutig als Schießscharte zu erkennen ist. Diese Scharte ist aber keine Öffnung für Feuerwaffen, da ihre engste Stelle bündig in der Maueroberfläche liegt. Zusammen mit der vorge-nannten aufgebrochenen Scharte wird sie für Armbrustwaffen vorgesehen gewesen sein. Ansicht von Süden Auch die dritte Zeichnung, mit der Ernst Stahl den Turmrest mit Gebäudegruppe von Süden aufge-nommen hat, spricht für ein wesentlich älteres Bauwerk. Hier ist das Stallgebäude des Vorbesitzers aus Ziegel mit Fachwerkoberteil, Pultdach und Aufzugsluke von seiner Zugangsseite zu sehen. Es stellt sich quer in das ehemalige Rund des aufgebrochenen Turms und ermöglicht gerade noch einen knappen Blick in das Turminnere. Rechts ist in dem alten Gemäuer das Rundbogengewölbe einer grö-ßeren Mauernische erkennbar, in die von der anderen Seite Licht einfällt. Diese Nische entspricht der Stellung der vorgenannten aufgebrochenen Schießscharte. Der Größe nach zu urteilen, dürfte es eine Schießkammer gewesen sein, die gerade Platz für einen Armbrustschützen mit einem Helfer bot. Sowohl die Zeichnungen von Ernst Stahl wie auch die Fotografie von 1912 zeigen uns eine Turmruine mit geschlossener Außenmauer. Abgesehen von den beiden kleinen Scharten im Obergeschoss sind keine weiteren Öffnungen auch nur andeutungsweise oder vermauert in der Außenhaut zu erkennen. Das absolute Fehlen großer Geschützscharten wirft die Frage auf, ob in diesem Turm jemals eine Ka-none gestanden hat. Damit verbindet sich auch die kritische Frage nach dem wirklichen Alter des Turms, dessen Entstehung Arntz und Clemen ins 16. Jahrhundert, der Zeit des Herzogs Johann Wil-helm verweisen.35 Nach dieser Vorstellung hat Arntz das Bauwerk bei der Wiedererrichtung auch mit großen Kanonenscharten versehen und sechs davon sogar in das alte Mauerwerk einbrechen lassen. Dagegen zeigen die alten Abbildungen eine im Untergeschoss geschlossene Bauweise und schmale Schießscharten im Obergeschoss. Diese Konstellation lässt eher auf ein Bauwerk schließen, das we-sentlich älter gewesen sein muss und zumindest im unteren Bereich auf die Verwendung von Pul-verwaffen nicht eingerichtet war. 35 Johann Wilhelm Herzog von Berg 1592-1609. 35 Schloss Burg. Blick auf die Mauerteile des alten Südturms im Inneren des Batterieturms. In der mittleren Wand-zone sind die vermauerten Bogen der ehemaligen Schießkammern für Armbrustschützen zu erkennen. Die unteren und oberen Nischen sind 1914 aus dem alten Mauerwerk herausgebrochen worden. Aufnahme der Verfasser 2011 Sichtbare Mauerreste im Inneren des Batterieturms Den Eindruck der Stahlschen Zeichnungen bestätigen auch die Spuren im Innenraum des heutigen Batterieturms. Der sanierungsbedürftige Zustand des zylindrischen Innenraums wird interessanter-weise im Bereich des sichtbar verbliebenen mittelalterlichen Mauerrestes besonders deutlich. Hier ist unter abblätterndem dünnen Putz- und Kalkschichten der Bogen der auf der Zeichnung Stahls erschei-nenden Schießkammer auszumachen. Gleich links daneben werden zwei weitere Bogen sichtbar, von denen einer in die Kammer der zweiten auf der Außenansicht erkennbaren Schießscharte führte. Alle drei Nischenbogen sind beim Bau zum Batterieturm vermauert worden. Ob dabei auch die dahinter liegenden Räume massiv zugesetzt wurden oder sich dort noch Hohlräume befinden, erschließt sich uns derzeit nicht. Deutlich wird aber, dass Arntz das darüber liegende alte Mauerwerk durchbrechen ließ, um den konzentrischen Aufgang im Turmmauerwerk weiterzuführen. Der Gang, sonst 1.50 m breit, verengt sich im Bereich des alten Mauerwerks über eine Länge von 10 m auf nur 70 cm. Außer-dem sind hier zwei Schießkammern ausgebrochen worden. Auch die im Erdgeschoss vorhandenen großen Schießkammern sind beim Neubau des Turms auf diese Art entstanden. Sie sind nicht ur-sprünglich; denn an den sehr flachen Segmentbogendecken ist zu erkennen, dass sie nicht als Bogen-gewölbe gemauert sind, sondern mithilfe von Beton ausgeformt wurden. Nur ihre zum Innenraum zeigenden Kanten sind als gemauerte Bögen ausgeführt. Das Turmerdgeschoss war ursprünglich ein geschlossenes, gewölbtes Gelass oder Verließ ohne jegliche Schießscharten oder Öffnungen nach au-ßen. Auch der Eingang in den Turm dürfte sich nicht im Erdgeschoss, sonder aus Sicherheitsgründen erst darüber, im 1. Obergeschoss befunden haben. Zumeist erfolgte dort der Zugang zum Verließ durch eine Öffnung im Fußboden. Die Türme vor Verbreitung der Feuerwaffen hatten keine Schieß-kammern zu ebener Erde,36 sondern erst in den oberen Geschossen. Je höher die Armbrustschützen in einem mittelalterlichen Verteidigungsturm standen, umso wirkungsvoller war ihre Abwehr. 36 Otto Piper, Burgenkunde, S. 335. 36 Schloss Burg. Blick vom Dachraum 12 m tief in das Innere des Batterieturms. Der Innendurchmesser ist vom alten Südturm übernommen worden. Aufnahme der Verfasser 2011. Abmessungen und Beschreibung des Batterieturms Arntz bezog die noch bedeutenden Mauerteile in seinen Neubau ein und veränderte oder ergänzte sie für sein Konzept zu einem mehrstöckigen Kanonenturm. Durch die noch etwa acht Meter hoch aufra-gende Ruine des mittelalterlichen Südturms war der äußere Durchmesser von 14 Metern vorgegeben. Ebenso wurde der innere lichte Durchmesser von 5.70 Meter übernommen, wodurch das neue Bau-werk wieder rundum eine Mauerstärke von über 4 Metern erhielt. Durch die Erhöhung auf 9,8o Meter bis zum Cordonstein und weiter auf 12 Meter mit der darüber liegenden, nach innen abgerundeten Mauerkrone bekam er die charakteristische Massigkeit seiner Proportionen. Das 2. Obergeschoss mit seiner oben offenen Wehrplatte und den eingeschnittenen großen Scharten wurde durch den aufgesetz-ten kegelförmigen Helm von ca. 8 Metern Höhe abgedeckt. Damit erreicht der Turm bis zum Helm-knauf an der Spitze eine Höhe von 20 Metern. Das Außenmauerwerk wird durch den Cordonstein, einem unterhalb des Turmobergeschosses umlaufenden Rundstabgurt aus Basaltlava, waagerecht ge-gliedert. Außerdem fügte Arntz dem sonst schlicht und abweisend wirkenden Gemäuer ein schmuckes Portal mit einem Rundbogen aus Bossensteinen hinzu. Leider ist dies aus unerfindlichem Grund 1950 entfernt worden. Senkrecht darüber, in fester Beziehung dazu, ließ er zur Abwehr an der Wehrplatte ein Gussloch in Form eines Maskarons einsetzen. Die fast mannsgroße Bildhauerarbeit aus einem Stein ist eine Inspiration aus der Renaissancekunst und gibt dem Gebäude glaubhaft das „gewisse Et-was“. 37 Das Innere des Turms besteht aus einem zylinderförmigen Raum der über 10 Meter frei nach oben geht und ohne Abschluss den Blick bis in das Dachwerk gehen lässt. Im Erdgeschoss gelangt man vom Innenraum direkt in die unteren Schießkammern, während die oberen Geschosse über einen Treppenaufgang mit unregelmäßig angelegten Stufen zu erreichen sind. Wie ein Wendelgang umrun- 37Maske oder fratzenhaftes Gesicht, Schreckgesicht, das Unheil abwenden soll. Ein sehr ähnlicher Maskaron von 1561 findet sich als Tor im Garten der Villa Orsini in Bomarzo / Italien. 37 Schloss Burg. Das Uhrenzwerchhaus mit Zifferblatt und Stundenglocke am Obergeschoss des Batterieturms, darunter die drei Fenster der beheizbaren Wächterstube. Aufnahme der Verfasser 2011 det er in dem 4 Meter starken Mauerwerk den Innenraum und geht in zwei Halb-Windungen nach oben zu den Schießkammern im ersten und auf die Wehrplatte im zweiten Obergeschoss. Diese von Clemen bezeichnete Rampe beginnt unmittelbar auf der linken Seite des Turmeingangs und ist in der Turmmauer mit 1,5 Metern so breit angelegt, dass darüber ein Geschütz nach oben transportiert wer-den kann. Diese Möglichkeit wird aber im ersten Obergeschoss unterbrochen; denn hier stellt sich das einst geschlossene Mauerwerk der integrierten Turmruine in den Weg. Das Hindernis ist mit einem nur 70 Zentimeter breiten Gang über 10 Meter Länge durchbrochen worden, danach setzt sich der Aufgang in voller Breite fort. Auf dieser Höhe hatte Arntz ursprünglich den Einbau einer geschlosse-nen Plattform im Turminneren geplant, ebenso in Höhe der Wehrplatte im Obergeschoss.38 Dazu sah er in seiner Bauzeichnung vom 6.4.1914 im Erdgeschoss eine Kuppel mit breiten Rippen auf Krag-steinen, sowie im 1. Geschoss eine glatte Kuppel als tragende Decken vor. Im Scheitelpunkt der Ge-wölbe zeichnete er jeweils eine Ringöffnung von 60 cm Durchmesser ein, die mit einer Abdeckung verschlossen werden konnte und der Belüftung des Turms und als Aufzugsöffnung dienen sollte. Die geplante Einwölbung in Einzelgeschosse ist nicht ausgeführt worden, das Innere des Batterieturms verblieb nach seiner Errichtung im Rohzustand. Im Plan des Ausbaus von 1950 zu einer Gedenkstätte, sollte der Innenraum in Höhe des Obergeschosses schließlich eine Kuppel erhalten, aber auch diese wurde nicht ausgeführt. Nicht nur das Turminnere blieb zum Dachstuhl offen, sondern auch der Dach-überstand unter der Traufe war nicht verschlossen. Durch die Form der nach innen abgerundeten Mau-erkrone drückte der Wind ungehindert Regen- und Schneefall in das Innere des Turms und sorgte für 38 Otto Piper, Burgenkunde, a.a.O. S. 254 ff. 38 eine ständige Durchfeuchtung und Schädigung des Mauerwerks. Wind, Wetter und Staub zogen unge-hindert ins Turminnere und wirkten sich sehr nachteilig für das Innenklima und für die Sauberkeit des Gebäudes aus. Bei der letzten Instandsetzung von 2010 wurde das Mauerwerk über dem Cordonstein saniert, die Dachtraufe mit einer Regenrinne versehen und die Unterseite des Dachüberstands bis auf die Belassung von Lüftungsschlitzen geschlossen.39 Die Uhrenseite des Batterieturms Arntz baute sein Werk nach drei Seiten als Verteidigungsturm. Die vierte Seite, zum Palas gerichtet und im Blickfeld beim Betreten der Burg, konzipierte er gefällig als Uhrenturm. Dazu ließ er aus dem Helmkegel ein großes Zwerchhaus heraustreten, deren Mauervorkragung kurz unterhalb des Cor-dongurtes ansetzt. Auf seiner Entwurfszeichnung „ Schaubild von Norden“ vom 6.4.1914 hatte Arntz als Vorkragung einen tief ansetzenden großen Bogen geplant, der mit dem Bogen des Mitteltors kor-respondieren sollte. Die Ausführung geschah dann aber in wesentlich einfacherer Form mit wenigen Kragsteinen unterhalb des Gurtgesimses. Darüber steigt die Giebelfront als Wächterstube mit drei Fenstern auf und wird in verschieferter Fachwerkbauweise mit der Uhrenkammer fortgeführt. Das Ergebnis ist eine großflächige Giebelwand, in dessen unterer Hälfte sich das quadratische Zifferblatt in weißer Grundfarbe befindet, darauf die schwarz aufgemalten arabischen Zahlen. In den oberen Ecken zwei Wappenschilde, links ein Löwe, rechts zwei gekreuzte Haken. In den unteren beiden Ecken die Jahreszahl: A D MCM XIX (1919). Die beiden filigranen Zeiger für Stunden und Minuten sind formschön aus Schmiedeeisen gearbeitet und auf dem Blatt mit einer roten Sonne hinterlegt. Über dem Zifferblatt, unterhalb der Giebelspitze sitzt an einem Kragbalken die Uhrenglocke für Halb- und Vollstundenschlag. Die kleine, etwa 30 cm hohe Bronzeglocke stammt aus dem Dachreiter der 1830 abgerissenen kleinen Muttergotteskapelle in Oberburg. Diese war im 18. Jahrhundert durch eine private Stiftung erbaut worden und mit einem Vikariat verbunden.40 Die wohlklingende Glocke ist mit einem hübschen Ornament geziert und hat die Inschrift: M(aria), JAKOB HILDEN VON KOELLEN GOSS MICH, 1779. Das mechanische Uhrwerk und sein Hersteller Im massiven unteren Uhrenzwerchhaus befindet sich die mit einem Kamin beheizbare stimmungsvolle Wächterstube. Darüber ist die Uhrenkammer, ein relativ großer, bis ins Dach reichender Raum, in dessen Mitte das durchfensterte Gehäuse der mechanischen Uhr steht. Nach den Angaben auf dem Zifferblatt ist das Uhrwerk im Jahr 1919 eingebaut worden. Stahlwellen, Zahnräder und Lager aus Messing oder Bronze waren kriegswichtiges Material und deshalb erst nach dem Ersten Weltkrieg wieder frei verfügbar. Als Hersteller nennen die in Burg in der Vergangenheit tätig gewesenen Uhr-macher die Firma Paul Vortmann, Großuhrenfabrik in Recklinghausen. Rahmenform, bestimmte Bau-teile der Uhr und ihre Anordnung weisen auf Vortmann, auch wenn eine Herstellermarke weder auf dem Gehäuse noch auf dem Uhrenrahmen zu finden ist. Das Werk ist von einer Seite des Glaskastens mittels einer großen Tür zugänglich, damit es aufgezogen und gestellt werden kann. Auch die anderen Fenster lassen sich ringsum herausnehmen, so dass man an alle Teile gelangen kann. Links befindet sich das Gehwerk für die Zeitanzeige, das mittels Hebel und Gestänge mit dem Läutwerk rechts für Halb- und Vollstundenschlag verbunden ist. In der nächtlichen Ruhezeit von 22-6 Uhr setzt der Glo-ckenschlag aus. Alle beweglichen Teile sind in Bronze gearbeitet, die in Laufbuchsen in den gegosse-nen Eisenrahmen gelagert sind. Die für den Antrieb der beiden Werke erforderlichen Seilgewichte von jeweils ca.100 kg bewegen sich normalerweise im Mauerwerk in zwei bis nach unten auf den Erdbo-den reichenden Schächten. Dombaumeister Arntz hatte diese beiden senkrechten Kanäle beim Bau des Turms speziell für das Uhrwerk vorsehen lassen. Ein Schacht geht rechts von der Uhrenstube, der andere links davon senkrecht nach unten. Im Erdgeschoss sind die unteren Meter offen, so dass die Zuggewichte rechtzeitig vor dem Stillstand des Uhrwerks gesehen werden konnten. Die Länge des als Schlaufe geführten Zugseils über eine Fallhöhe von ca. 12 Metern ließ eine Gangzeit der Uhr von 1 39 Freundlicher Hinweis vom leitenden Architekten Herrn Dr. Stannek. 40 Rudolf Roth, Schloss Burg seine Geschichte in chronologischer Form, Burg 1922. 39 Schloss Burg. Uhr im Batterieturm. Links das geöffnete Gehäuse, rechts die Vorderseite des Uhrwerks. Aufnahme der Verfasser 2011 Woche zu, dann mussten die länglichen Bleigewichte wieder hochgezogen werden.41 Bis etwa 2005 ist die Uhr noch in Betrieb gewesen, dann häuften sich die Reparaturen und man ließ sie stehen. Die nunmehr 90 Jahre alte Anlage ist danach nicht mehr gewartet worden, entsprechend sind die Laufsei-ten der Zahnräder wie auch die Wellenlager völlig trocken. Das Zeigergetriebe auf der Achse direkt hinter dem Zifferblatt ist verrostet und scheint nicht mehr gängig. Bei der Instandsetzung des Turmoberteils im Jahre 2010 wurde der Turmhelm zum Schutz der Mauer-krone vor Traufwasser mit einer Regenrinne versehen. Auf Wunsch der Denkmalpflege sind die Fall-rohre für das Regenwasser aber nicht außenwandig angebracht, sondern durch die Gewichtsschächte der Uhr nach unten verlegt worden, wo dann das Regenwasser durch zwei gebohrte Kanäle nach drau-ßen abgeleitet wird. Außerdem waren bereits vorher schon elektrische Kabel durch die Schächte ver-legt worden. Die Zugseile für das Uhrwerk sind herausgezogen, die länglichen Gewichte verlegt. Da-mit ist die alte Uhr endgültig stillgelegt. Die Entscheidungen von 2010 wurden aus optischen und aus Kostengründen gefällt, solange aber das Großuhrwerk nicht zur Verschrottung entfernt wird, ist eine Wiederherstellung der mechanischen Anlage zukünftig noch möglich. Angesichts der Tatsache, dass fast alle Uhren an Kirchen oder öffentlichen Gebäuden heute durch elektrische Gangwerke ersetzt worden sind, kommt der Uhr von Schloss Burg besondere Bedeutung zu. Sie ist eine der ganz wenigen mechanischen Großuhren, die es in der Region noch gibt. Dadurch wird sie zum Beispiel eines Präzi-sionswerks, das aus den reichen Erfahrungen der Mechanik des ausgehenden 19. Jahrhunderts hervor-gegangen ist. Nach der Instandsetzung des Batterieturms 2010 sorgte der Verschönerungsverein von Burg dafür, dass seit November 2011 ein elektrisches Werk Uhrenzeiger und Glockenschlag bewegt. 41 Freundliche Auskunft von Frau Molina-Garcia, die als Kind ihren Großvater oft bei dieser Tätigkeit begleitete. 40 Schloss Burg. Blick vom Johanniterturm über den Pfarrgarten zum Batterieturm. In dieser Richtung wird vermutlich einst die „Burgstraße“ verlaufen sein. Aufnahme der Verfasser 2011 Entstehung und Bedeutung des mittelalterlichen Südturms Dombaumeister Arntz und der Landeskonservator Paul Clemen waren der Überzeugung, dass der Süd-turm ein Bauwerk des 16. Jahrhunderts war. Clemen hielt diese Ansicht in den Führern durch Schloss Burg von 1912 und 1918 fest und die Fachliteratur folgte dieser Ansicht.42 „Es lag nahe, dieses Tor und die Verbindungsmauer wieder herzustellen und im Anschluss an den Turm, der wohl Ende des 16. Jahrhunderts unter dem letzten bergischen Herzog Johann Wilhelm sei-nen Ausbau gefunden hatte, die Formen der Spätrenaissance und des beginnenden Barocks zu wäh-len.“ In typisch gedrungener Form der späten Wehrbauten, dem Einbau von Geschützstellungen auf allen Etagen und einer im Mauerwerk aufsteigenden Rampe gestaltete Arntz seinen Geschützturm so, dass er Ende des 16. Jahrhunderts als Renaissancebauwerk entstanden sein könnte. Es ist aber nicht sicher, ob diese Festlegung richtig war, denn bestimmte Anzeichen an der Turmruine, wie auch im Kontext dazu die Politik der Bergischen Grafen, verweisen auf einen wesentlich älteren Bau. Weder auf der Fotografie von 1912 noch auf den Kohlezeichnungen Stahls sind an der Turmruine Kanonenscharten zu erkennen. Auch Vermauerungen solcher Öffnungen finden sich nicht. An der Ruine war ersichtlich, dass das Untergeschoss nach Art alter Türme ganz geschlossen war und sich darüber rundum Schießstellungen für Armbrustschützen befanden. Die Turmwände waren 4 Meter dick massiv hochgemauert und gingen auch über den Armbruststellungen in dieser Stärke weiter. Alle diese Anzeichen eines frühen Turmes machen die tiefgreifenden Veränderungen unverständlich, die 42 Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland, Darmstadt 1967, S. 110. 41 Schloss Burg. Plankarte der Burganlage von Arntz 1917. Arntz hat bereits südlich in der Flucht des Johanniterto-res den Kreis eines weiteren großen Turms eingeplant, wahrscheinlich als Gegenstück zum Batterieturm. Archiv Schloss Burg Arntz an den verbliebenen Teilen vornehmen ließ. Mit dem Bau eines reinen Geschützturms ignorierte er die historischen Gegebenheiten und vervollständigte das Bauwerk nach eigenen Vorstellungen. Bei der Konzipierung haben diverse Vorbilder nachgewirkt, die auf den Burgen Münzenberg und Blan-kenberg aber auch den Städten Büdingen (Jerusalemer Tor von 1503) und Nördlingen zu suchen sind. Die Stadttore von Nördlingen zeigen die wehrtechnisch bedingte Abrundung des Turmobergeschosses mit seinen ausgeschnittenen Scharten. Hier waren es Umbauten älterer Befestigungstürme, die nur im Obergeschoss mit Geschützen ausgerüstet wurden. Dagegen ist auf der tiefliegenden Westecke der Burg Münzenberg ein allein stehender reiner Geschützsturm zu finden, der um 1500 erbaut wurde43. Auch der in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene Batterieturm auf der Burg Blankenberg44 nahm Arntz als Vorbild. Beide Orte zeigen aber Beispiele, die jünger und moderner ausgeführt waren als der ursprüngliche Südturm auf Schloss Burg. Ebenso wie sich der einstige Südturm von Burg gegenüber seinen jüngeren Brüdern relativ rückstän-dig zeigt, wird es fraglich, ob der von Clemen genannte Landesherr Johann Wilhelm (1592-1609) den Turm noch in Auftrag gegeben hat. Zu seiner Zeit legte man Festungswerke anders an, wie Stadt und 43 Magnus Backes/Hans Feldtkeller, Hessen, Belser Kunstwanderungen, Stuttgart-Zürich 1962, S.111,87. 44 Dehio – Rheinland, Darmstadt 1967, S. 234. 42 Zitadelle von Jülich zeigen.45 Der Herzog, der tragischerweise früh in geistige Umnachtung fiel, über-nahm einen Regierungssitz, der sich schon seit 200 Jahren in Düsseldorf befand. Der militärische Wert seiner mittelalterlichen Burg war nur noch gering und Johann Wilhelm dürfte kaum noch an einer kostenintensiven Modernisierung einer Festung Schloss Burg Interesse gehabt haben. Deren neuralgi-scher Punkt lag inzwischen am Halsgraben an der Ostseite der Burg; denn die Schildmauer gewährte zu dieser Zeit schon längst keinen Schutz mehr. Auf der Anhöhe über dem Halsgraben konnten mau-erbrechende Kanonen in Stellung gebracht werden und diese bequeme Angriffsmöglichkeit wurde später, im Dreißigjährigen Krieg auch ausgenutzt. Die fremden Besatzungen der Burg wechselten ohne große Mühen mehrfach. Der Batterieturm auf der Westseite des Schlosses spielte dabei keine Rolle mehr. Der Bau des Südturms in Schloss Burg wird über die zeitliche Entwicklung der Waffentechnik zu erklären sein. Die Entwicklung und Verbreitung von Pulvergeschützen begann in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.46 Dabei ist an eine sehr langsame, schrittweise Fortentwicklung dieser Waffen-technik zu denken, wobei gleichzeitig die herkömmlichen Belagerungsmaschinen wie Steinschleudern oder Bliden weiter verwendet wurden. Vor allem blieb die Einzelbewaffnung noch lange Zeit bei Armbrust und Langbogen. Nach Piper wurden zur Mitte des 15. Jahrhunderts Verteidigungswerke an Burgen und Städten gleichzeitig mit Armbrüsten und Schießrohren versorgt. „Tatsache ist, dass noch zum Ende des 16. Jahrhunderts die Handfeuerwaffen (für) den alten Bogenwaffen an Brauchbarkeit nicht gleichkommend gehalten wurden“.47 Es gab zunächst nur schwere, unhandliche Eisenkanonen, die zudem sehr unsicher in der Handhabung waren. Da man sie kaum transportieren konnte, sind sie zunächst nur stationär in den Burgen einge-setzt worden. Piper erwähnt in seiner Burgenkunde den Kriegswissenschaftler Köhler,48 „…dass die Burgherren vielerorts die Dächer vorhandener Türme entfernten um dort Kanonen aufzustellen.“ An-dere Autoren schreiben sogar von abnehmbaren Dachwerken für den Verteidigungsfall.49 Doch diese Beispiele ließen bei Piper Zweifel aufkommen, da die betreffenden Dächer nach Augenschein sehr schwer waren und keine Anzeichen zum einfachen Abbau aufwiesen. So wie viele Stadtwappen Stadt-tore ohne Dächer zeigen, wurden auf den oben offenen Türmen Geschütze aufgestellt; denn zumeist waren die Flächen mit Gefälle und Regenabläufen versehen. Die Geschütze zog man außen hoch und brachte sie auf der regenfesten Plattform in Stellung. Hier war Platz für Laden, Abfeuern, dem starken kaum zu beherrschenden Rückschlag und geringere Selbstzerstörungen durch Rohrkrepierer zu be-fürchten. Der Höhenluftzug verwehte den schweren Pulverrauch beim Abfeuern und verstärkte danach die nötige Abkühlung der Kanonen. Fraglich blieb dabei allerdings, wie lange die schlanken, nach oben hin immer leichter gebauten gotischen Türme diesen Beanspruchungen standhielten. Der Süd-turm auf Schloss Burg bot dagegen mit vier Metern Mauerstärke über mehrere Stockwerke einen soli-den Unterbau für eine große Wehrplatte mit ihrer Bestückung. Zur Eingrenzung der Entstehungszeit des Südturms könnte am Beispiel des Batterieturms von Blan-kenberg der Schlüssel für weitere Folgerungen liegen. Wilhelm II. Graf von Berg und Ravensberg (1360-1408) erwarb 1363 Burg, Stadt und Land Blankenberg und verschuldete sich dabei so sehr, dass er den erst durch seinen Vater erworbenen Fronhof Solingen an das Kloster Altenberg verkaufen musste.50 Um Blankenberg halten zu können, verkaufte er 1368 sogar den einträglichen Rheinzoll zu Kaiserswerth. Große Investitionen in die Burg Blankenberg dürften demnach wahrscheinlich erst durch die Nachfolger Wilhelms II. getätigt worden sein.51 Entsprechend entstand dort erst etwa 80 Jahre später – Mitte des 15. Jahrhunderts– ein Batterieturm, der im Gegensatz zu dem ganz einfachen, 45 Jülich ist nach 1547 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts von Alessandro und Maximiliano Pasqualini sowie dem Meister Johann zur Festung ausgebaut worden. 46 Otto Piper, Burgenkunde, 3. Aufl. München 1912. S. 401f. 47 Piper, Burgenkunde, S.408, beruft sich auf Nachweise bei Jähn, Kriegswaffen I, 664. 48 G. Köhler, Generalmajor, Die Entwicklung des Kriegswesens und der Kriegsführung in der Ritterzeit, 3. Band, Breslau 1887, S. 64. Piper, Burgenkunde S.408f. 49 Durm, Die Kunstdenkmäler Badens I. S. 416. 50 Axel Kolodziej, Herzog Wilhelm I. von Berg 1380-1408. Neustadt /Aisch 2005. S. 10, 26ff 51 Herzog Gerhard I. (1437-1475) oder Herzog Wilhelm II. (1475-1511). 43 Schloss Burg. Der Batterieturm vor 1950, dem Zeitpunkt seiner Umgestaltung zur Gedenkstätte. Archiv Schloss Burg massiven Südturm von Schloss Burg mit einem ausgeklügelten Innensystem gebaut und in jedem Stockwerk mit Kanonen bestückt war.52 Wie verhielt es sich aber an seinem Stammsitz Burg an der Wupper? Hier könnten sich Graf Wilhelm II. oder bereits früher sein Vater Gerhard I. um wehrtechnische Neuerungen bemüht haben. Gerade zu ihrer Zeit fanden Pulverwaffen Einzug in die Angriffs- und Abwehrtechnik und machten die sonst sicheren Burgen plötzlich verwundbar. Wilhelm II. war der letzte Graf, der seinen Regierungssitz noch ganz in Burg hatte, bevor er nach Verleihung des Herzogstitels Düsseldorf zu seiner Hauptstadt aus-baute. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfte man sich im Hochschloss von Burg noch hinter der hohen östli-chen Schildmauer sicher gefühlt haben. Eher sah man den nach Westen noch ganz freistehenden Palas gefährdet; denn die aufkommenden Pulvergeschütze mit wesentlich größerer Reichweite und Durch-schlagskraft konnten die völlig offen liegende Fassade des Wohnbaues bedrohen. Wie frei und an-greifbar der Palas ursprünglich war, ist mit dem Blick auf seine Westseite von Solingen her nachvoll-ziehbar. Vermutlich sah einer der beiden Landesherren des 14. Jahrhunderts, Gerhard oder Wilhelm diese Gefahrensituation und ließ deshalb schon früh den Südturm als Schutz für ihren Wohnsitz er-bauen. Dabei entstand ein sehr massiver Turm, dessen Mauerstärke die des Bergfrieds bei weitem übertraf, um vermutlich im Obergeschoß auf der Wehrplatte Kanonen aufstellen zu können. Nach den Anzeichen der Ruine war er ein Vorläufer der genannten Batterietürme von Blankenberg und Münzenberg, war unten ganz geschlossen und hatte im ersten Geschoss Stellungen für Armbrust-schützen. Aus verschiedenen Gründen nahm man nur auf der oben offenen Wehrplatte die Aufstellung von Geschützen vor. Zu diesem Zweck war der Turm mit vier Metern Mauerstärke besonders stabil 52 Dehio, Rheinland, Burg Blankenberg, S.234. Günter, Kunstreiseführer Rheinland, S147 ff. 44 gebaut und wirkte mit seiner oberen Bestückung sicherlich weithin abschreckend. Nicht von ungefähr hat man auch heute den Eindruck, dass der Batterieturm wie ein Wächter schützend vor dem Palas steht. Im Rückblick auf die Geschichte, dürfte der militärische Wert des Turms schon bald überholt gewesen sein, wie auch das Schloss seine Bedeutung als Residenz von Berg an Düsseldorf verlor. Selbst der Schutz der starken, hohen Schildmauer war infrage gestellt. Der spätmittelalterliche Südturm, der bei seiner Sprengung wohl nur teilweise zerstört und zum Aus-sichtsturm „Kuxthurm“ wurde, war ein vorgeschobener Verteidigungsturm mit einer Wehrmauerver-bindung zum Palas. Er stand an der südwestlichen Ecke des mittleren Plateaus auf einer Ebene, die zum Hochschloss weiter ansteigt und von diesem überragt wurde. Nach den ausgegrabenen Funda-menten zu urteilen, befand sich an seiner nördlichen Seite ein Tor mit einem Wachgebäude und der Mauer, die mit der ursprünglichen Südwand des Palas fluchtete. Der Turm sicherte demnach den Zu-gang zum Vorhof des Hochschlosses. Außerdem konnte von seiner Höhe die gesamte untere Vorburg mit Umfriedung und Zwingern kontrolliert werden. Die vorderste Linie der Vorburg lag einstmals tiefer am Berghang in der Zeile der heutigen Restaurants „Schöne Aussicht“ und „Rittersprung“.53 In den Fundamenten dieser Gebäude dürfte sich Mauerwerk befinden, das der frühen Zeit von Schloss Burg entstammt. Eine Hauptaufgabe des Südturms ist aber wohl in der Absicherung der unteren Burg-auffahrt zu sehen, jener einst durchgängigen „Burgstraße“ zwischen „Thalthor“ (Johannitertor) und „Bergthor“ (Grabentor).54 Der Johanniterturm an der nordwestlichen Ecke der äußeren Burgmauer verschloss mit seinem romanischen Tor den unteren Zugang zur Burg. Das von dort zum Hochschloss ansteigende Gelände ist zwar heute aufgeschüttet, doch durch Stichgrabungen wurde eine Auffahrt nachgewiesen. Hinter dem „Thalthor“ lag das Gelände wesentlich tiefer und führte in einem anstei-genden Bogen auf den Südturm zu. Zwischen den beiden Türmen kann sich durchaus noch ein weite-res Tor befunden haben; denn dadurch entstanden zwei Zwinger, die von oben eingesehen und vertei-digt werden konnten. Auch heute ist diese Konzeption auf dem lang gezogenen Gartengrundstück des katholischen Pfarrhauses noch nachvollziehbar. Auf dem Weg vom Johanniterturm zum Batterieturm ist man voll im Blickfeld und somit in der Schusslinie der beiden Türme. Diese einstige Burgstraße führte vermutlich südlich um den Vorgänger des Batterieturms herum und verband sich mit der Zu-fahrt durch die beiden großen oberen Tore an der Ostseite der Burg. Mit dieser Gegebenheit erfüllte Schloss Burg auf dem Berg auch die Funktion eines Festungsriegels. Von Unterburg an Wupper und Eschbach nach Wermelskirchen erreichte man Oberburg früher nur über den steilen Bergweg unter-halb der Burg. Ein Weg um die Burg herum wurde vermutlich unterbunden, so dass der Reisende die Festungsanlage über die Burgstraße zwischen den Toren passieren musste. Der Weg ins Hochschloss ging an der Torwache am großen Südturm vorbei über den Hof der Vorburg zum Torhaus am Palas. An diesem Verteidigungskonzept von Schloss Burg wird sich im Prinzip später nicht mehr viel geän-dert haben. Nachdem Düsseldorf schon um 1400 Hauptstadt des Herzogtums wurde, verlor Schloss Burg sehr bald seine Bedeutung als Bergische Residenz. Die Renaissance-Herzöge nutzten den traditi-onellen Ort noch gern als Jagdschloss und für große Feste. Ende des 15. und im 16. Jahrhundert er-weiterten sie dafür auch die Gastunterkünfte, doch eine umfangreiche Modernisierung der Festungs-werke, wie sie für Feuerwaffen notwendig gewesen wäre, werden sie nicht durchgeführt haben. Die im Dreißigjährigen Krieg ständig wechselnde Besetzung der Burg beweist schon, dass sie leicht zu neh-men war und zu dieser Zeit als Festung keinen Wert mehr hatte. Durch die Sprengung der vorhande-nen Verteidigungswerke im Jahre 1648 und der damit verbundenen Verschüttungen sind im Laufe der Jahrhunderte neue Wegeverbindungen über den alten Schuttschichten entstanden. Auch nach Errich-tung neuer Stützmauern auf der Talseite und den Einschnitt der Seilbahn ist die mittelalterliche Kon-zeption der einstigen Verteidigungsanlage verändert worden. Ursprüngliches Konzept des Baumeisters Arntz Die Verfasser gehen davon aus, dass auch Arntz die aufgezeigte historische Verbindung des alten Ver-teidigungsturms mit dem Johannitertor gesehen hat; denn nur dadurch wird der Aufbau seines Batte-rieturms verständlich und nachvollziehbar. Das verwitterte Gebäude im rustikalen Bruchsteinmauer- 53 Freundliche Auskunft von Herrn Franz Breckerfeld. 54 „Thalthor“ und „Bergthor“ gehen auf die Beschreibungen v. Merings zurück. 45 werk erscheint dem heutigen Betrachter als wehrhaftes Werk des ausgehenden Mittelalters. Dieses Erscheinungsbild hat Schlossbaumeister Arntz bewusst angestrebt, denn mit dem Turm sollte der Wandel des Befestigungswesens gezeigt werden, wie er sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts vollzo-gen hatte. Arntz nahm verschiedene Vorbilder und konzipierte daraus einen Turm aus einem Guss. So ist in Nördlingen / Bayern an mehreren Stadttoren die charakteristische Abrundung des Turmoberge-schosses mit ausgeschnitten Scharten wieder zu finden. Es hatte sich herausgestellt, dass auftreffende Artilleriegeschosse an der Mauerabrundung der Wehrplatte wenig oder keinen Schaden anrichteten. In Nördlingen war es der Stadtbaumeister Wolfgang Walberger, der die älteren Stadttore nach 1590 mit Stellungen und Scharten für Feuergeschütze umbaute. Auch die vor 1600 erbauten großen Rundtürme der Sparrenburg und der Wewelsburg, der Bastionsturm der Burg Münzenberg oder die beiden niedri-gen Rundtürme des Jerusalemer Tors in Büdingen / Hessen, die bereits 1503 entstanden, dürften Vor-bilder bei den Planungen von Arntz gewesen sein. Auf den ersten Blick ist heute die Anlage des Turms mit seiner Geschützausrichtung zum Burghof und nach Westen ins Tal vom wehrtechnischen Standpunkt aus fragwürdig. Der Festungsturm mit seiner Feuerkraft macht erst Sinn, wenn man seine Aufgabe in der Sicherung der Burgauffahrt vom unteren Johannitertor sieht. Aus dem Plan der Burg von 1917 wird ersichtlich, dass der Batterieturm nur ein Teil eines ursprünglichen Projektes war, von dort eine Verteidigungslinie zu einem zweiten Batterie-turm südlich des Johannitertores anzulegen. Auf dem besagten Plan ist bereits ein gleichgroßer Kreis wie beim Batterieturmgrundriss eingezeichnet, wonach der Betrachter vermutlich annehmen sollte, dass auch am Johannitertor Fundamente eines großen Geschützturms ergraben und nachgewiesen worden sind. Das ist aber bis heute nicht bestätigt worden. Nach den Angaben auf der Hauptversamm-lung 1914 hatte Arntz schon 1913 den nördlichen Außenbereich55 des Johanniterturms ausgraben lassen. Er ließ das alte Rundbogentor freilegen und restaurieren und begann auch mit der Freilegung der südlichen Seite des Johannitertors. Doch eine Ausgrabung der Burgstraße unterblieb aus Kosten-und Zeitgründen. Erst in den letzten Jahren wurden bei Sanierungen der unteren Stützmauer Stichgra-bungen im Pfarrgarten bis auf die Straßensohle heruntergeführt aber wieder zugefüllt.56 Die Ereignisse des Ersten Weltkriegs, die Brandkatastrophe von 1920 und die Krisenzeit danach lie-ßen keine Mittel für weitere Ausgrabungen und Bauvorhaben mehr zu. Arntz beendete 1921 seine Tätigkeit als Schlossbaumeister in Burg. Durch diese Gegebenheiten steht der Batterieturm seit dieser Zeit anscheinend ohne wehrtechnischen Nutzen vor dem Palas der Burg. Es erschließt sich dem Besu-cher kaum, dass Arntz mit dem Batterieturm realistisch vergangene Wehrtechnik nachbauen wollte und dieser vermutlich nur ein Teil seines ursprünglichen Programms war. Resümee Aufgrund der überkommenden Ruine war Ludwig Arntz sicherlich bewusst, dass der mittelalterliche Südturm in den unteren Geschossen geschlossen und nicht mit Kanonen bestückt war. Nach seiner Vorstellung entstand daraus ein Rondell mit Geschützständen in allen Stockwerken. Der 60jährige Arntz war ein an historischen Gebäuden erfahrener Restaurator, doch anscheinend war es in der nach-romantisch gestimmten Kaiserzeit üblich, über die historische Authentizität hinaus zu gehen. Arntz entschied sich für die Festungsbauweise der Renaissance des 16. Jahrhunderts, die es auf Schloss Burg aber wohl nicht mehr gegeben hat. Auch später, im Dreißigjährigen Krieg, sind keine neuen Befesti-gungen mehr entstanden. Anscheinend akzeptierte der Provinzialkonservator Paul Clemen die Maß-nahmen seines früheren Mitarbeiters und übernahm sie als geschichtlich fundiert in seine Schriften. Da niemand die Richtigkeit infrage stellte, hat die damalige Einschätzung zu einer bis heute gültigen Auf-fassung geführt. Derzeit ist selbst unter Fachleuten nicht bekannt, dass im Batterieturm die Ruine eines spätmittelalterlichen Turms für Armbrustschützen steckt. 55 Der Nordbereich liegt außerhalb vor dem Johannitertor. 56 Freundliche Auskunft von Herrn Molina-Garcia an die Verfasser. 46 Schloss Burg. Anlage des Johannitertores. Bereits 1896/97 wurde von Fischer der obere Bereich des Turms mit dem Pfarrhaus neu gebaut. 1912/13 legte Arntz das Tor darunter frei und stellte die Burgmantelmauer wieder her. Archiv Schloss Burg Exkurs Zur Poterne an der nördlichen Burgmauer in Schloss Burg Der Wiederaufbau der äußeren Umfassungsmauern von Schloss Burg wurde 1912 und 1913 im Be-reich der südlichen und der nördlichen Burgmauer durchgeführt. Schon Mering weist in seinem Be-richt darauf hin: „ Die äußern Ringmauerndes Schlosses, die früher den Berg umkreisten, sind ver-schwunden. Die Mitte des vorigen Jahrhunderts sah noch Reste an den Abhängen nach der Eschbach und nach der Wupper herab.“ Tatsächlich war ein großer Teil der Ringmauern eingestürzt oder die von oben abgestürzten Steine hatten als Geröll die Mauerfüße völlig verdeckt. Ein Foto des Johanniterturms von 1895, das diesen nur noch als Rest erkennen lässt, zeigt seine ganze Umgebung nur noch als Geröllhalde. Diese Teile wurden freigelegt, und konnten wo es ging, wieder aufgebaut werden. An sehr vielen Stellen, so be-richtet Arntz, mussten die Mauerfüße völlig neu gegründet und aufgebaut werden. Am nördlichen Mauermantel waren besonders im Bereich des Friedhofs sehr umfangreiche Erneuerungsarbeiten er-forderlich. Die Fotografie von 1913 zeigt dort helle Wandflächen, was bedeutet, dass hier größtenteils neue Steine verwendet wurden. Zu dieser Zeit ließ Arntz auch das Johannitertor freiräumen, dem einzigen noch vorhandenen mittelal-terlichen Torbogen von Schloss Burg. Die Verfasser vermissten zunächst an den Torgewänden die typischen Langzeit-Gebrauchsspuren, wie sie durch Schleifspuren der Fuhrwerksachsen hervorgerufen werden. Diese Teile der Toreinfassung sind aber auf beiden Seiten von Arntz durch neue Steinquader mit deutlich scharfen Kanten ersetzt worden. Die links vom Torbogen aufsteigende Stützwand für das Gelände am Pfarrhaus besteht aus verschiedenen Aufmauerungen. Arntz ließ hier unterhalb der Mau-erkrone einen Rundbogendurchgang einbauen, den man über eine vorgesetzte Außentreppe erreichte. In dem darüber liegenden kleinen Anbau des Pfarrhauses stieg man weiter hoch und gelangte von dort 47 Schloss Burg. Die Aufnahme von 1913 zeigt die nördliche Mantelmauer am kath. Friedhof nach der Wiederher-stellung durch Arntz. Deutlich ist unterhalb der Kirche in der Mauer die Öffnung der Poterne erkennbar. Ausschnitt einer Aufnahme aus: Clemen, Führer durch Schloss Burg 1918. aus auf den Friedhof und zur Kirche. Diese romantische Anlage ist leider später zugunsten der moder-nen Betontreppe an der Nordmauer aufgegeben worden. Wenige Meter östlich dieser Betontreppe, tritt die schräg aufsteigende hohe Stützmauer des Friedhof-geländes unvermittelt zurück und bildet eine mehrstufige senkrechte Wand, in deren oberer Mitte sich eine Rundbogenöffnung befindet. Erst in der dritten Auflage des Schlossführers von 1918 weist Cle-men auf diese Maueröffnung hin und auch erst im Grundplan von 1917 ist sie eingezeichnet. Clemen bezeichnet sie als Schlupfforte, „…eine Poterne57, zu der nun ein verschütteter Gang führt“. Die 1913 aufgenommene Abbildung58 von der wiederhergestellten nördlichen Außenanlage gibt einen Eindruck von der Lage der noch offenen Schlupfpforte, die unterhalb der Kirche in der Friedhofsmauer erkenn-bar ist. Wahrscheinlich ist die Poterne erst von Arntz bei den Wiederherstellungsarbeiten 1912/13 entdeckt worden. Vor dieser Zeit ist die Stelle nicht erwähnt worden, war also G.A. Fischer noch nicht bekannt. Aufgrund der engen Bestattungen auf dem Friedhof, konnte Arntz damals den wohl teilweise eingestürzten und verschütteten Gewölbegang nicht weiter ausgraben lassen und eine mögliche Ver-bindung zur etwa 25 Meter entfernten Johanniterkirche nachweisen. Wahrscheinlich ist die Sache spä-ter auch so gut wie vergessen worden; denn Robert Killing erwähnt in seinem Kirchenführer59 nicht diesen Gang, sondern einen anderen unterirdischen Gang vom Johannitertor zum Inneren der Kirche. Ein solcher Gang wäre aber beim Bau des Kellers vom Pfarrhaus aufgedeckt und zerschnitten worden, es gibt darüber aber keine Nachrichten. Dagegen berichtet der Burger Franz Breckerfeld,60 dass erst nach 1960 bei Erneuerungsarbeiten an der Nordmauer die Rundbogenöffnung geschlossen worden ist. Als Junge hatte er früher mit seinen 57 Duden: Poterne die; (aus fr. poterne, älter posterne „Ausfallpforte“, dies aus spätlat. Posterula „Hintertür-chen“) : (veraltet) unterirdischer, bombensicherer Festungsgang. Piper: Poterne, kleiner Seitenausgang in den Zwinger oder in den Graben, Schlupfpforte. Siehe dazu auch im Exkurs. 58 Paul Clemen, Schloss Burg, Düsseldorf 1918. S. 37. 59 Robert Killing, Die St. Martinuskirche in Burg an der Wupper, Solingen-Burg 2006 60 Freundliche Auskünfte von Herrn Franz Breckerfeld und Frau Molina-Gacia. 48 Schloss Burg. Ehemalige Johanniterkirche. Bis zur Zerstörung 1648 verband ein unterirdischer Gang (Poterne) das westliche Kirchenschiff mit einer Pforte an der nördlichen Burgmantelmauer. Zeichnung A. Sassen Freunden diese Stelle erkundet und erinnert sich noch mit gewissem Gruseln daran. Der Bogen konnte in der zerklüfteten Mauer von unten erstiegen werden. Von dort gelangte man in den Beginn eines gewölbten Gangs, der mit lockerem Boden und Geröll verschüttet war, sich aber unter den Gräbern des Friedhofs wohl zur Kirche hin weiter fortsetzte. Der Totengräber der Gemeinde hatte sich auf die-ser Linie im bevorzugten unteren Bereich des Friedhofs oft über Schwierigkeiten beim Ausheben der Gruben beklagt. Er stieß hier zumeist auf fest gefügte große Steinblöcke, wahrscheinlich Scheitelstei-ne des Ganggewölbes, die ein Tiefergehen unmöglich machten. Verschiedentlich kam es auch zu Grabeinstürzen, wobei ganze Särge in den tiefer liegenden Hohlraum abrutschten und die eingesunke-nen Gräber wieder aufgefüllt werden mussten. Die Lage der nördlichen Burgmauer, deren Fuß am Berghang unterhalb der Johanniterkirche ansetzt und deren Mauerkrone in 25 Meter Entfernung auf gleicher Höhe von ihr abschließt, macht die Anlage einer hier einst vorhandenen Poterne nachvollziehbar. Als beim Bau der Mauer und der Kirche um 1220 der freie Raum zwischen Hang und Mauermantel aufgefüllt wurde, ist von der Schlupfpforte ein geschlossener Gang in Richtung Kirche aufgemauert worden. Nur wenige Meter mussten dafür in der Höhe des Erdreichs zu den Fundamenten der Kirche freigegraben werden, um eine Verbindung in das Innere des Gebäudes zu bekommen. Die dann aufgefüllte ebene Fläche des Friedhofs zwischen Kirche und Außenmauer ließ eine Verbindung von oben nicht mehr erkennen. Wahrscheinlich geht die Anla-ge auf die Johanniter zurück, die demnach den Platz für ihre Hospitalkirche hier nicht zufällig zuge-wiesen bekamen, sondern diese Stelle ganz bewusst ausgesucht haben. Mithilfe des Verbindungsgangs von der Kirche zur Außenmauer war es ihnen jederzeit möglich, das Schlossgebiet zu verlassen oder wieder hineinzugelangen. Bei einer Belagerung und damit einhergehender Verschließung der Burgtore konnte man Verwundete aus dem Vorfeld schnell über diesen Weg hereinholen und sie direkt im La-zarett- Kirchenraum versorgen. Den im damals weit voraus denkenden Byzanz ausgebildeten Johanni-tern war bekannt, dass die hieb- und stichverletzten Männer oft nur eine Überlebenschance hatten, wenn ihnen unmittelbar geholfen wurde. Die Hospitalkirche konnte mit ihrer Verbindung zur Burg-mauer also streng genommen als fester Bestandteil der Wehranlage angesehen werden. Vermutlich wurde ihr diese Bedeutung am Ende des Dreißigjährigen Krieges zum Verhängnis. Es ist möglich, 49 dass aus diesem Grunde die Truppe des Obristen Plettenbergs im Kircheninneren Sprengladungen zündeten oder sogar von der Wehrplatte des Südturms aus mit Kanonen auf die Kirche geschossen haben. Die Art der Zerstörung, auch der Stumpf des Johannitertores lässt auf Geschosstreffer schlie-ßen. Nach Piper61 ist unter der Bezeichnung „Poterne“ ein kleiner Seitenausgang in den Zwinger oder Gra-ben oder eine Schlupfpforte zu verstehen. „Eine Poterne konnte, wenn im Belagerungsfalle das Haupttor nicht mehr frei zu passieren war, als Notausgang, unter Umständen auch wohl für einen heimlichen Ausfall dienen. Diese, oft an einer versteckten und von außen nicht bequem zugänglichen Stelle angelegte Schlupfpforte wird bei Tristan das „hâl türlîn“, bei französischen Minnesängern po-terne, fausse poterne oder fausse porte genannt, so ist auch bei uns der Ausdruck Poterne (lat. pos-terna, poterna) dafür gebräuchlich geworden. Sie waren meistens einfache, nicht weiter befestigte Türen in der Ringmauer, die, nach innen schlagend, im Belagerungsfalle von da aus verrammelt wer-den konnten.“ Zur Materialgerechtigkeit des Mauerwerks in Schloss Burg Der Wiederaufbau von Schloss Burg wurde aus örtlich anstehenden Bruchsteinen erbaut. Nur für be-sondere Zwecke wie Fensterfassungen, Maßwerke, Mauerecken und Bogenfassungen verwendete man Werksteine, z. B. dem Trachyt aus dem Siebengebirge. Zu einem Großteil ist auch Tuffstein, so für die Fensterbogen und Innenwände des Palas und Teile der Burgkapelle verwendet worden. Am Batterieturm kam neben Bruchstein für das Mauerwerk nur für das Gurtgesims unter dem Oberge-schoss und an der Vorkragung des Uhrengiebels Basaltlava zum Einsatz, die kleineren Lichtscharten am Turm sind aus Trachyt. Batterieturm wie auch das gesamte übrige Mauerwerk von Schloss Burg ist steinsichtig ausgeführt worden. Dieses rustikale Aussehen aller Gebäude gehört seit dem Wiederauf-bau zum normalen Erscheinungsbild von Schloss Burg. Ob es das historische Aussehen der einstigen Burganlage wiedergibt, ist allerdings nicht gesichert. Mit der Steinsichtigkeit hat man ein Prinzip ge-wählt, das mit hohen Folgekosten verbunden ist, ein Umstand, der auch schon im Mittelalter bekannt war und möglichst vermieden wurde. Steinsichtigkeit oder Verputz im Mittelalter Wir haben uns daran gewöhnt, die mittelalterlichen Massivbauten, wie Kirchen und ihre Türme, be-sonders aber die Mauern und Gebäude der Burgen als Bruchsteinarchitektur wahrzunehmen. Dieses Aussehen ist in der Regel den Restaurierungsmaßnahmen des 19. und 20. Jahrhunderts zuzuschrei-ben. 62 Zu dieser Zeit waren die historischen Verputze infolge lange ausstehender Erneuerungen größ-tenteils verwittert, abgesandet oder vom Regenwasser abgewaschen. Auch das romantische Erschei-nungsbild der Ruinen war für die Annahme ausschlaggebend, dass historische Architektur, sowohl mittelalterliche wie auch frühneuzeitliche, ursprünglich unverputzt gewesen sei. Es setzte sich die Auffassung durch, dass nur dieser Zustand den Bauwerken gerecht werde und entfernte weitestgehend auch noch vorhandene Reste historischer Putze und Farbfassungen. Durch diese bereits lange zurückliegenden Maßnahmen ist eine weite Lücke in der Überlieferung alter Putztechnik entstanden. Auf diese Frage hat erstmals Ernst Pfänder 1957 in einer ungedruckten Dis-sertation „Putz und Farbe der Renaissancebauten im Gebiet an der oberen Weser“ aufmerksam ge-macht. 63 Erst nach 1970 wurde die Arbeit bekannt und leitete mehrere Veröffentlichungen von weite-ren Befunden ein, die ein fast völlig neues Erscheinungsbild vieler bekannter Bauten ergaben. Heute ist das Argument der Materialgerechtigkeit nur noch eine Schutzbehauptung, um die vielfach seit 100 Jahren gewohnte Fassung der Bruchsteinsichtigkeit beizubehalten.64 Leider sind die Bruchsteinfassa-den nicht so beständig gegen Verwitterung, wie man sich das angesichts der rustikalen, festen Stein-oberfläche gern vorstellt. Die Steine haben aufgrund ihrer lagerhaften Struktur zumeist Risse, in die Regenwasser oder Luftfeuchtigkeit eintreten kann, die dann bei Eisbildung und damit einhergehender 61 O. Piper, Burgenkunde, München 1912, S. 676. Piper widmet diesem Thema ein ganzes Kapitel S. 515-530. 62 G. Ulrich Großmann, Renaissance entlang der Weser, 2. überarbeitete Aufl. Köln 1990. S. 71 f. 63 Ernst Pfänder, Putz und Farbe der Renaissancebauten im Gebiet der oberen Weser, Diss. TH Hannover 1957. 64 G. Großmann a.a.O. 50 Ausdehnung zerstörend wirken. Andererseits neigen solche Mauern auch zu Durchfeuchtungen, da das Regenwasser in den Zerklüftungen zu lange verweilt. Dazu kommen die bei Bruchsteinmauerung zu-meist sehr großen Fugen, die bei Regenschlag zunehmend tiefer ausgewaschen werden, bis sich ein-zelne Steine lockern und aus der Mauerschale herausfallen. Zuweilen kann es zum Abrutschen ganzer Steinverbände kommen, so dass die Mauerfüllung zwischen den Schalen sichtbar wird – ein bereits dramatischer Zustand. Die Einstellung zur Materialgerechtigkeit hat zu den Nachteilen geführt, dass Bruchsteinfassaden in relativ kurzen Zeitabständen sanierungsbedürftig sind – ein hoher Kostenfaktor bei der Erhaltung his-torischer Bauten. Die unterschiedlich verwitterten Fugen werden dann auf eine gleichmäßige Tiefe herausgestemmt und völlig staubfrei gereinigt. Nach Anfeuchten der Vertiefung muss auch die an-schließende Neuverfugung der Steinzwischenräume von Hand geschehen. Die Arbeit ist mit hohem Kraftaufwand beim Reindrücken des Füllmaterials verbunden und sehr zeitaufwändig, da bei der Ver-wendung des kalkgebundenen Fugenmörtels die einzelnen Steine umständlich von Kalkspuren gerei-nigt werden müssen. Die Zusammensetzung des Mörtels erfordert viel Erfahrung, da er an die Härte des verwendeten Steinmaterials anzupassen ist. In der Regel sollte er etwas weicher als der Stein sein. Dagegen ist ein Fugenmörtel aus reinem Zement-Sandgemisch unbrauchbar, auch wenn dieser sich leicht und sauber verarbeiten lässt und seine Beständigkeit Erfolg zu versprechen scheint. Die Spätfol-gen sind abzusehen; denn ein mit Zement gebundener Fugenmörtel wird mit der Zeit so hart, dass er das Steinmaterial, das er schützen soll, beschädigt. Infolge des unterschiedlichen physikalischen Mate-rialverhaltens reißt irgendwann der Fugenstrich von den Steinen und löst sich in ganzen Teilen aus dem Mauergefüge heraus. An sehr vielen denkmalgeschützten Gebäuden ist in der Vergangenheit, besonders in der Erneuerungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit zementhaltigen Fugenmörteln ge-arbeitet worden. Im guten Glauben wollte man ein widerstandsfähiges Fugenmaterial einsetzen, doch die Folgen waren oftmals katastrophal. Sehr häufig sind gerade Werksteinquader mit ihren sauber gearbeiteten Kanten durch die zu harten Zementfugen aufgebrochen oder die Kanten platzten mit dem sich ablösenden Fugenstrich weg. Zement ist ein neuzeitlicher Baustoff, der natürlich an historischer Bausubstanz nicht zu finden ist. Um widerstandsfähige Mörtelfugen zu bekommen, musste man auf andere bewährte Zuschläge, wie z. B. Trass65 zurückgreifen. In jüngerer Zeit zieht man bei den Sanie-rungen von Natursteinmauern Geologen zu Rate, die ein genaues physikalisches Bild des verwendeten Steins erstellen. Je nach Eigenschaft wird dann von der Industrie ein speziell auf die Steine abge-stimmter, fertig gemischter Fugenmörtel in Trockenform bereitgestellt. Die Bestandteile bleiben dem Handwerker allerdings unbekannt und der Mörtel, der in Tüten zu 25 kg erhältlich ist, hat natürlich seinen Preis. Aus dem reichen Erfahrungsschatz des Maurer- und Putzerhandwerks im 19./20. Jahrhundert gab es aber auch Rezepturen für alle erdenklichen Anwendungsgebiete. Sie wurden in den Arbeitsgruppen weitergegeben und verschiedentlich auch aufgeschrieben. Für den privaten Eigentümer, der sein Ob-jekt mit althergebrachten Materialien sanieren möchte, sind sie sehr wertvoll, da sie bei einer Selbstbe-reitung als Kostenfaktor zurücktreten. Wie weit sie heute in der Berufsliteratur noch zur Verfügung stehen und ob man sie noch anwendet ist eine andere Frage. Die Einhaltung der DIN Anforderungen ist wahrscheinlich wegen der Haftung wichtiger. Neben der Ausfugung von Natursteinmauern ist besonders in der weit zurückliegenden Zeit ein zu-sätzlicher Schutz der Oberflächen üblich gewesen. Der mittelalterliche Massivbau wies, bis auf die besonders gestalteten Ziegelbauten, zumeist dünn geschlämmte Bruchsteinmauerungen auf. Diese Arbeit oblag damals dem Tüncher oder Putzmaurer, einem Handwerk das später im Maler und Stukka-teurberuf aufgegangen ist. Der aus leicht flüssigem Kalk-Sandmaterial bestehende Putz erhielt zuwei-len einen Zusatz von Harz aus Tannenzapfen-Absud, der Poren und Haarrisse schließt und wasserab-weisend wirkt. Er wurde mit der Kelle an die vorher mit klarem Wasser benetzte Wand angeworfen und mit einem Quast oder Netzpinsel füllend über die Vertiefungen gezogen. Dabei erhielten auch die stirnseitigen Bruch- und Hausteine einen Überzug in gleichmäßiger Dicke. Er ist oft nur wenige Mil-limeter stark und lässt die Steinstruktur noch erahnen. Dieser vielerorts noch nachzuweisende Kalk-putz überzieht das Bruchsteinmauerwerk flächig bis an die werksteinmäßig gehauenen Quader der Gebäudekanten und die Gewände der Portale und Fenster. Diese selten ganz glatten, sondern eher 65 Trass, vulkanischer Tuff, ergibt, gemahlen und mit Beimischungen von Kalk oder Zement, ein gutes Binde-mittel. 51 lebhaften Wandoberflächen hatten den Vorteil, dass mit relativ wenig Putzmaterial eine wasserabwei-sende Außenhaut für ein Gebäude geschaffen werden konnte. Es ist wichtig, dass auftreffendes Re-genwasser möglichst schnell abläuft und sich nicht im Mauergefüge verliert. Solch ein Schlämmputz verwitterte natürlich je nach Beschaffenheit und dem Einfluss des Wetters und musste nach gewisser Zeit erneuert werden. Dies geschah aber, bevor der Zerfall bis in die Fugen fort-geschritten war. Bei der Erneuerung wurde dann die Wand von verwitterten und mürben Putzresten abgeklopft, gebürstet und gereinigt. Nach guter Benetzung konnte dann auf dem festen und staubfreien Untergrund leicht und schnell ein neuer Kalk-Schlämmputz aufgetragen werden. Rechtzeitig vorge-nommen, machte ein dünnflüssiger Kalkanstrich oder besser ein Anstrich mit dem von Kalk gesättig-ten Sinterwasser aus einer Kalkgrube einen sandenden Putz wieder fest. Vorteilhaft führte man so eine Maßnahme bei etwas feuchtem Wetter durch, da der Putz das Kalkwasser dann tiefer einsaugte. Wie weit Farbfassungen für die Gebäudeaußenseiten verwendet wurden, ist aufgrund der geringen Befunde kaum bekannt. Selten haben sich unter dem Schutz von späteren Anbauten oder unter Dä-chern Reste davon erhalten. Sie können zumeist nur eine individuelle Aussage über die einstige Fas-sung eines Gebäudes machen. Allgemein sind solche Funde nur begrenzt oder nicht überall anwend-bar. Einfache Anstriche mit Kalkmilch waren jederzeit üblich, zumal mit der Tünche ein Schlämmputz wieder gefestigt und erneuert werden konnte; denn die Verwitterung „verzehrt“ nur den Kalk, der da-mit gebundene Sand fällt herunter oder verweht. Über das normale Erscheinungsbild des weißen oder mit Ocker gefärbten Kalkanstrichs hinaus hat man auch durchgefärbten Kalkputz verwendet. Im Ge-gensatz zur dünnen, wenig beständigen Tünche behielt der durchgefärbte Schlämmputz seine Farbbe-ständigkeit auch bei Verwitterung. Sehr beliebt war dabei die Verwendung des Billerbecker Kalks, der einen warmen ockerartigen Farbton ergibt. Rötlichen oder rosa Putz erzeugte man durch Zugabe von Ziegelmehl. Tiefroten Putzmörtel auch zur Imitation von Ziegel, bekam man mithilfe des caput mortuum oder Colcothar, einem roten Farbstoff, der durch Erhitzen von Eisenvitriol gewonnen wurde. Mit diesem Farbstoff malte man auch ein rotes Fugennetz auf weißem Untergrund. Zurückkommend auf Schloss Burg ist die Frage berechtigt, ob hier einstmals die erprobten Putztech-niken zur Erhaltung der Mauern angewandt wurden. Ein Nachweis kann auch mit den ältesten Abbil-dungen nicht erbracht werden. Es gibt auch keine Überlieferung Fischers, die von Putzresten auf den Mauerruinen von Schloss Burg berichten. Eine Ausnahme bildet die ehemalige Kirche der Johanniter, die aus rheinischem Bimsstein gebaut wurde, der aufgrund seiner lockeren Struktur grundsätzlich ver-putzt werden musste. Das galt auch für die einstige Kapelle Engelberts im Hochschloss, die als zeit-gleicher Bau aus demselben Material errichtet wurde. Über die Gestaltung der Außenhaut aller anderen Gebäude in der Burg muss man sich ein eigenes Bild machen. Zur Beurteilung kommt als historisches Mauerwerk nur die Reihe der Mauern in der Flucht des Engelbertbaus infrage. Alle anderen Mauern sind Neubauten der Jahrhundertwende, bei denen von vornherein auf Gestaltung von Sichtmauerwerk wert gelegt wurde. Am historischen Mauerwerk zwi-schen Diebsturm und Torturm zum Hochschloss hat man anscheinend auf diese Qualität einst auch noch geachtet. Dagegen ist die Außenwand des Engelbertbaus in diesem Sinne nicht mehr vorzeigbar gewesen. Bei seiner Wiedererrichtung nach 1890 hat Fischer einen großen Teil des Sichtmauerwerks austauschen lassen, um ein halbwegs ansehnliches Stein- und Fugenbild zu bekommen. Die ursprüng-liche Zusammensetzung des Palasmauerwerks sah anders aus. Der Ruinenzustand von1887 macht deutlich, dass man beim Bau des Palas alles zur Verfügung stehende Material verwendet hat. Die Westmauer besteht aus Bruchstein, Ziegel, Tuffstein und Trachyt. Mit Ausnahme der Trachytquader an den Gebäudeecken und dem Tuff für die Spitzbogen der Fenster im Obergeschoß ist alles Material in wilder Form verarbeitet worden. Da man aber auch damals auf ein ästhetisches Erscheinungsbild Wert gelegt hat, dürfte man die Außenwände des Palas verputzt haben. Vermutlich wurde ein Fugen-netz oder eine bestimmte Mauerdekoration aufgemalt.. Mit Sicherheit wird man damals bestrebt gewe-sen sein, mit dem Palas auch sonst ein einheitliches Erscheinungsbild der Burg, zumindest aber des Hochschlosses zu erreichen. Dafür wird man das Mauerwerk einheitlich unter Putz gelegt haben. Zum Vergleich für diese Vorstellung dürfte die Wartburg ein interessantes Muster sein. In der Wiederauf-bauphase um 1840 ist die gesamte Burg von dem Baumeister v. Ritgen steinsichtig restauriert worden und blieb in diesem Zustand bis in die Jetztzeit. In den letzten Jahren ist man aber dazu übergegangen die hohen Mantelmauern der Burg einschließlich des Torhauses mit einem hellen Verputz zu versehen. Diese Maßnahme, die sicherlich wohlüberlegt war, hat dem Bild der Burg nicht geschadet. 52 Biografien Ludwig Arntz, Porträt mit freundlicher Genehmigung des Rheinischen Bildarchivs Köln Arntz, Ludwig66 Architekt, Denkmalpfleger und Bauschriftsteller * 19. Juli 1855 in Köln, † 5. Mai 1940 in Köln Ludwig Arntz wuchs am Neumarkt in Köln auf, während der Dom allmählich seiner Vollendung ent-gegenging, was von ihm und seinen Eltern mit großem Interesse verfolgt wurde. Der Vater entstammte einer feinsinnigen und geistig interessierten Kaufmannsfamilie, während die Vorfahren seiner Mutter wohl besonders hervortreten. Die Familie Dyckerhoff mit mehreren Baumeistergenerationen aus Lü-nen wandert über Cleve nach der Pfalz. Zweifellos haben die Zeichnungen und Arbeiten des Urur-großvaters Jacob Friedrich Dyckerhoff, seines Urgroßvaters Friedrich Christian und seines Großvaters Johann Friedrich Dyckerhoff in Mannheim großen Einfluss auf den Enkel gehabt. Insbesondere war es Ludwigs Großvater, der Bauinspektor und spätere badische Baurat, der noch persönlich auf den Enkel Eindruck machte und dessen Begabungen sich offensichtlich auf den Enkel vererbten. Ludwig Arntz besuchte das Realgymnasium an der Kreuzgasse in Köln / 1873 wurde er Bauprakti-kant beim Architekten Hermann Otto Pflaume in Köln, mit Erlaubnis des Dombaumeisters Voigtel hatte er Zutritt zu den Werkplätzen des Dombaus / 1874-1878 Studium an der Polytechnischen Schule in Hannover, Schüler des Meisters der neugotischen Formenlehre Conrad Wilhelm Hase, danach Wanderfahrten mit dem Zeichenstift quer durch Deutschland. / 1880-1883 Regierungsbauführer in Brandenburg an der Havel und in Gaarden bei Kiel an modernen Staatsbauten. Während dieser Zeit zeichnete und vermaß er die märkischen Backsteinbauten in Chorin, Lehnin, Havelberg und Tanger-münde. 1883 Studium in Wien bei dem Dombaumeister Friedrich von Schmidt aus Köln, gleichzeitig Mitar-beit in der Dombauhütte St. Stephan in Wien. Nach eigenen Angaben war der Aufenthalt in Wien einer seiner eindruckvollsten Lebensabschnitte. / 1884 Regierungsbaumeister. Als erste bedeutende selbständige Arbeit wurde ihm die Leitung der Erneuerung des Heilbronner Kiliansturms übertragen / 1885 Studienreise nach Belgien / um 1885-1886 Regierungsbaumeister (Landbaumeister) in Berlin / 1887 Studienreise nach Italien / In Berlin Beteiligung am Wettbewerb eines Mustertheaters, daraufhin Bauleiter bei Otto March 1887-1889 ausführender Architekt des Festspielhauses in Worms, wo er beim ersten Festspiel selbst eine Rolle übernahm/ 1891- 1892 in der Bauhütte des Magdeburger Doms tätig, er übernahm die Aufdeckung, Aufzeichnung und Erhaltung der mittelalterlichen Putzbilder des dortigen Kreuzgangs, seine erste wissenschaftliche Forschung. / 1893 Regierungsbauinspektor (Land- 66 Text aus: archINFORM und Vogts, Gedenkfeier für Dombaumeister Ludwig Arntz, in: Jahrbuch des kölni-schen Geschichtsvereins, Nr. 23, Köln 1941, S. 213-226. 53 bauinspektor), Übernahme der Sicherung und Erhaltung der Doppelkirche von Schwarzrheindorf und die der Matthiaskapelle auf der Burg Kobern. Von dort aus schuf er auch den Ausbau der Liebigschen Burg bei Gondorf. / Von August Reichensperger kam der Auftrag, die rheinischen Denkmäler zeichne-risch aufzunehmen, mitzuarbeiten an der Denkmälerinventarisation des Geheimrats Lörsch. Er folgte dem jungen Kunstforscher Paul Clemen, der mit seiner Bearbeitung der rheinischen Kunstdenkmäler der rheinischen Denkmalpflege eine neue gesicherte Grundlage gab. Hunderte der fein und sicher ge-zeichneten Blätter sind damals und später entstanden, auf denen Arntz mit sicherem Blick und techni-schem Verständnis das Wesentliche der Bauerscheinung festzuhalten wusste. Er entwickelte dabei einen eigenen Stil, der sich zur Illustrierung besonders eignet. Als Arntz nach Berlin zurückberufen wurde, teilte Clemen Reichensperger mit, dass er Arntz gern bald wieder für die Rheinprovinz zurück-gewinnen möchte. Doch Arntz wurde als Nachfolger von Franz Schmitz, auch einem Kölner, 1895- 1902 Dombaumeister am Straßburger Münster. Untersuchung der Baumängel, besonders des Nord-turms und Verfassen der Denkschrift zur Restaurierung des Bauwerks. In Straßburg Heirat mit Maria Albrecht, Tochter des Präsidenten des Schulkollegiums im Elsass / 1900 Studienreise in die Schweiz / 1901 Studienreise in die Niederlande / Als die Stadt Straßburg seinen Ansichten zur Restaurierung des Münsters nicht folgen wollte, legte er die Arbeit nieder und betrieb1902 seine Entlassung aus dem Staatsdienst. / Ab 1902 lässt er sich als freischaffender Architekt zuerst in Schwarzrheindorf, dann in Köln nieder. Die Straßburger Münsterbauhütte kam bald auf die Arntzschen Pläne und Gedanken zu-rück und hat sie als richtig angesehen. Von Köln aus entfaltete Arntz eine umfangreiche Bautätigkeit, die sich vornehmlich auf die Wiederherstellung und den Ausbau alter Bauwerke erstreckte. Von 1910 bis 1921 war er als Schlossbaumeister in Schloss Burg tätig, nebenher arbeitete er an der Eyneburg bei Aachen, des Nellessenschen Besitzes, der Burg Nideggen und der Burg und Kirche zu Wildenberg in der Eifel. Er baute sich sein Haus an der Marienburger Straße in Köln und viele Häuser für Freunde und Verwandte in Köln, bei Solingen, in Goslar, Köpenik und im Siegkreis. Sorgsam und mit genau-ester Kenntnis des Handwerks zeichnete er alles durch, was zu seinen Hausbauten gehörte: Möbel, Beschläge und Gerät, um alles zur Harmonie zu verbinden Ludwig Arntz unterstützte viele denkmalpflegerische Baumaßnahmen anderer Architekten in der Rheinprovinz durch fachliche Ratschläge und Hinweise. Zudem veröffentlichte er mehr als 100 Schrif-ten zur Bau- und Denkmalpflege und war an der Veröffentlichung der Kunstdenkmäler der Rheinpro-vinz beteiligt. Bedeutend sind seine vielen Baubestandserfassungen, Zeichnungen und Skizzen von frühen historischen Bauzuständen, im Denkmälerarchiv des Rheinlandes dürften etwa 500 vorhanden sein. Viele davon wurden sonst nirgends dokumentiert, bevor sie verloren gingen. Mitgliedschaften: 1883 Mitglied der Dombauhütte St. Stephan in Wien Werke (soweit bekannt): • 1879 Köln: Rathausvorlaube o Baubestandsaufnahme im Auftrag des Stadtbauamtes • 1881 Köln: Stadterweiterung o Wettbewerbsentwurf o Ausführung nach einem Entwurf des Architekten Jo-seph Stübben • 1885-1887 Heilbronn: Evangelische Kilianskirche Restaurierung des Kirchturms • 1887-1889 Worms: Festspielhaus; nicht erhalten o Architekt: Otto March, Berlin o Bauleiter: Ludwig Arntz • 1891- 1892 Magdeburg: Evangelischer Dom St. Mauritius und Katharinen Restaurierung des südlichen Dom-kreuzgangflügels • um 1892 Kobern: Dreikönigskapelle auf dem Friedhof, Restaurierung • 1893 Koblenz: »Deutsches Eck« o Wettbewerbsentwurf nicht ausgeführt o Ausführung: 1895-1897 nach einem Entwurf des Architekten Bruno Schmitz 1892-1894 Kobern: Matthiaskapelle bei der Oberburg / Restaurierung • 1894 Koblenz: Baubestandsaufnahme der »Alten Burg« und Entwurf zu deren Umbau als Kreisständehaus mit Wohnung für den Landrat; nicht ausgeführt o 1898-1900 Restaurierung der »Alten Burg« durch Baurat Friedrich Wilhelm Maeckler unter beratender Mitwirkung von Ludwig Arntz 1895 Arnoldsweiler: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Arnold Erweiterung nicht ausgeführt 1895-1908 Schwarzrheindorf Stiftskirche Wiederherstellung der Doppelkapelle • 1895-1902 Straßburg: Münster Restaurierung 54 • 1897-1902 Hergenrath (Aachen): Eyneburg (»Emmaburg«) o Wiederherstellung o Neubau der Burgkapelle und des Vorburgmittelteiles • 1897 Köln-Lindenthal: Wohnhaus Wilhelm Arntz o Entwurf o auch für das Nachbarhaus liegt ein Entwurf von Ludwig Arntz vor (1898) o Ausführung unbekannt • 1898 Köln-Rodenkirchen: Wohnhaus o Entwurf o Ausführung unbekannt • 1898 Rhens: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Dionysius Erweiterungsentwurf nicht ausgeführt • 1898 Nideggen: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Johannis Baptist, Restaurierung • 1898-1900 Saarburg: Saarburg o Restaurierung o in Zusammenarbeit mit Kreisbaumeister Karl Flacke • 1901- 1903 Mettlach: Haus »Saareck« (Schloß) für Familie von Boch • 1902-1908 Altenberg (Odenthal): Kirche und Zisterzienserkloster Restaurierung • 1903-1905 Hellenthal: Wildenburg o Restaurierung • 1904-1907 Köln: Minoritenkirche / Restaurierung • 1904-1908 Wadern-Dagstuhl: Umbau der Herrenhaus-Anlage für Frau Rizza von Luisenthal • 1905-1907 Arnoldsweiler: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Arnold / Restaurierung • 1905-1907 Kalkar: Römisch-katholische Pfarrkirche St. Nikolaus / Restaurierung • 1906 Xanten: Klever Tor und »Pesthäuschen« o Restaurierung • 1906-1907 Köln-Marienburg: Wohnhaus Ludwig Arntz o In diesem Haus lebte Arntz bis zu seinem Tod. • 1906-1907 Colmar: Wohnhaus Böcking o Entwurf o Ausführung unbekannt • 1907 Goslar: Wohnhaus Hirsch (?) • 1908-1909 Gierenfeld / Bröhltal: ländliches Wohnhaus o Entwurf o Ausführung unbekannt 1909-1911 Lichtringhausen: Römisch-katholische Pfarrkirche und Pfarrhaus • 1910-1921 Burg an der Wupper: Schloß Burg . Restaurierung / Entwurf und Bau des Batterieturms 1913 Solingen: Ausbau eines Wohnhauses • 1920-1921 München- Schwabing Leopoldstraße: Wohnhaus für Prof. Dr. Rudolf Müller-Erzbach o 1927 nach Plänen von Ludwig Arntz erweitert • 1924-1925 Bonn-Oberkassel, Basaltstraße: Doppel-Villa für die Brüder Dr. Karl Bleibtreu und Prof. Dr. Leo-pold Bleibtreu o bereits 1913/l9l4 Entwurf von Ludwig Arntz o Haushälfte von Dr. Karl Bleibtreu im Zweiten Weltkrieg zerstört o Haushälfte von Prof. Dr. Leopold Bleibtreu erhalten und denkmalgeschützt. Literatur • Mundhenke, Herbert: Die Matrikel der Höheren Gewerbeschule, der Polytechnischen Schule und der Techni-schen Hochschule zu Hannover. Hildesheim 1988-1992 (3 Bande). Matrikel 6065 • Centralbiatt der Bauver-waltung. 4. Jahrgang. 1884, Nr. 25, 5. 249 (Amtliche Mittheilungen) • Becker, Felix und Spemann, Wil-helm: Spemanns goldenes Buch vom eigenen Heim: eine Hauskunde für jedermann. Berlin, Stuttgart 1905 • Thieme, Ulrich und Becker, Felix (Hrsg.):Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Leipzig 1907-1950 • C Paul: Rede zum Gedenken an Dombaumeister Ludwig Arntz in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins. 23. Köln 1941, S. 221-224 • Trier, Eduard und Weyres, Willy (Hrsg.): Kunst des 19. Jahrhunderts im Rhein-land. Düsseldorf 1979-1981 (5 Bände) • Liessem, Udo: Ludwig Arntz -Architekt und Dombaumeister 1855- 1941. Koblenz 1980 • Herzog Harald: Rheinische Schloßbauten im 19. Jahrhundert. Köln 1981 Meißner, Günter (Hrsg.): Allgemeines Künstler-Lexikon - die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Leipzig 1990, 5. 256-257 (Beitrag von Udo Liessem) .• Kokkelink, Günther und Lemke-Kokkelink, Monika: Baukunst in Norddeutschland:Architektur und Kunsthandwerk der Hannoverschen Schule. Hannover 1998 • Aleweld, Norbert: Franz Mündelein (185 7-1926) - ein westfälischer Kirchenbaumeister am Ende des Historismus. Pader-born 2000, 5. 29 • Mitteilungen von Prof Dr. Harold Hammer-Schenk, Berlin • Liessem, Udo: Ludwig Arntz -Architekt und Dombaumeister 1855-194, Koblenz 1980, S. 9 55 Clemen, Paul Prof. Dr. Paul Clemen. Foto: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. Prof. Dr., Kunsthistoriker * 31. 10. 1866 in Sachsen † 8. Juli 1947 in Endorf Paul Clemen, geboren am 31. Oktober 1866 und gestorben am 8. Juli 1947 in Endorf / NRW, war Kunsthistoriker und erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz. 1885 begann er sein Studium der Kunstgeschichte und der deutschen Philosophie an der Universität Leipzig und setzte dieses 1887 an der Universität in Bonn fort. 1888 ist er an der Universität in Straßburg. 1889 erfolgte die Promotion zum Dr. phil. Schon am 1. Oktober bekam er eine feste staatliche Anstellung und wurde durch die „Kommission für die Denkmälerstatistik“ mit der Inventarisierung der Kunstdenkmäler in der Rhein-provinz beauftragt. Im Jahre 1893 erfolgte die Ernennung zum ersten Provinzialkonservator der Rheinprovinz. Prof. Dr. Paul Clemen arbeitete von 1894 bis zu seiner Emeritierung 1936 als Kunsthistoriker an der Universität Bonn. In seiner Funktion als Provinzialkonservator setzte er sich stark für den Denkmal-schutz ein. Er war einer der Initiatoren für die Gründung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Sein Lebenswerk, die „Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“ in 56 Bänden, ist ein Standardwerk der Deutschen Kunstgeschichte.67 Über ein halbes Jahrhundert lehrte und forschte Paul Clemen in Bonn und dem Rheinland. Der gebür-tige Sachse versteckte sich aber nicht hinter seinen Büchern, sondern machte sich seit Beginn seiner Arbeit an der Bonner Universität dafür stark, die Kunst des Rheinlandes zu bewahren und für die Öf-fentlichkeit zugänglich zu machen. Dem Kunsthistorischen Institut gab Clemen seine heutige Heimat im Hauptgebäude der Universität. Er vergrößerte die vorhandene Sammlung und verfolgte bis zu sei-ner Emeritierung das Ziel, eine überregional bedeutende Sammlung und Bibliothek aufzubauen. Zahl-reiche namhafte Kunsthistoriker holte Clemen Anfang des Jahrhunderts nach Bonn und machte aus seiner Wissenschaft, die es 50 Jahre vorher als eigene Disziplin nicht gab, eines der Aushängeschilder der Bonner Uni. Seine Studenten wollte Clemen auf die Bedürfnisse der Museumsbesucher aufmerk-sam machen. Neben der reinen Kunstgeschichte legte er bei der Ausbildung auch darauf Wert, was man heute Museumspädagogik nennt; er war ein Pionier auf diesem Gebiet. Clemen machte sich im Krieg Gedanken um den Schutz und die Auslagerung von Kunstgütern. Nach dem Ersten und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg rief er die Rheinländer in flammenden Reden dazu auf, ihre wertvollen Kunstschätze nicht untergehen zu lassen. Als fast Achtzigjähriger begann er auf vielfachen Wunsch, die Erinnerungen seines bewegten Lebens niederzuschreiben. Sie blieben Fragment, bedingt durch Krankheit und Tod, doch vermitteln sie das lebendige Bild eines Gelehrten, der Zeit seines Lebens „zum Ganzen“ strebte. Clemen berichtet fes-selnd, wie er von je her seinen unbändigen Bildungshunger durch die Begegnung mit den großen Geis-tern seiner Zeit, auf Wanderungen und Reisen zu stillen suchte. Er gibt Einblick in die Frühzeit von 67 Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie. 56 Denkmalschutz und Denkmalpflege, für die Clemen in Ausübung seiner Ämter selbst Maßstäbe setz-te. 68 Clemen bekannte selbst: „Der Rhein ist mein Schicksal geworden“. So ist heute sein Name eng ver-bunden mit der reichen Denkmälerlandschaft der Region. Dies gilt auch für Schloss Burg, dessen Wiederaufbau er gleich zu Beginn seiner Amtszeit wohlwollend und interessiert begleitete. Den Bau-meister G.A. Fischer unterstützte er beratend bei seinen Rekonstruktionen und Planungen des aufzu-bauenden bergischen Schlosses. Auch als die Innenausstattung der Gebäude realisiert wurde, gehörte Clemen zu der Kommission des Kunstvereins der Rheinlande und Westfalen, die die Vorplanung der Themen in den Räumen und deren Abnahme nach der Ausführung vornahm. Als Wiederaufbau und Kunst von Schloss Burg in den zwanziger Jahren in Misskredit gebracht wurden, unternahm Paul Clemen eine Ehrenrettung des Schlosses. Er wies dem Schlosse seinen Standort in der Zeit des Wie-deraufbaus an und reihte es ein in die große Linie der Burgenwiederherstellungen, die am Rhein mehr als ein halbes Jahrhundert früher mit dem Aufbau der Burg Rheinstein einsetzte. „Sie sind weniger Dokumente für die Kunst des Mittelalters als für die romantisch-historisierende Stimmung der Zeit der Wiederherstellung. So trägt auch Schloss Burg in seinem Ausbau den Charakter jener Spätlingskunst der letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts“. Paul Clemen, Werke: Kunstdenkmäler der Rheinprovinz in 56 Bänden; Belgische Baudenkmäler; Belgische Kunstdenkmä-ler; Die Sammlung Dr. Leopold Seligmann Köln; Die deutsche Kunst und die Denkmalpflege; Italienische Kunst Plastik Zeichnung Malerei; Kunstschutz im Kriege; Köln Antlitz einer alten deutschen Stadt; Lob der Stille; Rheinfahrt Führer durch Geschichte Kunst und Landschaft des Rheintales; Rheinische Baudenkmäler und ihr Schicksal- Ein Aufruf an die Rheinlän-der, Düsseldorf 1946; Clemen/Gurlitt, Die Klosterbauten der Cistercienser in Belgien, Berlin 1916. Gotische Kathedralen in Frankreich, Einleitung, Zürich 1951; Literatur: Paul Clemen 1866-1947. Erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz, Katalog der Ausstellung anlässlich seines 125. Geburtstages, Bonn 1991. Fischer, Gerhard August; Gerhard August Fischer 1833-1906 , Zeichnung aus dem Generalanzeiger für Elberfeld-Barmen v. 13.11.1906. Baumeister, Zeichner und Architekt * 29. November 1833 Dortmund-Schüren † 11. November 1906 August Eduard Gerhard Heinrich Fischer entstammte einer Bergmannsfamilie, die aus dem oberschle-sischen Kohlenrevier des Waldenburger Landes kam. Sein Vater arbeitete wiederum als Bergmann an einer Essener Zeche. Gerhard August wurde am 29. November 1833 in Schüren bei Aplerbeck (Dort-mund) geboren. Seine Mutter Louise Henriette Surmann war in Schüren zuhause. Gerhard August zeigte ein frühes Talent zum Zeichnen, was vom Vater, wie von einem sachkundigen Kollegen erkannt und gefördert wurde. Der Vater ermöglichte ihm den Besuch der Handwerker und Zeichenschule in Dortmund. Die finanziellen Möglichkeiten der Bergmannsfamilie waren aber begrenzt, so dass der 68 Aus Presseinformation der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 57 Sohn zur handwerklichen Ausbildung bei einem kleinen Maurermeister mit der Lehre begann. Noch während der Lehrzeit und nach deren Abschluss beließ es Fischer nicht nur bei der Ausübung der Ge-sellentätigkeit, sondern besuchte die Hagener Gewerbeschule. 1854, nach Abschluss dieser Ausbil-dung wurde er kurzzeitig Gehilfe des Barmer Stadtbaumeisters Bürkner und kam schon dort mit dem aktuell werdenden neugotischen Baustil intensiv in Berührung. Bald danach wechselte er in das Büro des Unterbarmer Baumeisters Christian Heyden (1803-1869) einem Schwiegersohn des bekannten Düsseldorfer Klassizisten v. Vagedes. Auch Heyden war bislang ein Vertreter dieser Stilrichtung, doch zu dieser Zeit wurde die Gotik zu bevorzugten Baustil sakraler Gebäude, einer Richtung, der sich beide Baufachleute fortan verschrieben. Im Jahre 1857 unternahm Fischer eine siebenmonatige Wanderung durch Nord- und Ostdeutschland und gelangte über die Grenzen Westfalens und Niedersachsens nach Brandenburg, sah die backstein-gotischen Hansestädte der Ostsee und kam über die Marienburg bis Danzig. Seine Rückwanderung führte ihn nach Kassel, wo er seine Zeichenstudien dem Architekten Georg Gottlieb Ungewitter vor-legen konnte. Ungewitter nahm den jungen Fischer ein halbes Jahr als Schüler auf und vermittelte ihm eine intensive Fortbildung im Bereich der Gotik. In Kassel hatte Ungewitter neben der Kölner und der Hannoverschen Schule das dritte Neugotische Zentrum eingerichtet und trat als Autor des Lehrbuchs „Die Gotik“ hervor. Fischers Wanderschaft im Jahre 1857 bildete nach seinen eigenen Worten „den Glanzpunkt seines Lebens“ und hat ihm für sein späteres Schaffen reiches Anschauungsmaterial erschlossen. Noch 40 Jahre später gab er sein Reisewissen in Vortragsreihen beim Bergischen Geschichtsverein weiter. Seit 1858 verdingte sich Fischer als Maurerpolier und Bauführer und leitete zwischen 1859 bis 1861 im Auftrag des Architekten Heyden den Bau der großen evangelischen Kirche zu Gütersloh. Bald nach bestandener Maurermeisterprüfung machte er sich selbständig. Mit dem Auftrag, 1866 die Barmer Antoniuskirche auszubauen, schuf er die Grundlage, sich in Barmen als Architekt niederzulassen. Zu dieser Zeit heiratete er seine Frau Julie geb. Moll (*1842). Sie bekamen drei Kinder, Friedrich Erwin *1868, die Tochter Maria und als jüngsten Jacob Richard * 1870, der später ebenfalls Architekt wurde. Die nachfolgenden Jahrzehnte bis zu seinem Tod 1906 sehen den Architekten in unermüdlicher Bau-tätigkeit. Die Region zwischen Ruhr und Rhein verdankt Fischer eine Vielzahl von Nutzgebäuden, so die Neugestaltung von Schloss Casparsbroich an der Itter bei Haan. Das Schwergewicht seiner Arbeit lag aber bei Neubauten und Umgestaltungen von Kirchen. Aus seinen Aufzeichnungen geht nicht her-vor, ob er sich einer bestimmten Auffassung der Neugotik angeschlossen hatte. Seine Hallenkirchen rücken ihn aber an die Raumauffassung Friedrich von Schmidts, dessen weite Hallenräume sich be-wusst von den basilikalen Räumen des Vincenz Statz absetzen. Fischer hat den größten Teil seiner Kirchen in Westfalen errichtet. Es sind in der Mehrzahl katholische Kirchenbauten, obwohl er selbst der evangelischen Kirche angehörte. Vermutlich waren die katholischen Geistlichen aufgrund des Einflusses der Kölner Schule seinen neugotischen Planungen mehr aufgeschlossen als ihre evangeli-schen Amtsbrüder.69 Mit ihnen setzte der Baumeister seiner Vorliebe zu gotischer Stilsprache unüber-sehbare Zeichen. Fischers Bindung an die Erneuerung mittelalterlicher Baukunst hat auch sein geschichtliches Interesse geweckt. In Barmen wurde er frühzeitig Mitglied des Bergischen Geschichtsvereins, wo er viele Vor-träge über seine Kunstreise von 1857 hielt. Die Fahrten des Vereins an die rheinischen Kunststätten bereitete er sorgfältig mit Zeichnungen und Informationsschriften vor. Somit galt er als prominenter Vertreter spätromantischen Bauverständnisses und ausgewiesener Kenner ihres bevorzugt gotischen Formenarsenals, als die ersten Aktivisten um Schloss Burg ihn 1886 mit ihren Plänen vertraut machten und alle baulichen Belange in seine Hände legten. Während seiner beiden let |
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