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Beiträge zur Heimatgeschichte Die St. Reinoldi Kapelle in Rupelrath Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2010 2 Beiträge zur Heimatgeschichte Andreas Sassen / Claudia Sassen Die St. Reinoldi Kapelle in Solingen-Rupelrath Inhalt: Zur Geschichte der St. Reinoldi Kapelle Hinweise auf die Translation der Gebeine Reinoldis Der Verbleib der Reinoldireliquien Die Lage der St. Reinoldi Kapelle Baugeschichte der Kapelle Die spätgotischen Wandmalereien in Chorraum und Apsis Beschreibung der Malereien Chorbogen: Ewigkeitsranke Chorgewölbe: Marianische Antiphon Apsisgewölbe: Weltgericht Apsispolygon über den Fenstern Wände des Chorraums : Reinoldis mit weiblicher Heiligen Nikolaus Die Wände des Apsispolygons: Muttergottes Katharina Barbara Margareta Zusammenfassung Vergleiche zu gotischen Malereien im Bergischen Land und Kölner Umland: Marienberghausen Holpe Ausmalungen, die mit den Malern von Rupelrath in Verbindung zu bringen sind Das barocke Kirchenschiff der St. Reinoldi Kapelle: Zur Geschichte der Erbauung, von Gerd Weiland Beschreibung des Kirchenschiffs Die Ausstattung der St. Reinoldi Kapelle: Die klassizistische Orgel Die barocke Kanzel Der gotische Taufstein Die Wetterfahne am Chordach, von Gerd Weiland Exkurs Die Restaurierung der Malereien 1997/98 Restaurierungsbericht (Auszug) von Sigrun Heinen Literatur: 3 Zur Geschichte Zur Entstehung der St. Reinoldi Kapelle im Solinger Ortsteil Rupelrath verweist Max Schmidt 1922 in seinen „Geschichtlichen Wanderungen durch Solingen“ auf lokale Sagen, die von Zusammenhängen mit Köln berichten. Über die legendenhafte, mit dem seltenen Patron Reinoldi in Verbindung stehende Geschichte hinaus machte man sich kaum Gedanken über die Ursprünge der Kirche, da ihr auch kein besonderer baukünstlerischer Wert beigemessen wurde. Der Patronatsname St. Reinoldi war aus der vorreformatorischen Zeit beibehalten worden, ein einzigartiger Vorgang in der vorwiegend vom Calvi-nismus geprägten regionalen Kirche. Der Grund war weniger nostalgische Verehrung eines Heiligen, als Opposition der kleinen Randgemeinde, um in ihrer Daseinsnot nicht von der Hauptkirchengemein-de in Solingen vergessen zu werden. Erst die Wiederherstellung der Kapelle von Kriegsschäden und die Entdeckung der mittelalterlichen Fresken in Chor- und Altarraum lenkten das Interesse der Kunst-historiker auf das kleine Bauwerk. Es war auch die eigentümliche Lage der Kapelle außerhalb einer Siedlung, die über die Legende hinaus eine glaubwürdige und wahrscheinliche Deutung ihrer Entste-hung verlangte. Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Blick von Nordwest auf das 1718 erbaute Kirchenschiff. Foto der Verfasser 2008 Die früheste wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Ursprung der St. Reinoldi Kapelle erfolgte im Jahr 1953 in einer Veröffentlichung von Wolfgang Wennig.1 Sein Aufsatz „Die St. Reinoldi Kapelle bei Rupelrath und ihre Wandmalereien“ erschien kurz nach Abschluss der ersten Restaurierung der Male-reien. Den grundlegenden Gedankengängen Wennigs zur Entstehung dieser geschichtsträchtigen Stätte folgte 1956 der Dortmunder Historiker Paul Fiebig.2 In seinem Buch „St. Reinoldus in Kult, Li-turgie und Kunst“ widmet er der Kapelle bei Solingen einen ausführlichen Teil und schließt sich der These an, dass die Entstehung der Kapelle vermutlich auf die Überführung der Reliquien des hl. Rei-nold von Köln nach Dortmund zurückzuführen ist. Doch der Zeitpunkt der Translation ist nicht zu datie-ren, somit bleibt die Gründung der Kapelle im Dunkel der Geschichte. Selbst die merkwürdige Bau-form von Chor und Apsis, die sich stilistisch nicht so recht einordnen lässt, bleibt noch lange Zeit ein Geheimnis. 1 Wolfgang Wennig, Die St. Reinoldikapelle bei Rupelrath und ihre Wandmalereien, Romerike Berge III/2 1953. Dr. Wolfgang Wennig, † 1979, Kunsthistoriker aus Weimar, Leiter des Stadtarchivs in Hilden, trat durch seine landeskundlichen Forschungsarbeiten hervor. 2 Dr. Paul Fiebig, St. Reinoldus in Kult, Liturgie und Kunst. Dortmund 1956. 4 Im Jahre 1969 befasst sich der Historiker Heinz Rosenthal3 in seinem ersten Band „Solingen - Ge-schichte einer Stadt“ mit den historisch belegten Fakten der Rupelrather Gemeinde seit der Reforma-tion. Weder den veröffentlichten Aufsatz Wennigs noch Fiebigs Forschungsarbeit werden von ihm erwähnt und auch nicht in seiner Literaturliste genannt. Zum Ursprung der St. Reinoldi Kapelle in Ru-pelrath bezweifelt er aber einen Zusammenhang mit Köln und Dortmund. Er ist der Meinung: „Die St. Reinoldi Kapelle mit der Überführung der Gebeine nach Dortmund zu verbinden verbietet sich, da durch das Solinger Gebiet kein alter Handelsweg von Köln nach Westfalen führte.“ Dieses Urteil lähmt einerseits jede Initiative, weiter nach glaubhaften Quellen der Vergangenheit zu suchen, ande-rerseits verweist es die Geschichte von St. Reinoldi wieder in den Bereich der Legende. Nach zahl-reich erschienenen Geschichten mit eher erbaulichem Inhalt, wagt erst 1990 der Rupelrather Gerd Weiland eine historische Bestandsaufnahme. In seinem Buch „Die Capeller“ zählt er akribisch die Stationen der schwierigen Entwicklung seiner Gemeinde auf und verweist nochmals auf die nach wie vor ungeklärt im Raum stehenden Thesen über den Ursprung der St. Reinoldi Kapelle. Rosenthals Feststellung über das Fehlen durchgehender Handelswege über Solinger Gebiet ist zwar richtig, doch die gesuchte alte Handelsverbindung führt an Rupelrath, am äußersten südwestlichen Zipfel Solingens vorbei. Auf diesen Weg stützen sich Wennig und Fiebig mit ihren Vermutungen und berufen sich dabei auf die Angaben F. E. v. Mehrings,4 der auf den Verlauf einer sogenannten „Sand-straße“ in der Nähe der Ortschaft Rupelrath hinweist. Weitere Bestätigungen von Wegeführungen bei Rupelrath finden sich in der „Topographia Ducatus Montani“, auch wenn diese dort nicht namentlich bezeichnet werden. Im ersten Kartenwerk vom Herzogtum Berg aus dem Jahr 1715 vom Geometer Erich Philipp Ploennies,5 sind alte Handelswege eingezeichnet, die sich von der Römerzeit über das frühe Mittelalter ergeben hatten. Sie waren im Laufe der Zeit nur geringen Veränderungen unterwor-fen, wobei es sich durchweg um unbefestigte und ausgefahrene Spuren von Ochsenkarren handelt, dem bewährten Transportmittel bis zum Bau der Eisenbahn in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ploen-nies Topographie, eine verlässliche Quelle, zeigt in einer Teilkarte vom Amt Monheim das betreffende Gebiet und weist nordwestlich der Kapelle von Rupelrath eine vorbeigehende größere Straße auf. Der Zug der Reliquien des hl. Reinold hätte durchaus auf dieser Straße von Köln nach Dortmund erfolgen können. Um einen solchen Weg nachzuvollziehen, hätte von Köln aus rheinabwärts der Fluss überquert wer-den müssen, wobei eine Landung an mehreren Orten möglich war. Entweder direkt bei Deutz oder flussabwärts bei Mühlheim, Stammheim, Wiesdorf, Rheindorf und schließlich Monheim. Monheim wird als Rheinübergang häufiger genannt; vermutlich erleichterte die einstige Insel vor dem Ort eine Fluss-überquerung. Nehmen wir zum Anlegen die Orte bis Monheim an, so hätte man die Straßen nach Reusrath nehmen können. Die ortskundigen Fuhrleute wählten den Streckenverlauf sicher nach der Jahreszeit, der Wetterlage und der Wegbeschaffenheit aus. Von der Rheinebene steigt der Weg stetig und führt nordwestlich an der Reinoldikapelle vorbei weiter über Haus Graven in Wiescheid oder Hackhausen auf Hilden zu. Hier war ein erzbischöflicher Hof, den man als Station sicherlich angelau-fen hat, bevor man über Haan die alte Handelsstraße ins Tal der Wupper zum Kölner Hof Elberfeld weiter gezogen ist. Von dort aus könnte über Schwelm und Gevelsberg bis Dortmund der weitere Weg der Reliquien des hl. Reinold gewesen sein. Hinweise auf die Translation6 Reinoldis Die Historia Reinoldis martyris aus St. Kunibert in Köln (im 15. Jh. entstanden und bis ins 18. Jh. als Antiphon in Gebrauch) berichtet: Des Märtyrers heiliger Leib im Glanze herrlicher Tugenden ward mit des Bischofs Erlaubnis von der Stadt Köln zur neuen Gemeinde Christi nach Dortmund als Schutzpat-ron gesandt. Dabei begleitete das Volk das erhabene Geschenk des verehrten Leibes.7 Nach der Prosalegende Die Historia van sent Reynolt 8 Absatz 15, Wie sent Reynoltz lichnam zo Dorpmunde is komen9 hat die Kölner Geistlichkeit und mit ihr die Bürgerschaft den Gebeinen Reinol 3 Heinz Rosenthal, Solingen Geschichte einer Stadt Bd. I. Duisburg 1969, S. 137 ff. 4 F. E. v. Mehring, Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien, Klöster in den Rheinlanden. (1833-1861), Bd. X, S. 68 ff. 5 Erich Philipp Ploennies 1672-1751, Topographia Ducatus Montani 1715. Neu herausgeg. v. Burkhard Diez. 6 Translation: (kath. Rel.) feierliche Überführung der Reliquien eines Heiligen an einen anderen Ort. 7 Thomas Schilp, Historia Reynoldis martyris, lateinisch/hochdeutsch in Reinoldus und die Bürgergemeinde Dortmunds. S. 166ff. 8 Beate Weifenbach / Walter Kettemann, Die Historia van sent Reynolt (altdeutsch und lateinisch) in: Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde. S. 122-156 5 Von Monheim bis Dortmund über die historischen Stationen sind es heute, auf modernen Straßen etwa 95 km. Mit der Fluss-fahrt auf dem Rhein bis Monheim und dem weiteren Weg auf einem von Ochsen gezogenen Wagen dürfte der Zug der Reli-quien vier bis fünf Tage gebraucht haben. Die Karte zeigt den vermutlichen Weg von Köln bis zu seinem Ziel in Dortmund, wobei eine deutliche Umgehung des Solinger Gebiets auffällt. dis auf einer Wegstrecke von drei Meilen das Geleit gegeben, und darauf erst seien die Reliquien von den Dortmundern übernommen worden. Diese etwas genauere Schilderung des Geschehens führt uns von Köln nach Rupelrath. Macht man entsprechend drei Meilen einen Zirkelschlag von 23 km vom Dom am Kölner Ufer, dann liegt Rupel-rath mit der St. Reinoldi Kapelle an der Peripherie dieses Kreises. Drei Meilen sind auch die realisti-sche Tagesleistung eines Ochsengespanns; denn mehr Weg ist mit diesen Zugtieren nicht zu ma-chen. Zudem liegt der Ort Rupelrath direkt am Weg nach Hilden, dem nächsten erzbischöflich-kölnischen Hof. Man muss sich vorstellen, welch ein Ereignis der Zug der Reliquien eines Heiligen im frühen Mittelalter war. Die Kunde von seiner Übertragung wird sich wie ein Lauffeuer unter der Bevölkerung verbreitet haben; denn die im Glauben liegende erhoffte Heilwirkung von der Nähe zur Reliquie ließ sich kaum jemand entgehen. Vermutlich ist der Zug der Gebeine Reinolds auf dem gesamten Weg von den Gläubigen beobachtet und begleitet worden. Der Akt der Übergabe der kostbaren Reliquien an die Dortmunder war mit sehr hoher Bedeutung verbunden und wird im Rahmen einer gemeinsamen Mes-se geschehen sein. Zu der feierlichen Zeremonie wird man auf dem Platz in der Nähe des Weges einen Feldaltar errichtet haben, an dessen Stelle später zum Gedächtnis eine Kapelle erbaut wurde. Der Altar einer solchen Kapelle war nach Vorschrift der Kirche aus Steinen aufgemauert, in dessen Inneren sich ein Hohlraum zur Aufnahme einer Reliquie befand. Da die Kapelle den hl. Reinold als Patron hatte, wird im Altar auch ein Partikel seiner Gebeine vorhanden gewesen sein. 9 Weifenbach a. a. O. S.153 6 Ausschnitt aus den Kölner Stadtplan von Merian 1646. Rechts im Bild das Reinoldikloster (G), links die alte Mauritiuskirche, im Vordergrund die alte römische Stadtmauer mit dem Reinolds-Tor. Das Reinoldikloster war der ursprüngliche Aufbewahrungsort der Reliquien des hl. Reinolds. Die Vorgänge, die zur Erbauung der St. Reinoldi Kapelle geführt haben sollen, sind in gewisser Weise nachvollziehbar, doch leider ließ sich bis heute nicht eindeutig feststellen, wann die Reliquie von St. Reinoldi überführt wurde. Ein Dortmunder Bericht aus dem 14. Jahrhundert von Lambert von Wicke-de 10 nennt Erzbischof Anno II. von Köln (1056-1075), der 1075 eine Dortmunder Stiftskirche St. Pan-taleon in eine Pfarrkirche umgewandelt und aus diesem Anlass die Reliquie St. Reinoldi nach dort gegeben hat. Eine weitere, aus dem 16. Jahrhundert stammende Chronik11 macht Erzbischof Konrad von Hochstaden12 für die Weitergabe verantwortlich. Bemerkenswert ist dazu, dass 1261 die Dort-munder Hauptkirche erstmalig nachvollziehbar als St. Reinoldikirche in den Urkunden erscheint. Zu dieser Zeit beginnen an der Kirche umfangreiche Bauarbeiten, die um 1280 mit der Vollendung des Langhauses abgeschlossen sind. Mit der zweiten Quelle steht die sagenhafte Überlieferung im Einklang, die unsere Kapelle mit dem Kölner Dombau verbindet. 13 Dazu entwickelte sich eine ganze Reihe von Legenden, die vom Inhalt her aber wenig zur Aufklärung beitragen. Bleibt also zu entscheiden, ob der älteren Quelle der Vorzug zu geben ist. Paul Fiebig ist 1956 bei seinen sehr umfangreichen Untersuchungen aufgrund der Überlieferung der ältesten Erwähnung Reinoldis in einem liturgischen Text zu dem Ergebnis gekommen, die Reliquien seien schon im 9. oder 10. Jahrhundert nach Dortmund gekommen. Daraufhin hat die moderne For-schung versucht, der Problematik der mehr als fragmentarischen Quellen mit verschiedenen Argu-mentationen beizukommen. Zu erwähnen ist Hans Jürgen Brandt, der die Überführung nach Dort-mund ebenfalls im 10. Jahrhundert annimmt und die Amtsjahre des Kölner Erzbischofs Bruno (953- 965), des Bruders Kaiser Ottos I., für den wahrscheinlichsten Kontext hält.14 Zuletzt versuchte Klaus Lange in seiner Arbeit „St. Reinoldi vor 1232 - Bau- und Kirchengeschichtli-che Überlegungen zur Translationszeit des Dortmunder Stadtpatrons“ 15 durch methodische Aufarbei-tung aller Quellen, einschließlich der archäologischen Forschung nach 1945, Licht in die Sache zu bringen. Lange musste feststellen, dass die Quellen zu Dortmunds älterer Geschichte nur spärlich fließen, da 1232 die Stadt, die betreffende Kirche und auch die damaligen Archive ein Raub der 10 Lambert von Wickede in Heinrich von Brockes Chronik der Benediktskapelle in Dortmund. Vg. Jos. Hansen, Chronik der Pseudorektoren der Benediktskapelle zu Dortmund. (Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deut-sche Geschichtskunde XI. , Hannover 1886, S. 491 ff. Wortlaut der betr. Stelle S. 519 f. 11 Merssaeus, Elektorum ecclesiasticorum 12 Konrad von Hochstaden (1238-1261), begann 1248 den Kölner Dombau. 13 Wennig, a .a. O. S. 63 14 Brandt, St. Reinoldus in Dortmund, 1982, S. 86 ff. 15 Klaus Lange, in St. Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde S. 63-65. 7 Flammen wurden. Die älteste urkundliche Erwähnung der Reinoldikirche findet sich im Jahre 1238.16 Entsprechend ist über St. Reinoldi dann erst seit 1261 als Patron der Hauptkirche zu lesen. Dazu kommt, dass spätere Dokumente zum Teil gefälscht wurden und deshalb besser nicht zu Rate gezo-gen werden sollten. Es blieben deshalb die archäologischen Befunde der Grabungen, die nach den Kriegszerstörungen von Christoph Albrecht durchgeführt wurden. Albrecht publizierte seine Arbeit 1954 und 1956 in zwei kurzen Aufsätzen, deren Befunddokumentation heutigen Ansprüchen aber nicht mehr genügt. Es ist bemerkenswert, dass oftmals bei den mühevollen Grabungsarbeiten von den Archäologen derart wenig dokumentiert wurde. Aus den vorliegenden Indizien versucht Lange eine hypothetische Bau- und Kirchengeschichte und entwirft folgendes Bild: Einiges spricht dafür, dass bereits im 9. Jahrhundert der Gründungsbau der späteren Reinoldikirche in Dortmund entstand, so wie die Stadtchroniken es berichten. Vor 935 wurde eine Saalkirche erbaut, die Albrecht auch 1945 ergraben hat. Es war eine Stiftskirche, deren Umgebungsbebauung durch die ottonischen Herrscher häufig als Pfalz genutzt wurde. Dortmund hatte zu dieser Zeit aber noch keine Stadtbefestigung, galt also in unruhigen Zeiten für die Einrichtung des Stiftes nicht sicher genug. Ver-mutlich verlegte man deshalb die Kanoniker ins Mariengradenstift17 nach Köln und baute um 1065 die bereits beschädigte Stiftskirche in eine Pfarrkirche um. Sozusagen als Entschädigung für die Herab-stufung der Kirche überwies Erzbischof Anno II. die Gebeine des hl. Reinold aus dem Reinoldikloster18 in Köln an die Pfarrkirche in Dortmund. Im Zusammenhang damit wurde für die Aufnahme der Reinol-direliquien eine weiträumige Krypta angelegt. Die feierliche Translation der Gebeine des heiligen Rei-nold soll am 7. Januar 1065 stattgefunden haben. Seitdem führte die ehemalige Stiftskirche das Rein-oldus- Patrozinium und seitdem feierte die Stadt am 7. Januar das Fest ihres Patrons. Als Dortmund in den kriegerischen Ereignissen 1114 und 1115 zweimal zerstört wurde, trug auch die Reinoldikirche Schäden davon. Wahrscheinlich wurde nach den Wiederherstellungsarbeiten der Reinoldusschrein in den neuen Chor übertragen und die Krypta aufgegeben. Soweit die Angaben Langes, die dem Leser durchaus logisch erscheinen, nach seiner eigenen Mei-nung aber nicht zweifelsfrei die Translationszeit belegen. Er stellt das Ganze am Ende seiner Ausfüh-rungen wieder infrage, da die Suche nach dem Zeitpunkt der Überführung der Gebeine des Reinoldis eine Gleichung mit vielen Unbekannten ist. Es bleiben zu viele Fragen offen, um zu einer glaubwürdi-gen Folgerung kommen zu können. Der Verbleib der Reinoldireliquien Die heutige Reinoldikirche in Dortmund ist eine Wiederherstellung der im Zweiten Weltkrieg stark zer-störten weiträumigen Basilika aus der Zeit von 1260-1280. Der spätgotische Bürger-Chorraum mit dem kunstvollen Gehäuse für die Reinoldireliquien entstand 1421-1456. Mit der Wiederbelebung der Geschichte regionaler und nationaler Heldengestalten trat Reinoldis im 19. Jahrhundert bis in die 30er Jahre noch einmal in den Vordergrund. Die Verehrung der Reliquien, die in der Geschichte der Stadt so hochbedeutend war, endete aber schon mit der Einführung der Reformation. In den folgenden Wir-ren verschwanden die Gebeine Reinolds, ohne dass dies öffentliche Aufmerksamkeit hervorgerufen hätte. Kein Bericht ist dazu überliefert; der Stadtpatron Reinoldus geriet im 17. und 18. Jahrhundert in Dortmund in Vergessenheit. Erst 1956 – nach Abschluss seines Buches - gelang es Paul Fiebig, das Schicksal der Reinoldireli-quien zu rekonstruieren. Danach schenkte am 22. August 1616 Erzherzog Albert von Österreich dem Erzbischof von Toledo die Reliquien des Dortmunder Stadtpatrons. Der Weg der Gebeine wurde da-mals als Beweis der Authentizität in einer Urkunde fixiert. Demnach hatte der Bürger Albert Klepping am 11. Mai 1614 die Gebeine nur mit Wissen dreier Kirchmeister von St. Reinoldi – also heimlich erworben und am 15. August desselben Jahres an den Kölner Dompropst Graf Eitel Friedrich von Hohenzollern weitergegeben. Dieser schenkte die Reliquien am 21. März 1616 dem österreichischen Erzherzog Albert. Am 22. August wurden die Reliquien dem Erzbischof von Toledo in einer einfachen 16 DUB 1, Nr. 75. 17 Mariengraden war ein Stift mit seiner Kirche unmittelbar östlich vor dem Chor des Doms. Siehe Stadtansicht Kölns von Arnold Mercator 1570/71. 18 St. Reinoldi in Köln war ein unbegütertes Nonnenkloster mit kleiner Kapelle am Eselsmarkt in der Nähe von St. Aposteln. Es unterstand aber der Visitation und dem Vorstand von St. Pantaleon. Der Konvent wurde 1802 aufgelöst, Kapelle und Gebäude kurz darauf niedergerissen. Siehe Fiebig S. 48 ff. (nach v. Mehring a. a. O.) Siehe auch das Reinoldikloster (Buchstabe G) im Kölner Stadtplan von Merian. 1646. 8 Holzkapsel übergeben. Der kostbare Reliquienschrein aus Edelmetall verblieb in Dortmund und wurde mit den zurückgebliebenen wertvollen Gebeinfassungen nach und nach zur Finanzierung von Repara-turen an der Kirche zerstückelt und verkauft. Zur 1100 Jahrfeier der Ersterwähnung Dortmunds im Jahr 1982 kamen die Gebeine Reinoldis aus Toledo noch einmal in ihre alte Heimat zurück. Ein Knochenteil verblieb bei der katholischen Gemein-de in der Stadt und wurde von einem Pathologen vorsichtig längs zerschnitten und untersucht. Sei-nem Bericht nach handelt es sich um den linken Schienbeinknochen eines gesunden etwa 30-jährigen Mannes. Im Vergleich mit einer weiteren Reliquie aus Prag, die 1377 bei einem Besuch Kaiser Karls IV. vom Rat der Stadt Dortmund verschenkt wurde und seitdem im Prager St. Veitsdom verwahrt wird, konnte diese als authentisches rechtes Gegenstück erkannt werden. Um weitere Aufschlüsse zu bekommen, machte man im Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Iso-topenforschung an der Universität Kiel von einem kleinen Teil des Knochens Untersuchungen nach der 14C-Methode. Zu dieser Zeit verknüpfte man damit die Erwartung, dass die Knochen, die man als Reliquien des Heiligen Reinoldus verehrt hatte, zum Skelett eines Menschen gehörten, der im 11. oder 12. Jahrhundert verstorben war. Umso größer war die Überraschung, als die Untersuchung einen wesentlich früheren Todeszeitpunkt ergab: es war ein Mensch, der um 600 bis etwa 640 gelebt hatte. Dieser Zeitraum, der fast 200 Jahre vor Karl dem Großen liegt, befindet sich geradezu jenseits unse-rer Geschichtsschreibung und damit früher, als man sich die historische Person Reinolds vorstellte. Auch dieses Resultat führte die Forschung zu keinen neuen Anhaltspunkten für einen Zeitraum der Translation.19 Mit diesem Ergebnis schließen zwar die Untersuchungen in Dortmund, sie beantworten aber zumin-dest die Lebenszeit des Mannes, dessen Gebeine man für die des Heiligen Reinold hält. Im Umkehr-schluss führt uns diese Aussage aber wieder nach Köln zurück. Davon ausgehend, dass Bonifatius erst nach 718 von Friesland beginnend im sächsischen Raum missionierte, werden die heute noch fast vollständigen Gebeine kaum die eines Christen aus dem Dortmunder Raum gewesen sein. Das linksrheinische Köln dagegen war bereits 313, also noch vor der fränkischen Übernahme um 330, Bistum und wurde 785 von Karl dem Großen zum Erzbistum erhoben. Ein Reliquienkult mit allen Er-fahrungen zur Konservierung menschlicher Gebeine konnte sich um 600, im Gegensatz zum heidni-schen rechtsrheinischen Gebiet, nur im christlichen Zentrum Köln befunden haben. Damit ist zumin-dest eine – aber auch ganz wesentliche Frage beantwortet: die Gebeine sind tatsächlich Kölner Her-kunft und in früher Zeit von dort nach Dortmund überführt worden. Nach all diesen Bemühungen der Aufklärung um die Person des Reinhold ist das Resümee von Wolf-gang Wennig, der sich 1953 zum Ort Rupelrath und der Translation der Gebeine des Heiligen Reinold kompetent und sachlich äußert, nach wie vor aktuell und nachvollziehbar: „Selbst wenn die mit dem Wortlaut der Legende übereinstimmende Entfernung Zufall sein, oder die Legende in dieser Hinsicht auf einer Erdichtung beruhen sollte, so wäre es dennoch sehr wahrschein-lich, dass sich hier bei Rupelrath im Zusammenhang mit der Überführung der Reliquie etwas von Be-deutung ereignet hat, sei es die Übergabe an Dortmund, sei es die erste Wegrast, etwa einen Tages-marsch von Köln entfernt.“20 19 Tomas Schilp, „Reinoldus, unser stat overster patroen und beschermer“ a. a. O. 20 Wennig a. a. O. 9 Die Lage der St. Reinoldi Kapelle Neben der unsicheren Gründungsgeschichte von St. Reinoldi in Rupelrath ist die wichtigste Urkunde über die Baugeschichte das Bauwerk selbst. Es ist ein eher unscheinbares Kirchlein, in Bruchsteinen und Backsteinen aufgeführt und ursprünglich mit einer Kalkschlämme verputzt. Das Bruchsteinmateri-al musste aus einiger Entfernung herangeholt werden, denn der nahe Wenzelnberg besteht aus Kies und Sand. Es ist möglich, dass das Baumaterial am Horner Berg oder in dem alten Steinbruch an der Haasenmühle gewonnen wurde. Dieser Bruch liefert den regionalen weich-brüchigen Grauwackestein, der für eine werkmäßige Verarbeitung ungeeignet ist und bestenfalls grob zugerichtet werden kann. Auch am Schirpenbroich ist noch ein Steinbruch nachzuweisen, der aber vermutlich nur für die Ge-bäude des Gutes, vielleicht auch für die Unterbauten der nahen Hofschaftshäuser genutzt wurde.21 . Ausschnitt aus dem Stadtplan (Liebrecht und Morsbach) von Solingen 1939. Die St. Reinoldi Kapelle befindet sich an der südlichen Spitze des Stadtgebiets. Der Kapellenbau steht inmitten eines noch vor 1705 genutzten Friedhofs in der Wiesenlandschaft östlich des Wenzelnberges. Die Ansicht aus der Luft zeigt, wie merkwürdig dieser Sakralbau ganz gegen sonstige Gewohnheit abseits der Hofschaften erbaut ist, und die politischen Karte offenbart, wie sie in einem Zipfel am äußersten südlichen Rand des Solinger Stadtgebietes gelegen ist. Dabei ist die Entfernung zur Solinger Pfarrkirche wesentlich größer als z. B. zur Richrather oder Leichlinger Pfarrkirche. Es entsteht der Eindruck, als sei die Kapelle mit den umliegenden Hofschaften erst nach-träglich dem Stadtgebiet Solingens zugeschlagen oder besser einverleibt worden. Das verstärkt auch die Vermutung um eine besondere Bedeutung des Ortes und besagt, dass im 11.oder 12. Jahrhundert hier längst eine Kapelle vorhanden war. Sie gehörte damals aber wohl zur Kirche St. Martin zu Richrath, am äußersten Rand vom Einflussgebiet des Kölner Erzbischofs. Vielleicht erfolgte auch des-halb hier an der Grenze seiner Herrschaft die Übergabe der Reinoldireliquien an die Dortmunder Bür-ger. 21 Freundlicher Hinweis von Gerd Weiland, Solingen. 10 Die ungewöhnliche Lage der St. Reinoldi Kapelle auf der Anhöhe oberhalb der Hofschaft Rupelrath. Luftbild: Steinhaus, B. Boll 1985 Nach der Niederlage in der Schlacht bei Worringen 1288 gingen Macht und Einfluss des Kölner Erzbi-schofs auf rechtsrheinischem Gebiet zugunsten der Grafen von Berg deutlich zurück. Vermutlich wur-de zu dieser Zeit die Honnschaft Rupelrath mit ihrer Kapelle, an der man wohl ein besonderes Interes-se hatte, der Kirche in Solingen unterstellt.22 Es wird auch eine Eingliederung der Rupelrather Kapelle als sogenannte Wertsteigerung der Solinger Kirche vermutet, bevor diese 1363 durch die Grafen von Berg an das Kloster Altenberg verkauft wurde.23 Im Hinblick auf diese Ereignisse die im Interesse der politischen und kirchlichen Mächte standen, dürfte sich in Rupelrath schon lange eine Vorgängerin des heutigen Kapellenbaus befunden haben. Die Baugeschichte der Kapelle Vom bestehenden Kirchenbau ist nur der Chor mittelalterlich. Der heutige Gemeinderaum ist ein baro-cker Saalbau von 1718 mit einer verputzten Holzbohlentonne, der noch seine ursprüngliche einfache eichene Bestuhlung besitzt. Er trat an die Stelle eines wesentlich kleineren Langhauses, das vermut-lich zum erhaltenen Chorraum gehörte, oder schon älter war. Vorstellbar ist dabei ein Saalbau in ge-ringen Abmessungen, innen mit einer flachen Holzbalkendecke und hoch liegenden kleinen Rundbo-genfenstern. 24 Vermutlich würden sich bei Grabungen 2-2,5 m innerhalb der jetzigen Umfassungs-mauern Grundmauerreste dieses kleinen Saalbaus feststellen lassen.25 Ansonsten geben weder Schrifttum noch Ansichten über die ursprüngliche Rupelrather Kapelle Auskunft. Es war bislang auch nicht geklärt, ob der jetzt stehende Chor dem Gründungsbau angehört. Mit seinem dreiseitig gebro-chenen Abschluss erweist er sich trotz der altertümlich anmutenden Halbkuppelüberwölbung als nach-romanisch. Der mit der Apsis verbundene queroblonge Chorraum hat ein flaches Kreuzgratgewölbe, das an den Schmalseiten auf gotischen Schildbögen aufliegt. Die drei rundbogigen Apsisfenster zei- 22 Gerd Weiland, Die Capeller, S.11, mit dem Hinweis auf Karl Siemar Baron von Galéra, Langenfeld von der Markgrafschaft zur Stadt. 23 Gerd Weiland, Die Capeller, S.12. und Galéra, a. a. O. 24 Zum Vgl. das Schiff der alten Pfarrkirche in Refrath. 25 Nach Kurfürstlicher Genehmigung durfte die Kirche um jeweils 8 Fuß verbreitert werden. Weiland, S. 27. 11 gen keinerlei Profilierung, Werksteine mit Spuren irgendeiner Steinmetzarbeit fehlen und somit jeder Hinweis auf das Alter. 12 Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Blick auf die Nordostseite Nach der Wiederherstellung um 1952 lässt der verwitterte historische Kalkputz noch einen Blick auf die Struktur des einheitli-chen Bruchsteinmauerwerks zu. Foto: Stadtarchiv Solingen. Bemerkenswert ist die Ausführung des Gebäudeteils, der mit Sicherheit kein in der Romanik aufge-führter Bau ist. Die Apsis ist in polygonaler Form angelegt und dann mit einer halbrunden Kalotte überkuppelt. Im 12. und beginnenden 13. Jahrhundert angelegte Apsiden weisen zumeist halbrunde Grundrisse auf, die dann mit einer Halbkuppel geschlossen wurden. Auch der anschließende Chor-raum wäre in der Romanik anders überwölbt worden. Kurze queroblonge Chorräume wie in Rupelrath schloss man gewöhnlich mit einer Gewölbetonne ab.26 Hier ist aber ein Gratgewölbe auf Spitzbogen gesetzt worden. Andere romanische Kapellenbauten in ähnlicher Größenordnung wie z. B. die alte Kirche zu Gruiten zeigen nach allgemein gültigen Regeln ein Chorquadrat. Allgemein ist aus ergrabe-nen Fundamenten auf die Form und ungefähre Entstehungszeit einer romanischen Kirche zu schlie-ßen. In Rupelrath fehlen aber jegliche Grabungserkenntnisse und angesichts der merkwürdigen Aus-führung von Chor und Apsis der Kapelle sind andere Untersuchungsansätze zu finden. 26 Zum Vgl. die romanische Kapelle in Idensen bei Wunstorf, und die Kapelle der Abtei Cluny in Berzé in Frankreich, die ähnlich kurze Chorräume aufweisen und mit einer Kurztonne überwölbt sind. 13 Rupelrath, St. Reinoldi. Blick auf den nachromanischen Chor, vor der Restaurierung der Kapelle um 1950. Links das Treppenhaus zur Orgel von 1856 Foto: Stadtarchiv Solingen Auffällig ist die eigentümliche Qualität, in der St. Reinoldi gebaut wurde. Vermutlich ist der Chor der Kapelle das Werk einer Maurergruppe, die den Bau nach recht offenen Vorgaben begann und diesen dann mehr oder weniger nach Augenmaß durchführte. Eine polygonale Apsis mit rundbogigen Fens-tern, die dann mit einer Halbkuppel geschlossen wurde, ist wohl keine Leistung eines in einer Bauhüt-te geschulten Werkmeisters. Die Ausführung der Bruchsteinwände mit einem Meter Stärke, der Bögen und Gewölbe aus Ziegelsteinen ist durchaus solide, erhebt aber keinen optischen Anspruch. Schon die Anlage der Grundmauern lässt das genaue Maß und die übliche Symmetrie vermissen. Die auffal-lenden Ungleichmäßigkeiten im aufgehenden Mauerwerk und die verzogenen Bögen sind auf Mess-fehler und ungenau verzimmerte Lehrgerüste zurückzuführen. War es Nachlässigkeit oder Unvermö-gen? Anscheinend wurden die Lehrbögen nicht von Bauschreinern oder Zimmerleuten, sondern von den Maurern selbst hergestellt. Die sorgfältig ausgearbeiteten Bauformen an anderen Kirchen waren einst das Ergebnis einer strikten Arbeitsteilung der Handwerker unter der Leitung eines Bau- oder Werkmeisters. Dieser war in der Regel gelernter Steinmetz, der präzise Messtechnik kannte. Anschei-nend hat man bei St. Reinoldi auf diese überkommenden Regeln keinen besonderen Wert gelegt oder handelte so aus Kostengründen. Dabei sind Apsis und Chorteil gleichermaßen gebaut worden, so dass man von derselben Entste-hungszeit ausgehen kann. Abbildungen aus der Zeit um 1950, die die Kapelle äußerlich nur noch mit den Resten des einst üblichen Kalk-Schlämmputzes zeigen, lassen die verwendeten Steine und ihren gleichartigen Versatz bei Apsis und Chor erkennen. Auch die Verwendung von Ziegelsteinen an Ap-siskalotte, den Bögen und am Chorgewölbe verweisen auf einen einheitlichen Bau. Verschiedene Bauzeiten – wie bisher häufig angenommen – sind auch wegen des geringen Bauvolumens des ge-samten Chorbereichs auszuschließen. 14 Grundrisse der Oberbergischen „Bunten Kirchen“ Wiedenest Marienberghausen Lieberhausen Holpe Die Oberbergischen „Bunten Kirchen“ sind alle romanischen Ursprungs und wurden zum Ende des 15. Jhs. nach Osten erweitert. Nur der Chor der Kapelle von Holpe ist dabei maßgenau angelegt worden. Zeichnungen im Maßstab angenähert. 15 Im Vergleich zu St. Reinoldi zeigen auch die Oberbergischen „Bunten Kirchen“ eine ähnlich merkwür-dige Qualität der Bauausführung. Bei diesen Bauten, die alle zum Ende des 15. Jahrhunderts im Chorbereich verändert und vergrößert wurden, sind besonders an den Grundrissen erhebliche Unge-nauigkeiten erkennbar. Obwohl sie im Verhältnis zu Rupelrath wesentlich größer sind, wurden auch dort die Wände unterschiedlich stark, die Mauerecken schiefwinklig und die Kreuzarme unsymmet-risch ausgeführt. Als Beispiele seien Wiedenest, Lieberhausen und Marienberghausen genannt. Al-lein die kleine Kirche von Holpe erhielt damals einen architektonisch exakt ausgerichteten Chor. Die Genauigkeit der Bauausführung und die Fertigung der Gewölberippen in ansprechenden spätgoti-schen Formen lassen nur dort auf die Anwesenheit von Steinmetzen bei Beginn und Ende der Bautä-tigkeit schließen. Die Einstellung der Bauarbeiten am Kölner Dom setzte natürlich die breite untere Schicht der Bauar-beiter – Maurer, Kalkbrenner und Handlanger zuerst frei. Der zeitliche Zusammenhang lässt vermu-ten, dass ihnen die Kölner Stifte im Umland neue Bauobjekte zuwiesen und die genannten Kirchener-weiterungen vermutlich auf diese Männer zurückgehen. Der Zeitraum der Umbauten an den genann-ten Kirchen von etwa 50 Jahren zwischen 1450 bis um 1500 und die Art der Bauausführung erwecken den Eindruck, die gleiche Maurergruppe sei von Ort zu Ort tätig gewesen. Anscheinend ist auch der Chor von St. Reinoldi in Rupelrath von einem solchen Bautrupp errichtet worden. Nach der Größe des Chorbaues unter Berücksichtigung der Abbindezeit des kalkgebundenen Bruchsteinmauerwerks kann man von eineinhalb bis zwei Jahren Bauzeit ausgehen. Da auch die Malerei in den Oberbergischen Kirchen direkt nach der Errichtung der Erweiterungsbauten ausgeführt wurde, dürfte auch in Rupelrath ähnlich verfahren worden sein. Der Farbauftrag brauchte der Haltbarkeit wegen möglichst einen neu-en, festen Verputz. So ist auch in Rupelrath unter der Malfarbenschicht keine ältere Kalkschicht vor-handen. Auch dieses Indiz spricht für eine Entstehung des St. Reinoldi-Chores um 1500. Die sichersten Erkenntnisse über das Alter des Reinoldi-Chores erbrachten erst die Kalkmörtelanaly-sen während der Restauration der Wandmalereien im Jahre 1997/ 98. Die seinerzeit tätige Dipl.- Restauratorin Sigrun Heinen stellte fest, dass der zum Bau von Chor und Apsis verwendete Mörtel mit dem Verputz identisch ist, der in mehreren Lagen bis zur Malerei tragenden Schicht aufgebracht wur-de. 27 Selbst die kurz vor der Ausmalung aufgebrachte Kalkschlämme, die den Hintergrund der Gemäl-de bildet, hat sich teilweise noch mit dem oberen Putzmörtel vermischt. Wir können deshalb mit Si-cherheit davon ausgehen, dass der Bau des St. Reinoldi-Chores und seine Ausmalung um 1500 ent-standen ist. Im Rittersaal von Schloss Burg stellt der Maler Claus Meyer 1903 in der „Kinderverlobung“ den Altenberger Abt Heinrich Rouffer als Anwesenden bei der Zeremonie dar. Abt Heinrich dürfte wohl der Erbauer des Reinoldi-Chores gewesen sein. Rechts neben ihm der Herzog von Kleve, ein Portrait des Malers Peter Jans-sen, dem Künstler der Kemenate. Foto der Verfasser 2004 Seit 1363 war das Zisterzienserkloster Altenberg Besitzer der Solinger Pfarrkirche St. Clemens und somit auch der Rupelrather Kapelle. Altenberg hatte Einkünfte aus den Gemeinden, war aber dafür zur Bauunterhaltung der Kirchengebäude verpflichtet und dürfte der Bauherr des St. Reinoldi-Chores gewesen sein. Zur Zeit der Erbauung und malerischen Ausstattung der Kapelle war Heinrich Rouffer von Brauweiler (1496-1517) Abt des Klosters. Vor seiner Wahl zum Abt von Altenberg war dieser um 1486 Geistlicher an der Pfarre St. Clemens in Solingen.28 Abt Heinrich tritt als besonderer Förderer der Ausstattung des Klosters hervor. Da zu seiner Zeit der gotische Umbau der Clemenskirche in Solingen erfolgte, liegt es nahe, dass dem ehemaligen Solinger 27 Siehe hierzu die Ergebnisse im Restaurationsbericht. 28 Rosenthal, Solingen I, S. 86, 140, 147. 16 Pfarrer auch an einer Erneuerung der St. Reinoldi Kapelle gelegen war. Die dort vorhandenen Reli-quienpartikel des hl. Reinold waren mit Sicherheit ein Anziehungspunkt für die Gläubigen. Im gewis-sen Sinne wird man hier von einer Wallfahrtsstätte sprechen können, der man ein angemessenes Gehäuse gab. Diese Zeit, mit ständig wiederkehrenden Epidemien und Seuchen war von einer End-zeitstimmung geprägt, in der Heiligenkult, schwärmerische Religiosität und Wunderglaube einem Hö-hepunkt zustrebten. Dem gegenüber steht aber auch die Blütezeit des Handwerks und der Städte, die Zeit Hans Sachs, Albrecht Dürers und Lucas Cranachs, die Zeit des Humanismus an Schulen und Universitäten. Mit der Reformation und dem Übergang der Solinger Stadtgemeinde zum reformierten Bekenntnis endete wie an anderen Orten auch in Rupelrath die Verehrung des Heiligen Reinold. Die Capeller Gemeinde beharrte aber weiterhin auf ihren Patron St. Reinoldus, so dass trotz aller Einsprüche auch noch heute der Name des Heiligen für die Kapelle gebraucht wird – ein einzigartiges Beispiel in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Aus den Kirchenakten in Solingen geht hervor, dass man in St. Reinoldi 1683 alle Überreste des ka-tholischen Kultes beseitigte.29 Dabei werden ausdrücklich die Entfernung des steinernen Altars und der Reliquien genannt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden dabei wie in den anderen Kirchen auch die Malereien übertüncht; denn die Lehre Calvins duldete keine religiöse Bilderwelt. Restaurierungen im 20. Jahrhundert haben gezeigt, dass in der Vergangenheit alle 40-70 Jahre die Kircheninnenräume neu gestrichen wurden. Als 1952 die Bilder wieder freigelegt wurden, mussten sieben bis zehn Kalk-schichten abgelöst werden. Der Zeitraum von über 270 Jahren zwischen 1683 und 1956 ergibt bei sieben Kalkschichten eine Erneuerung in Abständen von 35-40 Jahren, so dass ein Überstreichen der Wandbilder zum Ende des 17. Jahrhunderts realistisch erscheint. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Blick in den Chor der geschmückten Kirche vor Entdeckung der Malerei. Rechts ein Angehöriger des Denkmalamts Bonn bei der Vermessung des Chors nach ansatzweiser Freilegung der Secco-Bilder im Januar 1952. Aufnahmen: Stadtarchiv Solingen. 29Konsistorial-Protokoll vom 2.12.1683 17 Die spätgotische Wandmalerei in Chorraum und Apsis In Rupelrath, wie auch in den anderen „Bunten Kirchen“, war die Entdeckung der Wandmalereien reiner Zufall. Die St. Reinoldi Kapelle in Rupelrath trat kunsthistorisch nicht besonders hervor, bis eine Instandsetzung um 1950 diesen interessanten Fund zutage treten ließ. Am Ende des Zweiten Welt-krieges, im Februar 1945, zerstörte eine Fliegerbombe die ehemalige Kirchschule, die sich in unmit-telbarer Nähe westlich der Kapelle befand. Die Erschütterungen der Bombenexplosion fügten auch der Kapelle Schaden zu; insbesondere zeigten sich Risse im Mauerwerk, sowie im Inneren Abplat-zungen von Putz und Anstrich. Schon dabei wurde deutlich, dass im Chorraum unter den vielen Schichten des Kalkanstrichs eine mehrfarbige Malerei vorhanden war. Erst während der nach 1950 erfolgten durchgreifenden Instandsetzung legte man im älteren Teil der Kapelle im Frühjahr 1952 eine umfangreiche Kalk-Secco-Malerei frei. Diese Arbeit und die anschließende Restaurierung und Kon-servierung der mittelalterlichen Malerei wurde durch den Aachener Kirchenmaler und Restaurator Franz Stiewi durchgeführt. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Links, die Malerei während der Aufdeckung durch Franz Stiewi 1952. Aufnahme des Stadtarchivs Solingen. Rechts, die gleiche Partie im Jahr 2010 nach einer Aufnahme der Verfasser. Ein Einblick in die Maltechniken zeigt, dass bei Wandgemälden unterschiedliche Verfahren angewandt wurden. Im Gegensatz zur Malerei a fresko, einer Malerei in den frisch aufgetragenen Wandputz, wird beim fresco a secco auf den abgebundenen oder trockenen Verputz gemalt. Die raue Oberfläche des Wandputzes wird mit einem Naturbimsstein geglättet, und anschließend mit verdünntem Kalkwasser bestrichen um den Putz saugfähig zu machen. Auf diesen nachträglich angefeuchteten Untergrund erfolgt der Auftrag der mineralischen Farben, die mit Kalkwasser und Kasein angerührt sind. Die Wir-kung des fresco a secco ist der des echten Freskos jedoch hinsichtlich Leuchtkraft unterlegen. Das gilt auch für die Haltbarkeit der Farbschicht, die sich nur wenig mit dem Untergrund verbindet. Die Kirchenausmalungen der Frühzeit bis zur Spätgotik folgen neben der Freude an der Dekoration auch dem Grundgedanken der „Biblia Pauperum“ - der Bibel der Armen. Die Priester trugen zu ver-schiedenen Zeiten, besonders aber um 1500 dem Bedürfnis der Gläubigen Rechnung, ihnen neben der Feier der hl. Messe auch den Inhalt der Heiligen Schrift näher zubringen. Dieses geschah schon, bevor humanistisches Gedankengut und Reformation die Bibel als Wort Gottes in den Mittelpunkt der christlichen Lehre stellten. Durch den beginnenden Buchdruck gelang es zwar, Bilderbibeln herzustel-len, in der die für die Heilsgeschichte wichtigsten Bibelstellen zusammengefasst waren, doch selbst 18 diese „Biblia Pauperum“ erreichte die breiten Bevölkerungsschichten nicht, weil sie für den Erwerb dieser Bücher zu arm waren. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Chor und Apsis nach der ersten Restaurierung durch den Maler Franz Stiewi 1952 Aufnahme: Stadtarchiv Solingen Da die Gemeindemitglieder in der Mehrzahl weder lesen noch schreiben konnten, gelang mit Hilfe der Wandbilder ein optischer Mitvollzug bei der Lesung der heiligen Texte, der Predigt oder beim Erzählen der biblischen Geschichte. Die Themen im Kirchenjahr wiederholten sich, so dass jedem Gottes-dienstbesucher allmählich auch ein Mit- und Nachvollzug möglich war. Die Malereien erfüllten nicht nur dekorative Zwecke, die je nach der Mode oder der Stilentwicklung in der Kunst für die Ausstattung der Gotteshäuser gewünscht wurden, sondern hatten einen bildenden und belehrenden Zweck zur Vermittlung der Heilslehre. Vor diesem Hintergrund sind die spätmittelalterlichen Malereien in den Kirchen zu sehen, worunter die Darstellungen des Jüngsten Gerichts im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert ein bevorzugtes Motiv sind. Sie spiegeln aber auch den damaligen Zeitgeist wider, der von einer erschreckenden Düsternis geprägt war. Die Apokalypse, die Vorhersage des Weltunter-gangs; die Vernichtung des Antichrist und die Wiederkunft Christi sind Themen, die die Menschen beschäftigen. Dürers Apokalyptische Reiter: Pest, Krieg, Hungersnot und Tod bilden dabei einen furchterregenden Höhepunkt in der mittelalterlichen Vorstellungswelt, nehmen aber das vorweg, was in den folgenden Glaubensauseinandersetzungen schreckliche Wirklichkeit werden sollte. Doch wie weit wirkten die für jene Zeit drohenden globalen Schrecknisse sich bis in die ländlichen Kirchen und Gemeinden aus? Der an seine Scholle gebundene Bauer, der Handwerker und Tagelöhner war ohne- 19 hin mit der Bewältigung seiner täglichen Beschwernisse beschäftigt und wusste, dass er seinen vor-gezeichneten Weg gehen musste. So erfüllte das Thema des Jüngsten Gerichts wohl den Zweck, den Gläubigen an seinen Stand in der gottgewollten Hierarchie zu binden und ihn an seine Pflichten zu erinnern. Mit der bildlichen Darstellung in der Kirchenapsis wurde ihm das drohende Weltgericht vor Augen geführt und war stets ein pädagogisches Druckmittel, um ihn zu moralischem Handeln anzuhal-ten. 30 Solingen-Rupelrath, Blick in den Chor der St. Reinoldi Kapelle nach Erneuerung der Malerei durch die Dipl. Restauratorin Sigrun Heinen 1997/98. Aufnahme der Verfasser 2008 Wer waren aber die Menschen, die uns die kunsthandwerklichen Darstellungen hinterließen? Auf wel-chem Bildungsniveau befanden sich die Männer, die die Malereien in den Kirchen ersannen, entwar-fen und ausführten? Genaue Bibelkenntnis und ein umfangreiches Wissen um die christliche Heilsleh-re dürfen wir bei ihnen voraussetzen. Der sichere Umgang mit der Ausführung der von der Kirche gewünschten biblischen Themen wird ihnen bei aller Gläubigkeit einen weiteren Horizont vermittelt haben, als es dem einfachen Menschen möglich war. Die Ausgestaltung der St. Reinoldi Kapelle ist zwar ein bäuerlich-ländliches Kunstwerk, doch die Wahl der Motive geschah nicht zufällig, sondern folgt einem festgelegten Programm. Besonders in Rupelrath tritt mit der Malerei das einheitliche, leicht zu übersehende Konzept eines sakralen Gesamtkunstwerks hervor. Als seltenes Beispiel unter vielen anderen Kirchen weist Rupelrath die Verwendung lateinischer Texte in seiner Malerei auf. Diese ver-weisen auf das zentrale Fresko in der Halbkuppel der Apsis und führen den Betrachter das Jüngste Gericht mit den Fürbittern Maria und Johannes vor Augen. Die Wände und Fensterleibungen werden dagegen durch ein vielfältiges Rankenwerk dekoriert und verweisen mit Darstellungen von Heiligen und Märtyrern auf Vorbilder für den Lebensweg des Gläubigen. Die Malerei zeigt deutlich den Plan der gestaltenden Künstler, den Betrachter zu geleiten und ihn über die Räume in die dargestellte Glaubenswelt einzuführen. 30 Luther betonte die Bedeutung des Freispruchs durch Jesus im Gericht, und auch Calvin verwies auf den As-pekt der Gnade. Beim Konzil der Gegenreformation in Trient (1545-1563) wurde noch an der alten Lehre fest-gehalten. Trotzdem wurde nach der Reformation die Bedeutsamkeit des Jüngsten Gerichts immer mehr vernach-lässigt. Auch die islamische Religion kennt die Vorstellung eines Jüngsten Gerichts (Nach: Microsoft ®.) 20 Beschreibung der Malereien Chorbogen Man muss sich vergegenwärtigen, dass die frühen Kirchen bis zum Ausgang des Mittelalters keine Bestuhlung hatten. Die Gläubigen verfolgten die heilige Messe stehend und knieten bei bestimmten Teilen der Liturgie nieder. Die besondere Gestaltung des Altarbereiches hob diesen vom übrigen eher kargen Kirchenraum hervor, verdeutlichte den sakralen Mittelpunkt des Hauses und die Distanz des Klerus zum einfachen Kirchenvolk. Der Bereich war das Allerheiligste und nur den Priestern vorbehal-ten. Der Klerus mied in seiner Hierarchie - der „Heiligen Herrschaft“- zumeist den direkten Kontakt zum Volk, und nicht ohne Grund verfügten die Priester früher zumeist über eine gesonderte Pforte zum Chorraum. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Rankenmalerei im Chorbogen Aufnahme der Verfasser 2008 Vom Kirchenschiff her betritt man den Chorraum durch einen Rundbogen, den Triumphbogen, der den Altarraum vom übrigen Laienteil abtrennt. Die Leibung des Triumphbogens in St. Reinoldi ist mit einer Rankenmalerei versehen, die auf beiden Seiten von unten wächst und sich im Scheitelpunkt vereint, ohne dort zu enden. Die Malerei nimmt hier den Gedanken der Ewigkeit auf; so wie die Ranken nie enden, verbinden sich Glaube, Liebe und Hoffnung mit der Ewigkeit. Chorgewölbe Der Blick des Betrachters erhebt sich zum Kreuzgratgewölbe des kleinen Chorraums, dessen Malerei einer Marianischen Antiphon der Osterzeit gewidmet ist. Auf den vier Gewölbefeldern halten vier En-gel Spruchfahnen in Form fliegender Bänder mit dem Text eines Vierzeilers. Der Text und die gregori-anische Melodie dieses lateinischen Wechselgesangs sind aus dem 12 Jahrhundert überliefert und werden bis heute in der katholischen Kirche von Karsamstag bis Samstag nach Pfingsten gesungen. Die vier Engel umgeben eine Rose im Scheitelpunkt des Gewölbes. Die Rose steht symbolisch für die Gottesmutter Maria und Himmelskönigin, wie aus dem Text des lateinischen Gesanges deutlich wird. Dieser beginnt auf der Spruchfahne im östlichen Gewölbeteil des Chorraums, also im ostwärts ge-wandten Blickfeld des Beschauers. Der Text geht im Folgenden nach rechts gegen den Uhrzeigersinn über das südliche und westliche Gewölbefeld weiter und endet im nördlichen Teil. 21 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Marianische Antiphon, der Engelsgesang im Chorgewölbe. Vier Engel umschweben eine Rose und halten Textbänder mit dem Loblied auf die Muttergottes. Aufnahme: A. Sassen 2008 22 Der Text lautet lateinisch: übersetzt: Regina coeli, laetare alleluja Freu´ Dich, Du Himmelskönigin, Halleluja Quia quem meruisti portare, alleluja, Denn Er, den Du zu tragen würdig warst, Halleluja, Resurrexit, sicut dixit, alleluja. Er ist auferstanden, wie Er gesagt, Halleluja. Ora pro nobis Deum, alleluja. Bitt´ Gott für uns, Maria, Halleluja. Die Malerei des Engelgesangs ist mit dem Gewölbe so angelegt, dass der Gesang symbolisch im Himmel über der Erde ertönt. Der Betrachter selbst befindet sich im Viereck des Chorraums, inmitten der vier Richtungen der irdischen Welt. Doch der Kirchenmaler nutzt die Architektur des Kreuzgratge-wölbes und setzt in jeden Zwickel einer Gewölbekappe einen phantasievollen Baum, so dass sich aus dem Irdischen acht kunstvolle Rankenpflanzen erheben, die auf den Himmel verweisen. Die Engel, dargestellt als schwebende Wesen sind als Mittler zwischen Himmel und Erde gedacht. Die Kommu-nikation des gläubigen Betrachters auf der Erde mit den himmlischen Wesen liegt im Lesen des Tex-tes. Er stimmt somit in den Lobgesang und in die Fürbitte der Engel mit ein. Apsisgewölbe Der Engelgesang im Chorgewölbe ist Vorgeschichte und als Einführung in die Vollendung der christli-chen Heilslehre gedacht: Auferstehung und Jüngstes Gericht. Jesus als Richter ist das Hauptthema des Bildes im Rund der Apsiskalotte, dem hervortretenden Bild-feld in der Kirche. In der Tradition der christlichen Religion gibt es dazu verschiedene Vorstellungen. Noch in den prophetischen Schriften des Alten Testaments urteilt Gott als Richter über seine Widersa-cher, worauf ein neues Zeitalter mit paradiesischen Zuständen folgen soll. Durch das Jüngste Gericht soll der Tod überwunden werden (Auferstehung der Toten, Daniel 12, 2). Mit Jesus als Richter gilt allerdings das Gebot der Liebe als Maßstab (Matthäus 25, 31-46). Von der Stellung des Menschen zu ihm hängt das Urteil ab. Die Gläubigen leben durch die Gewissheit von Jesu Leben, Tod und Auferstehung bereits in der neuen Heilszeit und werden im Endgericht als Le-bende oder Tote von Jesus gerichtet (Johannes 5, 27 ff.). Unser Bild verbindet aber auch die jüdisch-apokalyptische Tradition, die Vorstellung einer kommenden Welt, dem neuen Jerusalem. Die Feinde Gottes werden bestraft und die Auserwählten erlangen das Heil (Apokalypse 20, 11-15). Auf unserem Gemälde ist die Richtung wie in der Heraldik aus der Warte der Dargestellten zu erklä-ren; d. h. umgekehrt wie wir es sehen. Im Mittelpunkt trohnt der auferstandene Christus als Welten-richter auf dem zweifachen Regenbogen, dem Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Men-schen. Seine Arme sind ausgebreitet und seine Füße ruhen auf dem Erdenrund, das hier schon fort-schrittlich mit Äquator- und Meridiangürtel gezeigt wird.31 Christus trägt einen Mantel, der die fünf Wundmale, die Zeichen seines Kreuzestodes sichtbar freilässt. Aus seinem Mund ragen – symbolisch für seinen Richterspruch – zwei Dinge: zur Rechten, der Richtung der Seligkeit ist es Palmzweig oder Lilie, die aber verloren gegangen sind. Zur Linken, der Seite der Verdammnis ist es das zweischneidi-ge Schwert, von dem noch der Schwertknauf erkennbar ist. Zwei Horn blasende Engel, deren Flügel verblasst sind, begleiten Christus zur Rechten und zur Linken. Zu Füßen des Weltenrichters knien Maria und Johannes der Täufer betraut mit der Bitte für die Men-schen. Die Kirche vertraut sich der Fürbitte Marias an, weil sie als Gottesmutter ihrem Sohn Christus am nächsten steht, was auch schon im Bildertext des Chorgewölbes eingeleitet wird. Ihr stellt man Johannes den Täufer zur Seite, weil zwischen ihm und Jesus besondere Beziehungen bestehen. Christus nennt ihn „den Größten unter den vom Weibe Geborenen“ (Matth. 11, 11). Er ist der erste der Heiligen in der christlichen Kirche, obwohl er noch dem Alten Testament angehört und nicht als christlicher Märtyrer zählt.32 Johannes ist der einzige Heilige neben Maria, dem die Kirche nicht nur an seinem Geburtstag, sondern auch an seinem Sterbetage gedenkt. Auf dem Apsisgemälde umhüllt Maria von Kopf bis zu den Füßen ein kunstvoll faltenreicher blauer Mantel über einem roten Unter-kleid. Ihr gegenüber kniet der bärtige Johannes im fellartigen braunen Gewand, über das ein eben-falls brauner Mantel gebreitet ist. Gemeinsam schauen sie nach unten auf die ihnen anempfohlenen Seelen der Menschen, die kleinfigürlich in der irdischen Zone zwischen Gewölbe und Apsisfenster zu sehen sind. 31 Die Darstellung der Erde erfolgt erst zum Ende des 15. Jahrhunderts aufgrund der wissenschaftlichen Erkennt-nisse in dieser Form. 32 Erst Stephanus wurde durch die Steinigung zum ersten christlichen Märtyrer im Neuen Testament. 23 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Das Weltgericht im Apsisgewölbe. Christus als Weltenrichter im roten Mantel auf dem Regenbogen über dem Erdkreis, Maria im blauen Mantel zu seiner Rechten, ihr gegenüber Johannes der Täufer im braunen Mantel. Aufnahme: A. Sassen 2008 24 Apsispolygon über den Fenstern Die Seelen steigen aus den Gräbern empor und bewegen sich im Vordergrund der Szenerie, die vom Bogen des mittleren Fensters geteilt wird. Zur Rechten des Gottessohnes wird ein Paar von einem Engel mit Kreuzstab und Fahne zum Himmel geleitet. Auch ein Pilger im Mantel mit Stab hat diese Richtung eingeschlagen, ist aber in Gefahr einem Verführer in die Hände zu fallen, der ihm mit ausge-breiteten Armen folgt.33 Auf der Nordseite schildert die Malerei den Einzug der Seligen in das himmlische Paradies. Die Ge-rechten schreiten mit gefalteten Händen in gelöster Haltung über die Stufen zum Portal eines turmarti-gen Gebäudes. Sie werden mit ausgestreckten Händen von der großen Gestalt des Petrus empfan-gen und dürfen sich zu den unzähligen Seelen gesellen, die im Inneren schon versammelt sind. Das den Himmel oder das himmlische Jerusalem verkörpernde Bauwerk ist besonders sorgfältig ge-malt und erinnert in seiner aufstrebenden turmreichen Architektur an die Romanik der Kölner Kir-chen. 34 Tatsächlich ist als Motiv das Dekagon von St. Gereon mit seinen beiden Treppentürmen als Vorbild für die Darstellung in Rupelrath verwendet worden. Ein besonderes Augenmerk ist dem Portal des himmlischen Jerusalems zu widmen, das von einem gotischen Giebel mit einem Dreipass überragt wird. Dem Portal jeder einzelnen geweihten Kirche kommt im Mittelalter eine weitgehende Symbolik zu.35 In der bildenden Kunst häufig wiedergegeben, finden wir es vor allem in Darstellungen des Jüngsten Gerichts. Doch schon in der Praxis des Kir-chenalltags fand der öffentliche Bußritus der Kirche am Kirchenportal statt, ein rechtlicher Akt, der die Bestrafung und Aussöhnung großer Sünder beinhaltete. Den Regeln des Bußritus folgend, verwies man die Sünder, die diese Strafe zu erleiden hatten, am Aschermittwoch der Kirche, so wie Adam aus dem Paradies vertrieben worden war. Der öffentliche Bußakt kulminierte mit dem Rekonziliationsritus am Gründonnerstag. Die Sünder mussten sich am Kirchenportal einfinden, wo der Priester sie an der rechten Hand in die Kirche zurückführte. Der Akt veranschaulichte die Aussöhnung der Sünder mit der Kirche und ihre Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen. Bei genauer Betrachtung der Darstellung des Weltgerichts in Rupelrath ist vieles von dieser Aussage in der Gestaltung wieder zu-erkennen. Gegenüber dem himmlischen Jerusalem, auf der anderen Seite der Apsis zur Linken des Weltenrich-ters, öffnet sich weit der Höllenrachen als riesiges Maul mit reißenden Zähnen. Er ist gefüllt mit Ver-dammten, die in Furcht und Entsetzen brennen, so dass ein Kamin den Rauch aus dem Kopf des Untiers nach oben abführen muss. Weitere Seelen werden dem Rachen zugeführt: eingesammelt in Kiepe und Schubkarre ist ihre Zahl so groß, dass zwei Teufel sich schiebend und ziehend die Arbeit daran teilen müssen. Eine Seele wird kopfüber ins Verderben gestoßen, andere stürzen selbst hinein. Doch noch sind nicht alle verloren, wie im Vordergrund der Kampf eines Engels mit dem Satan um eine Seele zeigt. Jeder versucht sie an Händen und Füßen auf seine Seite zu zerren. Lebhaft und bildhaft sind die teils schrecklichen Szenen in dieser Region dargestellt, ganz im Gegensatz zur Freu-de der Seligen im Himmel und zur Erhabenheit des Weltenrichters im Gewölbe über dem Geschehen. Die Wände des Chorraums St. Reinoldus mit weiblicher Heiligen Die Flächen der mittleren Wandzone in Höhe der Fenster von Chor und Apsis sind mit den Bildern verschiedener Figuren, der Muttergottes, diversen Heiligen und mit Rankenwerk gefüllt. Auf der Nord-seite beginnend ist im Chorraum der Schutzheilige der Kapelle, St. Reinoldus mit einer Heiligen vor einer baumbestandenen Landschaft dargestellt. Leider sind beide Gestalten nur noch fragmentarisch erhalten Als man 1856 eine Sakristei anbaute und hier einen Zugang durchbrach, zerstörte man un- 33 Ob sich diese Figur mit der Messung des Tempels aus der Offenbarung des Johannes 11, 1 deckt, wie Rosent-hal schreibt, Solingen I, S. 140, erschließt sich den Verfassern nicht. 34 Rosenthal, Solingen I, S. 140 nennt hier Groß St. Martin, dessen Turm aber viereckig bis zur Mauerkrone ist. 35 Die Gepflogenheit, weltliche und kirchliche Rechtshandlungen an Kirchenportalen zu vollziehen, lässt sich im gesamten Mittelalter nachweisen. Auseinandersetzungen wurden hier geregelt, wie beispielhaft noch heute vor dem Wassergericht in Valencia. Verträge wurden hier zwischen Parteien geschlossen und es gab den Rechtsbrauch den Eid „auf der Schwelle“ oder „an der Kirchentüre“ zu leisten. Auch die Hochzeit wurde vor der Kirchentür, dem Brautportal vollzogen und erst nach der Trauung wurde das Brautpaar in die Kirche geführt. Nach apokryphen Evangelien geschah das Verlöbnis der Anna mit Joachim, den Eltern der Maria und Großeltern Jesu an der goldenen Pforte des Tempels. 25 wissentlich die unter der Kalktünche verborgenen Figuren in der unteren Hälfte. Die jugendliche weib-liche Figur mit Nimbus ist deshalb aufgrund der fehlenden Attribute nicht mehr identifizierbar. Wohl Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotische Ausmalung. Einzug der Seligen in das Himmelreich, vom Weltgericht im Apsisgewölbe. Das Gebäude des Himmels erinnert an die Kölner Kirche St. Gereon mit ihrem Dekagon. Aufnahme: A. Sassen 2008 26 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Der Höllenschlund aus dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Das Maul der Hölle verschlingt die Verdammten zur Linken des Weltenrichters. Aufnahme: A. Sassen 2008 27 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Der Jüngste Tag unter dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Seelen der Verdammten werden von Helfern des Teufels in Kiepe und Karre der Hölle zugeführt. Aufnahme: A. Sassen 2008 28 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, spätgotische Ausmalung. Der Jüngste Tag unter dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Die aus den Gräbern steigenden Seelen fallen dem Teufel anheim oder werden von Engeln gerettet. Aufnahme: A. Sassen 2008 29 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, spätgotische Ausmalung. Der Jüngste Tag unter dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Ein Engel mit Kreuzstab und Fahne geleitet ein seliges Paar zum Himmel. Aufnahme: A. Sassen 2008 30 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, spätgotische Ausmalung. Der Jüngste Tag unter dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Ein Pilger im Mantel mit Wanderstab wird vom Teufel vom rechten Weg gelockt. Aufnahme: A. Sassen 2008 31 aber der hl. Reinold an ihrer Seite. Durch die ihm beigegebene Lanze mit dem aufgesteckten Haupt des Königs Saforet ist er eindeutig zu erkennen. Das aufgespießte Haupt des Königs Saforet ist das Erkennungszeichen des Heiligen Reinolds. Links: Reinold aus dem Chor in Rupelrath um 1500, rechts Reinoldfigur von Meister Adrian 1533 im Artushof von Danzig. Foto: Marburg. Obwohl das Wandbild sehr stark beschädigt ist, sind noch in den Resten ein außergewöhnlicher De-tailreichtum und eine Dynamik der Figuren zu erkennen, die die eher statischen Darstellungen der anderen Heiligen übertrifft. Der ursprünglich 135 cm große Heilige zeigt regelmäßige Gesichtszüge. Sein Gewand ist braun und lila getönt, der wehende Mantel von hellgrauer Farbe. Auf dem Kopf trägt er ein helles Barett, das von einem gelblichen Nimbus umgeben ist. Seine Rechte hält die Lanze mit einem weißen Banner, das einen schwarzen Drachen zeigt. Der Schaft endet in einer Spitze mit dem abgeschlagenen Kopf des maurischen Königs Saforet. 32 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Detail der spätgotische Ausmalung in der südlichen Wandzone des Chors Heiliger Bischof - St. Nikolaus, mit Mitra, Bischofsstab und in der rechten Hand vermutlich ein Schiffsmodell. Aufnahme: A. Sassen 2008 33 Die Darstellung Reinolds mit dem abgeschlagenen Haupt des Heidenkönigs Saforet ist ein Motiv, das in den Kontext der deutsch-niederländischen Überlieferung der Haimonskindersage gehört. Darin fliehen die vier Haimonskinder vor dem Zorn König Karls, dessen boshaften Sohn Ludwig von Reinold getötet wurde, ins maurische Spanien, wo sie sich in den Dienst des heidnischen Königs Saforet be-geben. Als dieser König die Brüder schließlich um den Lohn und um den ihn anvertrauten Schatz be-trügen will, schlägt Reinold ihm den Kopf ab. Die Haimonssöhne müssen erneut fliehen. Die Darstellungsweise mit dem Attribut des aufgespießten Kopfes tritt erst um 1500 auf Bildern und Plastiken des hl. Reinoldis auf.36 Nach 1500 kommt der Saforetkopf auch an Reinoldusdarstellungen in den östlichen Handelsniederlassungen vor. Für verschiedene Artushöfe wie Thorn und Danzig sind Figuren des Heiligen belegt. Obwohl in Rupelrath der Saforetkopf sehr klein ausgeführt wurde, sind Ähnlichkeiten mit der figürlichen Darstellung in Danzig nicht zu übersehen. Aufgrund dieser stilisti-schen Merkmale ist die Wandmalerei in Rupelrath wie die Reinoldusdarstellungen in Danzig und Thorn auf die Zeit um 1500 zu datieren. Offensichtlich hält das Motiv mit dem abgeschlagenen Kopf des Heidenkönigs um diese Zeit Einzug in die Ikonographie des Heiligen. Die Überwindung des Hei-dentums wird damals ein aktuelles Thema. 1492 war zwar Granada als letzte Bastion der Mauren gefallen, doch die Ostgrenzen des Reiches wurden von den Osmanen bedroht. 1453 war Konstantin-opel von den Türken erobert worden und die Jahrzehnte nach 1500 stürmten sie nach Westen vor bis Wien. Vor diesem Hintergrund wird der Heilige Reinold zu einem Idealbild des Ritterhelden gegen ein gemeinsames Feindbild. Heiliger Bischof Nikolaus Auf der Südwand des Chorraums, St. Reinoldus und seiner Assistenzfigur gegenüber, steht eine Bi-schofsdarstellung vor den geringen Resten einer naiv gehaltenen Landschaftsmalerei. Der Bischof ist in einen rot-goldenen Mantel gekleidet, trägt die Mitra und hält in der Linken einen Bischofsstab, der eine spätgotische kunstvolle Krümme aufweist. Der seinen Kopf umgebene Nimbus weist ihn als heili-gen Bischof aus, doch seine rechte Hand ist leer; das Attribut ist leider vergangen. Da es in der Kunstdarstellung nicht viele heilige Bischöfe gibt und wir in Rupelrath von einer volkstüm-lichen Malerei ausgehen dürfen, käme hier der hl. Nikolaus, Bischof vom Myra in Betracht. Als Attribut wäre auf unserem Bild ein Schiffsmodell vorstellbar, was auch der Haltung der Bischofsfigur entge-genkommt. In anderen Darstellungen trägt Nikolaus ein Buch, auf dem drei goldene Kugeln liegen. Auch mit drei Broten in der Hand oder in Gesellschaft von drei aus einem Bottich aufsteigenden Kna-ben ist er zu sehen; alles Zeichen, die an zahlreiche Legenden aus seinem Leben erinnern sollen. Nikolaus ist als gütiger und barmherziger Mensch in Erinnerung und einer der populärsten Volksheili-gen. Historisch ist über ihn praktisch nichts bekannt. Er wird meistens mit dem gleichnamigen Bischof von Myra gleichgesetzt, der im 4. Jh. lebte und vermutlich in Patras in Griechenland geboren wurde. Nach anderen Angaben wird er mit dem Abt Nikolaus von Sion (gestorben 564) identifiziert. Möglich-erweise haben sich in den Legenden um den Heiligen Elemente aus der Vita beider historischer Ge-stalten vermischt. Nach einigen Quellen wurde Nikolaus während der Christenverfolgungen gefoltert und starb später an den Folgen der Misshandlungen. Nach Griechenland und Russland verbreitete sich der Kult im Westen seit dem 8. Jahrhundert; beson-ders gefördert durch die aus Byzanz stammende Gemahlin Ottos II., Theophanu. Im 11. Jahrhundert wurden die Gebeine des Heiligen aus Myra entwendet und gelangten nach Bari in Süditalien. Seit dem 16. Jh. ist der Brauch belegt, dass Nikolaus am Vorabend des 6. Dezember die Kinder beschenkt, doch roter Mantel und weißer Bart sind eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Niko-laus wird als Patron der Schiffer, Kaufleute, Bäcker und Schüler verehrt und bei Seenot, Wasserge-fahr, gegen Diebstahl und für eine glückliche Heirat angerufen. Vermutlich gab es neben der 135 cm großen Bischofsfigur eine zweite Heiligendarstellung, wie es auf der gegenüberliegenden Seite neben dem hl. Reinold geschehen ist. Das Wandfeld bietet dafür aus-reichend Platz, aber es ist nichts mehr davon erhalten. Ebenso wie in den Leibungen der Apsisfenster ist darunter noch in Resten eine Ranke als waagerechte Rahmung der figürlichen Malerei geblieben. Es ist vorstellbar, dass sich diese Rankenmalerei einst ganz um den Chor unterhalb der Apsisfenster durchzog und sich darunter eine Sockeldekoration befand. Im Verlauf von 500 Jahren ist durch auf-steigende Feuchtigkeit der Sockelputz und damit die Malerei unterhalb der Fenster zerstört worden. Die Wände des Apsispolygons Muttergottes im Strahlenkranz Im Apsispolygon wird die Reihe der Heiligen in einer Größe von 108 cm fortgeführt, beginnend auf der Nordseite mit einer Muttergottes mit Krone im Strahlenkranz, die als Gesamterscheinung wie in den 36 Fiebig , a. a. O. S. 141, zu Abb. 7. 34 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Detail der spätgotischen Ausmalung in der Wandzone der Apsis. Maria mit dem Jesuskind ist im blauen Mantel, mit Krone, Nimbus und Strahlenkranz als Königin des Himmels dargestellt. Aufnahme: A. Sassen 2008 35 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Katharina - Heilige des Lehrstandes in der Wandzone der Apsis. Katharina mit Barett, dem Zeichen der Gelehrsamkeit und goldenem Ring, der sie als Braut Christi ausweist. Aufnahme: A. Sassen 2008 36 Einzelheiten gut erhalten ist. Im roten ausgeschnittenen Kleid und einem blauen Mantel hält sie das zierliche Jesuskind im rechten Arm. Die Spuren ihres sehr schönen Gesichtes umrahmt vom wallen-den goldblondem Haar sind vermutlich noch original erhalten. Maria mit dem Kinde weist zunächst wohl auf das Kirchenpatronat des Klosters Altenberg in Solingen und damit auch auf den Besitz der Kapelle. Bei den Zisterziensern stand die Verehrung der Gottesmutter im Mittelpunkt, so dass jede Kirche des Ordens der Maria geweiht war. Ob ein Vorbild des Motivs im Zisterzienserkloster Altenberg zu suchen ist, muss wohl offen bleiben. Die Doppelmadonna im Strahlenkranz, die in ihrer Mandorla heute vor dem Hohen Chor der ehemaligen Klosterkirche schwebt, entstand angeblich erst 1530, also einige Jahrzehnte später als die Ausmalung der Rupelrather Kapelle. Krone und Strahlenkranz der Gottesmutter und Himmelskönigin waren um 1500 typisch stilistische Merkmale der Spätgotik. Die Künstler haben sich stets gern mit diesem Thema befasst und gestalte-ten ihre Bildwerke nach der Lobeshymne des Magnifikat. Sie beruht auf dem Bericht des Lukasevan-geliums (Lukas 1, 46-55) und erzählt von dem Treffen der Maria mit ihrer Kusine Elisabeth, Mutter von Johannes dem Täufer.37 Das nächste Wandfeld rechts neben dem nördlichen Apsisfenster ist mit einer Rankenmalerei deko-riert. Es ist eine einstämmige grün gemalte und schwarz schattierte Rankenpflanze mit gleichmäßig runden Verzweigungen die sich diagonal ins Feld einfügt. An ausgewogener Stelle ist eine phantasie-volle leuchtend gelbe Frucht eingefügt. Das mittlere Apsisfenster wird beiderseits von zwei weiblichen Heiligendarstellungen begleitet. Dann folgt eine Rankenmalerei wie im Feld gegenüber und neben dem südlichen Fenster die dritte weibliche Figur. Von allen drei Heiligen ist die mittlere mit den Attributen Turm und Palmzweig eindeutig als hl. Barbara auszuweisen. Dagegen ist die Malerei der heiligen Frauen zu ihren Seiten sehr vergangen, so dass zu ihrer Identifizierung schon genauer nachgesehen werden muss. Da die Mutter Maria mit dem Jesuskind auf der nördlichen Apsisseite allein steht und nicht Mittelpunkt der heiligen Frauen ist, haben die Künstler die drei Heiligen wohl bewusst zu einer Gruppe zusammengefasst. Da Barbara deutlich zu erkennen ist, liegt es nahe, neben ihr Katharina und Margarethe zu vermuten, eine Heili-gengruppe, die in Kunst und Legende vor allem in Süddeutschland die „drei Madl“ genannt werden. Sie gelten als Schützerinnen der Stände: Katharina des Lehrstandes, Barbara des Wehrstandes, und Margareta des Nährstandes. Heilige Katharina Beginnend mit der linken, rot gewandeten Frauenfigur, die über dem offenen langen Haar ein schräg sitzendes Barett trägt, wird es sich um die heilige Katharina handeln.38 Das Barett ist ein typisches Kleidungsstück in der Amtstracht von Geistlichen, Richtern und anderen Geisteswissenschaftlern. Hier hat man diese Kopfbedeckung der Katharina von Alexandria zugedacht, da diese durch ihre außer-gewöhnliche Gelehrsamkeit unter den Heiligen hervortritt. Für Katharina spricht auch der goldene Ring, den sie als mystische „Braut Christi“ in ihrer rechten Hand mit einem herabhängenden weißen Tuch trägt. Die leicht erhobene linke Hand ist frei und soll mit ihrer Gestik die besondere Beredsamkeit Katharinas unterstreichen. Die Heilige Katharina von Alexandria lebte angeblich im 4. Jh. n. Chr. Obwohl ihr Name ebenso wie Barbara seit 1969 im Generalkalender der katholischen Kirche nicht mehr aufgeführt wird, ist ihre Ver-ehrung ungebrochen. Der Legende zufolge hatte sich Katharina heimlich taufen lassen und verweigerte jede Götzenvereh-rung. Am Hof des Kaisers Maximinus Daja überführte sie 50 Gelehrte durch ihre Redegewandtheit und brachte sie dazu, sich taufen zu lassen. Das Rad, mit dem Maximinus Katharina töten lassen wollte, brach auf wundersame Weise; schließlich ließ sie der Kaiser enthaupten. Ihr Leib wurde von Engeln auf den Berg Sinai gebracht, wo das Katharinenkloster entstand. Katharina gehört zu den 14 Nothelfern und ist Patronin der Gelehrsamkeit, namentlich der philosophi-schen Fakultät, der Bibliotheken und Schulen, der Studenten und Schüler, aber auch der Jungfrauen und Mädchen. Ihre Gestalt faszinierte zu allen Zeiten. Sie war so schön, dass sie noch in der Gegen-wart von den Modistinnen und Schneiderinnen der Pariser Modehäuser, den „Catérinettes, verehrt wird. Ihre Attribute sind Krone, Palme, Buch und seit dem 14. Jh. das Rad sowie ein Schwert. Mit ei 37 Magnifikat (lateinisch Magnificat anima mea Dominum: Meine Seele macht den Herrn groß), einer der Ge-sänge im Abendgottesdienst der christlichen Kirche 38 Die Verfasser folgen bei der Identifizierung der Heiligen eigenen Vorstellungen, die nicht mit der bisherigen Auffassung übereinstimmen. Vgl. auch Anmerkung 53. 37 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotische Ausmalung in der Wandzone der Apsis. Barbara – Heilige des Wehrstandes Barbara mit dem Turm, hinweisend auf jegliche Gefangenschaft und dem Palmzweig, dem Symbol ihres Martyriums Aufnahme: A. Sassen 2008 38 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung in der Wandzone der Apsis. Margareta – Heilige des Nährstandes mit ihren Attributen, dem eisernen Kamm und dem Schwert. Aufnahme: A. Sassen 2008 39 nem Ring als Symbol ihrer mystischen Vermählung mit Christus, wurde sie besonders in der italieni-schen Renaissance häufig dargestellt. Eines der ältesten deutschen Katharinenbilder ist ein Glasge-mälde in St. Kunibert in Köln. Heilige Barbara Die zweite Frau, rechts neben dem mittleren Apsisfenster ist die hl. Barbara, die ihren Turm auf der rechten Hand trägt. Aus ihrer linken Hand ragt der Palmzweig als Zeichen ihres Martyriums. Auch Barbara ist als schönes junges Mädchen mit offenem goldenem Haar dargestellt, das über ihren schlichten hellgrauen Mantel fällt. Die Darstellungsweise der Barbara von Rupelrath steht in einer Reihe von Barbarabildern, die sowohl in Marienberghausen wie auch in Wegberg-Kipshoven wieder zu finden sind. Sie unterscheiden sich zwar in der Variation des Turms und im unterschiedlichen Fal-tenwurf ihres Mantels, doch in der Haltung, wie sie sich dem Betrachter zuwenden und der gleichen Form des Palmzweiges ist eine Übereinstimmung bei allen Figuren erkennbar. Die vergleichbare Grundkonzeption lässt auf die gleichen Kunsthandwerker an den verschiedenen Orten schließen. Auch Barbara, die Schützerin des Wehrstandes, ist eine der 14 Nothelfer und lebte laut Überlieferung um 300 in der Stadt Nikomedia (Izmir, Türkei). Ihr Vater sperrte sie in einen Turm, um sie am Heiraten zu hindern. In der Gefangenschaft vom Heiligen Geist erleuchtet, wurde Barbara Christin. Daraufhin lieferte ihr Vater sie dem heidnischen Statthalter Marcianus aus, der sie nach einem Martyrium ent-haupten ließ. Der Vater, der selbst das Urteil vollstreckte, wurde vom Blitz erschlagen, weshalb Barba-ra als Schutzpatronin der Artillerie gilt und bei Feuersnot, Gewitter und Pest angerufen wird. Die Berg-leute verehren Barbara als besondere Patronin. Die Sterbenden sind ihr anvertraut, weil Barbara ihre Seelen, wie man glaubt, sicher an den Thron Gottes führt. Barbaras Turm ist das Symbol jeglicher Gefangenschaft; der Turm, der sich plötzlich öffnet, das Bild der wundersamen Rettung aus auswegloser Not, die Gott allein bewirkt. Der Kelch, den die Heilige mitunter trägt, bedeutet die Stärkung, die ihr durch den Glauben zuteil ward. Zu ihrem Fest, am 4. Dezember, gibt es den Brauch der Barbarazweige, die an diesem Tag geschnitten werden und an Weihnachten blühen. Heilige Margareta Das Wandfeld neben der hl. Barbara ist ebenso wie auf der gegenüberliegenden Seite mit einer Ran-kenmalerei gefüllt. Es folgt das rechte Apsisfenster und rechts daneben dann die Figur, von der wir annehmen können, dass es sich um die hl. Margareta handelt. Leider ist ihr Bild von allen anderen Figurenmalereien am meisten vergangen, so dass eine Beschreibung nur noch nach geringen Bildres-ten möglich ist. Sie trägt ein weißes Kleid mit einem roten Mantel darüber, der ihre Hände freilässt. Kaum noch erkennbar sind ihr rechts ein Schwert und links ein eiserner gekröpfter Kamm in die Hän-de gegeben. Vom Schwert sind noch der Griff und der Verlauf der Klinge erkennbar, der grobe eiserne Kamm zeigt noch drei bzw. vier Zinken. Diese Attribute deuten auf die hl. Margareta und ihr Martyri-um; denn in der Folter wurde ihr Körper mit eisernen Kämmen gerissen und ihr Tod mit dem Schwert herbeigeführt. Die Darstellung der Margareta in dieser Form ist relativ selten anzutreffen; denn in Ma-rienberghausen und anderen Orten zeigt man sie mit einem roten Teufel zu ihren Füßen, der von ihr mit dem Schaft eines Kreuzstabs in Schach gehalten wird Auch Margareta ist eine der 14 Nothelfer, geboren im 3. Jahrhundert in Antiochia als Tochter eines heidnischen Priesters. Ihre Amme erzog sie im christlichen Glauben, was den Vater so erzürnte, dass er seine Tochter der Obrigkeit meldete. Margareta wurde vor Gericht gestellt und gefoltert, überstand aber mit göttlicher Hilfe alle Qualen unverletzt. Daraufhin wurden auch andere Christen so in ihrem Glauben bestärkt, dass sie ihn öffentlich bekannten. Sie wurden schließlich gemeinsam mit Margareta enthauptet. Nach einer anderen Legende sei Margareta beim Hüten der Schafe dem römischen Stadtpräfekten Olybrius begegnet, der die schöne Jungfrau begehrte. Als sie sich weigerte, ihm zu Willen zu sein, ließ er sie mit eisernen Kämmen reißen, mit Fackeln brennen und ins Gefängnis werfen. Auch dort be-drängt er sie in Gestalt eines Drachens, der jedoch zerfiel, als Margareta das Kreuzzeichen über ihm machte. Die Jungfrau gesundete immer wieder auf wundersame Weise von den ihr zugefügten Foltern und bekehrte durch ihre Standhaftigkeit viele zum Christentum bis sie schließlich enthauptet wurde. Margareta wird als Patronin der Ammen, der Schwangeren, der unfruchtbaren Ehefrauen und bei schweren Geburten, Gesichtskrankheiten und Wunden angerufen. Sie ist die Patronin des Nährstan-des, weil ihr Fest ein wichtiger Merktag für die Bauern war. Durch die häufigere Darstellung der Margareta mit dem Drachen, der den Teufel verbildlichen soll, und den sie mit einem Kreuz oder Kreuzstab besiegt, wird sie als Drachenbekämpferin mit dem hl Georg, 40 dessen Schicksal nach einigen Quellen mit dem ihrigen verknüpft gewesen sein soll, eine der belieb-testen und ältesten Heiligengestalten. Einige sehen in ihr jene Königstochter, die der hl. Georg im Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der Ornamentik im nordwestlichen Gewölbezwickel des Chorraums. Aufnahme: A. Sassen 2008 41 Kampf mit dem Drachen befreit haben soll. Andere Darstellungen zeigen sie reich gekleidet als Kö-nigstochter mit Perlendiadem, dem Zeichen der Reinheit aufgrund ihres Namens, ferner mit Fackel und Kamm – ihren Marterwerkzeugen, auch mit einem Engel, der ihr Palme und Siegeskrone reicht. Es gibt kaum einen berühmten Künstler, den die Darstellung dieser heldenhaften Jungfrau nicht ange-regt hätte, darunter Raffael, Palma, Tizian, Lucas Cranach, Guercino, Le Suer, Poussin u. a. Margaretas Fest ist am 20. Juli. Auch sie ist eine der drei Heiligen, von denen der Volksmund sagt: „Margareta mit dem Wurm, Barba-ra mit dem Turm, Katharina mit dem Radl, das sind die drei heiligen Madl.“ Zusammenfassung: Der Bau des St. Reinoldi-Chores und seine Ausmalung entstanden unmittelbar nacheinander um 1500. Die Malerei ist ein volkstümliches Gesamtkunstwerk, folgt mit relativ wenigen Motiven einem Programm und nutzt dabei ideal die Architektur des vorhandenen Raumes. Vermutlich ist schon beim Bau des St. Reinoldi-Chores an seine anschließende bildliche Ausstattung gedacht, und deshalb ein stilistischer Rückgriff auf flächige romanische Formen gewählt worden. Über die Marianische Antiphon der Engel im Chorgewölbe wird der Betrachter zum Hauptbild im Ap-sisgewölbe geleitet, wo ihm das zu erwartende Jüngste Gericht vor Augen geführt wird. Ihm kann sich niemand entziehen; denn nach christlicher Vorstellung wird der sündige Mensch einst an seinem Lebenswandel gemessen und gerichtet werden. Doch das Gericht liegt bei Jesus Christus, auf dessen Liebe er vertrauen darf. Dabei hofft der Gläubige auf die Fürsprache Marias, der Mutter Jesu und sei-nes engsten Vertrauten Johannes. Sie bitten Christus, dass er Gnade walten lässt und den Sünder nicht dem Verhängnis preisgibt. Auf Augenhöhe begegnen dem Betrachter Heilige und Märtyrer, die ihm, der ja noch das Leben vor sich und Zeit zur Umkehr hat, Vorbild sein und Zuversicht geben sollen: St. Reinoldus steht als Vorbild für Mut und Ritterlichkeit, ihm gegenüber der Hl. Nikolaus für Barmherzigkeit und Güte. Die Gottesmutter Maria ist wie keine andere Frau ein Beispiel für Reinheit und Ergebenheit, St. Katharina als Schützerin des Lehrstandes das Beispiel für Weisheit, St. Barbara als Schützerin des Wehrstandes für Gläubigkeit und St. Margareta, der Schützerin des Nährstandes für ihre Standhaftigkeit. Vielleicht wurde um 1500 in Rupelrath nicht nur der Chorraum, sondern auch das ehemals dazugehö-rige Kirchenschiff ausgemalt. Das belegen andere Beispiele spätmittelalterlicher Gestaltungen von Kirchenräumen. Die Erweiterung der Kapelle von 1718 hat vermutlich das frühere Gesamtbild verän-dert, so dass wir heute nur noch vor den Resten des einstigen Gesamtkunstwerkes stehen. Den Zeit-aufwand für den Umfang der einstigen Dekoration des Kirchenraumes darf man folglich nicht zu gering ansetzen. Zudem werden zur Ausführung Meister und Assistenten, vermutlich also Mitglieder einer Malergruppe tätig gewesen sein. 42 Vergleiche zu gotischen Malereien in Kirchen des Bergischen Landes und des Kölner Umlands Marienberghausen Bemerkenswert ist, dass wir das Rupelrather Bildprogramm des Jüngsten Gerichts und der kleinfigür-lichen Zone darunter vergleichbar in Marienberghausen wiederfinden. Während der Künstler in Rupel-rath in der Halbkugel der Apsiskalotte nahezu ideale Verhältnisse für seine Darstellung fand, musste er sich dort den knappen Gegebenheiten der geraden, durchfensterten Chorwand stellen. Weitere Übereinstimmungen lassen sich beim Vergleich der Engel finden, die an beiden Orten mit charakteris-tisch langen und spitz auslaufenden Flügeln zu sehen sind. Gegenüber Marienberghausen ist beim Weltgericht in Rupelrath zuweilen eine reifere Behandlung der figürlichen Darstellung festzustellen. Ganz deutlich zeigt sich eine Weiterentwicklung der Rankenmalerei, die in Rupelrath von der schlan-ken Spätgotik zur fülligen Renaissance übergeht. Sowohl bei Christus als auch Maria und Johannes ist eine sehr detailgenaue Wiedergabe eines eher komplizierten Faltenwurfs der Kleider und Mäntel festzustellen. In den Einzelheiten ist die Ausarbeitung geradezu liebevoll zu nennen, was auch für die Engel im Chorgewölbe zutrifft. Entsprechendes gilt auch für die Wiedergabe der „himmlischen Archi-tektur“ wie der Vorstellung des Höllenrachens. Obwohl im Weltgericht Marienberghausens ein einfacherer Faltenwurf der Kleidung festzustellen ist entspricht die Malerei des dortigen Chorgewölbes durchaus dem Niveau von Rupelrath. Dagegen erreichen die dortigen Darstellungen der Heiligen eine weitaus größere Qualität in Variation und Aus-sagekraft. Die Frage nach den Gründen führt die Verfasser zu der Annahme, dass nicht nur ein ein-zelner Künstler in den Kirchen gearbeitet hat, sondern eher eine Malergruppe, die je nach Umfang des Auftragsvolumens größer oder kleiner gehalten, mit der Ausführung der Bilder befasst war. Obwohl nach vorgegebenen Entwürfen gemalt wurde um einen geschlossenen Gesamteindruck zu erreichen, sind die Einzelheiten nach Talent und Fähigkeit des damit betrauten Malers durch seine Individualität gekennzeichnet. Unterschiede treten naturgemäß besonders in der menschlichen Darstellung hervor, wogegen die Rankenmalerei nach recht einheitlich gekonntem Schema sowohl in Marienberghausen als auch in Holpe und Rupelrath ausgeführt wurde. Auf eine Malergruppe deutet auch die Tatsache, dass zur Ausführung einer Kirchenausmalung selbst damals nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung stand. Dabei muss die kalte und dunkle Jahreszeit von Oktober bis März von vornherein schon für die Malarbeit ausgeschlossen werden.39 Den Künstlern blieben sechs bis maximal acht Monate für ihre Ausführungen. Obwohl die Malerei fresco a secco (im Gegensatz zum aufwändigen a fresco = auf das Frische) auf den fertigen durchgetrockneten Verputz recht zügig aufgetragen werden kann, dauert auch dieses Verfahren seine Zeit. Einen realistischen Vergleich bieten die Überlieferungen von der Ausmalung der Räume in Schloss Burg um 1900. Allein der dortige Rittersaal der von einem Meister mit Assistenten a fresco gestaltet wurde, brauchte fast sechs Jahre bis zu seiner Fertigstellung. Holpe Die kleine ev. Kirche von Holpe erhielt im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts einen spätgotischen Chor, der in seiner Vollendung für das Oberbergische Land eine Einzelleistung ist. Der zweijochige und mit 5/8 Schluss versehene Chorraum wird vermutlich einmal eine umfangreiche Ausmalung be-sessen haben. In den schönen Kreuzrippengewölben auf Wandkonsolen ist davon eine überwiegend ornamentale Malerei mit vegetabilen Formen erhalten geblieben. Diese Rankenmalerei in Fresko- Seccotechnik wurde erst während einer Renovierung der Kirche 1954 entdeckt. In typischer Weise entspricht der Freskoschmuck spätgotischer Raumausgestaltung, so dass man davon ausgeht, der Künstler wird ihn unmittelbar mit der Fertigstellung des Chores angebracht haben. Die Form und Zu-sammensetzung der Gewölberippen und die Malerei in Holpe stehen in direkter Beziehung zu den Gewölben und der Malerei in Marienberghausen. Diese Übereinstimmung erleichtert die Datierung, da man in Marienberghausen über relativ genaue Hinweise über den Zeitpunkt der Entstehung verfügt. Schon die Kunsthistorikerin Brigitte Glaise fand 1960 eindeutige Übereinstimmungen zwischen Holpe und Marienberghausen. In beiden Kirchen dienten die Malereien den Gläubigen nur kurze Zeit bis zur Einführung der Reformation ihrem dekorativen und belehrenden Zweck. Beim Übertritt der Gemeinde zum reformierten Glauben wurden sie gemäß der Ablehnung bildlicher Darstellungen nach der Lehre Calvins weiß übertüncht. Nach ihrer Aufdeckung 1954 konservierte man in Holpe die Malereien und überstrich sie danach wieder. Es folgte eine freie Rekonstruktion nach der durch die dünne Kalk-schicht durchscheinenden Farben. In allen Gewölben wächst aus den Zwickeln über die Kappen eine Rankenmalerei, die sich nach einem freien Abstand in der Gewölbehöhe wiederum um die Schluss-steine legt. Es sprießen von unten rote Stängel, aus denen sich grüne Blattranken paarig verzweigen um sich mit ihren Köpfen herzförmig wieder dem Haupttrieb zuzuwenden. Dabei entstehen abgerun- 39 Zum Vgl. die Zeit der Restaurierung 1997/98 mit Winterpause. 43 Übereinstimmungen in den Einzelheiten der Malerei in Rupelrath und Marienberghausen Rupelrath, Engel mit Textband aus dem Chorgewölbe. Marienberghausen, Engel mit Marterwerkzeug aus dem Chorgewölbe; beide Engel weisen eine typisch gleiche Flügelform auf. Marienberghausen Rupelrath Die Grundform der Ornamentik ist in beiden Kirchen gleich, entwickelt sich in Rupelrath aber eindeutig zur Renaissance. 44 dete, gleichmäßig harmonische Rankenwerke, die in Blütenkelchen enden. Darinnen stehen und sit-zen Figuren in damaliger Tracht, die diverse Instrumente spielen oder mit Pfeil und Bogen umgehen. Witz und Humor standen damals anscheinend nicht im Widerspruch zur sakralen Umgebung. Solche sogenannte Drolerien waren bei den mittelalterlichen Kirchenmalereien von je her beliebt und beleb-ten vor allen Dingen in den Landkirchen mehr oder weniger versteckt die religiöse Malerei. Gerade in Holpe ist ein Beispiel zu finden, dass die Drolerien zum Hauptprogramm in der Gewölbedekoration werden. In einer Fensterleibung auf der Südseite des Chorraums ist eine figürliche Darstellung, nach Glaise der Apostel Bartholomäus, zu finden. Vermutlich blieb hier der Rest einer ehemals umfangrei-chen, alle Wände des Chores bedeckenden Ausmalung erhalten. Auch diese fast lebensgroße Figur steht den Aposteln in Marienberghausen in Gestalt und Farbe sehr nahe. Man kann also davon aus-gehen, dass in beiden Kirchen der- oder dieselben Kirchenmaler gearbeitet haben.40 Die spätgotischen Wandmalereien in Marienberghausen wurden schon 1910 bei Umbauarbeiten im Chor entdeckt und von dem Kirchenmaler Anton Bardenhewer restauriert. Darunter verstand man damals freilegen, übermalen, verbessern und frei ergänzen. Nach 1960 hat die Kunsthistorikerin und Restauratorin Brigitte Glaise die Malereien einer erneuten Restaurierung unterzogen und dabei die übermalenden Ergänzungen Bardenhewers entfernt. Glaise hat zu dieser Zeit auch die kunsthistori-sche Bedeutung der Freskobilder von Marienberghausen unter Einbeziehung der Malereien in der Kirche zu Holpe bewertet. Da man in Marienberghausen die Zeit der Kirchenerweiterung kannte, war sicher festzustellen, dass die Ausmalung der Kirche kurz nach 1480 erfolgte. Der Maler brachte die Farbe auf die erste und ursprüngliche Putzschicht im Kircheninneren auf. Auch hier ähnlich der Malereien in Holpe wieder pflanzliche Dekorationen in den Gewölben mit eingestreuten Drolerien. Den Hauptakzent bilden die Malereien im Chor: das Jüngste Gericht, die Seelenwägung, Apostel-gruppen, Georgs- und Hubertuslegenden, Mariae Verkündigung und Versuchung des hl. Antonius. Mit den Malereien in Rupelrath ist das Bild des Jüngsten Gerichts und die Darstellungen der hll. Kathari-na, Barbara und Margareta zu verbinden. Über die Identität des Künstlers oder der schaffenden Malergruppe verraten die Wand- und Gewölbe-bilder wenig. Namentlich sind sie nicht bekannt und gehören zu den vielen Kunsthandwerkern ihrer Epoche, doch nach Auffassung von B. Glaise übertreffen sie viele Dorfkirchenmaler ihrer Zeit an Kompositionsfähigkeit und an Wissen um die Effekte der Wandmalerei. Ihre Darstellungskunst ist inhaltlich auf die bäuerliche Mentalität der früheren Dorfbewohner abgestimmt. Sie führen ihnen, die des Lesens und Schreibens unkundig sind, wichtige Heilstaten und Schutzheilige für ihr alltägliches Leben vor Augen. Durch die zunehmende Verbreitung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert kamen Musterbücher auf den Markt, die es den Malern ermöglichten, nach Vorlagen zu arbeiten. Unzählige Motive gestatteten Vari-ationen zu allen möglichen religiösen Themen, so dass die Kirchenausmalungen durchaus individuell geschahen. Doch die Analyse der Einzelfiguren, der Rankenformen in den Bogenleibungen und Ge-wölbekappen und der Vergleich zueinander lässt die Künstler an den einzelnen Orten wieder erken-nen. Die Bildanalyse in Marienberghausen ergibt Übereinstimmungen zu Fresken der Dome in Wetzlar und Trier; auch führt eine Spur zu St. Andreas in Köln. In Rupelrath zeigt das Himmelsgebäude auffällige Ähnlichkeiten mit St. Gereon in Köln. Vermutlich sind dort die Vorbilder zu suchen. Die weite Verbrei-tung der Malereien, von denen nur ein ganz geringer Teil erhalten geblieben ist, zeugt von einer er-staunlichen Mobilität der Künstler. In der Regel kann man davon ausgehen, dass die in den Domkir-chen oder Stiften tätigen Maler beispielgebend dafür waren, was in den Dorfkirchen in kleiner Form ausgeführt wurde. Vielleicht waren es auch Kunsthandwerker, die in den Malergruppen großer Kirchen ausgebildet waren und dann selbständig in ländlichen Kirchen arbeiteten. Mit Sicherheit dürften die Aufträge dazu von den Patronatsherren erteilt worden sein, denn allein sie verfügten über dafür not-wendige Mittel. 40 Im Jahr 2008 fand eine umfangreiche Sanierung der evangelischen Kirche in Holpe statt. Allein die Restaurierung der Gewölbemalereien dauerte bis ins Frühjahr 2009. Dabei wurde in erster Linie eine Reinigung der Gewölbekappen vorge-nommen. Die Restaurierung der Dekoration beschränkte sich auf die Festigung sich lösender Farbteile und einer Ergänzung sich ergebender Fehlstellen. 45 Weitere Werke die mit den Malern von Rupelrath in Verbindung zu bringen sind: Neben den Malereien in den Bergischen Orten Marienberghausen, Holpe und Solingen-Rupelrath sind auch linksrheinisch im Jülicher Land in der Kapelle von Titz-Höllen bei Rödingen und in der Heilig-kreuzkapelle in Wegberg-Kipshoven Ausmalungen in ähnlichem Programm aus der Zeit um 1500 zu finden, die im Charakter der Darstellung auf die gleichen Kunsthandwerker schließen lassen. Darüber hinaus sind in folgenden Kirchen Ausmalungen des 15. Jahrhunderts, die aber bisher nicht genau zugeordnet wurden: Elsdorf-Angelsdorf / Rhld. kath. Kirche Hünshoven bei Geilenkirchen, St. Johann Baptist, Haiger / Dill, ev. Kirche Köln, St. Kunibert (Wandbild verloren, bei Clemen erwähnt) Köln-Dünnwald, Sakristei der ehem. Klosterkirche Oberbreisig, kath. Pfarrkirche Frauenberg bei Euskirchen Elsig bei Euskirchen Niederberg bei Euskirchen St. Johann Baptist Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Zustand der Kirche vor der Instandsetzung um 1950. Aufnahme: Stadtarchiv Solingen 46 Das barocke Kirchenschiff von St. Reinoldi Zur Geschichte der Erbauung Vor 1708 (Archiv Ev. Kgm. SG, R 03, S. 2) wenden sich die Rupelrather in einem Schreiben an den Kurfürsten mit der Bitte, die „Capelle St. Reinoldi erweitern zu dürfen. Die Gemeinde habe sich so vergrößert, daß bey einfallenden Schnee und Unwetter der meißte Theil wegen Engigkeit in die Capell nicht kommen kann, sondern bei haltendem Gottesdienst außer derselben verbleiben und dem Got-tesdienst beiwohnen muß“. Außerdem habe ihnen die kath. Nachbargemeinde schon vor 6 Jahren das nötige Bauholz geschenkt. Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Blick von Südosten in das barockzeitliche Kirchenschiff mit seiner Ausstattung von 1753. Foto der Verfasser 2008 In einem Schreiben vom 30.1.1715 (Archiv Ev. Kgm SG, R03, S. 6) an den Richter von Solingen stimmt der Kurfürst der Vergrößerung der Kapelle zu. Sie soll „acht Fuß in den Bezirk des mit Eichen-planken umgebenen Kirchhofes und zwaren straßenwerts“ erweitert werden. Im Konsistorial-Protokoll vom 31.1.1718 heißt es „die Kapeller fangen den Neubau der Kapelle an.“ Die Umbaukosten betrugen 864 Reichsthaler 11 Albus. Eine Kollekte hatte bis zum 2.5.1724 aber nur 762 Reichsthaler 19 Albus erbracht, so stellten die Gemeindemitglieder Johann Koch, Peter Gierlich und Johann Probst, alle an der Gosse wohnhaft, das Restkapital von 101 Reichsthalern 72 Albus zur Verfügung. Das Geld sollte ihnen aus dem Verkauf oder der Verpachtung von Kirchensitzen in der Kapelle zurückgegeben wer-den. Mit der Fertigstellung des Erweiterungsbaues ist auch der späteste Zeitpunkt festzulegen, an dem die Fresken in der Apsis übertüncht wurden und somit bis zur Wiederauffindung im Jahre 1951 in Vergessenheit gerieten. Allerdings bietet sich auch noch ein früherer Termin für das Überstreichen der Malereien an und zwar heißt es in einem Konsistorial-Protokoll vom 2.12.1683: „Kirchmeister soll…, der Altar in der Capellen Reinoldi und in der Hauptkirch zu Soling, in Kraft des Réligionstractates gyfft, (gemeint ist sog. Religions-Rezeß von 1681) lassen abbrechen und zum Gebrauch des Hl. Abend-mahls… daher Ordnung. Es ist durchaus möglich, dass danach alle Dinge, die an den katholischen Ritus in der Kapelle erinner-ten, beseitigt wurden und somit für heutige Zeiten wertvolle Kunstschätze, wie Altäre und Bilder, für immer verloren gingen. Auszug aus: Gerd Weiland, Die Capeller, Solingen 1990 Beschreibung des Kirchenschiffs Das Kirchenschiff von St. Reinoldi ist ein barocker Saalbau aus Bruchsteinen mit solider Mauerwerks-stärke von fast 100 cm. Vermutlich verwendete man beim Bau das gleiche Steinmaterial wie um 1500 47 für den Reinoldi-Chor. Sowohl von Süden, wie von Norden wird der Innenraum durch zwei große Rundbogenfenster erhellt. An der Nord- und der Westseite befinden sich zweiflügelige Zugangsportale in gleicher Größe. Beide Rundbogenportale haben steinerne Fassungen, deren Leibungen mit Basis und Kämpfer die Bogensteine tragen. Das Hauptportal auf der Westseite hat zudem einen Schluss-stein mit der Jahreszahl der Erbauung 1718. Über dem Haupteingang befindet sich ein einzelnes Rundbogenfenster und darüber, bereits in der Giebelzone, ein Rundfenster. In der Abb. Seite 30 ist noch zu erkennen, dass in dem Rundfenster ursprünglich das Zifferblatt einer Uhr angebracht war. Das Uhrwerk stand im Inneren direkt hinter der Öffnung in einer Nische auf der Mauer oberhalb der Empore. Die mechanische Uhr, die bereits 1841 im Lagerbuch der gerade selbständigen Gemeinde aufgeführt wird, spielte natürlich für den ordnungsgemäßen Schulbetrieb im Haus gegenüber eine wichtige Rolle. Leider ist sie bei den Erneuerungsarbeiten 1951 entfernt worden.41 Das Kirchengebäude ist mit einem Schieferdach gedeckt, auf der Ostseite abgewalmt und über dem ebenfalls verschieferten Westgiebel mit einem viereckigen Dachreiter versehen. Der kleine Turm ist mit einem ins Achteck übergehenden Spitzhelm bekrönt und trägt heute hinter den allseitigen Doppel-schallfenstern zwei Bronzeglocken von 1977. Auf dem Rasen des Kirchplatzes steht noch eine Stahl-glocke von 1924, die als Ersatz für die im Ersten Weltkrieg abgegebenen historischen Glocken ange-schafft wurden. Die Stahlglocke stammt von der Gießerei und Uhrenfabrik Ulrich & Weule aus Bocke-nem am Harz, die ähnlich wie die Gießerei Bochumer Verein, in den 20er Jahren viele Kirchen mit preisgünstigen Gussstahlglocken versorgte. Im Inneren ist die Kirche als einschiffiger Saal gebaut, der mit einem segmentförmigen Tonnengewöl-be geschlossen ist. Die Gewölbetonne besteht aus Holzbohlen, die an Balken-Rundbogen der Dach-konstruktion befestigt sind. Im Inneren ist das Gewölbe mit Ried ausgeschlagen und verputzt. Der Kirchenraum wird fast zur Hälfte von einer Empore eingenommen, deren Boden mit den Bankreihen nach Westen ansteigt. Das eichene Gestühl stammt insgesamt noch von 1753, und besteht aus den Bankreihen mit Mittelgang unter der Empore, sowie einem größeren Kastengestühl auf der vorderen Nordseite. An der südlichen Westwand steht die sogenannte Hackhauser Bank, ehemals wohl ein bevorzugter Platz in der Kirche. Der Boden des Kirchenschiffs sowie auch des Chorraums ist mit quadratischen Sandsteinplatten im Diagonalverband belegt. Diese Platten stammen wahrscheinlich aus der Vorgängerin der heutigen ev. Kirche in Leichlingen. Die tief eingeschnittenen Portale, sind im Gegensatz zum äußeren Rundbogen nach innen erweitert, und mit einem Segmentbogen überfangen. Direkt hinter den Türflügeln sind noch die Mauerlöcher für einen Schiebebalken zur Sicherung vorhanden. Die Orgelempore mit der einfachen klassizistisch gestalteten Orgel aus dem Jahr 1844 befindet sich über dem Chorbogen an der Ostwand des Kirchenraums und ist über eine Wendeltreppe im Süd- Anbau am Chorhaus zu erreichen. Die Ausstattung der St. Reinoldi Kapelle In der Abgeschiedenheit Rupelraths sind aus vergangenen Jahrhunderten einige interessante Aus-stattungsteile erhalten geblieben, die andernorts sicherlich längst untergegangen oder ersetzt worden wären. Ein Grund für ihren Erhalt ist die in der Vergangenheit herrschende relative Armut der Ge-meinde und die Zurückhaltung des Konsistoriums der Solinger Hauptgemeinde, ihren weit außerhalb der Stadtmauern lebenden Glaubensbrüdern beim Unterhalt der Filialkirche wirksam zu helfen. Als die Capeller um 1718 mit Mühe und Not ihr neues größeres Kirchenschiff unter Dach und Fach brachten, halfen allein die Richrather Katholiken mit Bauholz, ansonsten reichte das Geld kaum noch für das Kirchendach. An eine Ausstattung im Inneren war zunächst nicht zu denken, selbst für einen steiner-nen Fußboden reichte es nicht, man stand zum Predigtgottesdienst noch 35 Jahre auf gestampften Lehm in einer leeren Kirche. Erst durch den Leichlinger Unternehmer Wilhelm Hack vom Eicherhof erhielten die Capeller eine ausreichende Zahl Steinplatten, um ihren Gottesdienstraum mit einem or-dentlichen Fußboden auszulegen.42 Diese Steine waren bereits gebraucht; denn man findet selbst unter den Bänken abgelaufene Platten. Geht man der Sache weiter nach, ist in Leichlingen 1753 ein Neubau der ev. Kirche festzustellen, dem der Abbruch der alten romanischen Kirche vorausging. Dar-aus dürfte das wertvolle Steinmaterial geborgen und durch Initiative des Herrn Hack nach Rupelrath gekommen sein.43 Die Platten sind also wesentlich älter als die Kirche selbst. 41 Gerd Weiland, a. a. O. S. 35. 42 Rosenthal, Solingen II, S. 23. 43 Hinweis von Herrn Gerd Weiland. 48 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Sogenannte Hackhauser Bank an der Westwand im Kirchenschiff. Foto der Verfasser 2010 Solingen- Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Kastengestühl von 1753 im Kirchenschiff. Foto der Verfasser 2010 49 Das Konsistorium in Solingen erlaubte erst daraufhin einen Kollektengang damit das schlichte Gestühl angeschafft werden konnte. Auf dem Mai-Geding der Richrather Gemeinde bekam man dazu eine Eiche geschenkt. Die Namen der Kollektanten sind an der Vorderseite des Gestühls an der Nordseite mit der Jahreszahl 1753 eingeschnitzt. Die Capeller mussten noch lange nach der Reformation und selbst noch Jahrzehnte nach Erweiterung ihrer kleinen Kirche auf eine normale Kirchenausstattung warten. Kanzel und Taufstein hatten in der Hauptkirche bereits gedient. Somit waren die erbetenen Stücke bereits alt, als man sie der Rupel-rather Gemeinde großzügig überließ, und da sie in der abseitigen kleinen Kirche weiterhin genutzt wurden, blieben sie als einzige Relikte aus der großen Solinger Stadtkirche bis heute erhalten. Selbst bei der Orgel, die 1844 – also erst mehr als 120 Jahre nach Fertigstellung des Kirchenschiffs als Be-gleitinstrument in die Kirche kam, vermutete man, dass sie aus Resten ausgemusterter Orgelteile gebaut wurde. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Die van Dinter-Orgel von 1844 über dem Chorbogen, heute die älteste Kirchenorgel in Solingen. Aufnahme der Verfasser 2010 Die klassizistische Orgel Ursprünglich plante die Gemeinde, eine Orgel auf der Empore im Westen des Kirchenschiffs aufzu-stellen. Orgelgehäuse und Windbälge hätten aber notwendigen Platz für die Gottesdienstbesucher beansprucht, so dass man sich für eine sogenannte Schwalbennestorgel auf der Ostwand über dem Chorbogen entschied. Das Orgelgehäuse steht auf einer Empore mit einem flachen trapezförmigen Grundriss, die von zwei aus der Ostwand ragenden Konsolbalken getragen wird. Die Anlage wurde 1844 von dem Monheimer Orgelbauer Franz Johann (nach anderer Quelle „Paul“) van Dinter gebaut und eingerichtet. Franz Johann (Paul) war ein Mitglied einer weit verzweigten Orgelbauerfamilie van Dinter, die seit etwa 1750 im belgischen Limburg, in Veert, s´Hertogenbosch, auch in Rotterdam ansässig waren. Bei wenigen Hinweisen auf Erkelenz und Jülich konnte aber bislang keine Linie festgestellt werden, woher Franz Johann van Dinter stammte und warum er sich um 1830 im abgelegenen Monheim angesiedelt hat. Von ihm ist nur bekannt, dass er 1836 eine Orgelreparatur in der evangelischen Kirche zu Leich-lingen ausführte und 1844 in St. Reinoldi die kleine Orgel aufstellte. Nur vage Vermutungen sind, dass 50 Franz Johann (Paul) ein Bruder des in Limburg bekannteren Mathieu van Dinter (1822-1890) aus Ve-ert im belgischen Limburg war, der 1860 nach Amerika auswanderte.44 Von der Orgel, die van Dinter 1844 lieferte, sind Angaben zur Disposition durch einen 1944 ausge-stellten Meldebogen bekannt, die sich noch 1997 mit dem Originalbestand deckten. Eine Reparatur der Orgel, deren Art und Umfang nicht nachzuweisen ist, führte 1860 der Bonner Orgelbauer Adolph Ibach durch. Der Hinweis im 1944 erstellten „Meldebogen“, der Prospekt sei aus minderwertigem Me-tall, lässt darauf schließen, dass die Prospektpfeifen der Orgel 1917 nicht zu Rüstungszwecken abge-liefert worden sind. Ähnlich wie die Entstehungsgeschichte ist auch das weitere Schicksal des Instru-ments nicht in allen Einzelheiten zu dokumentieren. Ein 1985 von der Orgelbauwerkstatt Otto Hoffmann aus Ostheim / Rhön, verfasstes Gutachten macht zur damals vorgefundenen Disposition nachstehende Angaben. Bei dem Instrument handelt es sich um eine einmanualige, mechanische Schleifladenorgel von 1844. Die Orgel ist seitenspielig angelegt. Die Spielanlage befindet sich an der linken Seitenwand des Or-gelgehäuses. Das Instrument besitzt auf Schleifladen mit mechanischer Traktur und Registratur 6 Manual- und 1 Pedalregister mit folgender Disposition: MANUALWERK C-g³ 1) PRINZIPAL 4´ Zinnprospekt um 1960 2) BUORDON 8´ Holz, original 3) VIOLA LA GAMBA 8´ Holz / c-e Zink / Rest. Zinn 4) FLÖTE 4´ original 5) QUINTE 1 1/3´ ab c¹ 6) OCTAVE 2´ original PEDALWERK C-a 7) OFFENBASS 8´ Holz PEDALKOPPEL Das Orgelgehäuse ist aus Weichholz gefertigt und gestrichen. Der im klassizistischen Stil gestaltete Prospekt wird dreitürmig von 5 Flachfeldern gebildet. Das Mittelfeld ist überhöht. Die Prospektpfeifen aus Zinn sind alle klingend. Die Spielnische mit den originalen Klaviaturen befindet sich an der linken Seitenwand des Untergehäuses. Die historische Orgelbank ist ebenfalls noch vorhanden. Die Manu-alklaviatur (C-g³) mit dunklen Untertasten und Knochenbelag auf den Obertasten scheint Original zu sein. Da der festgestellte Manualumfang C-g³ für eine Orgel des 19. Jahrhundert ungewöhnlich ist, könnte hier aber auch eine zwischenzeitliche Veränderung vorgenommen worden sein. Trotz Veränderungen besitzt das Instrument noch einen großen Anteil an originaler Substanz, vor allem die Balganlage, die im Dachraum des Chores hinter der Orgel angelegt ist, verdient besondere Aufmerksamkeit. Die denkmalwerte Orgel wird heute als Kleinod in der rheinisch-bergischen Orgel-landschaft bezeichnet und ist die älteste Orgel in Solingen. Das Instrument wurde im Jahr 2000 für rund 120 000 Mark von dem Orgelbauer Joachim Kreinbrink historisch korrekt renoviert. Die barocke Kanzel Der Eintrag in das Konsistorial-Protokoll der reformierten Gemeinde Solingen vom 5.3.1739 offenbart die Mühe der Rupelrather, ihre Kapelle auszustatten; denn sinngemäß lautet es dort: „Nach dem Neu-bau der Solinger Stadtkirche im Jahre 1738 bat Peter Kohl vom Kohlsberg45 das dortige Presbyterium darum, die alte Kanzel der Kapelle in Rupelrath zu überlassen.“ Es ist aber nicht vermerkt worden, ob der bescheidenen Bitte stattgegeben wurde,46 womit die Her-kunft der jetzigen Kanzel in St. Reinoldi nicht eindeutig geklärt werden konnte. Auch der Historiker Heinz Rosenthal erwähnt die Bitte Kohls um die Kanzel und sucht erfolglos nach der Bestätigung. Leider folgert er daraus: „Die heutige Kanzel ist aus jüngerer Zeit.“47 Da weder Paul Clemen48 noch 44 Textauswahl nach dem Püfungsbericht vom 4. Dezember 1986 des Orgelsachverständigen Prof. Hans Pulver-scheidt, Aachen für das Denkmalamt Brauweiler, der schon in einem Gutachten von 1954 darauf hinwies, dass die Orgel in ihrer Bauart kein Meisterwerk sei. 45 Peter Kohl wohnte zu dieser Zeit in Pilghausen. Nach Auskunft von Gerd Weiland. 46 Weiland, Gerd. Die Capeller, Die St. Reinoldi Kirchengemeinde Rupelrath - 150 Jahre und älter, Solingen 1990, S. 31. 47 Rosenthal, Heinz. Solingen Geschichte einer Stadt, Band II. Duisburg 1977, S. 23. 48 Clemen, Paul. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Rheinlandes, Band III. Die Städte Barmen, Elberfeld, Rem-scheid, und die Kreise Lennep, Mettmann, Solingen, Düsseldorf 1894. 51 Georg Dehio49 das Ausstattungsstück für erwähnenswert hielten, ist es bis heute bei dieser Auffas-sung geblieben. Doch diese geringe Wertschätzung ist zu überdenken. Die Solinger reformierte Gemeinde hat beim Abbruch der Kirche auf dem Fronhof Ende Mai 1732 die dort vorhandene Kanzel sicherlich geborgen und es spricht einiges dafür, dass sie diese später den Rupelrathern überlassen hat. Zur Ausstattung der neuen Kirche schaffte man ab 1736 neues Gestühl und eine Kanzel an, die auf zwei gewundenen Säulen ruhte und durch einen Laufgang mit dem Ober-teil der im Osten liegenden Sakristei verbunden war.50 Die Säulen und der mit einem Engel gekrönte Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Barocker Kanzelkorb aus der Clemenskirche in Solingen, 1738 der St. Reinoldi Kapelle überlassen. Aufnahme: A. Sassen 2008 49 Dehio/Schmitz-Ehmke. Handb. der dt. Kunstdenkmäler NRW, Bd. I, Die Rheinlande. Darmstadt 1967. S. 587. 50 Diese Kanzelanordnung hat der Baumeister Joh. Michael Moser 1731auch in seiner Langenberger Kirche von 1726 so ausgeführt. Dehio/Schmitz-Ehmke, Rheinland, Darmstadt 1967, S. 438. 52 Schalldeckel waren die einzigen barocken Schmuckteile der Kirche, die am 8. September 1737 ein-geweiht wurde51. Obwohl das Presbyterium selbst unter hohen Baulasten stand, war es verpflichtet, auch seiner Filialgemeinde nach der Erweiterung der Kapelle St. Reinoldi um 1718 zu helfen. Es liegt deshalb nahe, dass die alte, nun übrig gebliebene Kanzel ein halbes Jahr nach der Eröffnung der Hauptkirche weitergegeben wurde. Da die Maßnahme so gut wie keine Kosten verursachte, hat man wahrscheinlich auf einen weiteren Vermerk zu der Angelegenheit verzichtet. So scheint in St. Reinoldi ein Kanzelkorb in Zweitverwendung erhalten, der keinesfalls als „jünger“ zu bezeichnen ist, sondern vom Stil her weit vor 1700 geschaffen worden sein muss. Zur Ausstattung der neuen Hauptkirche wählte man schon eine Kanzelform in der Stilrichtung des beginnenden schlichten Klassizismus. Ausgeprägt profilierte Kassettenformen nach alter Art wurden danach, besonders aber in der historisierenden Zeit des 19. Jahrhunderts nicht mehr angewandt. Auch eine für St. Reinoldi in Auftrag gegebene, so aufwändig gestaltete Kanzel wäre ein nicht zu übersehender Posten in den Kostenrechnungen der Rupelrather Gemeinde gewesen. Dagegen schuf man improvisierend aus dem alten Kanzelkorb und einem überflüssig gewordenen Taufstein52 als Fuß ein für Rupelrath brauchba-res Kirchenmöbel. Bis 1952 blieb diese Anordnung so stehen, und nach Aussage von Augenzeugen haben sich beide Teile so gut miteinander ergänzt, dass der verwendete gotische Taufstein als Ein-zelstück kaum wahrgenommen wurde.53 Der Kanzelkorb ist eindeutig aus der Barockzeit, eines der typischen Werkstücke des 17. Jahrhun-derts in niederländischer Art, die in den reformierten Kirchen anzutreffen sind. Die Kanzel als Mittel-punkt des Wortgottesdienstes erfuhr durch die Reformation eine im festen Rahmen vorgegebene Auf-wertung. Da figürliche Darstellungen in reformierten Kirchen nicht erlaubt waren, richtete sich die Kunstfertigkeit der Schreiner auf die Ästhetik der Gesamterscheinung und auf zurückhaltenden orna-mentalen Schmuck.54 In den Niederlanden entwickelte sich ein barocker Klassizismus aus rein geo-metrischen Formen, der dem reformatorischen Gedankengut entgegenkam. Die Kanzel in Solingen-Rupelrath ist im niederländischen Barock mit kassettierten und facettierten Teilflächen, dabei aufwändig aus gelblichem und rötlichem Holzmaterial gearbeitet. Vom Unterbau her bekommt der Kanzelkorb heute über eine zweistufige verkröpfte Vorkragung seine volle Ausdehnung und bildet über mehrere zurückspringende Stufen die Basis. Aus der Verkröpfung entwickeln sich auch die Konsolen, auf denen Pilaster stehen.55 Sie teilen die fünf vorhandenen Seiten der sechsecki-gen Kanzel und tragen das Hauptgesims. Der Aufbau gliedert sich im goldenen Schnitt in eine So-ckelzone mit quer liegenden, vertieften Kassetten und einen Oberbau mit aufrecht stehenden, erha-benen Kassetten. Alle Ecken des Abschlussgesimses bedecken kleine Platten mit einer Akanthus-blatt- Schnitzerei. Wie im niederländischen Barock üblich, ist die Holzoberfläche naturbelassen gebeizt. Als Gegenstück des in dieser Art entstandenen Rupelrather Kanzelkorbs blieb eine ähnlich konzipierte Kanzel aus dem Jahr 1644 in der Salvatorkirche zu Duisburg erhalten. Man hat sie 1945 stark be-schädigt aus dem Trümmerschutt geborgen und mit viel Mühe wieder hergestellt; denn dieser Predigt-stuhl hatte eine hohe traditionelle Bedeutung für die reformierte Kirche. Duisburg war 1610 Ort der ersten Generalsynode für Jülich, Cleve und Berg, um eine einheitliche Kirchenverfassung zu be-schließen. 1655 wurde in der Salvatorkirche die Gründungsfeier der vom Großen Kurfürsten gegrün-deten „evangelischen“ Universität gehalten. Vorträge, Predigten und Wortmeldungen wurden der Ord-nung halber allein von dieser Kanzel aus gehalten. Was von hier gepredigt wurde, war vorbildlich und richtungweisend für die Reformierte Kirche im Rheinland.56 Bezeichnenderweise wählte man zum ersten Rektor der Duisburger Universität den aus Solingen kommenden Professor der Theologie und Philosophie Johannes Clauberg (1622-1665). Wäre es ein Wunder, wenn seine Heimatstadt Solingen eine erste Predigtkanzel in der Stadtkirche nach dem be 51 Rosenthal, Heinz. Solingen Geschichte einer Stadt, Bd. II. Duisburg 1977, S. 24. Stifter der neuen Kanzel waren die Jungfrauen und Jungmänner in der Gemeinde. 52 Das Taufbecken stammt nach A. Scholl aus der Solinger Hauptkirche, denn St. Reinoldis war ursprünglich keine Taufkirche. Scholl, Annemarie. Geschichte der St. Clemenskirchen in Solingen, Solingen 1969, S. 17. 53 Nach freundlicher Auskunft Gerd Weilands, dem noch „unter der Kanzel“ gepredigt wurde. 54 Zum Vergleich die bar. Kanzel von 1690/1700 von Meister Wilhelm Barl aus Wald in der ev. Kirche von Gräfrath und die Kanzel in der ev. Kirche in Gruiten von 1720. 55 In Duisburg sind dort Säulen angebracht, in Solingen Pilaster. 56 Hinnenberg, C. D. Die Salvatorkirche in Duisburg, in: Rhein. Kunststätten, Heft 204, Köln 1978. S. 12-18. 53 Bild links: Kanzel in der St. Reinoldi Kapelle, Solingen. Bild rechts: Kanzel in der Salvatorkirche in Duisburg. Beide Kanzelkörbe stammen etwa aus der gleichen Zeit, die Duisburger Kanzel ist signiert 1644. Fotos der Verfasser 2010 Die Kanzel in St. Reinoldi auf ihrem alten Standplatz vor dem Chorbogen mit weißer Fassung auf dem gotischen Taufstein, der dunkel überstrichen war. Aufnahme um 1950, Stadtarchiv Solingen 54 rühmten Duisburger Vorbild anschaffte? Und auch in Solingen wurde auf ihr Geschichte gemacht. Nach Johannes Clauberg ist die Liste der Pastoren lang, die auf dieser Kanzel standen. Der letzte, Johann Gerhard Goebel, hielt auf ihr seine Antrittspredigt am 11. Mai 1732,57 dann wurde das wertvol-le Ausstattungsstück aus der abzubrechenden Kirche herausgenommen. In diesem Zeitrahmen pre-digten auf ihr der langjährige Pastor Johann Lüneschloß (1610-1656) und danach bis 1677 sein um-strittener Sohn. Von hier wurde der Solinger Kirchenstreit um die Gleichstellung der Pfarrer und um die Bestellung des Predigers für Rupelrath öffentlich und in schärfster Form geführt. Wer sich damals Gehör verschaffen wollte, trug auf ihr sein Anliegen vor; und das waren nicht nur fromme Worte. Ro-senthal zitiert zu dieser Periode den Pastor Hengstenberg, der 1847 die Geschichte der ev. reformier-ten Gemeinde Solingens geschrieben hatte: „Der Verfasser möchte seine Feder niederlegen vor Schmerz, dass er … immer und immer nur von Hader und Zank in seiner geliebten Gemeinde zu be-richten findet …“ 58 Zur Rupelrather Kanzel gab es bis 1952 einen Schalldeckel in Form einer dreistufigen Pyramide, der auf alten Fotografien für die kleine Kirche etwas überdimensioniert wirkt. Der frühere Platz der Kanzel befand sich auf der rechten Seite im Chorbogen und war Teil einer in Apsis und Chor eingearbeiteten abgeschränkten Bestuhlung für den Kirchenvorstand. Auf der linken Seite des Chorbogens, der Kan-zel gegenüber, war der feste Platz für den Küster. Diese Einrichtung war, wie die gesamte hölzerne Ausstattung der Kirche, weiß gestrichen. Nach der Freilegung der Wandmalereien im Chor entfernte man die weiße Fassung und nahm eine Neuordnung der Kirchenausstattung vor. Somit steht in der St. Reinoldi Kapelle ein bedeutender Zeuge der Vergangenheit der reformierten Kirche Solingens. Obwohl es für die Capeller nur Vernunft und Notwendigkeit war, sich um diese Kanzel für ihre Kirche zu bemühen, kam damit ein geschichtsträchtiges Symbol nach Rupelrath. Auf ihr wurde nicht nur der ganze Kirchenstreit ihrer Vorfahren ausgetragen, sondern durch die Bitte des Peter Kohl ist die älteste Kanzel Solingens erhalten geblieben. Der gotische Taufstein Vermutlich bekam Peter Kohl vom Kohlsberg nicht nur die Kanzel, sondern man überließ ihm auch den Taufstein aus der Kirche in Solingen. St. Reinoldi war vom Ursprung keine Taufkirche; denn die-ses Privileg lag bei der Hauptkirche St. Clemens in Solingen, so dass in Rupelrath aus katholischer Zeit kein Taufstein vorhanden war. Nach Bildung der reformierten Gemeinde in Solingen und Überlas-sung der Kirchen nach dem Religionsvergleich zu Cleve im Jahre 1672 blieben bestimmte Vorrechte, die mit Einkünften verbunden waren, z. B. das Begräbnisrecht bei der Stadtkirche. Es wurde in der Filialkirche nur Predigtgottesdienst gehalten, und das nicht einmal jeden Sonntag. Aus praktischen Erwägungen nahm man dann in St. Reinoldi auch Taufen vor. Allerdings war damals der Gebrauch der Taufsteine bereits aus der Mode gekommen. Epidemien wie Pest, Cholera und das vermehrte Auftreten der Syphilis während und nach dem Dreißigjährigen Kriege brachten das Wasserbad derart in Verruf, dass sich breite Volksschichten nicht mehr wuschen. So blieb für viele Menschen das Bad nach der Geburt das einzige im ganzen Leben. Die Kirchen waren hier meinungsbildend, allerdings mehr aus Furcht vor Zügellosigkeit und Unzucht. Entsprechend ging man von der wasserreichen Taufhandlung am Taufbecken ab und spendete das Sakrament nur noch mit Taufkännchen und Scha-le. Die Taufsteine, vielerorts seit 500 Jahren in Gebrauch, standen in den Kirchen den wachsenden Gemeinden nun nutzlos im Wege. Man entfernte sie zumeist aus den Gotteshäusern, nahm sie als Blumenschale oder Tränke, wenn sie nicht gar zerschlagen wurden. Auch der Taufstein aus der gotischen ehemaligen Clemenskirche in Solingen war spätestens beim Neubau der reformierten Kirche überflüssig geworden. Eine Verwendung in Rupelrath kam aber auch hier nicht mehr als Taufbecken in Frage, vielmehr sah man in dem achteckigen Steinwerk eine prakti-sche Zweitverwendung als Fuß der Kanzel. Beide Stücke wurden damals nach 1738 in die allmählich wachsende Ausstattung der St. Reinoldikirche aufgenommen, und in dieser Kombination bis 1952 verwendet. 57 Rosenthal, H. Solingen Geschichte einer Stadt, Bd. II. S. 25. 58 Rosenthal, H. Solingen Geschichte einer Stadt, Bd. I. S. 288 ff. Hengstenberg, G. H. Alfried. Geschichte der reformierten oder größeren Gemeinde in Solingen und ihrer Besitzungen, Solingen 1847. Reformations- und Kampfgeschichte von Solingen, Wald und Gräfrath, Solingen 1857. 55 Der Taufstein ist eine präzise und sauber ausgeführte Steinmetzarbeit aus Granit. Verwitterungser-scheinungen weist er kaum auf, so dass man davon ausgehen kann, dass er nicht über lange Zeit ungeschützt im Wetter gestanden hat. Vielmehr dürfte er nach dem Abbruch der alten Clemenskirche 56 bald in Rupelrath seiner neuen Verwendung zugeführt worden sein. Aus unerfindlichen Gründen ist vom Beckenrand aus zwei gegenüber liegenden Seiten Material herausgetrennt worden. Solingen-Rupelrath St. Reinoldi Kapelle. Gotischer Taufstein aus der ehem. Clemenskirche, seit 1738 in St. Reinoldi. Bild rechts zum Vergleich: Taufstein aus St. Urban in Köln-Deutz, heute in St. Heribert. Abb.: Rhein. Denkmalamt Brauweiler Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Details vom gotischen Taufstein. Links: der Fuß des Taufbeckens mit im Boden versenkter quadratischer Platte. Rechts: Die Oberseite des Beckens, dessen achteckiger Rand auf zwei Seiten Abarbeitungen aufweist. Fotos der Verfasser 2010 Das voluminöse Oberteil – die Kuppa – ist in einer achteckigen Kelchform gearbeitet und im Inneren als vertiefte Halbkugel ausgehöhlt. Der Innendurchmesser von 68 cm mit einer Tiefe von 38 cm ver-weist auf ein Beckenvolumen von ca. 130 Litern in das ein Kind ganz eingetaucht werden konnte. Die Größe des Taufbeckens verweist auf eine frühe Entstehung zur Zeit der Ganztaufe, die heute noch in der Ostkirche angewendet wird. Der Beckenrand ist gerade, bildet darunter eine breitere Kehle sowie einen kleineren Wulst und verläuft in eleganter Kelchform bis zum Fuß. Eine Zwischensäule wie an anderen gotischen Taufsteinen ist nicht vorhanden. Stattdessen ruht die Kuppa auf einer achteckigen Basis mit Attika, deren viereckige Grundplatte im Boden versenkt ist. Der Taufstein erinnert in seinem Aufbau an ein Exemplar, das aus der ehemaligen Pfarrkirche St. Urban in Deutz stammt und heute in der Kirche St. Heribert zu finden ist. Dort ist die Kuppa etwas 57 einfacher und flacher ohne Kehle und Wulst am Rand gearbeitet, besitzt aber einen Säulenfuß. Die Basis dagegen ist im Aufbau mit der in Solingen identisch, so dass man eine gemeinsame Zeit, viel-leicht auch gemeinsame Herkunft vermuten könnte. Verbindungen sind durchaus gegeben, da die Solinger Stadtkirche ursprünglich zum Dekanat Deutz gehörte. Die einstige romanische Basilika in Solingen wurde zwar im 15. Jahrhundert vom Kloster Altenberg durch eine spätgotische Kirche er-setzt, doch der Taufstein dürfte von der Form her einer früheren Zeit angehören. Zudem macht die außergewöhnliche Größe des Beckens, das noch nach den frühen Anforderungen der Kirche für die Ganztaufe vorgesehen war, eine Entstehungszeit um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert wahr-scheinlich. Nachdem in Wald nach 1918 der romanische Taufstein aus dem 12. Jahrhundert aus Namurer Blau-stein durch Unachtsamkeit verloren ging, befindet sich im Solinger Stadtraum noch in der St. Marti-nuskirche in Oberburg ein großes romanisches Taufbecken. Mit diesem ist der heute in Rupelrath vorhandene Taufstein eines der ältesten Taufbecken Solingens und neben der Kanzel das einzige größere Ausstattungsstück, das aus der gotischen Clemenskirche geblieben ist. Die Wetterfahne am Chordach (Buchtitelbild) Neben dem Wandbild im Chor der Kapelle ist Reinoldis auf dem Chordach als Wetterfahne dargestellt. Hier zeigt er sich mit einem langstieligen Hammer in der Hand als Schutzpatron der Steinmetze mit der typischen Kopfbedeckung, wie sie wohl in der Zeit um 1500 getragen wurde. Die Darstellung folgt einem um 1480 entstandenen Wandbild in der Düsseldorfer Lamberti-Kirche, das den Märtyrertod Reinolds darstellt. Der erschlagene Heilige trägt hier selbst keine Kopfbedeckung, aber die mit dem Hammer zum Schlage ausholenden Bauarbeiter tragen Kappen, deren vorderer Aufschlag genauso dreispitzig ist wie bei der Figur auf der Wetterfahne. Nicht nur die Tracht, auch der Standort der Wet-terfahne wirft die Frage auf, wann sie wohl geschaffen wurde. Es ist anzunehmen, dass die bäuerliche Bevölkerung von Rupelrath die Wetterfahne wegen des Gebrauchswertes angebracht hat. Da sie aber auf dem ältesten Teil der Kapelle – auf dem niedrigeren Chordach – steht, befindet sie sich stets im Windschatten des höheren Kirchenschiffes. Somit ist sie als Wetterfahne nutzlos, da sie die falsche Windrichtung zeigt. Das Kirchenschiff wurde 1718 gebaut. Es ist davon auszugehen, dass die Wetter-fahne früher geschaffen wurde. Selbst eine zwischenzeitliche Erneuerung ist sicher nach dem alten Vorbild entstanden. Aus: Gerd Weiland, Die Capeller, Solingen 1990. Abb. der Wetterfahne aus: Rosenthal, Solingen Geschichte einer Stadt 58 Exkurs Die Restaurierung der Malereien 1997/98 Nach der Aufdeckung der Malereien in der St. Reinoldi Kapelle durch den Restaurator Franz Stiewi aus Aachen sind wiederholt Reparaturen an den Gemälden durchgeführt worden, die man aber ver-mutlich nicht näher dokumentierte. Solange die Kapelle nicht unter Denkmalschutz stand, versuchten sich ortsansässige Handwerker an Erhaltungen der Bausubstanz, die aber zum Teil erhebliche Folge-schäden nach sich zogen. Besonders die Verwendung zementhaltiger Verputze war sehr vom Nach-teil. Auf dem kalkgebundenen Mauerwerk verhindert Zementputz ein Ausdampfen der Struktur, so dass aufsteigende Feuchtigkeit und Salze an Außen- und Innenschale Zersetzungen auslösten. Sogar an Rissen im Bereich der Gemälde verwendete man zur Auskittung Zementmörtel. Dieser verbindet sich wegen seiner größeren Härte nicht mit dem Umgebungsmaterial und zerstört dessen Struktur aufgrund seines andersartigen physikalischen Verhaltens bis zum Versanden. Seit Beginn der 80er Jahre führte die Werkstatt II des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege Begut-achtungen durch und stellte einen zunehmenden Verfall an den spätgotischen Wandmalereien fest. Eine Untersuchung durch die Dipl.-Restauratorin A. Christ von 1992 ergab bereits ein großes Ausmaß an Schäden. Die Dringlichkeit baldiger Konservierungsmaßnahmen wurde bei erneuter Begutachtung 1997 ersichtlich. Schmutzablagerungen und gelöste Malereischollen verursachten eine langsam ein-setzende Verblassung der Farbigkeit. Darüber hinaus nahm die Zermürbung der Putzbereiche um die Zementauskittungen immer mehr zu. Die daraufhin vorgenommenen Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten in der St. Reinoldikapelle erstreckten sich von Juli bis Dezember 1997 und wurden nach witterungsbedingter Winterpause im März 1998 abgeschlossen. Leitung und Ausführung lagen in den Händen der Dipl.-Restauratorin Sigrun Heinen, die zeitweise ihre Kollegen Dipl.-Restaurator Chr. Schaab, Rest.-Volontärin A. Crone und die Warschauer Rest.-Stud. H. Domanska hinzuzog. Die Maßnahmen werden hier im Auszug aus dem Restaurierungsbericht wiedergegeben: 3. Geschichte der Wandmalereien 3.1. Datierung Die Wandmalereien werden in die Zeit um 1500 datiert. Es ist eine maltechnisch relativ einfache und von der Gestaltung eher bäuerliche Ausmalung dieser Zeit, in der mehrere sogenannte „bunte Kir-chen“ im Bergischen Land ausgemalt wurden. Die Ranken und Blütendarstellungen zeigen bereits Renaissancecharakter. 3.2. Ikonographie Die Hauptdarstellung in der Apsiskalotte zeigt ein Weltengericht. Christus trohnt in der Mitte auf einer Weltkugel und einem Regenbogen. Von seinem Kopf aus gehen eine Lilie und ein Schwert (fragmen-tarisch erhalten). Ihm zu Füßen knien Maria zur rechten und Johannes zur linken. Über ihnen schwe-ben zwei Horn blasende Engel. Auf der linken Kalottenseite befindet sich die Himmelsdarstellung in Form eines Kirchenmodells in dessen geöffnete Pforte die Seligen eintreten und von Petrus empfangen werden. Auf der gegenüber liegenden Kalottenseite ist die Hölle, in Form eines riesigen geöffneten Drachenmauls mit Rauch aus-stoßendem Schornstein angefüllt mit Menschengestalten, abgebildet. In dem Zwischenbereich sind um eine Seele kämpfende Engel und Teufel zu sehen. Ein Engel mit Kreuzfahne führt seine Auser-wählten zur Himmelspforte. Siegreiche Teufel transportieren die Menschengestalten in Kiepen und auf Schubkarren zum Drachenmaul. In der darunter liegenden Fensterzone ist auf der Nordseite eine Madonna im Strahlenkranz darge-stellt. Bei den weiteren weiblichen Heiligengestalten handelt es sich wahrscheinlich um die drei Not-helferinnen. Auf der Südseite ist die Hl. Katharina mit Rad abgebildet, auf der Ostwand rechts die Hl. Barbara mit Turm und Palmenzweig und links vermutlich die Hl. Margaretha mit Schriftrolle (ein Kamm als zweites Attribut ist nicht mehr erkennbar).59 Auf der Nordwand des Chores ist über der Sakristeitür ein Teil der Darstellung des Heiligen Reinold mit Lanze und neben ihm eine weibliche Gestalt mit Nimbus erhalten. Im Hintergrund sind Bäume und kleine Jägergestalten erkennbar. 59 Reihenfolge und Beschreibungen stimmen teilweise nicht mit den Angaben der Verfasser überein. 59 Auf der Südwand ist nur noch die Hälfte der ursprünglichen Malerei erhalten. Erkennbar ist ein Bi-schof, der jedoch nicht weiter identifiziert werden kann, da neben dem Bischofsstab das zweite Attribut einer Fehlstelle zum Opfer fiel. Die vier Engel im Gewölbe tragen Schriftbänder mit Auszügen aus der österlichen Antiphon. 3.3. Restaurierungsgeschichte Die Malerei entstand um 1500 und wurde in den darauf folgenden Jahren häufig überstrichen. Im obe-ren Zwickel der Nordwand ist noch ein kleiner Rest dieser Überanstriche in weiß und hellblau erhalten. 1952 wurde die Malerei entdeckt und durch Restaurator Stiewi aus Aachen freigelegt und restauriert. Während der aktuellen Restaurierungsarbeiten zeigte sich, dass vermutlich nach 1952 eine weitere Überarbeitung stattgefunden hat. Möglicherweise aufgrund erneut aufgetretener Risse (siehe Brief-austausch von 1976) innerhalb der Altkit
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Autor | Sassen, Andreas |
Titel | Die St. Reinoldi Kapelle in Rupelrath |
Übergeordneter Titel | Beiträge zur Heimatgeschichte |
Erscheinungsjahr | 2010 |
Signatur | 17L1864 |
Katkey | 6514611 |
HBZ-ID | HT016716810 |
Katkey (Überordnung) | 6550992 |
HBZ-ID (Überordnung) | HT016938765 |
Typ | PDF; |
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Volltext | Beiträge zur Heimatgeschichte Die St. Reinoldi Kapelle in Rupelrath Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2010 2 Beiträge zur Heimatgeschichte Andreas Sassen / Claudia Sassen Die St. Reinoldi Kapelle in Solingen-Rupelrath Inhalt: Zur Geschichte der St. Reinoldi Kapelle Hinweise auf die Translation der Gebeine Reinoldis Der Verbleib der Reinoldireliquien Die Lage der St. Reinoldi Kapelle Baugeschichte der Kapelle Die spätgotischen Wandmalereien in Chorraum und Apsis Beschreibung der Malereien Chorbogen: Ewigkeitsranke Chorgewölbe: Marianische Antiphon Apsisgewölbe: Weltgericht Apsispolygon über den Fenstern Wände des Chorraums : Reinoldis mit weiblicher Heiligen Nikolaus Die Wände des Apsispolygons: Muttergottes Katharina Barbara Margareta Zusammenfassung Vergleiche zu gotischen Malereien im Bergischen Land und Kölner Umland: Marienberghausen Holpe Ausmalungen, die mit den Malern von Rupelrath in Verbindung zu bringen sind Das barocke Kirchenschiff der St. Reinoldi Kapelle: Zur Geschichte der Erbauung, von Gerd Weiland Beschreibung des Kirchenschiffs Die Ausstattung der St. Reinoldi Kapelle: Die klassizistische Orgel Die barocke Kanzel Der gotische Taufstein Die Wetterfahne am Chordach, von Gerd Weiland Exkurs Die Restaurierung der Malereien 1997/98 Restaurierungsbericht (Auszug) von Sigrun Heinen Literatur: 3 Zur Geschichte Zur Entstehung der St. Reinoldi Kapelle im Solinger Ortsteil Rupelrath verweist Max Schmidt 1922 in seinen „Geschichtlichen Wanderungen durch Solingen“ auf lokale Sagen, die von Zusammenhängen mit Köln berichten. Über die legendenhafte, mit dem seltenen Patron Reinoldi in Verbindung stehende Geschichte hinaus machte man sich kaum Gedanken über die Ursprünge der Kirche, da ihr auch kein besonderer baukünstlerischer Wert beigemessen wurde. Der Patronatsname St. Reinoldi war aus der vorreformatorischen Zeit beibehalten worden, ein einzigartiger Vorgang in der vorwiegend vom Calvi-nismus geprägten regionalen Kirche. Der Grund war weniger nostalgische Verehrung eines Heiligen, als Opposition der kleinen Randgemeinde, um in ihrer Daseinsnot nicht von der Hauptkirchengemein-de in Solingen vergessen zu werden. Erst die Wiederherstellung der Kapelle von Kriegsschäden und die Entdeckung der mittelalterlichen Fresken in Chor- und Altarraum lenkten das Interesse der Kunst-historiker auf das kleine Bauwerk. Es war auch die eigentümliche Lage der Kapelle außerhalb einer Siedlung, die über die Legende hinaus eine glaubwürdige und wahrscheinliche Deutung ihrer Entste-hung verlangte. Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Blick von Nordwest auf das 1718 erbaute Kirchenschiff. Foto der Verfasser 2008 Die früheste wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Ursprung der St. Reinoldi Kapelle erfolgte im Jahr 1953 in einer Veröffentlichung von Wolfgang Wennig.1 Sein Aufsatz „Die St. Reinoldi Kapelle bei Rupelrath und ihre Wandmalereien“ erschien kurz nach Abschluss der ersten Restaurierung der Male-reien. Den grundlegenden Gedankengängen Wennigs zur Entstehung dieser geschichtsträchtigen Stätte folgte 1956 der Dortmunder Historiker Paul Fiebig.2 In seinem Buch „St. Reinoldus in Kult, Li-turgie und Kunst“ widmet er der Kapelle bei Solingen einen ausführlichen Teil und schließt sich der These an, dass die Entstehung der Kapelle vermutlich auf die Überführung der Reliquien des hl. Rei-nold von Köln nach Dortmund zurückzuführen ist. Doch der Zeitpunkt der Translation ist nicht zu datie-ren, somit bleibt die Gründung der Kapelle im Dunkel der Geschichte. Selbst die merkwürdige Bau-form von Chor und Apsis, die sich stilistisch nicht so recht einordnen lässt, bleibt noch lange Zeit ein Geheimnis. 1 Wolfgang Wennig, Die St. Reinoldikapelle bei Rupelrath und ihre Wandmalereien, Romerike Berge III/2 1953. Dr. Wolfgang Wennig, † 1979, Kunsthistoriker aus Weimar, Leiter des Stadtarchivs in Hilden, trat durch seine landeskundlichen Forschungsarbeiten hervor. 2 Dr. Paul Fiebig, St. Reinoldus in Kult, Liturgie und Kunst. Dortmund 1956. 4 Im Jahre 1969 befasst sich der Historiker Heinz Rosenthal3 in seinem ersten Band „Solingen - Ge-schichte einer Stadt“ mit den historisch belegten Fakten der Rupelrather Gemeinde seit der Reforma-tion. Weder den veröffentlichten Aufsatz Wennigs noch Fiebigs Forschungsarbeit werden von ihm erwähnt und auch nicht in seiner Literaturliste genannt. Zum Ursprung der St. Reinoldi Kapelle in Ru-pelrath bezweifelt er aber einen Zusammenhang mit Köln und Dortmund. Er ist der Meinung: „Die St. Reinoldi Kapelle mit der Überführung der Gebeine nach Dortmund zu verbinden verbietet sich, da durch das Solinger Gebiet kein alter Handelsweg von Köln nach Westfalen führte.“ Dieses Urteil lähmt einerseits jede Initiative, weiter nach glaubhaften Quellen der Vergangenheit zu suchen, ande-rerseits verweist es die Geschichte von St. Reinoldi wieder in den Bereich der Legende. Nach zahl-reich erschienenen Geschichten mit eher erbaulichem Inhalt, wagt erst 1990 der Rupelrather Gerd Weiland eine historische Bestandsaufnahme. In seinem Buch „Die Capeller“ zählt er akribisch die Stationen der schwierigen Entwicklung seiner Gemeinde auf und verweist nochmals auf die nach wie vor ungeklärt im Raum stehenden Thesen über den Ursprung der St. Reinoldi Kapelle. Rosenthals Feststellung über das Fehlen durchgehender Handelswege über Solinger Gebiet ist zwar richtig, doch die gesuchte alte Handelsverbindung führt an Rupelrath, am äußersten südwestlichen Zipfel Solingens vorbei. Auf diesen Weg stützen sich Wennig und Fiebig mit ihren Vermutungen und berufen sich dabei auf die Angaben F. E. v. Mehrings,4 der auf den Verlauf einer sogenannten „Sand-straße“ in der Nähe der Ortschaft Rupelrath hinweist. Weitere Bestätigungen von Wegeführungen bei Rupelrath finden sich in der „Topographia Ducatus Montani“, auch wenn diese dort nicht namentlich bezeichnet werden. Im ersten Kartenwerk vom Herzogtum Berg aus dem Jahr 1715 vom Geometer Erich Philipp Ploennies,5 sind alte Handelswege eingezeichnet, die sich von der Römerzeit über das frühe Mittelalter ergeben hatten. Sie waren im Laufe der Zeit nur geringen Veränderungen unterwor-fen, wobei es sich durchweg um unbefestigte und ausgefahrene Spuren von Ochsenkarren handelt, dem bewährten Transportmittel bis zum Bau der Eisenbahn in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ploen-nies Topographie, eine verlässliche Quelle, zeigt in einer Teilkarte vom Amt Monheim das betreffende Gebiet und weist nordwestlich der Kapelle von Rupelrath eine vorbeigehende größere Straße auf. Der Zug der Reliquien des hl. Reinold hätte durchaus auf dieser Straße von Köln nach Dortmund erfolgen können. Um einen solchen Weg nachzuvollziehen, hätte von Köln aus rheinabwärts der Fluss überquert wer-den müssen, wobei eine Landung an mehreren Orten möglich war. Entweder direkt bei Deutz oder flussabwärts bei Mühlheim, Stammheim, Wiesdorf, Rheindorf und schließlich Monheim. Monheim wird als Rheinübergang häufiger genannt; vermutlich erleichterte die einstige Insel vor dem Ort eine Fluss-überquerung. Nehmen wir zum Anlegen die Orte bis Monheim an, so hätte man die Straßen nach Reusrath nehmen können. Die ortskundigen Fuhrleute wählten den Streckenverlauf sicher nach der Jahreszeit, der Wetterlage und der Wegbeschaffenheit aus. Von der Rheinebene steigt der Weg stetig und führt nordwestlich an der Reinoldikapelle vorbei weiter über Haus Graven in Wiescheid oder Hackhausen auf Hilden zu. Hier war ein erzbischöflicher Hof, den man als Station sicherlich angelau-fen hat, bevor man über Haan die alte Handelsstraße ins Tal der Wupper zum Kölner Hof Elberfeld weiter gezogen ist. Von dort aus könnte über Schwelm und Gevelsberg bis Dortmund der weitere Weg der Reliquien des hl. Reinold gewesen sein. Hinweise auf die Translation6 Reinoldis Die Historia Reinoldis martyris aus St. Kunibert in Köln (im 15. Jh. entstanden und bis ins 18. Jh. als Antiphon in Gebrauch) berichtet: Des Märtyrers heiliger Leib im Glanze herrlicher Tugenden ward mit des Bischofs Erlaubnis von der Stadt Köln zur neuen Gemeinde Christi nach Dortmund als Schutzpat-ron gesandt. Dabei begleitete das Volk das erhabene Geschenk des verehrten Leibes.7 Nach der Prosalegende Die Historia van sent Reynolt 8 Absatz 15, Wie sent Reynoltz lichnam zo Dorpmunde is komen9 hat die Kölner Geistlichkeit und mit ihr die Bürgerschaft den Gebeinen Reinol 3 Heinz Rosenthal, Solingen Geschichte einer Stadt Bd. I. Duisburg 1969, S. 137 ff. 4 F. E. v. Mehring, Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien, Klöster in den Rheinlanden. (1833-1861), Bd. X, S. 68 ff. 5 Erich Philipp Ploennies 1672-1751, Topographia Ducatus Montani 1715. Neu herausgeg. v. Burkhard Diez. 6 Translation: (kath. Rel.) feierliche Überführung der Reliquien eines Heiligen an einen anderen Ort. 7 Thomas Schilp, Historia Reynoldis martyris, lateinisch/hochdeutsch in Reinoldus und die Bürgergemeinde Dortmunds. S. 166ff. 8 Beate Weifenbach / Walter Kettemann, Die Historia van sent Reynolt (altdeutsch und lateinisch) in: Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde. S. 122-156 5 Von Monheim bis Dortmund über die historischen Stationen sind es heute, auf modernen Straßen etwa 95 km. Mit der Fluss-fahrt auf dem Rhein bis Monheim und dem weiteren Weg auf einem von Ochsen gezogenen Wagen dürfte der Zug der Reli-quien vier bis fünf Tage gebraucht haben. Die Karte zeigt den vermutlichen Weg von Köln bis zu seinem Ziel in Dortmund, wobei eine deutliche Umgehung des Solinger Gebiets auffällt. dis auf einer Wegstrecke von drei Meilen das Geleit gegeben, und darauf erst seien die Reliquien von den Dortmundern übernommen worden. Diese etwas genauere Schilderung des Geschehens führt uns von Köln nach Rupelrath. Macht man entsprechend drei Meilen einen Zirkelschlag von 23 km vom Dom am Kölner Ufer, dann liegt Rupel-rath mit der St. Reinoldi Kapelle an der Peripherie dieses Kreises. Drei Meilen sind auch die realisti-sche Tagesleistung eines Ochsengespanns; denn mehr Weg ist mit diesen Zugtieren nicht zu ma-chen. Zudem liegt der Ort Rupelrath direkt am Weg nach Hilden, dem nächsten erzbischöflich-kölnischen Hof. Man muss sich vorstellen, welch ein Ereignis der Zug der Reliquien eines Heiligen im frühen Mittelalter war. Die Kunde von seiner Übertragung wird sich wie ein Lauffeuer unter der Bevölkerung verbreitet haben; denn die im Glauben liegende erhoffte Heilwirkung von der Nähe zur Reliquie ließ sich kaum jemand entgehen. Vermutlich ist der Zug der Gebeine Reinolds auf dem gesamten Weg von den Gläubigen beobachtet und begleitet worden. Der Akt der Übergabe der kostbaren Reliquien an die Dortmunder war mit sehr hoher Bedeutung verbunden und wird im Rahmen einer gemeinsamen Mes-se geschehen sein. Zu der feierlichen Zeremonie wird man auf dem Platz in der Nähe des Weges einen Feldaltar errichtet haben, an dessen Stelle später zum Gedächtnis eine Kapelle erbaut wurde. Der Altar einer solchen Kapelle war nach Vorschrift der Kirche aus Steinen aufgemauert, in dessen Inneren sich ein Hohlraum zur Aufnahme einer Reliquie befand. Da die Kapelle den hl. Reinold als Patron hatte, wird im Altar auch ein Partikel seiner Gebeine vorhanden gewesen sein. 9 Weifenbach a. a. O. S.153 6 Ausschnitt aus den Kölner Stadtplan von Merian 1646. Rechts im Bild das Reinoldikloster (G), links die alte Mauritiuskirche, im Vordergrund die alte römische Stadtmauer mit dem Reinolds-Tor. Das Reinoldikloster war der ursprüngliche Aufbewahrungsort der Reliquien des hl. Reinolds. Die Vorgänge, die zur Erbauung der St. Reinoldi Kapelle geführt haben sollen, sind in gewisser Weise nachvollziehbar, doch leider ließ sich bis heute nicht eindeutig feststellen, wann die Reliquie von St. Reinoldi überführt wurde. Ein Dortmunder Bericht aus dem 14. Jahrhundert von Lambert von Wicke-de 10 nennt Erzbischof Anno II. von Köln (1056-1075), der 1075 eine Dortmunder Stiftskirche St. Pan-taleon in eine Pfarrkirche umgewandelt und aus diesem Anlass die Reliquie St. Reinoldi nach dort gegeben hat. Eine weitere, aus dem 16. Jahrhundert stammende Chronik11 macht Erzbischof Konrad von Hochstaden12 für die Weitergabe verantwortlich. Bemerkenswert ist dazu, dass 1261 die Dort-munder Hauptkirche erstmalig nachvollziehbar als St. Reinoldikirche in den Urkunden erscheint. Zu dieser Zeit beginnen an der Kirche umfangreiche Bauarbeiten, die um 1280 mit der Vollendung des Langhauses abgeschlossen sind. Mit der zweiten Quelle steht die sagenhafte Überlieferung im Einklang, die unsere Kapelle mit dem Kölner Dombau verbindet. 13 Dazu entwickelte sich eine ganze Reihe von Legenden, die vom Inhalt her aber wenig zur Aufklärung beitragen. Bleibt also zu entscheiden, ob der älteren Quelle der Vorzug zu geben ist. Paul Fiebig ist 1956 bei seinen sehr umfangreichen Untersuchungen aufgrund der Überlieferung der ältesten Erwähnung Reinoldis in einem liturgischen Text zu dem Ergebnis gekommen, die Reliquien seien schon im 9. oder 10. Jahrhundert nach Dortmund gekommen. Daraufhin hat die moderne For-schung versucht, der Problematik der mehr als fragmentarischen Quellen mit verschiedenen Argu-mentationen beizukommen. Zu erwähnen ist Hans Jürgen Brandt, der die Überführung nach Dort-mund ebenfalls im 10. Jahrhundert annimmt und die Amtsjahre des Kölner Erzbischofs Bruno (953- 965), des Bruders Kaiser Ottos I., für den wahrscheinlichsten Kontext hält.14 Zuletzt versuchte Klaus Lange in seiner Arbeit „St. Reinoldi vor 1232 - Bau- und Kirchengeschichtli-che Überlegungen zur Translationszeit des Dortmunder Stadtpatrons“ 15 durch methodische Aufarbei-tung aller Quellen, einschließlich der archäologischen Forschung nach 1945, Licht in die Sache zu bringen. Lange musste feststellen, dass die Quellen zu Dortmunds älterer Geschichte nur spärlich fließen, da 1232 die Stadt, die betreffende Kirche und auch die damaligen Archive ein Raub der 10 Lambert von Wickede in Heinrich von Brockes Chronik der Benediktskapelle in Dortmund. Vg. Jos. Hansen, Chronik der Pseudorektoren der Benediktskapelle zu Dortmund. (Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deut-sche Geschichtskunde XI. , Hannover 1886, S. 491 ff. Wortlaut der betr. Stelle S. 519 f. 11 Merssaeus, Elektorum ecclesiasticorum 12 Konrad von Hochstaden (1238-1261), begann 1248 den Kölner Dombau. 13 Wennig, a .a. O. S. 63 14 Brandt, St. Reinoldus in Dortmund, 1982, S. 86 ff. 15 Klaus Lange, in St. Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde S. 63-65. 7 Flammen wurden. Die älteste urkundliche Erwähnung der Reinoldikirche findet sich im Jahre 1238.16 Entsprechend ist über St. Reinoldi dann erst seit 1261 als Patron der Hauptkirche zu lesen. Dazu kommt, dass spätere Dokumente zum Teil gefälscht wurden und deshalb besser nicht zu Rate gezo-gen werden sollten. Es blieben deshalb die archäologischen Befunde der Grabungen, die nach den Kriegszerstörungen von Christoph Albrecht durchgeführt wurden. Albrecht publizierte seine Arbeit 1954 und 1956 in zwei kurzen Aufsätzen, deren Befunddokumentation heutigen Ansprüchen aber nicht mehr genügt. Es ist bemerkenswert, dass oftmals bei den mühevollen Grabungsarbeiten von den Archäologen derart wenig dokumentiert wurde. Aus den vorliegenden Indizien versucht Lange eine hypothetische Bau- und Kirchengeschichte und entwirft folgendes Bild: Einiges spricht dafür, dass bereits im 9. Jahrhundert der Gründungsbau der späteren Reinoldikirche in Dortmund entstand, so wie die Stadtchroniken es berichten. Vor 935 wurde eine Saalkirche erbaut, die Albrecht auch 1945 ergraben hat. Es war eine Stiftskirche, deren Umgebungsbebauung durch die ottonischen Herrscher häufig als Pfalz genutzt wurde. Dortmund hatte zu dieser Zeit aber noch keine Stadtbefestigung, galt also in unruhigen Zeiten für die Einrichtung des Stiftes nicht sicher genug. Ver-mutlich verlegte man deshalb die Kanoniker ins Mariengradenstift17 nach Köln und baute um 1065 die bereits beschädigte Stiftskirche in eine Pfarrkirche um. Sozusagen als Entschädigung für die Herab-stufung der Kirche überwies Erzbischof Anno II. die Gebeine des hl. Reinold aus dem Reinoldikloster18 in Köln an die Pfarrkirche in Dortmund. Im Zusammenhang damit wurde für die Aufnahme der Reinol-direliquien eine weiträumige Krypta angelegt. Die feierliche Translation der Gebeine des heiligen Rei-nold soll am 7. Januar 1065 stattgefunden haben. Seitdem führte die ehemalige Stiftskirche das Rein-oldus- Patrozinium und seitdem feierte die Stadt am 7. Januar das Fest ihres Patrons. Als Dortmund in den kriegerischen Ereignissen 1114 und 1115 zweimal zerstört wurde, trug auch die Reinoldikirche Schäden davon. Wahrscheinlich wurde nach den Wiederherstellungsarbeiten der Reinoldusschrein in den neuen Chor übertragen und die Krypta aufgegeben. Soweit die Angaben Langes, die dem Leser durchaus logisch erscheinen, nach seiner eigenen Mei-nung aber nicht zweifelsfrei die Translationszeit belegen. Er stellt das Ganze am Ende seiner Ausfüh-rungen wieder infrage, da die Suche nach dem Zeitpunkt der Überführung der Gebeine des Reinoldis eine Gleichung mit vielen Unbekannten ist. Es bleiben zu viele Fragen offen, um zu einer glaubwürdi-gen Folgerung kommen zu können. Der Verbleib der Reinoldireliquien Die heutige Reinoldikirche in Dortmund ist eine Wiederherstellung der im Zweiten Weltkrieg stark zer-störten weiträumigen Basilika aus der Zeit von 1260-1280. Der spätgotische Bürger-Chorraum mit dem kunstvollen Gehäuse für die Reinoldireliquien entstand 1421-1456. Mit der Wiederbelebung der Geschichte regionaler und nationaler Heldengestalten trat Reinoldis im 19. Jahrhundert bis in die 30er Jahre noch einmal in den Vordergrund. Die Verehrung der Reliquien, die in der Geschichte der Stadt so hochbedeutend war, endete aber schon mit der Einführung der Reformation. In den folgenden Wir-ren verschwanden die Gebeine Reinolds, ohne dass dies öffentliche Aufmerksamkeit hervorgerufen hätte. Kein Bericht ist dazu überliefert; der Stadtpatron Reinoldus geriet im 17. und 18. Jahrhundert in Dortmund in Vergessenheit. Erst 1956 – nach Abschluss seines Buches - gelang es Paul Fiebig, das Schicksal der Reinoldireli-quien zu rekonstruieren. Danach schenkte am 22. August 1616 Erzherzog Albert von Österreich dem Erzbischof von Toledo die Reliquien des Dortmunder Stadtpatrons. Der Weg der Gebeine wurde da-mals als Beweis der Authentizität in einer Urkunde fixiert. Demnach hatte der Bürger Albert Klepping am 11. Mai 1614 die Gebeine nur mit Wissen dreier Kirchmeister von St. Reinoldi – also heimlich erworben und am 15. August desselben Jahres an den Kölner Dompropst Graf Eitel Friedrich von Hohenzollern weitergegeben. Dieser schenkte die Reliquien am 21. März 1616 dem österreichischen Erzherzog Albert. Am 22. August wurden die Reliquien dem Erzbischof von Toledo in einer einfachen 16 DUB 1, Nr. 75. 17 Mariengraden war ein Stift mit seiner Kirche unmittelbar östlich vor dem Chor des Doms. Siehe Stadtansicht Kölns von Arnold Mercator 1570/71. 18 St. Reinoldi in Köln war ein unbegütertes Nonnenkloster mit kleiner Kapelle am Eselsmarkt in der Nähe von St. Aposteln. Es unterstand aber der Visitation und dem Vorstand von St. Pantaleon. Der Konvent wurde 1802 aufgelöst, Kapelle und Gebäude kurz darauf niedergerissen. Siehe Fiebig S. 48 ff. (nach v. Mehring a. a. O.) Siehe auch das Reinoldikloster (Buchstabe G) im Kölner Stadtplan von Merian. 1646. 8 Holzkapsel übergeben. Der kostbare Reliquienschrein aus Edelmetall verblieb in Dortmund und wurde mit den zurückgebliebenen wertvollen Gebeinfassungen nach und nach zur Finanzierung von Repara-turen an der Kirche zerstückelt und verkauft. Zur 1100 Jahrfeier der Ersterwähnung Dortmunds im Jahr 1982 kamen die Gebeine Reinoldis aus Toledo noch einmal in ihre alte Heimat zurück. Ein Knochenteil verblieb bei der katholischen Gemein-de in der Stadt und wurde von einem Pathologen vorsichtig längs zerschnitten und untersucht. Sei-nem Bericht nach handelt es sich um den linken Schienbeinknochen eines gesunden etwa 30-jährigen Mannes. Im Vergleich mit einer weiteren Reliquie aus Prag, die 1377 bei einem Besuch Kaiser Karls IV. vom Rat der Stadt Dortmund verschenkt wurde und seitdem im Prager St. Veitsdom verwahrt wird, konnte diese als authentisches rechtes Gegenstück erkannt werden. Um weitere Aufschlüsse zu bekommen, machte man im Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Iso-topenforschung an der Universität Kiel von einem kleinen Teil des Knochens Untersuchungen nach der 14C-Methode. Zu dieser Zeit verknüpfte man damit die Erwartung, dass die Knochen, die man als Reliquien des Heiligen Reinoldus verehrt hatte, zum Skelett eines Menschen gehörten, der im 11. oder 12. Jahrhundert verstorben war. Umso größer war die Überraschung, als die Untersuchung einen wesentlich früheren Todeszeitpunkt ergab: es war ein Mensch, der um 600 bis etwa 640 gelebt hatte. Dieser Zeitraum, der fast 200 Jahre vor Karl dem Großen liegt, befindet sich geradezu jenseits unse-rer Geschichtsschreibung und damit früher, als man sich die historische Person Reinolds vorstellte. Auch dieses Resultat führte die Forschung zu keinen neuen Anhaltspunkten für einen Zeitraum der Translation.19 Mit diesem Ergebnis schließen zwar die Untersuchungen in Dortmund, sie beantworten aber zumin-dest die Lebenszeit des Mannes, dessen Gebeine man für die des Heiligen Reinold hält. Im Umkehr-schluss führt uns diese Aussage aber wieder nach Köln zurück. Davon ausgehend, dass Bonifatius erst nach 718 von Friesland beginnend im sächsischen Raum missionierte, werden die heute noch fast vollständigen Gebeine kaum die eines Christen aus dem Dortmunder Raum gewesen sein. Das linksrheinische Köln dagegen war bereits 313, also noch vor der fränkischen Übernahme um 330, Bistum und wurde 785 von Karl dem Großen zum Erzbistum erhoben. Ein Reliquienkult mit allen Er-fahrungen zur Konservierung menschlicher Gebeine konnte sich um 600, im Gegensatz zum heidni-schen rechtsrheinischen Gebiet, nur im christlichen Zentrum Köln befunden haben. Damit ist zumin-dest eine – aber auch ganz wesentliche Frage beantwortet: die Gebeine sind tatsächlich Kölner Her-kunft und in früher Zeit von dort nach Dortmund überführt worden. Nach all diesen Bemühungen der Aufklärung um die Person des Reinhold ist das Resümee von Wolf-gang Wennig, der sich 1953 zum Ort Rupelrath und der Translation der Gebeine des Heiligen Reinold kompetent und sachlich äußert, nach wie vor aktuell und nachvollziehbar: „Selbst wenn die mit dem Wortlaut der Legende übereinstimmende Entfernung Zufall sein, oder die Legende in dieser Hinsicht auf einer Erdichtung beruhen sollte, so wäre es dennoch sehr wahrschein-lich, dass sich hier bei Rupelrath im Zusammenhang mit der Überführung der Reliquie etwas von Be-deutung ereignet hat, sei es die Übergabe an Dortmund, sei es die erste Wegrast, etwa einen Tages-marsch von Köln entfernt.“20 19 Tomas Schilp, „Reinoldus, unser stat overster patroen und beschermer“ a. a. O. 20 Wennig a. a. O. 9 Die Lage der St. Reinoldi Kapelle Neben der unsicheren Gründungsgeschichte von St. Reinoldi in Rupelrath ist die wichtigste Urkunde über die Baugeschichte das Bauwerk selbst. Es ist ein eher unscheinbares Kirchlein, in Bruchsteinen und Backsteinen aufgeführt und ursprünglich mit einer Kalkschlämme verputzt. Das Bruchsteinmateri-al musste aus einiger Entfernung herangeholt werden, denn der nahe Wenzelnberg besteht aus Kies und Sand. Es ist möglich, dass das Baumaterial am Horner Berg oder in dem alten Steinbruch an der Haasenmühle gewonnen wurde. Dieser Bruch liefert den regionalen weich-brüchigen Grauwackestein, der für eine werkmäßige Verarbeitung ungeeignet ist und bestenfalls grob zugerichtet werden kann. Auch am Schirpenbroich ist noch ein Steinbruch nachzuweisen, der aber vermutlich nur für die Ge-bäude des Gutes, vielleicht auch für die Unterbauten der nahen Hofschaftshäuser genutzt wurde.21 . Ausschnitt aus dem Stadtplan (Liebrecht und Morsbach) von Solingen 1939. Die St. Reinoldi Kapelle befindet sich an der südlichen Spitze des Stadtgebiets. Der Kapellenbau steht inmitten eines noch vor 1705 genutzten Friedhofs in der Wiesenlandschaft östlich des Wenzelnberges. Die Ansicht aus der Luft zeigt, wie merkwürdig dieser Sakralbau ganz gegen sonstige Gewohnheit abseits der Hofschaften erbaut ist, und die politischen Karte offenbart, wie sie in einem Zipfel am äußersten südlichen Rand des Solinger Stadtgebietes gelegen ist. Dabei ist die Entfernung zur Solinger Pfarrkirche wesentlich größer als z. B. zur Richrather oder Leichlinger Pfarrkirche. Es entsteht der Eindruck, als sei die Kapelle mit den umliegenden Hofschaften erst nach-träglich dem Stadtgebiet Solingens zugeschlagen oder besser einverleibt worden. Das verstärkt auch die Vermutung um eine besondere Bedeutung des Ortes und besagt, dass im 11.oder 12. Jahrhundert hier längst eine Kapelle vorhanden war. Sie gehörte damals aber wohl zur Kirche St. Martin zu Richrath, am äußersten Rand vom Einflussgebiet des Kölner Erzbischofs. Vielleicht erfolgte auch des-halb hier an der Grenze seiner Herrschaft die Übergabe der Reinoldireliquien an die Dortmunder Bür-ger. 21 Freundlicher Hinweis von Gerd Weiland, Solingen. 10 Die ungewöhnliche Lage der St. Reinoldi Kapelle auf der Anhöhe oberhalb der Hofschaft Rupelrath. Luftbild: Steinhaus, B. Boll 1985 Nach der Niederlage in der Schlacht bei Worringen 1288 gingen Macht und Einfluss des Kölner Erzbi-schofs auf rechtsrheinischem Gebiet zugunsten der Grafen von Berg deutlich zurück. Vermutlich wur-de zu dieser Zeit die Honnschaft Rupelrath mit ihrer Kapelle, an der man wohl ein besonderes Interes-se hatte, der Kirche in Solingen unterstellt.22 Es wird auch eine Eingliederung der Rupelrather Kapelle als sogenannte Wertsteigerung der Solinger Kirche vermutet, bevor diese 1363 durch die Grafen von Berg an das Kloster Altenberg verkauft wurde.23 Im Hinblick auf diese Ereignisse die im Interesse der politischen und kirchlichen Mächte standen, dürfte sich in Rupelrath schon lange eine Vorgängerin des heutigen Kapellenbaus befunden haben. Die Baugeschichte der Kapelle Vom bestehenden Kirchenbau ist nur der Chor mittelalterlich. Der heutige Gemeinderaum ist ein baro-cker Saalbau von 1718 mit einer verputzten Holzbohlentonne, der noch seine ursprüngliche einfache eichene Bestuhlung besitzt. Er trat an die Stelle eines wesentlich kleineren Langhauses, das vermut-lich zum erhaltenen Chorraum gehörte, oder schon älter war. Vorstellbar ist dabei ein Saalbau in ge-ringen Abmessungen, innen mit einer flachen Holzbalkendecke und hoch liegenden kleinen Rundbo-genfenstern. 24 Vermutlich würden sich bei Grabungen 2-2,5 m innerhalb der jetzigen Umfassungs-mauern Grundmauerreste dieses kleinen Saalbaus feststellen lassen.25 Ansonsten geben weder Schrifttum noch Ansichten über die ursprüngliche Rupelrather Kapelle Auskunft. Es war bislang auch nicht geklärt, ob der jetzt stehende Chor dem Gründungsbau angehört. Mit seinem dreiseitig gebro-chenen Abschluss erweist er sich trotz der altertümlich anmutenden Halbkuppelüberwölbung als nach-romanisch. Der mit der Apsis verbundene queroblonge Chorraum hat ein flaches Kreuzgratgewölbe, das an den Schmalseiten auf gotischen Schildbögen aufliegt. Die drei rundbogigen Apsisfenster zei- 22 Gerd Weiland, Die Capeller, S.11, mit dem Hinweis auf Karl Siemar Baron von Galéra, Langenfeld von der Markgrafschaft zur Stadt. 23 Gerd Weiland, Die Capeller, S.12. und Galéra, a. a. O. 24 Zum Vgl. das Schiff der alten Pfarrkirche in Refrath. 25 Nach Kurfürstlicher Genehmigung durfte die Kirche um jeweils 8 Fuß verbreitert werden. Weiland, S. 27. 11 gen keinerlei Profilierung, Werksteine mit Spuren irgendeiner Steinmetzarbeit fehlen und somit jeder Hinweis auf das Alter. 12 Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Blick auf die Nordostseite Nach der Wiederherstellung um 1952 lässt der verwitterte historische Kalkputz noch einen Blick auf die Struktur des einheitli-chen Bruchsteinmauerwerks zu. Foto: Stadtarchiv Solingen. Bemerkenswert ist die Ausführung des Gebäudeteils, der mit Sicherheit kein in der Romanik aufge-führter Bau ist. Die Apsis ist in polygonaler Form angelegt und dann mit einer halbrunden Kalotte überkuppelt. Im 12. und beginnenden 13. Jahrhundert angelegte Apsiden weisen zumeist halbrunde Grundrisse auf, die dann mit einer Halbkuppel geschlossen wurden. Auch der anschließende Chor-raum wäre in der Romanik anders überwölbt worden. Kurze queroblonge Chorräume wie in Rupelrath schloss man gewöhnlich mit einer Gewölbetonne ab.26 Hier ist aber ein Gratgewölbe auf Spitzbogen gesetzt worden. Andere romanische Kapellenbauten in ähnlicher Größenordnung wie z. B. die alte Kirche zu Gruiten zeigen nach allgemein gültigen Regeln ein Chorquadrat. Allgemein ist aus ergrabe-nen Fundamenten auf die Form und ungefähre Entstehungszeit einer romanischen Kirche zu schlie-ßen. In Rupelrath fehlen aber jegliche Grabungserkenntnisse und angesichts der merkwürdigen Aus-führung von Chor und Apsis der Kapelle sind andere Untersuchungsansätze zu finden. 26 Zum Vgl. die romanische Kapelle in Idensen bei Wunstorf, und die Kapelle der Abtei Cluny in Berzé in Frankreich, die ähnlich kurze Chorräume aufweisen und mit einer Kurztonne überwölbt sind. 13 Rupelrath, St. Reinoldi. Blick auf den nachromanischen Chor, vor der Restaurierung der Kapelle um 1950. Links das Treppenhaus zur Orgel von 1856 Foto: Stadtarchiv Solingen Auffällig ist die eigentümliche Qualität, in der St. Reinoldi gebaut wurde. Vermutlich ist der Chor der Kapelle das Werk einer Maurergruppe, die den Bau nach recht offenen Vorgaben begann und diesen dann mehr oder weniger nach Augenmaß durchführte. Eine polygonale Apsis mit rundbogigen Fens-tern, die dann mit einer Halbkuppel geschlossen wurde, ist wohl keine Leistung eines in einer Bauhüt-te geschulten Werkmeisters. Die Ausführung der Bruchsteinwände mit einem Meter Stärke, der Bögen und Gewölbe aus Ziegelsteinen ist durchaus solide, erhebt aber keinen optischen Anspruch. Schon die Anlage der Grundmauern lässt das genaue Maß und die übliche Symmetrie vermissen. Die auffal-lenden Ungleichmäßigkeiten im aufgehenden Mauerwerk und die verzogenen Bögen sind auf Mess-fehler und ungenau verzimmerte Lehrgerüste zurückzuführen. War es Nachlässigkeit oder Unvermö-gen? Anscheinend wurden die Lehrbögen nicht von Bauschreinern oder Zimmerleuten, sondern von den Maurern selbst hergestellt. Die sorgfältig ausgearbeiteten Bauformen an anderen Kirchen waren einst das Ergebnis einer strikten Arbeitsteilung der Handwerker unter der Leitung eines Bau- oder Werkmeisters. Dieser war in der Regel gelernter Steinmetz, der präzise Messtechnik kannte. Anschei-nend hat man bei St. Reinoldi auf diese überkommenden Regeln keinen besonderen Wert gelegt oder handelte so aus Kostengründen. Dabei sind Apsis und Chorteil gleichermaßen gebaut worden, so dass man von derselben Entste-hungszeit ausgehen kann. Abbildungen aus der Zeit um 1950, die die Kapelle äußerlich nur noch mit den Resten des einst üblichen Kalk-Schlämmputzes zeigen, lassen die verwendeten Steine und ihren gleichartigen Versatz bei Apsis und Chor erkennen. Auch die Verwendung von Ziegelsteinen an Ap-siskalotte, den Bögen und am Chorgewölbe verweisen auf einen einheitlichen Bau. Verschiedene Bauzeiten – wie bisher häufig angenommen – sind auch wegen des geringen Bauvolumens des ge-samten Chorbereichs auszuschließen. 14 Grundrisse der Oberbergischen „Bunten Kirchen“ Wiedenest Marienberghausen Lieberhausen Holpe Die Oberbergischen „Bunten Kirchen“ sind alle romanischen Ursprungs und wurden zum Ende des 15. Jhs. nach Osten erweitert. Nur der Chor der Kapelle von Holpe ist dabei maßgenau angelegt worden. Zeichnungen im Maßstab angenähert. 15 Im Vergleich zu St. Reinoldi zeigen auch die Oberbergischen „Bunten Kirchen“ eine ähnlich merkwür-dige Qualität der Bauausführung. Bei diesen Bauten, die alle zum Ende des 15. Jahrhunderts im Chorbereich verändert und vergrößert wurden, sind besonders an den Grundrissen erhebliche Unge-nauigkeiten erkennbar. Obwohl sie im Verhältnis zu Rupelrath wesentlich größer sind, wurden auch dort die Wände unterschiedlich stark, die Mauerecken schiefwinklig und die Kreuzarme unsymmet-risch ausgeführt. Als Beispiele seien Wiedenest, Lieberhausen und Marienberghausen genannt. Al-lein die kleine Kirche von Holpe erhielt damals einen architektonisch exakt ausgerichteten Chor. Die Genauigkeit der Bauausführung und die Fertigung der Gewölberippen in ansprechenden spätgoti-schen Formen lassen nur dort auf die Anwesenheit von Steinmetzen bei Beginn und Ende der Bautä-tigkeit schließen. Die Einstellung der Bauarbeiten am Kölner Dom setzte natürlich die breite untere Schicht der Bauar-beiter – Maurer, Kalkbrenner und Handlanger zuerst frei. Der zeitliche Zusammenhang lässt vermu-ten, dass ihnen die Kölner Stifte im Umland neue Bauobjekte zuwiesen und die genannten Kirchener-weiterungen vermutlich auf diese Männer zurückgehen. Der Zeitraum der Umbauten an den genann-ten Kirchen von etwa 50 Jahren zwischen 1450 bis um 1500 und die Art der Bauausführung erwecken den Eindruck, die gleiche Maurergruppe sei von Ort zu Ort tätig gewesen. Anscheinend ist auch der Chor von St. Reinoldi in Rupelrath von einem solchen Bautrupp errichtet worden. Nach der Größe des Chorbaues unter Berücksichtigung der Abbindezeit des kalkgebundenen Bruchsteinmauerwerks kann man von eineinhalb bis zwei Jahren Bauzeit ausgehen. Da auch die Malerei in den Oberbergischen Kirchen direkt nach der Errichtung der Erweiterungsbauten ausgeführt wurde, dürfte auch in Rupelrath ähnlich verfahren worden sein. Der Farbauftrag brauchte der Haltbarkeit wegen möglichst einen neu-en, festen Verputz. So ist auch in Rupelrath unter der Malfarbenschicht keine ältere Kalkschicht vor-handen. Auch dieses Indiz spricht für eine Entstehung des St. Reinoldi-Chores um 1500. Die sichersten Erkenntnisse über das Alter des Reinoldi-Chores erbrachten erst die Kalkmörtelanaly-sen während der Restauration der Wandmalereien im Jahre 1997/ 98. Die seinerzeit tätige Dipl.- Restauratorin Sigrun Heinen stellte fest, dass der zum Bau von Chor und Apsis verwendete Mörtel mit dem Verputz identisch ist, der in mehreren Lagen bis zur Malerei tragenden Schicht aufgebracht wur-de. 27 Selbst die kurz vor der Ausmalung aufgebrachte Kalkschlämme, die den Hintergrund der Gemäl-de bildet, hat sich teilweise noch mit dem oberen Putzmörtel vermischt. Wir können deshalb mit Si-cherheit davon ausgehen, dass der Bau des St. Reinoldi-Chores und seine Ausmalung um 1500 ent-standen ist. Im Rittersaal von Schloss Burg stellt der Maler Claus Meyer 1903 in der „Kinderverlobung“ den Altenberger Abt Heinrich Rouffer als Anwesenden bei der Zeremonie dar. Abt Heinrich dürfte wohl der Erbauer des Reinoldi-Chores gewesen sein. Rechts neben ihm der Herzog von Kleve, ein Portrait des Malers Peter Jans-sen, dem Künstler der Kemenate. Foto der Verfasser 2004 Seit 1363 war das Zisterzienserkloster Altenberg Besitzer der Solinger Pfarrkirche St. Clemens und somit auch der Rupelrather Kapelle. Altenberg hatte Einkünfte aus den Gemeinden, war aber dafür zur Bauunterhaltung der Kirchengebäude verpflichtet und dürfte der Bauherr des St. Reinoldi-Chores gewesen sein. Zur Zeit der Erbauung und malerischen Ausstattung der Kapelle war Heinrich Rouffer von Brauweiler (1496-1517) Abt des Klosters. Vor seiner Wahl zum Abt von Altenberg war dieser um 1486 Geistlicher an der Pfarre St. Clemens in Solingen.28 Abt Heinrich tritt als besonderer Förderer der Ausstattung des Klosters hervor. Da zu seiner Zeit der gotische Umbau der Clemenskirche in Solingen erfolgte, liegt es nahe, dass dem ehemaligen Solinger 27 Siehe hierzu die Ergebnisse im Restaurationsbericht. 28 Rosenthal, Solingen I, S. 86, 140, 147. 16 Pfarrer auch an einer Erneuerung der St. Reinoldi Kapelle gelegen war. Die dort vorhandenen Reli-quienpartikel des hl. Reinold waren mit Sicherheit ein Anziehungspunkt für die Gläubigen. Im gewis-sen Sinne wird man hier von einer Wallfahrtsstätte sprechen können, der man ein angemessenes Gehäuse gab. Diese Zeit, mit ständig wiederkehrenden Epidemien und Seuchen war von einer End-zeitstimmung geprägt, in der Heiligenkult, schwärmerische Religiosität und Wunderglaube einem Hö-hepunkt zustrebten. Dem gegenüber steht aber auch die Blütezeit des Handwerks und der Städte, die Zeit Hans Sachs, Albrecht Dürers und Lucas Cranachs, die Zeit des Humanismus an Schulen und Universitäten. Mit der Reformation und dem Übergang der Solinger Stadtgemeinde zum reformierten Bekenntnis endete wie an anderen Orten auch in Rupelrath die Verehrung des Heiligen Reinold. Die Capeller Gemeinde beharrte aber weiterhin auf ihren Patron St. Reinoldus, so dass trotz aller Einsprüche auch noch heute der Name des Heiligen für die Kapelle gebraucht wird – ein einzigartiges Beispiel in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Aus den Kirchenakten in Solingen geht hervor, dass man in St. Reinoldi 1683 alle Überreste des ka-tholischen Kultes beseitigte.29 Dabei werden ausdrücklich die Entfernung des steinernen Altars und der Reliquien genannt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden dabei wie in den anderen Kirchen auch die Malereien übertüncht; denn die Lehre Calvins duldete keine religiöse Bilderwelt. Restaurierungen im 20. Jahrhundert haben gezeigt, dass in der Vergangenheit alle 40-70 Jahre die Kircheninnenräume neu gestrichen wurden. Als 1952 die Bilder wieder freigelegt wurden, mussten sieben bis zehn Kalk-schichten abgelöst werden. Der Zeitraum von über 270 Jahren zwischen 1683 und 1956 ergibt bei sieben Kalkschichten eine Erneuerung in Abständen von 35-40 Jahren, so dass ein Überstreichen der Wandbilder zum Ende des 17. Jahrhunderts realistisch erscheint. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Blick in den Chor der geschmückten Kirche vor Entdeckung der Malerei. Rechts ein Angehöriger des Denkmalamts Bonn bei der Vermessung des Chors nach ansatzweiser Freilegung der Secco-Bilder im Januar 1952. Aufnahmen: Stadtarchiv Solingen. 29Konsistorial-Protokoll vom 2.12.1683 17 Die spätgotische Wandmalerei in Chorraum und Apsis In Rupelrath, wie auch in den anderen „Bunten Kirchen“, war die Entdeckung der Wandmalereien reiner Zufall. Die St. Reinoldi Kapelle in Rupelrath trat kunsthistorisch nicht besonders hervor, bis eine Instandsetzung um 1950 diesen interessanten Fund zutage treten ließ. Am Ende des Zweiten Welt-krieges, im Februar 1945, zerstörte eine Fliegerbombe die ehemalige Kirchschule, die sich in unmit-telbarer Nähe westlich der Kapelle befand. Die Erschütterungen der Bombenexplosion fügten auch der Kapelle Schaden zu; insbesondere zeigten sich Risse im Mauerwerk, sowie im Inneren Abplat-zungen von Putz und Anstrich. Schon dabei wurde deutlich, dass im Chorraum unter den vielen Schichten des Kalkanstrichs eine mehrfarbige Malerei vorhanden war. Erst während der nach 1950 erfolgten durchgreifenden Instandsetzung legte man im älteren Teil der Kapelle im Frühjahr 1952 eine umfangreiche Kalk-Secco-Malerei frei. Diese Arbeit und die anschließende Restaurierung und Kon-servierung der mittelalterlichen Malerei wurde durch den Aachener Kirchenmaler und Restaurator Franz Stiewi durchgeführt. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Links, die Malerei während der Aufdeckung durch Franz Stiewi 1952. Aufnahme des Stadtarchivs Solingen. Rechts, die gleiche Partie im Jahr 2010 nach einer Aufnahme der Verfasser. Ein Einblick in die Maltechniken zeigt, dass bei Wandgemälden unterschiedliche Verfahren angewandt wurden. Im Gegensatz zur Malerei a fresko, einer Malerei in den frisch aufgetragenen Wandputz, wird beim fresco a secco auf den abgebundenen oder trockenen Verputz gemalt. Die raue Oberfläche des Wandputzes wird mit einem Naturbimsstein geglättet, und anschließend mit verdünntem Kalkwasser bestrichen um den Putz saugfähig zu machen. Auf diesen nachträglich angefeuchteten Untergrund erfolgt der Auftrag der mineralischen Farben, die mit Kalkwasser und Kasein angerührt sind. Die Wir-kung des fresco a secco ist der des echten Freskos jedoch hinsichtlich Leuchtkraft unterlegen. Das gilt auch für die Haltbarkeit der Farbschicht, die sich nur wenig mit dem Untergrund verbindet. Die Kirchenausmalungen der Frühzeit bis zur Spätgotik folgen neben der Freude an der Dekoration auch dem Grundgedanken der „Biblia Pauperum“ - der Bibel der Armen. Die Priester trugen zu ver-schiedenen Zeiten, besonders aber um 1500 dem Bedürfnis der Gläubigen Rechnung, ihnen neben der Feier der hl. Messe auch den Inhalt der Heiligen Schrift näher zubringen. Dieses geschah schon, bevor humanistisches Gedankengut und Reformation die Bibel als Wort Gottes in den Mittelpunkt der christlichen Lehre stellten. Durch den beginnenden Buchdruck gelang es zwar, Bilderbibeln herzustel-len, in der die für die Heilsgeschichte wichtigsten Bibelstellen zusammengefasst waren, doch selbst 18 diese „Biblia Pauperum“ erreichte die breiten Bevölkerungsschichten nicht, weil sie für den Erwerb dieser Bücher zu arm waren. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Chor und Apsis nach der ersten Restaurierung durch den Maler Franz Stiewi 1952 Aufnahme: Stadtarchiv Solingen Da die Gemeindemitglieder in der Mehrzahl weder lesen noch schreiben konnten, gelang mit Hilfe der Wandbilder ein optischer Mitvollzug bei der Lesung der heiligen Texte, der Predigt oder beim Erzählen der biblischen Geschichte. Die Themen im Kirchenjahr wiederholten sich, so dass jedem Gottes-dienstbesucher allmählich auch ein Mit- und Nachvollzug möglich war. Die Malereien erfüllten nicht nur dekorative Zwecke, die je nach der Mode oder der Stilentwicklung in der Kunst für die Ausstattung der Gotteshäuser gewünscht wurden, sondern hatten einen bildenden und belehrenden Zweck zur Vermittlung der Heilslehre. Vor diesem Hintergrund sind die spätmittelalterlichen Malereien in den Kirchen zu sehen, worunter die Darstellungen des Jüngsten Gerichts im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert ein bevorzugtes Motiv sind. Sie spiegeln aber auch den damaligen Zeitgeist wider, der von einer erschreckenden Düsternis geprägt war. Die Apokalypse, die Vorhersage des Weltunter-gangs; die Vernichtung des Antichrist und die Wiederkunft Christi sind Themen, die die Menschen beschäftigen. Dürers Apokalyptische Reiter: Pest, Krieg, Hungersnot und Tod bilden dabei einen furchterregenden Höhepunkt in der mittelalterlichen Vorstellungswelt, nehmen aber das vorweg, was in den folgenden Glaubensauseinandersetzungen schreckliche Wirklichkeit werden sollte. Doch wie weit wirkten die für jene Zeit drohenden globalen Schrecknisse sich bis in die ländlichen Kirchen und Gemeinden aus? Der an seine Scholle gebundene Bauer, der Handwerker und Tagelöhner war ohne- 19 hin mit der Bewältigung seiner täglichen Beschwernisse beschäftigt und wusste, dass er seinen vor-gezeichneten Weg gehen musste. So erfüllte das Thema des Jüngsten Gerichts wohl den Zweck, den Gläubigen an seinen Stand in der gottgewollten Hierarchie zu binden und ihn an seine Pflichten zu erinnern. Mit der bildlichen Darstellung in der Kirchenapsis wurde ihm das drohende Weltgericht vor Augen geführt und war stets ein pädagogisches Druckmittel, um ihn zu moralischem Handeln anzuhal-ten. 30 Solingen-Rupelrath, Blick in den Chor der St. Reinoldi Kapelle nach Erneuerung der Malerei durch die Dipl. Restauratorin Sigrun Heinen 1997/98. Aufnahme der Verfasser 2008 Wer waren aber die Menschen, die uns die kunsthandwerklichen Darstellungen hinterließen? Auf wel-chem Bildungsniveau befanden sich die Männer, die die Malereien in den Kirchen ersannen, entwar-fen und ausführten? Genaue Bibelkenntnis und ein umfangreiches Wissen um die christliche Heilsleh-re dürfen wir bei ihnen voraussetzen. Der sichere Umgang mit der Ausführung der von der Kirche gewünschten biblischen Themen wird ihnen bei aller Gläubigkeit einen weiteren Horizont vermittelt haben, als es dem einfachen Menschen möglich war. Die Ausgestaltung der St. Reinoldi Kapelle ist zwar ein bäuerlich-ländliches Kunstwerk, doch die Wahl der Motive geschah nicht zufällig, sondern folgt einem festgelegten Programm. Besonders in Rupelrath tritt mit der Malerei das einheitliche, leicht zu übersehende Konzept eines sakralen Gesamtkunstwerks hervor. Als seltenes Beispiel unter vielen anderen Kirchen weist Rupelrath die Verwendung lateinischer Texte in seiner Malerei auf. Diese ver-weisen auf das zentrale Fresko in der Halbkuppel der Apsis und führen den Betrachter das Jüngste Gericht mit den Fürbittern Maria und Johannes vor Augen. Die Wände und Fensterleibungen werden dagegen durch ein vielfältiges Rankenwerk dekoriert und verweisen mit Darstellungen von Heiligen und Märtyrern auf Vorbilder für den Lebensweg des Gläubigen. Die Malerei zeigt deutlich den Plan der gestaltenden Künstler, den Betrachter zu geleiten und ihn über die Räume in die dargestellte Glaubenswelt einzuführen. 30 Luther betonte die Bedeutung des Freispruchs durch Jesus im Gericht, und auch Calvin verwies auf den As-pekt der Gnade. Beim Konzil der Gegenreformation in Trient (1545-1563) wurde noch an der alten Lehre fest-gehalten. Trotzdem wurde nach der Reformation die Bedeutsamkeit des Jüngsten Gerichts immer mehr vernach-lässigt. Auch die islamische Religion kennt die Vorstellung eines Jüngsten Gerichts (Nach: Microsoft ®.) 20 Beschreibung der Malereien Chorbogen Man muss sich vergegenwärtigen, dass die frühen Kirchen bis zum Ausgang des Mittelalters keine Bestuhlung hatten. Die Gläubigen verfolgten die heilige Messe stehend und knieten bei bestimmten Teilen der Liturgie nieder. Die besondere Gestaltung des Altarbereiches hob diesen vom übrigen eher kargen Kirchenraum hervor, verdeutlichte den sakralen Mittelpunkt des Hauses und die Distanz des Klerus zum einfachen Kirchenvolk. Der Bereich war das Allerheiligste und nur den Priestern vorbehal-ten. Der Klerus mied in seiner Hierarchie - der „Heiligen Herrschaft“- zumeist den direkten Kontakt zum Volk, und nicht ohne Grund verfügten die Priester früher zumeist über eine gesonderte Pforte zum Chorraum. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Rankenmalerei im Chorbogen Aufnahme der Verfasser 2008 Vom Kirchenschiff her betritt man den Chorraum durch einen Rundbogen, den Triumphbogen, der den Altarraum vom übrigen Laienteil abtrennt. Die Leibung des Triumphbogens in St. Reinoldi ist mit einer Rankenmalerei versehen, die auf beiden Seiten von unten wächst und sich im Scheitelpunkt vereint, ohne dort zu enden. Die Malerei nimmt hier den Gedanken der Ewigkeit auf; so wie die Ranken nie enden, verbinden sich Glaube, Liebe und Hoffnung mit der Ewigkeit. Chorgewölbe Der Blick des Betrachters erhebt sich zum Kreuzgratgewölbe des kleinen Chorraums, dessen Malerei einer Marianischen Antiphon der Osterzeit gewidmet ist. Auf den vier Gewölbefeldern halten vier En-gel Spruchfahnen in Form fliegender Bänder mit dem Text eines Vierzeilers. Der Text und die gregori-anische Melodie dieses lateinischen Wechselgesangs sind aus dem 12 Jahrhundert überliefert und werden bis heute in der katholischen Kirche von Karsamstag bis Samstag nach Pfingsten gesungen. Die vier Engel umgeben eine Rose im Scheitelpunkt des Gewölbes. Die Rose steht symbolisch für die Gottesmutter Maria und Himmelskönigin, wie aus dem Text des lateinischen Gesanges deutlich wird. Dieser beginnt auf der Spruchfahne im östlichen Gewölbeteil des Chorraums, also im ostwärts ge-wandten Blickfeld des Beschauers. Der Text geht im Folgenden nach rechts gegen den Uhrzeigersinn über das südliche und westliche Gewölbefeld weiter und endet im nördlichen Teil. 21 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Marianische Antiphon, der Engelsgesang im Chorgewölbe. Vier Engel umschweben eine Rose und halten Textbänder mit dem Loblied auf die Muttergottes. Aufnahme: A. Sassen 2008 22 Der Text lautet lateinisch: übersetzt: Regina coeli, laetare alleluja Freu´ Dich, Du Himmelskönigin, Halleluja Quia quem meruisti portare, alleluja, Denn Er, den Du zu tragen würdig warst, Halleluja, Resurrexit, sicut dixit, alleluja. Er ist auferstanden, wie Er gesagt, Halleluja. Ora pro nobis Deum, alleluja. Bitt´ Gott für uns, Maria, Halleluja. Die Malerei des Engelgesangs ist mit dem Gewölbe so angelegt, dass der Gesang symbolisch im Himmel über der Erde ertönt. Der Betrachter selbst befindet sich im Viereck des Chorraums, inmitten der vier Richtungen der irdischen Welt. Doch der Kirchenmaler nutzt die Architektur des Kreuzgratge-wölbes und setzt in jeden Zwickel einer Gewölbekappe einen phantasievollen Baum, so dass sich aus dem Irdischen acht kunstvolle Rankenpflanzen erheben, die auf den Himmel verweisen. Die Engel, dargestellt als schwebende Wesen sind als Mittler zwischen Himmel und Erde gedacht. Die Kommu-nikation des gläubigen Betrachters auf der Erde mit den himmlischen Wesen liegt im Lesen des Tex-tes. Er stimmt somit in den Lobgesang und in die Fürbitte der Engel mit ein. Apsisgewölbe Der Engelgesang im Chorgewölbe ist Vorgeschichte und als Einführung in die Vollendung der christli-chen Heilslehre gedacht: Auferstehung und Jüngstes Gericht. Jesus als Richter ist das Hauptthema des Bildes im Rund der Apsiskalotte, dem hervortretenden Bild-feld in der Kirche. In der Tradition der christlichen Religion gibt es dazu verschiedene Vorstellungen. Noch in den prophetischen Schriften des Alten Testaments urteilt Gott als Richter über seine Widersa-cher, worauf ein neues Zeitalter mit paradiesischen Zuständen folgen soll. Durch das Jüngste Gericht soll der Tod überwunden werden (Auferstehung der Toten, Daniel 12, 2). Mit Jesus als Richter gilt allerdings das Gebot der Liebe als Maßstab (Matthäus 25, 31-46). Von der Stellung des Menschen zu ihm hängt das Urteil ab. Die Gläubigen leben durch die Gewissheit von Jesu Leben, Tod und Auferstehung bereits in der neuen Heilszeit und werden im Endgericht als Le-bende oder Tote von Jesus gerichtet (Johannes 5, 27 ff.). Unser Bild verbindet aber auch die jüdisch-apokalyptische Tradition, die Vorstellung einer kommenden Welt, dem neuen Jerusalem. Die Feinde Gottes werden bestraft und die Auserwählten erlangen das Heil (Apokalypse 20, 11-15). Auf unserem Gemälde ist die Richtung wie in der Heraldik aus der Warte der Dargestellten zu erklä-ren; d. h. umgekehrt wie wir es sehen. Im Mittelpunkt trohnt der auferstandene Christus als Welten-richter auf dem zweifachen Regenbogen, dem Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Men-schen. Seine Arme sind ausgebreitet und seine Füße ruhen auf dem Erdenrund, das hier schon fort-schrittlich mit Äquator- und Meridiangürtel gezeigt wird.31 Christus trägt einen Mantel, der die fünf Wundmale, die Zeichen seines Kreuzestodes sichtbar freilässt. Aus seinem Mund ragen – symbolisch für seinen Richterspruch – zwei Dinge: zur Rechten, der Richtung der Seligkeit ist es Palmzweig oder Lilie, die aber verloren gegangen sind. Zur Linken, der Seite der Verdammnis ist es das zweischneidi-ge Schwert, von dem noch der Schwertknauf erkennbar ist. Zwei Horn blasende Engel, deren Flügel verblasst sind, begleiten Christus zur Rechten und zur Linken. Zu Füßen des Weltenrichters knien Maria und Johannes der Täufer betraut mit der Bitte für die Men-schen. Die Kirche vertraut sich der Fürbitte Marias an, weil sie als Gottesmutter ihrem Sohn Christus am nächsten steht, was auch schon im Bildertext des Chorgewölbes eingeleitet wird. Ihr stellt man Johannes den Täufer zur Seite, weil zwischen ihm und Jesus besondere Beziehungen bestehen. Christus nennt ihn „den Größten unter den vom Weibe Geborenen“ (Matth. 11, 11). Er ist der erste der Heiligen in der christlichen Kirche, obwohl er noch dem Alten Testament angehört und nicht als christlicher Märtyrer zählt.32 Johannes ist der einzige Heilige neben Maria, dem die Kirche nicht nur an seinem Geburtstag, sondern auch an seinem Sterbetage gedenkt. Auf dem Apsisgemälde umhüllt Maria von Kopf bis zu den Füßen ein kunstvoll faltenreicher blauer Mantel über einem roten Unter-kleid. Ihr gegenüber kniet der bärtige Johannes im fellartigen braunen Gewand, über das ein eben-falls brauner Mantel gebreitet ist. Gemeinsam schauen sie nach unten auf die ihnen anempfohlenen Seelen der Menschen, die kleinfigürlich in der irdischen Zone zwischen Gewölbe und Apsisfenster zu sehen sind. 31 Die Darstellung der Erde erfolgt erst zum Ende des 15. Jahrhunderts aufgrund der wissenschaftlichen Erkennt-nisse in dieser Form. 32 Erst Stephanus wurde durch die Steinigung zum ersten christlichen Märtyrer im Neuen Testament. 23 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Das Weltgericht im Apsisgewölbe. Christus als Weltenrichter im roten Mantel auf dem Regenbogen über dem Erdkreis, Maria im blauen Mantel zu seiner Rechten, ihr gegenüber Johannes der Täufer im braunen Mantel. Aufnahme: A. Sassen 2008 24 Apsispolygon über den Fenstern Die Seelen steigen aus den Gräbern empor und bewegen sich im Vordergrund der Szenerie, die vom Bogen des mittleren Fensters geteilt wird. Zur Rechten des Gottessohnes wird ein Paar von einem Engel mit Kreuzstab und Fahne zum Himmel geleitet. Auch ein Pilger im Mantel mit Stab hat diese Richtung eingeschlagen, ist aber in Gefahr einem Verführer in die Hände zu fallen, der ihm mit ausge-breiteten Armen folgt.33 Auf der Nordseite schildert die Malerei den Einzug der Seligen in das himmlische Paradies. Die Ge-rechten schreiten mit gefalteten Händen in gelöster Haltung über die Stufen zum Portal eines turmarti-gen Gebäudes. Sie werden mit ausgestreckten Händen von der großen Gestalt des Petrus empfan-gen und dürfen sich zu den unzähligen Seelen gesellen, die im Inneren schon versammelt sind. Das den Himmel oder das himmlische Jerusalem verkörpernde Bauwerk ist besonders sorgfältig ge-malt und erinnert in seiner aufstrebenden turmreichen Architektur an die Romanik der Kölner Kir-chen. 34 Tatsächlich ist als Motiv das Dekagon von St. Gereon mit seinen beiden Treppentürmen als Vorbild für die Darstellung in Rupelrath verwendet worden. Ein besonderes Augenmerk ist dem Portal des himmlischen Jerusalems zu widmen, das von einem gotischen Giebel mit einem Dreipass überragt wird. Dem Portal jeder einzelnen geweihten Kirche kommt im Mittelalter eine weitgehende Symbolik zu.35 In der bildenden Kunst häufig wiedergegeben, finden wir es vor allem in Darstellungen des Jüngsten Gerichts. Doch schon in der Praxis des Kir-chenalltags fand der öffentliche Bußritus der Kirche am Kirchenportal statt, ein rechtlicher Akt, der die Bestrafung und Aussöhnung großer Sünder beinhaltete. Den Regeln des Bußritus folgend, verwies man die Sünder, die diese Strafe zu erleiden hatten, am Aschermittwoch der Kirche, so wie Adam aus dem Paradies vertrieben worden war. Der öffentliche Bußakt kulminierte mit dem Rekonziliationsritus am Gründonnerstag. Die Sünder mussten sich am Kirchenportal einfinden, wo der Priester sie an der rechten Hand in die Kirche zurückführte. Der Akt veranschaulichte die Aussöhnung der Sünder mit der Kirche und ihre Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen. Bei genauer Betrachtung der Darstellung des Weltgerichts in Rupelrath ist vieles von dieser Aussage in der Gestaltung wieder zu-erkennen. Gegenüber dem himmlischen Jerusalem, auf der anderen Seite der Apsis zur Linken des Weltenrich-ters, öffnet sich weit der Höllenrachen als riesiges Maul mit reißenden Zähnen. Er ist gefüllt mit Ver-dammten, die in Furcht und Entsetzen brennen, so dass ein Kamin den Rauch aus dem Kopf des Untiers nach oben abführen muss. Weitere Seelen werden dem Rachen zugeführt: eingesammelt in Kiepe und Schubkarre ist ihre Zahl so groß, dass zwei Teufel sich schiebend und ziehend die Arbeit daran teilen müssen. Eine Seele wird kopfüber ins Verderben gestoßen, andere stürzen selbst hinein. Doch noch sind nicht alle verloren, wie im Vordergrund der Kampf eines Engels mit dem Satan um eine Seele zeigt. Jeder versucht sie an Händen und Füßen auf seine Seite zu zerren. Lebhaft und bildhaft sind die teils schrecklichen Szenen in dieser Region dargestellt, ganz im Gegensatz zur Freu-de der Seligen im Himmel und zur Erhabenheit des Weltenrichters im Gewölbe über dem Geschehen. Die Wände des Chorraums St. Reinoldus mit weiblicher Heiligen Die Flächen der mittleren Wandzone in Höhe der Fenster von Chor und Apsis sind mit den Bildern verschiedener Figuren, der Muttergottes, diversen Heiligen und mit Rankenwerk gefüllt. Auf der Nord-seite beginnend ist im Chorraum der Schutzheilige der Kapelle, St. Reinoldus mit einer Heiligen vor einer baumbestandenen Landschaft dargestellt. Leider sind beide Gestalten nur noch fragmentarisch erhalten Als man 1856 eine Sakristei anbaute und hier einen Zugang durchbrach, zerstörte man un- 33 Ob sich diese Figur mit der Messung des Tempels aus der Offenbarung des Johannes 11, 1 deckt, wie Rosent-hal schreibt, Solingen I, S. 140, erschließt sich den Verfassern nicht. 34 Rosenthal, Solingen I, S. 140 nennt hier Groß St. Martin, dessen Turm aber viereckig bis zur Mauerkrone ist. 35 Die Gepflogenheit, weltliche und kirchliche Rechtshandlungen an Kirchenportalen zu vollziehen, lässt sich im gesamten Mittelalter nachweisen. Auseinandersetzungen wurden hier geregelt, wie beispielhaft noch heute vor dem Wassergericht in Valencia. Verträge wurden hier zwischen Parteien geschlossen und es gab den Rechtsbrauch den Eid „auf der Schwelle“ oder „an der Kirchentüre“ zu leisten. Auch die Hochzeit wurde vor der Kirchentür, dem Brautportal vollzogen und erst nach der Trauung wurde das Brautpaar in die Kirche geführt. Nach apokryphen Evangelien geschah das Verlöbnis der Anna mit Joachim, den Eltern der Maria und Großeltern Jesu an der goldenen Pforte des Tempels. 25 wissentlich die unter der Kalktünche verborgenen Figuren in der unteren Hälfte. Die jugendliche weib-liche Figur mit Nimbus ist deshalb aufgrund der fehlenden Attribute nicht mehr identifizierbar. Wohl Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotische Ausmalung. Einzug der Seligen in das Himmelreich, vom Weltgericht im Apsisgewölbe. Das Gebäude des Himmels erinnert an die Kölner Kirche St. Gereon mit ihrem Dekagon. Aufnahme: A. Sassen 2008 26 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Der Höllenschlund aus dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Das Maul der Hölle verschlingt die Verdammten zur Linken des Weltenrichters. Aufnahme: A. Sassen 2008 27 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Der Jüngste Tag unter dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Seelen der Verdammten werden von Helfern des Teufels in Kiepe und Karre der Hölle zugeführt. Aufnahme: A. Sassen 2008 28 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, spätgotische Ausmalung. Der Jüngste Tag unter dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Die aus den Gräbern steigenden Seelen fallen dem Teufel anheim oder werden von Engeln gerettet. Aufnahme: A. Sassen 2008 29 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, spätgotische Ausmalung. Der Jüngste Tag unter dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Ein Engel mit Kreuzstab und Fahne geleitet ein seliges Paar zum Himmel. Aufnahme: A. Sassen 2008 30 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, spätgotische Ausmalung. Der Jüngste Tag unter dem Weltgericht im Apsisgewölbe. Ein Pilger im Mantel mit Wanderstab wird vom Teufel vom rechten Weg gelockt. Aufnahme: A. Sassen 2008 31 aber der hl. Reinold an ihrer Seite. Durch die ihm beigegebene Lanze mit dem aufgesteckten Haupt des Königs Saforet ist er eindeutig zu erkennen. Das aufgespießte Haupt des Königs Saforet ist das Erkennungszeichen des Heiligen Reinolds. Links: Reinold aus dem Chor in Rupelrath um 1500, rechts Reinoldfigur von Meister Adrian 1533 im Artushof von Danzig. Foto: Marburg. Obwohl das Wandbild sehr stark beschädigt ist, sind noch in den Resten ein außergewöhnlicher De-tailreichtum und eine Dynamik der Figuren zu erkennen, die die eher statischen Darstellungen der anderen Heiligen übertrifft. Der ursprünglich 135 cm große Heilige zeigt regelmäßige Gesichtszüge. Sein Gewand ist braun und lila getönt, der wehende Mantel von hellgrauer Farbe. Auf dem Kopf trägt er ein helles Barett, das von einem gelblichen Nimbus umgeben ist. Seine Rechte hält die Lanze mit einem weißen Banner, das einen schwarzen Drachen zeigt. Der Schaft endet in einer Spitze mit dem abgeschlagenen Kopf des maurischen Königs Saforet. 32 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Detail der spätgotische Ausmalung in der südlichen Wandzone des Chors Heiliger Bischof - St. Nikolaus, mit Mitra, Bischofsstab und in der rechten Hand vermutlich ein Schiffsmodell. Aufnahme: A. Sassen 2008 33 Die Darstellung Reinolds mit dem abgeschlagenen Haupt des Heidenkönigs Saforet ist ein Motiv, das in den Kontext der deutsch-niederländischen Überlieferung der Haimonskindersage gehört. Darin fliehen die vier Haimonskinder vor dem Zorn König Karls, dessen boshaften Sohn Ludwig von Reinold getötet wurde, ins maurische Spanien, wo sie sich in den Dienst des heidnischen Königs Saforet be-geben. Als dieser König die Brüder schließlich um den Lohn und um den ihn anvertrauten Schatz be-trügen will, schlägt Reinold ihm den Kopf ab. Die Haimonssöhne müssen erneut fliehen. Die Darstellungsweise mit dem Attribut des aufgespießten Kopfes tritt erst um 1500 auf Bildern und Plastiken des hl. Reinoldis auf.36 Nach 1500 kommt der Saforetkopf auch an Reinoldusdarstellungen in den östlichen Handelsniederlassungen vor. Für verschiedene Artushöfe wie Thorn und Danzig sind Figuren des Heiligen belegt. Obwohl in Rupelrath der Saforetkopf sehr klein ausgeführt wurde, sind Ähnlichkeiten mit der figürlichen Darstellung in Danzig nicht zu übersehen. Aufgrund dieser stilisti-schen Merkmale ist die Wandmalerei in Rupelrath wie die Reinoldusdarstellungen in Danzig und Thorn auf die Zeit um 1500 zu datieren. Offensichtlich hält das Motiv mit dem abgeschlagenen Kopf des Heidenkönigs um diese Zeit Einzug in die Ikonographie des Heiligen. Die Überwindung des Hei-dentums wird damals ein aktuelles Thema. 1492 war zwar Granada als letzte Bastion der Mauren gefallen, doch die Ostgrenzen des Reiches wurden von den Osmanen bedroht. 1453 war Konstantin-opel von den Türken erobert worden und die Jahrzehnte nach 1500 stürmten sie nach Westen vor bis Wien. Vor diesem Hintergrund wird der Heilige Reinold zu einem Idealbild des Ritterhelden gegen ein gemeinsames Feindbild. Heiliger Bischof Nikolaus Auf der Südwand des Chorraums, St. Reinoldus und seiner Assistenzfigur gegenüber, steht eine Bi-schofsdarstellung vor den geringen Resten einer naiv gehaltenen Landschaftsmalerei. Der Bischof ist in einen rot-goldenen Mantel gekleidet, trägt die Mitra und hält in der Linken einen Bischofsstab, der eine spätgotische kunstvolle Krümme aufweist. Der seinen Kopf umgebene Nimbus weist ihn als heili-gen Bischof aus, doch seine rechte Hand ist leer; das Attribut ist leider vergangen. Da es in der Kunstdarstellung nicht viele heilige Bischöfe gibt und wir in Rupelrath von einer volkstüm-lichen Malerei ausgehen dürfen, käme hier der hl. Nikolaus, Bischof vom Myra in Betracht. Als Attribut wäre auf unserem Bild ein Schiffsmodell vorstellbar, was auch der Haltung der Bischofsfigur entge-genkommt. In anderen Darstellungen trägt Nikolaus ein Buch, auf dem drei goldene Kugeln liegen. Auch mit drei Broten in der Hand oder in Gesellschaft von drei aus einem Bottich aufsteigenden Kna-ben ist er zu sehen; alles Zeichen, die an zahlreiche Legenden aus seinem Leben erinnern sollen. Nikolaus ist als gütiger und barmherziger Mensch in Erinnerung und einer der populärsten Volksheili-gen. Historisch ist über ihn praktisch nichts bekannt. Er wird meistens mit dem gleichnamigen Bischof von Myra gleichgesetzt, der im 4. Jh. lebte und vermutlich in Patras in Griechenland geboren wurde. Nach anderen Angaben wird er mit dem Abt Nikolaus von Sion (gestorben 564) identifiziert. Möglich-erweise haben sich in den Legenden um den Heiligen Elemente aus der Vita beider historischer Ge-stalten vermischt. Nach einigen Quellen wurde Nikolaus während der Christenverfolgungen gefoltert und starb später an den Folgen der Misshandlungen. Nach Griechenland und Russland verbreitete sich der Kult im Westen seit dem 8. Jahrhundert; beson-ders gefördert durch die aus Byzanz stammende Gemahlin Ottos II., Theophanu. Im 11. Jahrhundert wurden die Gebeine des Heiligen aus Myra entwendet und gelangten nach Bari in Süditalien. Seit dem 16. Jh. ist der Brauch belegt, dass Nikolaus am Vorabend des 6. Dezember die Kinder beschenkt, doch roter Mantel und weißer Bart sind eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Niko-laus wird als Patron der Schiffer, Kaufleute, Bäcker und Schüler verehrt und bei Seenot, Wasserge-fahr, gegen Diebstahl und für eine glückliche Heirat angerufen. Vermutlich gab es neben der 135 cm großen Bischofsfigur eine zweite Heiligendarstellung, wie es auf der gegenüberliegenden Seite neben dem hl. Reinold geschehen ist. Das Wandfeld bietet dafür aus-reichend Platz, aber es ist nichts mehr davon erhalten. Ebenso wie in den Leibungen der Apsisfenster ist darunter noch in Resten eine Ranke als waagerechte Rahmung der figürlichen Malerei geblieben. Es ist vorstellbar, dass sich diese Rankenmalerei einst ganz um den Chor unterhalb der Apsisfenster durchzog und sich darunter eine Sockeldekoration befand. Im Verlauf von 500 Jahren ist durch auf-steigende Feuchtigkeit der Sockelputz und damit die Malerei unterhalb der Fenster zerstört worden. Die Wände des Apsispolygons Muttergottes im Strahlenkranz Im Apsispolygon wird die Reihe der Heiligen in einer Größe von 108 cm fortgeführt, beginnend auf der Nordseite mit einer Muttergottes mit Krone im Strahlenkranz, die als Gesamterscheinung wie in den 36 Fiebig , a. a. O. S. 141, zu Abb. 7. 34 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Detail der spätgotischen Ausmalung in der Wandzone der Apsis. Maria mit dem Jesuskind ist im blauen Mantel, mit Krone, Nimbus und Strahlenkranz als Königin des Himmels dargestellt. Aufnahme: A. Sassen 2008 35 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung. Katharina - Heilige des Lehrstandes in der Wandzone der Apsis. Katharina mit Barett, dem Zeichen der Gelehrsamkeit und goldenem Ring, der sie als Braut Christi ausweist. Aufnahme: A. Sassen 2008 36 Einzelheiten gut erhalten ist. Im roten ausgeschnittenen Kleid und einem blauen Mantel hält sie das zierliche Jesuskind im rechten Arm. Die Spuren ihres sehr schönen Gesichtes umrahmt vom wallen-den goldblondem Haar sind vermutlich noch original erhalten. Maria mit dem Kinde weist zunächst wohl auf das Kirchenpatronat des Klosters Altenberg in Solingen und damit auch auf den Besitz der Kapelle. Bei den Zisterziensern stand die Verehrung der Gottesmutter im Mittelpunkt, so dass jede Kirche des Ordens der Maria geweiht war. Ob ein Vorbild des Motivs im Zisterzienserkloster Altenberg zu suchen ist, muss wohl offen bleiben. Die Doppelmadonna im Strahlenkranz, die in ihrer Mandorla heute vor dem Hohen Chor der ehemaligen Klosterkirche schwebt, entstand angeblich erst 1530, also einige Jahrzehnte später als die Ausmalung der Rupelrather Kapelle. Krone und Strahlenkranz der Gottesmutter und Himmelskönigin waren um 1500 typisch stilistische Merkmale der Spätgotik. Die Künstler haben sich stets gern mit diesem Thema befasst und gestalte-ten ihre Bildwerke nach der Lobeshymne des Magnifikat. Sie beruht auf dem Bericht des Lukasevan-geliums (Lukas 1, 46-55) und erzählt von dem Treffen der Maria mit ihrer Kusine Elisabeth, Mutter von Johannes dem Täufer.37 Das nächste Wandfeld rechts neben dem nördlichen Apsisfenster ist mit einer Rankenmalerei deko-riert. Es ist eine einstämmige grün gemalte und schwarz schattierte Rankenpflanze mit gleichmäßig runden Verzweigungen die sich diagonal ins Feld einfügt. An ausgewogener Stelle ist eine phantasie-volle leuchtend gelbe Frucht eingefügt. Das mittlere Apsisfenster wird beiderseits von zwei weiblichen Heiligendarstellungen begleitet. Dann folgt eine Rankenmalerei wie im Feld gegenüber und neben dem südlichen Fenster die dritte weibliche Figur. Von allen drei Heiligen ist die mittlere mit den Attributen Turm und Palmzweig eindeutig als hl. Barbara auszuweisen. Dagegen ist die Malerei der heiligen Frauen zu ihren Seiten sehr vergangen, so dass zu ihrer Identifizierung schon genauer nachgesehen werden muss. Da die Mutter Maria mit dem Jesuskind auf der nördlichen Apsisseite allein steht und nicht Mittelpunkt der heiligen Frauen ist, haben die Künstler die drei Heiligen wohl bewusst zu einer Gruppe zusammengefasst. Da Barbara deutlich zu erkennen ist, liegt es nahe, neben ihr Katharina und Margarethe zu vermuten, eine Heili-gengruppe, die in Kunst und Legende vor allem in Süddeutschland die „drei Madl“ genannt werden. Sie gelten als Schützerinnen der Stände: Katharina des Lehrstandes, Barbara des Wehrstandes, und Margareta des Nährstandes. Heilige Katharina Beginnend mit der linken, rot gewandeten Frauenfigur, die über dem offenen langen Haar ein schräg sitzendes Barett trägt, wird es sich um die heilige Katharina handeln.38 Das Barett ist ein typisches Kleidungsstück in der Amtstracht von Geistlichen, Richtern und anderen Geisteswissenschaftlern. Hier hat man diese Kopfbedeckung der Katharina von Alexandria zugedacht, da diese durch ihre außer-gewöhnliche Gelehrsamkeit unter den Heiligen hervortritt. Für Katharina spricht auch der goldene Ring, den sie als mystische „Braut Christi“ in ihrer rechten Hand mit einem herabhängenden weißen Tuch trägt. Die leicht erhobene linke Hand ist frei und soll mit ihrer Gestik die besondere Beredsamkeit Katharinas unterstreichen. Die Heilige Katharina von Alexandria lebte angeblich im 4. Jh. n. Chr. Obwohl ihr Name ebenso wie Barbara seit 1969 im Generalkalender der katholischen Kirche nicht mehr aufgeführt wird, ist ihre Ver-ehrung ungebrochen. Der Legende zufolge hatte sich Katharina heimlich taufen lassen und verweigerte jede Götzenvereh-rung. Am Hof des Kaisers Maximinus Daja überführte sie 50 Gelehrte durch ihre Redegewandtheit und brachte sie dazu, sich taufen zu lassen. Das Rad, mit dem Maximinus Katharina töten lassen wollte, brach auf wundersame Weise; schließlich ließ sie der Kaiser enthaupten. Ihr Leib wurde von Engeln auf den Berg Sinai gebracht, wo das Katharinenkloster entstand. Katharina gehört zu den 14 Nothelfern und ist Patronin der Gelehrsamkeit, namentlich der philosophi-schen Fakultät, der Bibliotheken und Schulen, der Studenten und Schüler, aber auch der Jungfrauen und Mädchen. Ihre Gestalt faszinierte zu allen Zeiten. Sie war so schön, dass sie noch in der Gegen-wart von den Modistinnen und Schneiderinnen der Pariser Modehäuser, den „Catérinettes, verehrt wird. Ihre Attribute sind Krone, Palme, Buch und seit dem 14. Jh. das Rad sowie ein Schwert. Mit ei 37 Magnifikat (lateinisch Magnificat anima mea Dominum: Meine Seele macht den Herrn groß), einer der Ge-sänge im Abendgottesdienst der christlichen Kirche 38 Die Verfasser folgen bei der Identifizierung der Heiligen eigenen Vorstellungen, die nicht mit der bisherigen Auffassung übereinstimmen. Vgl. auch Anmerkung 53. 37 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotische Ausmalung in der Wandzone der Apsis. Barbara – Heilige des Wehrstandes Barbara mit dem Turm, hinweisend auf jegliche Gefangenschaft und dem Palmzweig, dem Symbol ihres Martyriums Aufnahme: A. Sassen 2008 38 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der spätgotischen Ausmalung in der Wandzone der Apsis. Margareta – Heilige des Nährstandes mit ihren Attributen, dem eisernen Kamm und dem Schwert. Aufnahme: A. Sassen 2008 39 nem Ring als Symbol ihrer mystischen Vermählung mit Christus, wurde sie besonders in der italieni-schen Renaissance häufig dargestellt. Eines der ältesten deutschen Katharinenbilder ist ein Glasge-mälde in St. Kunibert in Köln. Heilige Barbara Die zweite Frau, rechts neben dem mittleren Apsisfenster ist die hl. Barbara, die ihren Turm auf der rechten Hand trägt. Aus ihrer linken Hand ragt der Palmzweig als Zeichen ihres Martyriums. Auch Barbara ist als schönes junges Mädchen mit offenem goldenem Haar dargestellt, das über ihren schlichten hellgrauen Mantel fällt. Die Darstellungsweise der Barbara von Rupelrath steht in einer Reihe von Barbarabildern, die sowohl in Marienberghausen wie auch in Wegberg-Kipshoven wieder zu finden sind. Sie unterscheiden sich zwar in der Variation des Turms und im unterschiedlichen Fal-tenwurf ihres Mantels, doch in der Haltung, wie sie sich dem Betrachter zuwenden und der gleichen Form des Palmzweiges ist eine Übereinstimmung bei allen Figuren erkennbar. Die vergleichbare Grundkonzeption lässt auf die gleichen Kunsthandwerker an den verschiedenen Orten schließen. Auch Barbara, die Schützerin des Wehrstandes, ist eine der 14 Nothelfer und lebte laut Überlieferung um 300 in der Stadt Nikomedia (Izmir, Türkei). Ihr Vater sperrte sie in einen Turm, um sie am Heiraten zu hindern. In der Gefangenschaft vom Heiligen Geist erleuchtet, wurde Barbara Christin. Daraufhin lieferte ihr Vater sie dem heidnischen Statthalter Marcianus aus, der sie nach einem Martyrium ent-haupten ließ. Der Vater, der selbst das Urteil vollstreckte, wurde vom Blitz erschlagen, weshalb Barba-ra als Schutzpatronin der Artillerie gilt und bei Feuersnot, Gewitter und Pest angerufen wird. Die Berg-leute verehren Barbara als besondere Patronin. Die Sterbenden sind ihr anvertraut, weil Barbara ihre Seelen, wie man glaubt, sicher an den Thron Gottes führt. Barbaras Turm ist das Symbol jeglicher Gefangenschaft; der Turm, der sich plötzlich öffnet, das Bild der wundersamen Rettung aus auswegloser Not, die Gott allein bewirkt. Der Kelch, den die Heilige mitunter trägt, bedeutet die Stärkung, die ihr durch den Glauben zuteil ward. Zu ihrem Fest, am 4. Dezember, gibt es den Brauch der Barbarazweige, die an diesem Tag geschnitten werden und an Weihnachten blühen. Heilige Margareta Das Wandfeld neben der hl. Barbara ist ebenso wie auf der gegenüberliegenden Seite mit einer Ran-kenmalerei gefüllt. Es folgt das rechte Apsisfenster und rechts daneben dann die Figur, von der wir annehmen können, dass es sich um die hl. Margareta handelt. Leider ist ihr Bild von allen anderen Figurenmalereien am meisten vergangen, so dass eine Beschreibung nur noch nach geringen Bildres-ten möglich ist. Sie trägt ein weißes Kleid mit einem roten Mantel darüber, der ihre Hände freilässt. Kaum noch erkennbar sind ihr rechts ein Schwert und links ein eiserner gekröpfter Kamm in die Hän-de gegeben. Vom Schwert sind noch der Griff und der Verlauf der Klinge erkennbar, der grobe eiserne Kamm zeigt noch drei bzw. vier Zinken. Diese Attribute deuten auf die hl. Margareta und ihr Martyri-um; denn in der Folter wurde ihr Körper mit eisernen Kämmen gerissen und ihr Tod mit dem Schwert herbeigeführt. Die Darstellung der Margareta in dieser Form ist relativ selten anzutreffen; denn in Ma-rienberghausen und anderen Orten zeigt man sie mit einem roten Teufel zu ihren Füßen, der von ihr mit dem Schaft eines Kreuzstabs in Schach gehalten wird Auch Margareta ist eine der 14 Nothelfer, geboren im 3. Jahrhundert in Antiochia als Tochter eines heidnischen Priesters. Ihre Amme erzog sie im christlichen Glauben, was den Vater so erzürnte, dass er seine Tochter der Obrigkeit meldete. Margareta wurde vor Gericht gestellt und gefoltert, überstand aber mit göttlicher Hilfe alle Qualen unverletzt. Daraufhin wurden auch andere Christen so in ihrem Glauben bestärkt, dass sie ihn öffentlich bekannten. Sie wurden schließlich gemeinsam mit Margareta enthauptet. Nach einer anderen Legende sei Margareta beim Hüten der Schafe dem römischen Stadtpräfekten Olybrius begegnet, der die schöne Jungfrau begehrte. Als sie sich weigerte, ihm zu Willen zu sein, ließ er sie mit eisernen Kämmen reißen, mit Fackeln brennen und ins Gefängnis werfen. Auch dort be-drängt er sie in Gestalt eines Drachens, der jedoch zerfiel, als Margareta das Kreuzzeichen über ihm machte. Die Jungfrau gesundete immer wieder auf wundersame Weise von den ihr zugefügten Foltern und bekehrte durch ihre Standhaftigkeit viele zum Christentum bis sie schließlich enthauptet wurde. Margareta wird als Patronin der Ammen, der Schwangeren, der unfruchtbaren Ehefrauen und bei schweren Geburten, Gesichtskrankheiten und Wunden angerufen. Sie ist die Patronin des Nährstan-des, weil ihr Fest ein wichtiger Merktag für die Bauern war. Durch die häufigere Darstellung der Margareta mit dem Drachen, der den Teufel verbildlichen soll, und den sie mit einem Kreuz oder Kreuzstab besiegt, wird sie als Drachenbekämpferin mit dem hl Georg, 40 dessen Schicksal nach einigen Quellen mit dem ihrigen verknüpft gewesen sein soll, eine der belieb-testen und ältesten Heiligengestalten. Einige sehen in ihr jene Königstochter, die der hl. Georg im Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle, Detail der Ornamentik im nordwestlichen Gewölbezwickel des Chorraums. Aufnahme: A. Sassen 2008 41 Kampf mit dem Drachen befreit haben soll. Andere Darstellungen zeigen sie reich gekleidet als Kö-nigstochter mit Perlendiadem, dem Zeichen der Reinheit aufgrund ihres Namens, ferner mit Fackel und Kamm – ihren Marterwerkzeugen, auch mit einem Engel, der ihr Palme und Siegeskrone reicht. Es gibt kaum einen berühmten Künstler, den die Darstellung dieser heldenhaften Jungfrau nicht ange-regt hätte, darunter Raffael, Palma, Tizian, Lucas Cranach, Guercino, Le Suer, Poussin u. a. Margaretas Fest ist am 20. Juli. Auch sie ist eine der drei Heiligen, von denen der Volksmund sagt: „Margareta mit dem Wurm, Barba-ra mit dem Turm, Katharina mit dem Radl, das sind die drei heiligen Madl.“ Zusammenfassung: Der Bau des St. Reinoldi-Chores und seine Ausmalung entstanden unmittelbar nacheinander um 1500. Die Malerei ist ein volkstümliches Gesamtkunstwerk, folgt mit relativ wenigen Motiven einem Programm und nutzt dabei ideal die Architektur des vorhandenen Raumes. Vermutlich ist schon beim Bau des St. Reinoldi-Chores an seine anschließende bildliche Ausstattung gedacht, und deshalb ein stilistischer Rückgriff auf flächige romanische Formen gewählt worden. Über die Marianische Antiphon der Engel im Chorgewölbe wird der Betrachter zum Hauptbild im Ap-sisgewölbe geleitet, wo ihm das zu erwartende Jüngste Gericht vor Augen geführt wird. Ihm kann sich niemand entziehen; denn nach christlicher Vorstellung wird der sündige Mensch einst an seinem Lebenswandel gemessen und gerichtet werden. Doch das Gericht liegt bei Jesus Christus, auf dessen Liebe er vertrauen darf. Dabei hofft der Gläubige auf die Fürsprache Marias, der Mutter Jesu und sei-nes engsten Vertrauten Johannes. Sie bitten Christus, dass er Gnade walten lässt und den Sünder nicht dem Verhängnis preisgibt. Auf Augenhöhe begegnen dem Betrachter Heilige und Märtyrer, die ihm, der ja noch das Leben vor sich und Zeit zur Umkehr hat, Vorbild sein und Zuversicht geben sollen: St. Reinoldus steht als Vorbild für Mut und Ritterlichkeit, ihm gegenüber der Hl. Nikolaus für Barmherzigkeit und Güte. Die Gottesmutter Maria ist wie keine andere Frau ein Beispiel für Reinheit und Ergebenheit, St. Katharina als Schützerin des Lehrstandes das Beispiel für Weisheit, St. Barbara als Schützerin des Wehrstandes für Gläubigkeit und St. Margareta, der Schützerin des Nährstandes für ihre Standhaftigkeit. Vielleicht wurde um 1500 in Rupelrath nicht nur der Chorraum, sondern auch das ehemals dazugehö-rige Kirchenschiff ausgemalt. Das belegen andere Beispiele spätmittelalterlicher Gestaltungen von Kirchenräumen. Die Erweiterung der Kapelle von 1718 hat vermutlich das frühere Gesamtbild verän-dert, so dass wir heute nur noch vor den Resten des einstigen Gesamtkunstwerkes stehen. Den Zeit-aufwand für den Umfang der einstigen Dekoration des Kirchenraumes darf man folglich nicht zu gering ansetzen. Zudem werden zur Ausführung Meister und Assistenten, vermutlich also Mitglieder einer Malergruppe tätig gewesen sein. 42 Vergleiche zu gotischen Malereien in Kirchen des Bergischen Landes und des Kölner Umlands Marienberghausen Bemerkenswert ist, dass wir das Rupelrather Bildprogramm des Jüngsten Gerichts und der kleinfigür-lichen Zone darunter vergleichbar in Marienberghausen wiederfinden. Während der Künstler in Rupel-rath in der Halbkugel der Apsiskalotte nahezu ideale Verhältnisse für seine Darstellung fand, musste er sich dort den knappen Gegebenheiten der geraden, durchfensterten Chorwand stellen. Weitere Übereinstimmungen lassen sich beim Vergleich der Engel finden, die an beiden Orten mit charakteris-tisch langen und spitz auslaufenden Flügeln zu sehen sind. Gegenüber Marienberghausen ist beim Weltgericht in Rupelrath zuweilen eine reifere Behandlung der figürlichen Darstellung festzustellen. Ganz deutlich zeigt sich eine Weiterentwicklung der Rankenmalerei, die in Rupelrath von der schlan-ken Spätgotik zur fülligen Renaissance übergeht. Sowohl bei Christus als auch Maria und Johannes ist eine sehr detailgenaue Wiedergabe eines eher komplizierten Faltenwurfs der Kleider und Mäntel festzustellen. In den Einzelheiten ist die Ausarbeitung geradezu liebevoll zu nennen, was auch für die Engel im Chorgewölbe zutrifft. Entsprechendes gilt auch für die Wiedergabe der „himmlischen Archi-tektur“ wie der Vorstellung des Höllenrachens. Obwohl im Weltgericht Marienberghausens ein einfacherer Faltenwurf der Kleidung festzustellen ist entspricht die Malerei des dortigen Chorgewölbes durchaus dem Niveau von Rupelrath. Dagegen erreichen die dortigen Darstellungen der Heiligen eine weitaus größere Qualität in Variation und Aus-sagekraft. Die Frage nach den Gründen führt die Verfasser zu der Annahme, dass nicht nur ein ein-zelner Künstler in den Kirchen gearbeitet hat, sondern eher eine Malergruppe, die je nach Umfang des Auftragsvolumens größer oder kleiner gehalten, mit der Ausführung der Bilder befasst war. Obwohl nach vorgegebenen Entwürfen gemalt wurde um einen geschlossenen Gesamteindruck zu erreichen, sind die Einzelheiten nach Talent und Fähigkeit des damit betrauten Malers durch seine Individualität gekennzeichnet. Unterschiede treten naturgemäß besonders in der menschlichen Darstellung hervor, wogegen die Rankenmalerei nach recht einheitlich gekonntem Schema sowohl in Marienberghausen als auch in Holpe und Rupelrath ausgeführt wurde. Auf eine Malergruppe deutet auch die Tatsache, dass zur Ausführung einer Kirchenausmalung selbst damals nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung stand. Dabei muss die kalte und dunkle Jahreszeit von Oktober bis März von vornherein schon für die Malarbeit ausgeschlossen werden.39 Den Künstlern blieben sechs bis maximal acht Monate für ihre Ausführungen. Obwohl die Malerei fresco a secco (im Gegensatz zum aufwändigen a fresco = auf das Frische) auf den fertigen durchgetrockneten Verputz recht zügig aufgetragen werden kann, dauert auch dieses Verfahren seine Zeit. Einen realistischen Vergleich bieten die Überlieferungen von der Ausmalung der Räume in Schloss Burg um 1900. Allein der dortige Rittersaal der von einem Meister mit Assistenten a fresco gestaltet wurde, brauchte fast sechs Jahre bis zu seiner Fertigstellung. Holpe Die kleine ev. Kirche von Holpe erhielt im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts einen spätgotischen Chor, der in seiner Vollendung für das Oberbergische Land eine Einzelleistung ist. Der zweijochige und mit 5/8 Schluss versehene Chorraum wird vermutlich einmal eine umfangreiche Ausmalung be-sessen haben. In den schönen Kreuzrippengewölben auf Wandkonsolen ist davon eine überwiegend ornamentale Malerei mit vegetabilen Formen erhalten geblieben. Diese Rankenmalerei in Fresko- Seccotechnik wurde erst während einer Renovierung der Kirche 1954 entdeckt. In typischer Weise entspricht der Freskoschmuck spätgotischer Raumausgestaltung, so dass man davon ausgeht, der Künstler wird ihn unmittelbar mit der Fertigstellung des Chores angebracht haben. Die Form und Zu-sammensetzung der Gewölberippen und die Malerei in Holpe stehen in direkter Beziehung zu den Gewölben und der Malerei in Marienberghausen. Diese Übereinstimmung erleichtert die Datierung, da man in Marienberghausen über relativ genaue Hinweise über den Zeitpunkt der Entstehung verfügt. Schon die Kunsthistorikerin Brigitte Glaise fand 1960 eindeutige Übereinstimmungen zwischen Holpe und Marienberghausen. In beiden Kirchen dienten die Malereien den Gläubigen nur kurze Zeit bis zur Einführung der Reformation ihrem dekorativen und belehrenden Zweck. Beim Übertritt der Gemeinde zum reformierten Glauben wurden sie gemäß der Ablehnung bildlicher Darstellungen nach der Lehre Calvins weiß übertüncht. Nach ihrer Aufdeckung 1954 konservierte man in Holpe die Malereien und überstrich sie danach wieder. Es folgte eine freie Rekonstruktion nach der durch die dünne Kalk-schicht durchscheinenden Farben. In allen Gewölben wächst aus den Zwickeln über die Kappen eine Rankenmalerei, die sich nach einem freien Abstand in der Gewölbehöhe wiederum um die Schluss-steine legt. Es sprießen von unten rote Stängel, aus denen sich grüne Blattranken paarig verzweigen um sich mit ihren Köpfen herzförmig wieder dem Haupttrieb zuzuwenden. Dabei entstehen abgerun- 39 Zum Vgl. die Zeit der Restaurierung 1997/98 mit Winterpause. 43 Übereinstimmungen in den Einzelheiten der Malerei in Rupelrath und Marienberghausen Rupelrath, Engel mit Textband aus dem Chorgewölbe. Marienberghausen, Engel mit Marterwerkzeug aus dem Chorgewölbe; beide Engel weisen eine typisch gleiche Flügelform auf. Marienberghausen Rupelrath Die Grundform der Ornamentik ist in beiden Kirchen gleich, entwickelt sich in Rupelrath aber eindeutig zur Renaissance. 44 dete, gleichmäßig harmonische Rankenwerke, die in Blütenkelchen enden. Darinnen stehen und sit-zen Figuren in damaliger Tracht, die diverse Instrumente spielen oder mit Pfeil und Bogen umgehen. Witz und Humor standen damals anscheinend nicht im Widerspruch zur sakralen Umgebung. Solche sogenannte Drolerien waren bei den mittelalterlichen Kirchenmalereien von je her beliebt und beleb-ten vor allen Dingen in den Landkirchen mehr oder weniger versteckt die religiöse Malerei. Gerade in Holpe ist ein Beispiel zu finden, dass die Drolerien zum Hauptprogramm in der Gewölbedekoration werden. In einer Fensterleibung auf der Südseite des Chorraums ist eine figürliche Darstellung, nach Glaise der Apostel Bartholomäus, zu finden. Vermutlich blieb hier der Rest einer ehemals umfangrei-chen, alle Wände des Chores bedeckenden Ausmalung erhalten. Auch diese fast lebensgroße Figur steht den Aposteln in Marienberghausen in Gestalt und Farbe sehr nahe. Man kann also davon aus-gehen, dass in beiden Kirchen der- oder dieselben Kirchenmaler gearbeitet haben.40 Die spätgotischen Wandmalereien in Marienberghausen wurden schon 1910 bei Umbauarbeiten im Chor entdeckt und von dem Kirchenmaler Anton Bardenhewer restauriert. Darunter verstand man damals freilegen, übermalen, verbessern und frei ergänzen. Nach 1960 hat die Kunsthistorikerin und Restauratorin Brigitte Glaise die Malereien einer erneuten Restaurierung unterzogen und dabei die übermalenden Ergänzungen Bardenhewers entfernt. Glaise hat zu dieser Zeit auch die kunsthistori-sche Bedeutung der Freskobilder von Marienberghausen unter Einbeziehung der Malereien in der Kirche zu Holpe bewertet. Da man in Marienberghausen die Zeit der Kirchenerweiterung kannte, war sicher festzustellen, dass die Ausmalung der Kirche kurz nach 1480 erfolgte. Der Maler brachte die Farbe auf die erste und ursprüngliche Putzschicht im Kircheninneren auf. Auch hier ähnlich der Malereien in Holpe wieder pflanzliche Dekorationen in den Gewölben mit eingestreuten Drolerien. Den Hauptakzent bilden die Malereien im Chor: das Jüngste Gericht, die Seelenwägung, Apostel-gruppen, Georgs- und Hubertuslegenden, Mariae Verkündigung und Versuchung des hl. Antonius. Mit den Malereien in Rupelrath ist das Bild des Jüngsten Gerichts und die Darstellungen der hll. Kathari-na, Barbara und Margareta zu verbinden. Über die Identität des Künstlers oder der schaffenden Malergruppe verraten die Wand- und Gewölbe-bilder wenig. Namentlich sind sie nicht bekannt und gehören zu den vielen Kunsthandwerkern ihrer Epoche, doch nach Auffassung von B. Glaise übertreffen sie viele Dorfkirchenmaler ihrer Zeit an Kompositionsfähigkeit und an Wissen um die Effekte der Wandmalerei. Ihre Darstellungskunst ist inhaltlich auf die bäuerliche Mentalität der früheren Dorfbewohner abgestimmt. Sie führen ihnen, die des Lesens und Schreibens unkundig sind, wichtige Heilstaten und Schutzheilige für ihr alltägliches Leben vor Augen. Durch die zunehmende Verbreitung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert kamen Musterbücher auf den Markt, die es den Malern ermöglichten, nach Vorlagen zu arbeiten. Unzählige Motive gestatteten Vari-ationen zu allen möglichen religiösen Themen, so dass die Kirchenausmalungen durchaus individuell geschahen. Doch die Analyse der Einzelfiguren, der Rankenformen in den Bogenleibungen und Ge-wölbekappen und der Vergleich zueinander lässt die Künstler an den einzelnen Orten wieder erken-nen. Die Bildanalyse in Marienberghausen ergibt Übereinstimmungen zu Fresken der Dome in Wetzlar und Trier; auch führt eine Spur zu St. Andreas in Köln. In Rupelrath zeigt das Himmelsgebäude auffällige Ähnlichkeiten mit St. Gereon in Köln. Vermutlich sind dort die Vorbilder zu suchen. Die weite Verbrei-tung der Malereien, von denen nur ein ganz geringer Teil erhalten geblieben ist, zeugt von einer er-staunlichen Mobilität der Künstler. In der Regel kann man davon ausgehen, dass die in den Domkir-chen oder Stiften tätigen Maler beispielgebend dafür waren, was in den Dorfkirchen in kleiner Form ausgeführt wurde. Vielleicht waren es auch Kunsthandwerker, die in den Malergruppen großer Kirchen ausgebildet waren und dann selbständig in ländlichen Kirchen arbeiteten. Mit Sicherheit dürften die Aufträge dazu von den Patronatsherren erteilt worden sein, denn allein sie verfügten über dafür not-wendige Mittel. 40 Im Jahr 2008 fand eine umfangreiche Sanierung der evangelischen Kirche in Holpe statt. Allein die Restaurierung der Gewölbemalereien dauerte bis ins Frühjahr 2009. Dabei wurde in erster Linie eine Reinigung der Gewölbekappen vorge-nommen. Die Restaurierung der Dekoration beschränkte sich auf die Festigung sich lösender Farbteile und einer Ergänzung sich ergebender Fehlstellen. 45 Weitere Werke die mit den Malern von Rupelrath in Verbindung zu bringen sind: Neben den Malereien in den Bergischen Orten Marienberghausen, Holpe und Solingen-Rupelrath sind auch linksrheinisch im Jülicher Land in der Kapelle von Titz-Höllen bei Rödingen und in der Heilig-kreuzkapelle in Wegberg-Kipshoven Ausmalungen in ähnlichem Programm aus der Zeit um 1500 zu finden, die im Charakter der Darstellung auf die gleichen Kunsthandwerker schließen lassen. Darüber hinaus sind in folgenden Kirchen Ausmalungen des 15. Jahrhunderts, die aber bisher nicht genau zugeordnet wurden: Elsdorf-Angelsdorf / Rhld. kath. Kirche Hünshoven bei Geilenkirchen, St. Johann Baptist, Haiger / Dill, ev. Kirche Köln, St. Kunibert (Wandbild verloren, bei Clemen erwähnt) Köln-Dünnwald, Sakristei der ehem. Klosterkirche Oberbreisig, kath. Pfarrkirche Frauenberg bei Euskirchen Elsig bei Euskirchen Niederberg bei Euskirchen St. Johann Baptist Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Zustand der Kirche vor der Instandsetzung um 1950. Aufnahme: Stadtarchiv Solingen 46 Das barocke Kirchenschiff von St. Reinoldi Zur Geschichte der Erbauung Vor 1708 (Archiv Ev. Kgm. SG, R 03, S. 2) wenden sich die Rupelrather in einem Schreiben an den Kurfürsten mit der Bitte, die „Capelle St. Reinoldi erweitern zu dürfen. Die Gemeinde habe sich so vergrößert, daß bey einfallenden Schnee und Unwetter der meißte Theil wegen Engigkeit in die Capell nicht kommen kann, sondern bei haltendem Gottesdienst außer derselben verbleiben und dem Got-tesdienst beiwohnen muß“. Außerdem habe ihnen die kath. Nachbargemeinde schon vor 6 Jahren das nötige Bauholz geschenkt. Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Blick von Südosten in das barockzeitliche Kirchenschiff mit seiner Ausstattung von 1753. Foto der Verfasser 2008 In einem Schreiben vom 30.1.1715 (Archiv Ev. Kgm SG, R03, S. 6) an den Richter von Solingen stimmt der Kurfürst der Vergrößerung der Kapelle zu. Sie soll „acht Fuß in den Bezirk des mit Eichen-planken umgebenen Kirchhofes und zwaren straßenwerts“ erweitert werden. Im Konsistorial-Protokoll vom 31.1.1718 heißt es „die Kapeller fangen den Neubau der Kapelle an.“ Die Umbaukosten betrugen 864 Reichsthaler 11 Albus. Eine Kollekte hatte bis zum 2.5.1724 aber nur 762 Reichsthaler 19 Albus erbracht, so stellten die Gemeindemitglieder Johann Koch, Peter Gierlich und Johann Probst, alle an der Gosse wohnhaft, das Restkapital von 101 Reichsthalern 72 Albus zur Verfügung. Das Geld sollte ihnen aus dem Verkauf oder der Verpachtung von Kirchensitzen in der Kapelle zurückgegeben wer-den. Mit der Fertigstellung des Erweiterungsbaues ist auch der späteste Zeitpunkt festzulegen, an dem die Fresken in der Apsis übertüncht wurden und somit bis zur Wiederauffindung im Jahre 1951 in Vergessenheit gerieten. Allerdings bietet sich auch noch ein früherer Termin für das Überstreichen der Malereien an und zwar heißt es in einem Konsistorial-Protokoll vom 2.12.1683: „Kirchmeister soll…, der Altar in der Capellen Reinoldi und in der Hauptkirch zu Soling, in Kraft des Réligionstractates gyfft, (gemeint ist sog. Religions-Rezeß von 1681) lassen abbrechen und zum Gebrauch des Hl. Abend-mahls… daher Ordnung. Es ist durchaus möglich, dass danach alle Dinge, die an den katholischen Ritus in der Kapelle erinner-ten, beseitigt wurden und somit für heutige Zeiten wertvolle Kunstschätze, wie Altäre und Bilder, für immer verloren gingen. Auszug aus: Gerd Weiland, Die Capeller, Solingen 1990 Beschreibung des Kirchenschiffs Das Kirchenschiff von St. Reinoldi ist ein barocker Saalbau aus Bruchsteinen mit solider Mauerwerks-stärke von fast 100 cm. Vermutlich verwendete man beim Bau das gleiche Steinmaterial wie um 1500 47 für den Reinoldi-Chor. Sowohl von Süden, wie von Norden wird der Innenraum durch zwei große Rundbogenfenster erhellt. An der Nord- und der Westseite befinden sich zweiflügelige Zugangsportale in gleicher Größe. Beide Rundbogenportale haben steinerne Fassungen, deren Leibungen mit Basis und Kämpfer die Bogensteine tragen. Das Hauptportal auf der Westseite hat zudem einen Schluss-stein mit der Jahreszahl der Erbauung 1718. Über dem Haupteingang befindet sich ein einzelnes Rundbogenfenster und darüber, bereits in der Giebelzone, ein Rundfenster. In der Abb. Seite 30 ist noch zu erkennen, dass in dem Rundfenster ursprünglich das Zifferblatt einer Uhr angebracht war. Das Uhrwerk stand im Inneren direkt hinter der Öffnung in einer Nische auf der Mauer oberhalb der Empore. Die mechanische Uhr, die bereits 1841 im Lagerbuch der gerade selbständigen Gemeinde aufgeführt wird, spielte natürlich für den ordnungsgemäßen Schulbetrieb im Haus gegenüber eine wichtige Rolle. Leider ist sie bei den Erneuerungsarbeiten 1951 entfernt worden.41 Das Kirchengebäude ist mit einem Schieferdach gedeckt, auf der Ostseite abgewalmt und über dem ebenfalls verschieferten Westgiebel mit einem viereckigen Dachreiter versehen. Der kleine Turm ist mit einem ins Achteck übergehenden Spitzhelm bekrönt und trägt heute hinter den allseitigen Doppel-schallfenstern zwei Bronzeglocken von 1977. Auf dem Rasen des Kirchplatzes steht noch eine Stahl-glocke von 1924, die als Ersatz für die im Ersten Weltkrieg abgegebenen historischen Glocken ange-schafft wurden. Die Stahlglocke stammt von der Gießerei und Uhrenfabrik Ulrich & Weule aus Bocke-nem am Harz, die ähnlich wie die Gießerei Bochumer Verein, in den 20er Jahren viele Kirchen mit preisgünstigen Gussstahlglocken versorgte. Im Inneren ist die Kirche als einschiffiger Saal gebaut, der mit einem segmentförmigen Tonnengewöl-be geschlossen ist. Die Gewölbetonne besteht aus Holzbohlen, die an Balken-Rundbogen der Dach-konstruktion befestigt sind. Im Inneren ist das Gewölbe mit Ried ausgeschlagen und verputzt. Der Kirchenraum wird fast zur Hälfte von einer Empore eingenommen, deren Boden mit den Bankreihen nach Westen ansteigt. Das eichene Gestühl stammt insgesamt noch von 1753, und besteht aus den Bankreihen mit Mittelgang unter der Empore, sowie einem größeren Kastengestühl auf der vorderen Nordseite. An der südlichen Westwand steht die sogenannte Hackhauser Bank, ehemals wohl ein bevorzugter Platz in der Kirche. Der Boden des Kirchenschiffs sowie auch des Chorraums ist mit quadratischen Sandsteinplatten im Diagonalverband belegt. Diese Platten stammen wahrscheinlich aus der Vorgängerin der heutigen ev. Kirche in Leichlingen. Die tief eingeschnittenen Portale, sind im Gegensatz zum äußeren Rundbogen nach innen erweitert, und mit einem Segmentbogen überfangen. Direkt hinter den Türflügeln sind noch die Mauerlöcher für einen Schiebebalken zur Sicherung vorhanden. Die Orgelempore mit der einfachen klassizistisch gestalteten Orgel aus dem Jahr 1844 befindet sich über dem Chorbogen an der Ostwand des Kirchenraums und ist über eine Wendeltreppe im Süd- Anbau am Chorhaus zu erreichen. Die Ausstattung der St. Reinoldi Kapelle In der Abgeschiedenheit Rupelraths sind aus vergangenen Jahrhunderten einige interessante Aus-stattungsteile erhalten geblieben, die andernorts sicherlich längst untergegangen oder ersetzt worden wären. Ein Grund für ihren Erhalt ist die in der Vergangenheit herrschende relative Armut der Ge-meinde und die Zurückhaltung des Konsistoriums der Solinger Hauptgemeinde, ihren weit außerhalb der Stadtmauern lebenden Glaubensbrüdern beim Unterhalt der Filialkirche wirksam zu helfen. Als die Capeller um 1718 mit Mühe und Not ihr neues größeres Kirchenschiff unter Dach und Fach brachten, halfen allein die Richrather Katholiken mit Bauholz, ansonsten reichte das Geld kaum noch für das Kirchendach. An eine Ausstattung im Inneren war zunächst nicht zu denken, selbst für einen steiner-nen Fußboden reichte es nicht, man stand zum Predigtgottesdienst noch 35 Jahre auf gestampften Lehm in einer leeren Kirche. Erst durch den Leichlinger Unternehmer Wilhelm Hack vom Eicherhof erhielten die Capeller eine ausreichende Zahl Steinplatten, um ihren Gottesdienstraum mit einem or-dentlichen Fußboden auszulegen.42 Diese Steine waren bereits gebraucht; denn man findet selbst unter den Bänken abgelaufene Platten. Geht man der Sache weiter nach, ist in Leichlingen 1753 ein Neubau der ev. Kirche festzustellen, dem der Abbruch der alten romanischen Kirche vorausging. Dar-aus dürfte das wertvolle Steinmaterial geborgen und durch Initiative des Herrn Hack nach Rupelrath gekommen sein.43 Die Platten sind also wesentlich älter als die Kirche selbst. 41 Gerd Weiland, a. a. O. S. 35. 42 Rosenthal, Solingen II, S. 23. 43 Hinweis von Herrn Gerd Weiland. 48 Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Sogenannte Hackhauser Bank an der Westwand im Kirchenschiff. Foto der Verfasser 2010 Solingen- Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Kastengestühl von 1753 im Kirchenschiff. Foto der Verfasser 2010 49 Das Konsistorium in Solingen erlaubte erst daraufhin einen Kollektengang damit das schlichte Gestühl angeschafft werden konnte. Auf dem Mai-Geding der Richrather Gemeinde bekam man dazu eine Eiche geschenkt. Die Namen der Kollektanten sind an der Vorderseite des Gestühls an der Nordseite mit der Jahreszahl 1753 eingeschnitzt. Die Capeller mussten noch lange nach der Reformation und selbst noch Jahrzehnte nach Erweiterung ihrer kleinen Kirche auf eine normale Kirchenausstattung warten. Kanzel und Taufstein hatten in der Hauptkirche bereits gedient. Somit waren die erbetenen Stücke bereits alt, als man sie der Rupel-rather Gemeinde großzügig überließ, und da sie in der abseitigen kleinen Kirche weiterhin genutzt wurden, blieben sie als einzige Relikte aus der großen Solinger Stadtkirche bis heute erhalten. Selbst bei der Orgel, die 1844 – also erst mehr als 120 Jahre nach Fertigstellung des Kirchenschiffs als Be-gleitinstrument in die Kirche kam, vermutete man, dass sie aus Resten ausgemusterter Orgelteile gebaut wurde. Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle Die van Dinter-Orgel von 1844 über dem Chorbogen, heute die älteste Kirchenorgel in Solingen. Aufnahme der Verfasser 2010 Die klassizistische Orgel Ursprünglich plante die Gemeinde, eine Orgel auf der Empore im Westen des Kirchenschiffs aufzu-stellen. Orgelgehäuse und Windbälge hätten aber notwendigen Platz für die Gottesdienstbesucher beansprucht, so dass man sich für eine sogenannte Schwalbennestorgel auf der Ostwand über dem Chorbogen entschied. Das Orgelgehäuse steht auf einer Empore mit einem flachen trapezförmigen Grundriss, die von zwei aus der Ostwand ragenden Konsolbalken getragen wird. Die Anlage wurde 1844 von dem Monheimer Orgelbauer Franz Johann (nach anderer Quelle „Paul“) van Dinter gebaut und eingerichtet. Franz Johann (Paul) war ein Mitglied einer weit verzweigten Orgelbauerfamilie van Dinter, die seit etwa 1750 im belgischen Limburg, in Veert, s´Hertogenbosch, auch in Rotterdam ansässig waren. Bei wenigen Hinweisen auf Erkelenz und Jülich konnte aber bislang keine Linie festgestellt werden, woher Franz Johann van Dinter stammte und warum er sich um 1830 im abgelegenen Monheim angesiedelt hat. Von ihm ist nur bekannt, dass er 1836 eine Orgelreparatur in der evangelischen Kirche zu Leich-lingen ausführte und 1844 in St. Reinoldi die kleine Orgel aufstellte. Nur vage Vermutungen sind, dass 50 Franz Johann (Paul) ein Bruder des in Limburg bekannteren Mathieu van Dinter (1822-1890) aus Ve-ert im belgischen Limburg war, der 1860 nach Amerika auswanderte.44 Von der Orgel, die van Dinter 1844 lieferte, sind Angaben zur Disposition durch einen 1944 ausge-stellten Meldebogen bekannt, die sich noch 1997 mit dem Originalbestand deckten. Eine Reparatur der Orgel, deren Art und Umfang nicht nachzuweisen ist, führte 1860 der Bonner Orgelbauer Adolph Ibach durch. Der Hinweis im 1944 erstellten „Meldebogen“, der Prospekt sei aus minderwertigem Me-tall, lässt darauf schließen, dass die Prospektpfeifen der Orgel 1917 nicht zu Rüstungszwecken abge-liefert worden sind. Ähnlich wie die Entstehungsgeschichte ist auch das weitere Schicksal des Instru-ments nicht in allen Einzelheiten zu dokumentieren. Ein 1985 von der Orgelbauwerkstatt Otto Hoffmann aus Ostheim / Rhön, verfasstes Gutachten macht zur damals vorgefundenen Disposition nachstehende Angaben. Bei dem Instrument handelt es sich um eine einmanualige, mechanische Schleifladenorgel von 1844. Die Orgel ist seitenspielig angelegt. Die Spielanlage befindet sich an der linken Seitenwand des Or-gelgehäuses. Das Instrument besitzt auf Schleifladen mit mechanischer Traktur und Registratur 6 Manual- und 1 Pedalregister mit folgender Disposition: MANUALWERK C-g³ 1) PRINZIPAL 4´ Zinnprospekt um 1960 2) BUORDON 8´ Holz, original 3) VIOLA LA GAMBA 8´ Holz / c-e Zink / Rest. Zinn 4) FLÖTE 4´ original 5) QUINTE 1 1/3´ ab c¹ 6) OCTAVE 2´ original PEDALWERK C-a 7) OFFENBASS 8´ Holz PEDALKOPPEL Das Orgelgehäuse ist aus Weichholz gefertigt und gestrichen. Der im klassizistischen Stil gestaltete Prospekt wird dreitürmig von 5 Flachfeldern gebildet. Das Mittelfeld ist überhöht. Die Prospektpfeifen aus Zinn sind alle klingend. Die Spielnische mit den originalen Klaviaturen befindet sich an der linken Seitenwand des Untergehäuses. Die historische Orgelbank ist ebenfalls noch vorhanden. Die Manu-alklaviatur (C-g³) mit dunklen Untertasten und Knochenbelag auf den Obertasten scheint Original zu sein. Da der festgestellte Manualumfang C-g³ für eine Orgel des 19. Jahrhundert ungewöhnlich ist, könnte hier aber auch eine zwischenzeitliche Veränderung vorgenommen worden sein. Trotz Veränderungen besitzt das Instrument noch einen großen Anteil an originaler Substanz, vor allem die Balganlage, die im Dachraum des Chores hinter der Orgel angelegt ist, verdient besondere Aufmerksamkeit. Die denkmalwerte Orgel wird heute als Kleinod in der rheinisch-bergischen Orgel-landschaft bezeichnet und ist die älteste Orgel in Solingen. Das Instrument wurde im Jahr 2000 für rund 120 000 Mark von dem Orgelbauer Joachim Kreinbrink historisch korrekt renoviert. Die barocke Kanzel Der Eintrag in das Konsistorial-Protokoll der reformierten Gemeinde Solingen vom 5.3.1739 offenbart die Mühe der Rupelrather, ihre Kapelle auszustatten; denn sinngemäß lautet es dort: „Nach dem Neu-bau der Solinger Stadtkirche im Jahre 1738 bat Peter Kohl vom Kohlsberg45 das dortige Presbyterium darum, die alte Kanzel der Kapelle in Rupelrath zu überlassen.“ Es ist aber nicht vermerkt worden, ob der bescheidenen Bitte stattgegeben wurde,46 womit die Her-kunft der jetzigen Kanzel in St. Reinoldi nicht eindeutig geklärt werden konnte. Auch der Historiker Heinz Rosenthal erwähnt die Bitte Kohls um die Kanzel und sucht erfolglos nach der Bestätigung. Leider folgert er daraus: „Die heutige Kanzel ist aus jüngerer Zeit.“47 Da weder Paul Clemen48 noch 44 Textauswahl nach dem Püfungsbericht vom 4. Dezember 1986 des Orgelsachverständigen Prof. Hans Pulver-scheidt, Aachen für das Denkmalamt Brauweiler, der schon in einem Gutachten von 1954 darauf hinwies, dass die Orgel in ihrer Bauart kein Meisterwerk sei. 45 Peter Kohl wohnte zu dieser Zeit in Pilghausen. Nach Auskunft von Gerd Weiland. 46 Weiland, Gerd. Die Capeller, Die St. Reinoldi Kirchengemeinde Rupelrath - 150 Jahre und älter, Solingen 1990, S. 31. 47 Rosenthal, Heinz. Solingen Geschichte einer Stadt, Band II. Duisburg 1977, S. 23. 48 Clemen, Paul. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Rheinlandes, Band III. Die Städte Barmen, Elberfeld, Rem-scheid, und die Kreise Lennep, Mettmann, Solingen, Düsseldorf 1894. 51 Georg Dehio49 das Ausstattungsstück für erwähnenswert hielten, ist es bis heute bei dieser Auffas-sung geblieben. Doch diese geringe Wertschätzung ist zu überdenken. Die Solinger reformierte Gemeinde hat beim Abbruch der Kirche auf dem Fronhof Ende Mai 1732 die dort vorhandene Kanzel sicherlich geborgen und es spricht einiges dafür, dass sie diese später den Rupelrathern überlassen hat. Zur Ausstattung der neuen Kirche schaffte man ab 1736 neues Gestühl und eine Kanzel an, die auf zwei gewundenen Säulen ruhte und durch einen Laufgang mit dem Ober-teil der im Osten liegenden Sakristei verbunden war.50 Die Säulen und der mit einem Engel gekrönte Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Barocker Kanzelkorb aus der Clemenskirche in Solingen, 1738 der St. Reinoldi Kapelle überlassen. Aufnahme: A. Sassen 2008 49 Dehio/Schmitz-Ehmke. Handb. der dt. Kunstdenkmäler NRW, Bd. I, Die Rheinlande. Darmstadt 1967. S. 587. 50 Diese Kanzelanordnung hat der Baumeister Joh. Michael Moser 1731auch in seiner Langenberger Kirche von 1726 so ausgeführt. Dehio/Schmitz-Ehmke, Rheinland, Darmstadt 1967, S. 438. 52 Schalldeckel waren die einzigen barocken Schmuckteile der Kirche, die am 8. September 1737 ein-geweiht wurde51. Obwohl das Presbyterium selbst unter hohen Baulasten stand, war es verpflichtet, auch seiner Filialgemeinde nach der Erweiterung der Kapelle St. Reinoldi um 1718 zu helfen. Es liegt deshalb nahe, dass die alte, nun übrig gebliebene Kanzel ein halbes Jahr nach der Eröffnung der Hauptkirche weitergegeben wurde. Da die Maßnahme so gut wie keine Kosten verursachte, hat man wahrscheinlich auf einen weiteren Vermerk zu der Angelegenheit verzichtet. So scheint in St. Reinoldi ein Kanzelkorb in Zweitverwendung erhalten, der keinesfalls als „jünger“ zu bezeichnen ist, sondern vom Stil her weit vor 1700 geschaffen worden sein muss. Zur Ausstattung der neuen Hauptkirche wählte man schon eine Kanzelform in der Stilrichtung des beginnenden schlichten Klassizismus. Ausgeprägt profilierte Kassettenformen nach alter Art wurden danach, besonders aber in der historisierenden Zeit des 19. Jahrhunderts nicht mehr angewandt. Auch eine für St. Reinoldi in Auftrag gegebene, so aufwändig gestaltete Kanzel wäre ein nicht zu übersehender Posten in den Kostenrechnungen der Rupelrather Gemeinde gewesen. Dagegen schuf man improvisierend aus dem alten Kanzelkorb und einem überflüssig gewordenen Taufstein52 als Fuß ein für Rupelrath brauchba-res Kirchenmöbel. Bis 1952 blieb diese Anordnung so stehen, und nach Aussage von Augenzeugen haben sich beide Teile so gut miteinander ergänzt, dass der verwendete gotische Taufstein als Ein-zelstück kaum wahrgenommen wurde.53 Der Kanzelkorb ist eindeutig aus der Barockzeit, eines der typischen Werkstücke des 17. Jahrhun-derts in niederländischer Art, die in den reformierten Kirchen anzutreffen sind. Die Kanzel als Mittel-punkt des Wortgottesdienstes erfuhr durch die Reformation eine im festen Rahmen vorgegebene Auf-wertung. Da figürliche Darstellungen in reformierten Kirchen nicht erlaubt waren, richtete sich die Kunstfertigkeit der Schreiner auf die Ästhetik der Gesamterscheinung und auf zurückhaltenden orna-mentalen Schmuck.54 In den Niederlanden entwickelte sich ein barocker Klassizismus aus rein geo-metrischen Formen, der dem reformatorischen Gedankengut entgegenkam. Die Kanzel in Solingen-Rupelrath ist im niederländischen Barock mit kassettierten und facettierten Teilflächen, dabei aufwändig aus gelblichem und rötlichem Holzmaterial gearbeitet. Vom Unterbau her bekommt der Kanzelkorb heute über eine zweistufige verkröpfte Vorkragung seine volle Ausdehnung und bildet über mehrere zurückspringende Stufen die Basis. Aus der Verkröpfung entwickeln sich auch die Konsolen, auf denen Pilaster stehen.55 Sie teilen die fünf vorhandenen Seiten der sechsecki-gen Kanzel und tragen das Hauptgesims. Der Aufbau gliedert sich im goldenen Schnitt in eine So-ckelzone mit quer liegenden, vertieften Kassetten und einen Oberbau mit aufrecht stehenden, erha-benen Kassetten. Alle Ecken des Abschlussgesimses bedecken kleine Platten mit einer Akanthus-blatt- Schnitzerei. Wie im niederländischen Barock üblich, ist die Holzoberfläche naturbelassen gebeizt. Als Gegenstück des in dieser Art entstandenen Rupelrather Kanzelkorbs blieb eine ähnlich konzipierte Kanzel aus dem Jahr 1644 in der Salvatorkirche zu Duisburg erhalten. Man hat sie 1945 stark be-schädigt aus dem Trümmerschutt geborgen und mit viel Mühe wieder hergestellt; denn dieser Predigt-stuhl hatte eine hohe traditionelle Bedeutung für die reformierte Kirche. Duisburg war 1610 Ort der ersten Generalsynode für Jülich, Cleve und Berg, um eine einheitliche Kirchenverfassung zu be-schließen. 1655 wurde in der Salvatorkirche die Gründungsfeier der vom Großen Kurfürsten gegrün-deten „evangelischen“ Universität gehalten. Vorträge, Predigten und Wortmeldungen wurden der Ord-nung halber allein von dieser Kanzel aus gehalten. Was von hier gepredigt wurde, war vorbildlich und richtungweisend für die Reformierte Kirche im Rheinland.56 Bezeichnenderweise wählte man zum ersten Rektor der Duisburger Universität den aus Solingen kommenden Professor der Theologie und Philosophie Johannes Clauberg (1622-1665). Wäre es ein Wunder, wenn seine Heimatstadt Solingen eine erste Predigtkanzel in der Stadtkirche nach dem be 51 Rosenthal, Heinz. Solingen Geschichte einer Stadt, Bd. II. Duisburg 1977, S. 24. Stifter der neuen Kanzel waren die Jungfrauen und Jungmänner in der Gemeinde. 52 Das Taufbecken stammt nach A. Scholl aus der Solinger Hauptkirche, denn St. Reinoldis war ursprünglich keine Taufkirche. Scholl, Annemarie. Geschichte der St. Clemenskirchen in Solingen, Solingen 1969, S. 17. 53 Nach freundlicher Auskunft Gerd Weilands, dem noch „unter der Kanzel“ gepredigt wurde. 54 Zum Vergleich die bar. Kanzel von 1690/1700 von Meister Wilhelm Barl aus Wald in der ev. Kirche von Gräfrath und die Kanzel in der ev. Kirche in Gruiten von 1720. 55 In Duisburg sind dort Säulen angebracht, in Solingen Pilaster. 56 Hinnenberg, C. D. Die Salvatorkirche in Duisburg, in: Rhein. Kunststätten, Heft 204, Köln 1978. S. 12-18. 53 Bild links: Kanzel in der St. Reinoldi Kapelle, Solingen. Bild rechts: Kanzel in der Salvatorkirche in Duisburg. Beide Kanzelkörbe stammen etwa aus der gleichen Zeit, die Duisburger Kanzel ist signiert 1644. Fotos der Verfasser 2010 Die Kanzel in St. Reinoldi auf ihrem alten Standplatz vor dem Chorbogen mit weißer Fassung auf dem gotischen Taufstein, der dunkel überstrichen war. Aufnahme um 1950, Stadtarchiv Solingen 54 rühmten Duisburger Vorbild anschaffte? Und auch in Solingen wurde auf ihr Geschichte gemacht. Nach Johannes Clauberg ist die Liste der Pastoren lang, die auf dieser Kanzel standen. Der letzte, Johann Gerhard Goebel, hielt auf ihr seine Antrittspredigt am 11. Mai 1732,57 dann wurde das wertvol-le Ausstattungsstück aus der abzubrechenden Kirche herausgenommen. In diesem Zeitrahmen pre-digten auf ihr der langjährige Pastor Johann Lüneschloß (1610-1656) und danach bis 1677 sein um-strittener Sohn. Von hier wurde der Solinger Kirchenstreit um die Gleichstellung der Pfarrer und um die Bestellung des Predigers für Rupelrath öffentlich und in schärfster Form geführt. Wer sich damals Gehör verschaffen wollte, trug auf ihr sein Anliegen vor; und das waren nicht nur fromme Worte. Ro-senthal zitiert zu dieser Periode den Pastor Hengstenberg, der 1847 die Geschichte der ev. reformier-ten Gemeinde Solingens geschrieben hatte: „Der Verfasser möchte seine Feder niederlegen vor Schmerz, dass er … immer und immer nur von Hader und Zank in seiner geliebten Gemeinde zu be-richten findet …“ 58 Zur Rupelrather Kanzel gab es bis 1952 einen Schalldeckel in Form einer dreistufigen Pyramide, der auf alten Fotografien für die kleine Kirche etwas überdimensioniert wirkt. Der frühere Platz der Kanzel befand sich auf der rechten Seite im Chorbogen und war Teil einer in Apsis und Chor eingearbeiteten abgeschränkten Bestuhlung für den Kirchenvorstand. Auf der linken Seite des Chorbogens, der Kan-zel gegenüber, war der feste Platz für den Küster. Diese Einrichtung war, wie die gesamte hölzerne Ausstattung der Kirche, weiß gestrichen. Nach der Freilegung der Wandmalereien im Chor entfernte man die weiße Fassung und nahm eine Neuordnung der Kirchenausstattung vor. Somit steht in der St. Reinoldi Kapelle ein bedeutender Zeuge der Vergangenheit der reformierten Kirche Solingens. Obwohl es für die Capeller nur Vernunft und Notwendigkeit war, sich um diese Kanzel für ihre Kirche zu bemühen, kam damit ein geschichtsträchtiges Symbol nach Rupelrath. Auf ihr wurde nicht nur der ganze Kirchenstreit ihrer Vorfahren ausgetragen, sondern durch die Bitte des Peter Kohl ist die älteste Kanzel Solingens erhalten geblieben. Der gotische Taufstein Vermutlich bekam Peter Kohl vom Kohlsberg nicht nur die Kanzel, sondern man überließ ihm auch den Taufstein aus der Kirche in Solingen. St. Reinoldi war vom Ursprung keine Taufkirche; denn die-ses Privileg lag bei der Hauptkirche St. Clemens in Solingen, so dass in Rupelrath aus katholischer Zeit kein Taufstein vorhanden war. Nach Bildung der reformierten Gemeinde in Solingen und Überlas-sung der Kirchen nach dem Religionsvergleich zu Cleve im Jahre 1672 blieben bestimmte Vorrechte, die mit Einkünften verbunden waren, z. B. das Begräbnisrecht bei der Stadtkirche. Es wurde in der Filialkirche nur Predigtgottesdienst gehalten, und das nicht einmal jeden Sonntag. Aus praktischen Erwägungen nahm man dann in St. Reinoldi auch Taufen vor. Allerdings war damals der Gebrauch der Taufsteine bereits aus der Mode gekommen. Epidemien wie Pest, Cholera und das vermehrte Auftreten der Syphilis während und nach dem Dreißigjährigen Kriege brachten das Wasserbad derart in Verruf, dass sich breite Volksschichten nicht mehr wuschen. So blieb für viele Menschen das Bad nach der Geburt das einzige im ganzen Leben. Die Kirchen waren hier meinungsbildend, allerdings mehr aus Furcht vor Zügellosigkeit und Unzucht. Entsprechend ging man von der wasserreichen Taufhandlung am Taufbecken ab und spendete das Sakrament nur noch mit Taufkännchen und Scha-le. Die Taufsteine, vielerorts seit 500 Jahren in Gebrauch, standen in den Kirchen den wachsenden Gemeinden nun nutzlos im Wege. Man entfernte sie zumeist aus den Gotteshäusern, nahm sie als Blumenschale oder Tränke, wenn sie nicht gar zerschlagen wurden. Auch der Taufstein aus der gotischen ehemaligen Clemenskirche in Solingen war spätestens beim Neubau der reformierten Kirche überflüssig geworden. Eine Verwendung in Rupelrath kam aber auch hier nicht mehr als Taufbecken in Frage, vielmehr sah man in dem achteckigen Steinwerk eine prakti-sche Zweitverwendung als Fuß der Kanzel. Beide Stücke wurden damals nach 1738 in die allmählich wachsende Ausstattung der St. Reinoldikirche aufgenommen, und in dieser Kombination bis 1952 verwendet. 57 Rosenthal, H. Solingen Geschichte einer Stadt, Bd. II. S. 25. 58 Rosenthal, H. Solingen Geschichte einer Stadt, Bd. I. S. 288 ff. Hengstenberg, G. H. Alfried. Geschichte der reformierten oder größeren Gemeinde in Solingen und ihrer Besitzungen, Solingen 1847. Reformations- und Kampfgeschichte von Solingen, Wald und Gräfrath, Solingen 1857. 55 Der Taufstein ist eine präzise und sauber ausgeführte Steinmetzarbeit aus Granit. Verwitterungser-scheinungen weist er kaum auf, so dass man davon ausgehen kann, dass er nicht über lange Zeit ungeschützt im Wetter gestanden hat. Vielmehr dürfte er nach dem Abbruch der alten Clemenskirche 56 bald in Rupelrath seiner neuen Verwendung zugeführt worden sein. Aus unerfindlichen Gründen ist vom Beckenrand aus zwei gegenüber liegenden Seiten Material herausgetrennt worden. Solingen-Rupelrath St. Reinoldi Kapelle. Gotischer Taufstein aus der ehem. Clemenskirche, seit 1738 in St. Reinoldi. Bild rechts zum Vergleich: Taufstein aus St. Urban in Köln-Deutz, heute in St. Heribert. Abb.: Rhein. Denkmalamt Brauweiler Solingen-Rupelrath, St. Reinoldi Kapelle. Details vom gotischen Taufstein. Links: der Fuß des Taufbeckens mit im Boden versenkter quadratischer Platte. Rechts: Die Oberseite des Beckens, dessen achteckiger Rand auf zwei Seiten Abarbeitungen aufweist. Fotos der Verfasser 2010 Das voluminöse Oberteil – die Kuppa – ist in einer achteckigen Kelchform gearbeitet und im Inneren als vertiefte Halbkugel ausgehöhlt. Der Innendurchmesser von 68 cm mit einer Tiefe von 38 cm ver-weist auf ein Beckenvolumen von ca. 130 Litern in das ein Kind ganz eingetaucht werden konnte. Die Größe des Taufbeckens verweist auf eine frühe Entstehung zur Zeit der Ganztaufe, die heute noch in der Ostkirche angewendet wird. Der Beckenrand ist gerade, bildet darunter eine breitere Kehle sowie einen kleineren Wulst und verläuft in eleganter Kelchform bis zum Fuß. Eine Zwischensäule wie an anderen gotischen Taufsteinen ist nicht vorhanden. Stattdessen ruht die Kuppa auf einer achteckigen Basis mit Attika, deren viereckige Grundplatte im Boden versenkt ist. Der Taufstein erinnert in seinem Aufbau an ein Exemplar, das aus der ehemaligen Pfarrkirche St. Urban in Deutz stammt und heute in der Kirche St. Heribert zu finden ist. Dort ist die Kuppa etwas 57 einfacher und flacher ohne Kehle und Wulst am Rand gearbeitet, besitzt aber einen Säulenfuß. Die Basis dagegen ist im Aufbau mit der in Solingen identisch, so dass man eine gemeinsame Zeit, viel-leicht auch gemeinsame Herkunft vermuten könnte. Verbindungen sind durchaus gegeben, da die Solinger Stadtkirche ursprünglich zum Dekanat Deutz gehörte. Die einstige romanische Basilika in Solingen wurde zwar im 15. Jahrhundert vom Kloster Altenberg durch eine spätgotische Kirche er-setzt, doch der Taufstein dürfte von der Form her einer früheren Zeit angehören. Zudem macht die außergewöhnliche Größe des Beckens, das noch nach den frühen Anforderungen der Kirche für die Ganztaufe vorgesehen war, eine Entstehungszeit um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert wahr-scheinlich. Nachdem in Wald nach 1918 der romanische Taufstein aus dem 12. Jahrhundert aus Namurer Blau-stein durch Unachtsamkeit verloren ging, befindet sich im Solinger Stadtraum noch in der St. Marti-nuskirche in Oberburg ein großes romanisches Taufbecken. Mit diesem ist der heute in Rupelrath vorhandene Taufstein eines der ältesten Taufbecken Solingens und neben der Kanzel das einzige größere Ausstattungsstück, das aus der gotischen Clemenskirche geblieben ist. Die Wetterfahne am Chordach (Buchtitelbild) Neben dem Wandbild im Chor der Kapelle ist Reinoldis auf dem Chordach als Wetterfahne dargestellt. Hier zeigt er sich mit einem langstieligen Hammer in der Hand als Schutzpatron der Steinmetze mit der typischen Kopfbedeckung, wie sie wohl in der Zeit um 1500 getragen wurde. Die Darstellung folgt einem um 1480 entstandenen Wandbild in der Düsseldorfer Lamberti-Kirche, das den Märtyrertod Reinolds darstellt. Der erschlagene Heilige trägt hier selbst keine Kopfbedeckung, aber die mit dem Hammer zum Schlage ausholenden Bauarbeiter tragen Kappen, deren vorderer Aufschlag genauso dreispitzig ist wie bei der Figur auf der Wetterfahne. Nicht nur die Tracht, auch der Standort der Wet-terfahne wirft die Frage auf, wann sie wohl geschaffen wurde. Es ist anzunehmen, dass die bäuerliche Bevölkerung von Rupelrath die Wetterfahne wegen des Gebrauchswertes angebracht hat. Da sie aber auf dem ältesten Teil der Kapelle – auf dem niedrigeren Chordach – steht, befindet sie sich stets im Windschatten des höheren Kirchenschiffes. Somit ist sie als Wetterfahne nutzlos, da sie die falsche Windrichtung zeigt. Das Kirchenschiff wurde 1718 gebaut. Es ist davon auszugehen, dass die Wetter-fahne früher geschaffen wurde. Selbst eine zwischenzeitliche Erneuerung ist sicher nach dem alten Vorbild entstanden. Aus: Gerd Weiland, Die Capeller, Solingen 1990. Abb. der Wetterfahne aus: Rosenthal, Solingen Geschichte einer Stadt 58 Exkurs Die Restaurierung der Malereien 1997/98 Nach der Aufdeckung der Malereien in der St. Reinoldi Kapelle durch den Restaurator Franz Stiewi aus Aachen sind wiederholt Reparaturen an den Gemälden durchgeführt worden, die man aber ver-mutlich nicht näher dokumentierte. Solange die Kapelle nicht unter Denkmalschutz stand, versuchten sich ortsansässige Handwerker an Erhaltungen der Bausubstanz, die aber zum Teil erhebliche Folge-schäden nach sich zogen. Besonders die Verwendung zementhaltiger Verputze war sehr vom Nach-teil. Auf dem kalkgebundenen Mauerwerk verhindert Zementputz ein Ausdampfen der Struktur, so dass aufsteigende Feuchtigkeit und Salze an Außen- und Innenschale Zersetzungen auslösten. Sogar an Rissen im Bereich der Gemälde verwendete man zur Auskittung Zementmörtel. Dieser verbindet sich wegen seiner größeren Härte nicht mit dem Umgebungsmaterial und zerstört dessen Struktur aufgrund seines andersartigen physikalischen Verhaltens bis zum Versanden. Seit Beginn der 80er Jahre führte die Werkstatt II des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege Begut-achtungen durch und stellte einen zunehmenden Verfall an den spätgotischen Wandmalereien fest. Eine Untersuchung durch die Dipl.-Restauratorin A. Christ von 1992 ergab bereits ein großes Ausmaß an Schäden. Die Dringlichkeit baldiger Konservierungsmaßnahmen wurde bei erneuter Begutachtung 1997 ersichtlich. Schmutzablagerungen und gelöste Malereischollen verursachten eine langsam ein-setzende Verblassung der Farbigkeit. Darüber hinaus nahm die Zermürbung der Putzbereiche um die Zementauskittungen immer mehr zu. Die daraufhin vorgenommenen Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten in der St. Reinoldikapelle erstreckten sich von Juli bis Dezember 1997 und wurden nach witterungsbedingter Winterpause im März 1998 abgeschlossen. Leitung und Ausführung lagen in den Händen der Dipl.-Restauratorin Sigrun Heinen, die zeitweise ihre Kollegen Dipl.-Restaurator Chr. Schaab, Rest.-Volontärin A. Crone und die Warschauer Rest.-Stud. H. Domanska hinzuzog. Die Maßnahmen werden hier im Auszug aus dem Restaurierungsbericht wiedergegeben: 3. Geschichte der Wandmalereien 3.1. Datierung Die Wandmalereien werden in die Zeit um 1500 datiert. Es ist eine maltechnisch relativ einfache und von der Gestaltung eher bäuerliche Ausmalung dieser Zeit, in der mehrere sogenannte „bunte Kir-chen“ im Bergischen Land ausgemalt wurden. Die Ranken und Blütendarstellungen zeigen bereits Renaissancecharakter. 3.2. Ikonographie Die Hauptdarstellung in der Apsiskalotte zeigt ein Weltengericht. Christus trohnt in der Mitte auf einer Weltkugel und einem Regenbogen. Von seinem Kopf aus gehen eine Lilie und ein Schwert (fragmen-tarisch erhalten). Ihm zu Füßen knien Maria zur rechten und Johannes zur linken. Über ihnen schwe-ben zwei Horn blasende Engel. Auf der linken Kalottenseite befindet sich die Himmelsdarstellung in Form eines Kirchenmodells in dessen geöffnete Pforte die Seligen eintreten und von Petrus empfangen werden. Auf der gegenüber liegenden Kalottenseite ist die Hölle, in Form eines riesigen geöffneten Drachenmauls mit Rauch aus-stoßendem Schornstein angefüllt mit Menschengestalten, abgebildet. In dem Zwischenbereich sind um eine Seele kämpfende Engel und Teufel zu sehen. Ein Engel mit Kreuzfahne führt seine Auser-wählten zur Himmelspforte. Siegreiche Teufel transportieren die Menschengestalten in Kiepen und auf Schubkarren zum Drachenmaul. In der darunter liegenden Fensterzone ist auf der Nordseite eine Madonna im Strahlenkranz darge-stellt. Bei den weiteren weiblichen Heiligengestalten handelt es sich wahrscheinlich um die drei Not-helferinnen. Auf der Südseite ist die Hl. Katharina mit Rad abgebildet, auf der Ostwand rechts die Hl. Barbara mit Turm und Palmenzweig und links vermutlich die Hl. Margaretha mit Schriftrolle (ein Kamm als zweites Attribut ist nicht mehr erkennbar).59 Auf der Nordwand des Chores ist über der Sakristeitür ein Teil der Darstellung des Heiligen Reinold mit Lanze und neben ihm eine weibliche Gestalt mit Nimbus erhalten. Im Hintergrund sind Bäume und kleine Jägergestalten erkennbar. 59 Reihenfolge und Beschreibungen stimmen teilweise nicht mit den Angaben der Verfasser überein. 59 Auf der Südwand ist nur noch die Hälfte der ursprünglichen Malerei erhalten. Erkennbar ist ein Bi-schof, der jedoch nicht weiter identifiziert werden kann, da neben dem Bischofsstab das zweite Attribut einer Fehlstelle zum Opfer fiel. Die vier Engel im Gewölbe tragen Schriftbänder mit Auszügen aus der österlichen Antiphon. 3.3. Restaurierungsgeschichte Die Malerei entstand um 1500 und wurde in den darauf folgenden Jahren häufig überstrichen. Im obe-ren Zwickel der Nordwand ist noch ein kleiner Rest dieser Überanstriche in weiß und hellblau erhalten. 1952 wurde die Malerei entdeckt und durch Restaurator Stiewi aus Aachen freigelegt und restauriert. Während der aktuellen Restaurierungsarbeiten zeigte sich, dass vermutlich nach 1952 eine weitere Überarbeitung stattgefunden hat. Möglicherweise aufgrund erneut aufgetretener Risse (siehe Brief-austausch von 1976) innerhalb der Altkit |
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