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Beiträge zur Heimatgeschichte Die ehemalige Kirche des Hospitals St. Johannis von Jerusalem in Schloss Burg Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2011 2 3 Beiträge zur Heimatgeschichte Band 11 Die ehemalige Kirche des Hospitals St. Johannis von Jerusalem in Schloss Burg Zur Bau und Kunstgeschichte der Pfarrkirche St. Martinus in Solingen-Burg Johanniterkreuz über dem Portal der Martinuskirche Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2011 4 Andreas Sassen / Claudia Sassen Die ehemalige Kirche des Hospitals St. Johannis von Jerusalem in Schloss Burg an der Wupper Zur Bau und Kunstgeschichte der katholischen Pfarrkirche St. Martinus in Solingen-Burg Inhalt: Aus der Geschichte von Schloss Burg an der Wupper Zerstörungen und Aufgabe der Burg Zur Entstehungsgeschichte der Johanniterkommende in Schloss Burg Zur Geschichte der Johanniter Der Bau der Kirche St. Johannis in Schloss Burg Die Zerstörung der Kirche, Wiederaufbau und Säkularisation Kurzbeschreibung des heutigen Kirchengebäudes mit seinen Veränderungen Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Johanniterkirche Die Foto-Dokumentation des unverputzten Kirchenbaus Südwand / Westseite / Apsis und Ostwand / Gesamtansicht von Nordosten Rekonstruktion der romanischen Kirche Der spätgotische Sakristeianbau Der Wiederaufbau nach 1648 und die Herkunft der romanischen Säulen Der Einbau der Säulen in die Johanniterkirche und ihre Bedeutung Der Turm über der Apsis mit seiner Glocke Die Ausstattung der Kirche Der romanische Taufstein Der romanische Altar Tabernakel, Wandnische, Kruzifixe, zwei Chorstühle, 17 Kreuzweggemälde Die Zeit der Auflösung der Johanniterkommende (Roth) Der Bau der Marienkapelle und die Einrichtung der Vikarie Oberburg (Roth) Der Bau des neuen Pfarrhauses (Roth) Literaturnachweis 5 Die kleine katholische Pfarrkirche St. Martinus von Solingen-Burg, die im Mittelpunkt dieser For-schungsarbeit steht, war bis 1803 im Besitz einer Johanniter- bzw. Malteserkommende, deren Ge-schichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Die Kommende war eng mit der einstigen Residenz der Bergischen Grafen und Herzöge verbunden. Ihre Kirche bauten die Johanniter als Gotteshaus und Lazarett. 1648 wurde sie zerstört, doch trotz der Verluste blieben im barocken Wiederaufbau Spuren erhalten, die den ursprünglichen Bau nacherlebbar machen. Die Verfasser machen in ihrer Arbeit auf diese größtenteils verdeckten romanischen Spuren aufmerksam und deuten sie mit verschiedenen Re-konstruktions- Vorstellungen. Völlige Gewissheit über alle aufgezeigten Vermutungen wird man erst bei einer der zukünftigen Sanierungen bekommen, wenn diese von eingehenden Bauforschungen be-gleitet werden. Abb. 1: Schloss Burg. Detail einer Ansicht aus Topographia Ducatus Montani von Erich Philipp Ploennies 1715. Diese älteste Ansicht von Schloss Burg war eine der Grundlagen für die Rekonstruktion der Anlage von G. A. Fischer. Abb. Staatsarchiv Düsseldorf. Aus der Geschichte von Schloss Burg Der Ort Burg befindet sich an der tief eingeschnittenen Mündung des Eschbachs in die Wupper. Schloss und Oberburg liegen malerisch auf der äußersten Kuppe eines Höhenzuges, das einstige Fi-scherdorf Unterburg im schluchtartigen Eschbachtal. Ausgangspunkt der Siedlung war das zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtete Schloss der Grafen von Berg, die damals ihren bisherigen Stammsitz auf dem „alten Berge“ bei Odenthal den Zisterziensern überließen. Der im 15. Jahrhundert zur Freiheit erhobene Ort führte ursprünglich zum Unterschied von Altenberg den Namen „Neuer Berg“ oder „Neue Burg“. Seit dem ausgehenden Mittelalter war Burg ein bedeutender Tuchmacherort, dessen Blütezeit vom Ende des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts andauerte.1 Nach der Überlieferung begann Graf Adolf II.2 von Berg um 1118 mit der Errichtung einer Burg auf den Grundmauern einer älteren Befestigungsanlage auf dem Neuen Berge. Die romanischen Bauten dieser ersten Burg über der Wupper bildeten das Kernstück der späteren großen Befestigung von 1 Dehio, Rheinland, 1967, S. 109. 2 Adolf II. *um 1090, 1115 Graf von Berg, nach 1160 Mönch in Altenberg, † 1160-1170. (n. Laute) 6 Schloss Burg. Ihren alten Stammsitz übergaben Graf Adolf II. von Berg und sein Bruder Eberhard3 1133 einem Konvent des Zisterzienserordens aus Morimond (heute Bistum Langres, Frankreich). Ent-sprechend ihren Lebensgewohnheiten und ihrem Wirtschaftssystem verlegten die Zisterziensermönche das Kloster bald nach der Gründung ins Tal der Dhünn. Der Name des ehemaligen bergischen Gra-fenstammsitzes Altenberg wurde für den Konvent weitergeführt. Das Zisterzienserkloster Altenberg, eines der reichsten und berühmtesten Klöster des rheinisch-bergischen Raumes, bestand bis zur Säku-larisation 1803. Etwa 100 Jahre nach der Gründung der Burg baute Graf Engelbert II.4 von Berg während seiner kur-zen Herrschaft ab 1218 die Anlage zu einer weiträumigen Hofburg aus. Er war als Erzbischof Engel-bert I. von Köln auch Herzog von Westfalen und wurde, nachdem sein älterer Bruder Adolf III.5 auf dem Kreuzzug bei der Belagerung Damiettes6 in Ägypten zu Tode gekommen war, bergischer Lan-desherr. Als 1220 Kaiser Friedrich II.7 seinen 9-jährigen Sohn Heinrich (VII.) zum römisch-deutschen König erklärt hatte, übernahm Engelbert als dessen Erzieher auch die Regentschaft und wurde Stell-vertreter des Kaisers in Deutschland. Ab 1218 ließ er den repräsentativen zweigeschossigen Palas mit dem sich unmittelbar anschließenden Kemenatenbau und die Schlosskapelle errichten. Mit Engelbert, der 1225 als Opfer einer Verschwörung bei Gevelsberg ermordet wurde,8 starb die männliche Linie der Grafen von Berg aus. Nach ihm ging durch die Ehe seiner Nichte Irmgard die Herrschaft von Berg auf die Limburger Grafen über, die die Burg weiterhin als bevorzugte Residenz nutzten. Erst nach der Erhebung der Grafen in den Herzogsstand und der Verlegung der Hofhaltung in die neue Haupt-stadt Düsseldorf im Jahre 1380, diente sie nur noch als gelegentlicher Aufenthaltsort. Doch ab 1485, zur Zeit der Spätgotik und der Renaissance lebte die Bautätigkeit in Burg wieder auf.9 Der Palas wurde umgestaltet, mit Fachwerkaufbauten versehen und der Kemenatenbau nach Süden erweitert. Später wurde Burg mehrfach als Witwensitz genutzt.10 Im Jahre 1528 entstand ein neues inneres Torhaus am Palas und in den weiteren Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts mit stärkeren äußeren Befestigungen auch ein Vorgänger des großen Batterieturms in der Burganlage.11 Zerstörungen und Aufgabe der Burg Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurde Schloss Burg 1632 von schwedischen Truppen bela-gert, seine Befestigungsanlagen und auch ein Teil der Gebäude innerhalb der Burg durch Beschuss beschädigt. Die kaiserliche Besatzung sprengte bei ihrem Abzug 1648 den noch intakten Rest der Ver-teidigungsanlagen und den Bergfried, wobei die Palaskapelle im Hochschloss und auch die Kirche der Johanniter zerstört wurden. Der große Palas blieb davon aber verschont und ist um 1700 teilweise wieder instand gesetzt worden. Die von 1715 erhaltene Ansicht vom Kartographen Ploennies zeigt noch die Fachwerkaufbauten des 16. Jahrhunderts (Abb. 1). Der Hauptbau diente bis 1807 als Sitz herzoglicher Rentmeister und Richter des Amtes Bornefeld.12 Während dieser Zeit fanden aber erheb-liche Eingriffe in die Bausubstanz der Burg statt. Man legte die großen Stall- und Wirtschaftsgebäude nieder und auch die spätgotischen Fachwerkaufbauten des Palas verschwanden. Danach benutzte man die großen Räume für gewerbliche Zwecke; im Rittersaal webte man Wollde-cken, die „Burger Schaazen“. Doch der preußische Fiskus als Eigentümer der Burg war an einer wei-tergehenden Erhaltung nicht mehr interessiert und versuchte nach 1820 mehrmals die Anlage zu ver- 3 Eberhard (Everhard) * um 1090, urkundl. 1115-20 Laie, seit 1120-21 Mönch in Morimond, seit 1143 Abt in St. Georgenberg (Georgenthal) in Thüringen. † 1142-1152. (n. Laute) 4 Engelbert II. *8.11.1185 (*7.11.1186) 1216-25 als Engelbert I. Erzbischof v. Köln, seit 1218 Graf v. Berg, † 7.11.1225 bei Gevelsberg. (n.Laute). 5 Adolf III. Graf von Berg, *um 1175, †7.8.1218 bei Damiette in Ägypten (n. Laute) 6 Damietta, Verw.-Bez. Dumyat, Ägypten, liegt an der Mittelmeerküste, im Nildelta nahe Port Said. 7 Friedrich der II. (Kaiser des Hl. Röm. Reiches) 1194-1250. 8 Siehe auch das Wandbild zu Engelbert im Rittersaal von Burg. 9 Von 1485 sind zwei Rechnungen über Bauarbeiten in Burg vorhanden. St.A. Düsseldorf: Jülich Berg I Nr. 1322 fol. und 1349. Vollmer a. a. O. S. 38. 10 St.A. Düsseldorf: Jülich-Berg Urkk. Nr. 2000 ( von 1535) und Nr. 2028 (von 1539). 11 Der heutige Batterieturm ist ein Neubau von 1914. 12 Roselt, Schloss Burg, S. 8. 7 Abb. 2: Schloss Burg, die Ruine des Palas bei einer Begehung des Vereins zur Erhaltung der Ruinen von Schloss Burg im Jahre 1887 Aufnahme: Archiv des Schlossbauvereins äußern. 1839 benutzte die katholische Gemeinde den Palas der Burg als Schulgebäude, beendete den Unterricht darin aber bald wegen Baufälligkeit der Gemäuer. Vermutlich waren die notwendigen In-standhaltungen an Dächern und Einrichtungen bereits länger unterblieben, als man die Gebäude 1849 aufgab. Das aus Eichenholz bestehende Dachwerk und die Zwischendecken wurden zur Materialge-winnung für das neue preußische Landgericht in Elberfeld ausgebaut und das übrige Mauerwerk dem Verfall preisgegeben (Abb.2). Zur Entstehungsgeschichte der Johanniterkommende in Schloss Burg Mit dem Schicksal der Burg war stets auch die heutige katholische Pfarrkirche St. Martinus verbun-den, die nahe dem unteren Tor im äußeren Burgring, unterhalb des Hochschlosses zu finden ist. Sie ist eine ehemalige Komturkirche des Johanniterordens, der während der Kreuzzugsbewegungen im 12. Jahrhundert am Niederrhein seine ersten Niederlassungen gründete. Die Geschichte der Johanniter-Kommende im Bergischen Land beginnt mit Engelbert,13 dem Sohn des Grafen Adolf II. von Berg. Er war mit Friedrich Barbarossa14 1158 im Belagerungsheer vor Mailand, als der Kaiser dort den Johanniterorden auf Bitten des Großmeisters seines besonderen Schutzes versi-cherte. Das Wirken der Johanniter unter den Pilgern und Kreuzfahrern nach Palästina und ihre Pflege von Verwundeten und Kranken bei den Kriegszügen des Kaisers war vermutlich der Anlass dafür, dass Engelbert später als Graf von Berg zum Stifter der Johanniterkommende in Burg wurde. Die Stif-tung des „Hospitals St. Johannis von Jerusalem in Burg“ diente zwar karitativen Zwecken, war aber mit Sicherheit auch politisch begründet; denn die Grafen von Berg traten über mehrere Generationen bei der Erweiterung ihres Territoriums als weitsichtige Planer auf. Unter anderem vermehrten sie ihren Einfluss mit Hilfe der Kirche, z. B. im Jahre 1170 mit dem Erwerb der Vogteirechte des Kölner Sever-instiftes. Die Urkundenlage aus der Zeit der ersten Grafen von Berg ist sehr dünn, so dass die Geschichtsschrei-bung oftmals nur durch Zeugnisse mit anscheinend nebensächlichen Dingen zu einer folgerichtigen 13 Engelbert I.,*1130, Graf von Berg 1160 bzw. 1165-1189. 14 Friedrich I. Barbarossa, *1129, 1152 König, 1155 Kaiser des Hl. Röm. Reiches Dt. Nation, † 1190 im Saleph. 8 Übersicht der geschichtlichen Entwicklung kommt. In der von Bernhard Vollmer 1953 veröffentlich-ten Urkundensammlung von Schloss Burg wird bei der frühesten Erwähnung der „Neuen Burg“ im Jahr 1160 eine dem hl. Pankratius geweihte Kapelle im inneren Burgring genannt.15 Graf Adolf II. bezeugt in dieser Urkunde, dass Werner von Berghausen und dessen Frau Wendelmodis der Pankrati-uskirche auf Schloss Burg 20 Morgen Land nebst Haus und Hof aufgetragen und von dieser als Altar-zinsige für sich und ihre Erben lehnsweise zurückerhalten haben. Als kirchliche Urkunde ist sie lateinisch abgefasst und lautet in der Übersetzung:16 Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Diejenigen, die Gotteshäusern irgendeinen Vorteil oder Gewinn verschaffen durch eine Schenkung oder durch Bestätigung und Schutz der Schenkungen, werden mit himmlischer Gnade belohnt. Die sie mit Willen hingegen beschädigen, oder es unterlassen, die Stiftungen mit der nötigen Vorsicht zu schützen, haben strafende Vergel-tung zu erwarten. Aus dieser Überlegung heraus bezeuge ich, Adolf, Graf von Berg, den jetzigen und zukünftigen Menschen, dass ein gewisser Werner von Berghausen und seine Ehefrau Wendelmodis 20 Morgen Land mit Haus und Hof, der dem heiligen Pankratius geweihten Kirche in unserer Burg aufgetragen haben. Diesen Besitz erhalten die Stifter als Lehen zurück unter der Bedingung, dass sie selbst und ihre Söhne bzw. ihre Erben gegen eine jährliche Abgabe von zwei Pfennigen Altarzinsige des genannten Märtyrers werden. Zur Bekräftigung dieses Rechtsaktes ließ ich diese Urkunde ausfertigen und mit einem Siegel versehen. Denen aber, die sie absichtlich und mutwillig verletzen oder entkräften, sei die Strafe Gottes und des Märtyrers Pankratius angedroht. Mit gläubi-gem Gebet aber wünsche ich denen, die sie bewahren, für die Gegenwart Frieden und für die Zukunft die ewige Seligkeit. Amen. Geschehen in Schloss Burg im Jahre 1160 nach der Geburt des Herrn, in der VIII. Indiktion, der 11. Epakte und der V. Konkurrente unter der Herrschaft des glorreichen Herrn Friedrich, während mein Sohn Engelbert bei der Belagerung von Mailand unter ihm Kriegsdienst leistete, unter dem verehrungswürdigen Herrn Rainald, erwähl-tem Erzbischof von Köln. In Anwesenheit vieler Zeugen, unter denen: Reinbod, Oliver, Gottschalk Schat, Wolfhart von Grünscheid, Gerhard von Burg, Heinrich von Herbede, Egilmar von Flittard genannt seien.17 Die Beliebtheit des Kirchenpatrons Pankratius hatte zu dieser Zeit schon eine lange Tradition. Sein Patrozinium geht auf Kaiser Arnulf von Kärnten18 zurück, der 896 von einem Italienzug Reliquien des Heiligen mitbrachte. Die Verehrung des Heiligen blühte auf, er wurde Patron der Ritter und des Adels und besonders viele Burg- und Schlosskapellen seinem Namen geweiht.19 Die St. Pankratiuskapelle in Schloss Burg übergab Graf Engelbert I. den Johannitern zur Ausübung ihrer Tätigkeit, als er um 1176 dem Orden Zutritt zu seiner Burg gewährte.20 Die damals ausgestellte Stiftungsurkunde ist verschollen und deshalb auch nicht in der Urkundensammlung Vollmers enthalten. Die Johanniterkommende Burg veranlasste nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges die Anfertigung einer Kopie,21 um die Rechtmäßigkeit ihrer Privilegien und ihres Besitzes auf Schloss Burg aufrecht zu erhalten. Sie bestä-tigt die geschichtlichen Vorgänge der Gründung: „Ich, Graf Engelbert, habe mit Zustimmung meiner Gattin dem Hl. Johannes und den Armen Christi im Hospital zu unserm Seelenheil die Kirche Remscheid und hundert Mark zu geben gelobt, die ich noch nicht entrichtet habe.“ Um dieses Gelübde einzulösen, überließ der Burgherr nach jener Urkunde den Johannitern einen Fronhof bei der Kirche in Remscheid, für den sie einen jährlichen Zins von sechs Mark zu zahlen hat-ten, und übergab ihnen gleichzeitig auch die Kapelle in der Burg samt ihren Einkünften. Überdies wurde den Geistlichen des Ordens die Haus- und Tischgemeinschaft im Grafenschloss zugesichert, „also geschehen unter der Regierung des glorreichsten Kaisers Friedrich (Barbarossa) und des Erzbischofs Philipp von Köln“ (He 2a) 15 LACOMBLET, UB. I. Nr. 401. 16 Alle folgenden Urkundentexte und Erklärungen gehen zurück auf den Staatsarchivdirektor Dr. Bernhard Vollmer, Ausgewählte Quellen zur Geschichte von Schloss, Amt und Freiheit Burg an der Wupper, Opladen 1958. Die Übertragung lateinisch verfasster Urkunden darin erfolgte von Karl-Friedrich Bartlewski. 17 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden, Johanniter Nr. 2, Bernhard Vollmer, a .a. O. S. 13 18 Arnulf v. Kärnten * 850 Moosburg / Kärnten, † 899 Regensburg. 896 Kaiser d. Hl. Röm. Reiches. 19 Verena Kessel, Weltgericht und Seelenwaage, Bensberg 2010, S. 16. 20 LACOMBLET, UB. II, Nr. 66, Urk. v. Jahre 1217. Vgl. HAARLESS, in der Berg. Zs. XXIII, S. 251. 21 Zu dieser Urkundenkopie siehe auch Kapitel zur Herkunft der romanischen Säulen. 9 Abb. 3: Schloss Burg an der Wupper, Plan der Burganlage um 1917 von Fischer und Arntz. Archiv des Schlossbauvereins Auch wenn das Original der Gründungsurkunde von Engelbert I. verloren gegangen ist, und auf der Urkundenkopie des 17. Jahrhunderts vielleicht der Verdacht der Fälschung liegen sollte, wird durch eine erhaltene Urkunde seines Sohnes, des Grafen Adolf III., Engelbert I. als Begründer der Kommen-de genannt. 1217 bestätigt Graf Adolf III. von Berg beim Antritt seines Kreuzzuges, bei dem er vor der ägyptischen Stadt Damietta starb, die dem Johanniterhospital zu Burg von seinem Vater gemach-ten Schenkungen der dortigen Kapelle mit ihren Wachszinsigen, sowie den dortigen Johannitern die Tischgemeinschaft und sonstige Einkünfte und Besitzungen. Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Ich, Adolf, von Gottes Gnaden Graf von Berg, gebe den jetzt und künftig lebenden Menschen für alle Zeit folgen-des zur Kenntnis: Während unsere Nichtigkeit nichts den göttlichen Gaben Gleichwertiges zurückzugeben ver-mag, erkennt man eine so große Herablassung göttlicher Gnade, dass, während sie uns sehr Großes gewährt, sie von uns für die gnadenreichsten Geschenke nur sehr Geringes empfängt, und dass, wenn wir selbst einem Schützling etwas gewähren, wir nicht von dem Unsrigen geben, sondern von dem Seinigen. Das freilich hatte der fromme Eifer meines Vaters seligen Angedenkens andächtig und sorgfältig bedacht, als er der göttlichen Güte, die ihm großes Ansehen und viel Ruhm gegeben hatte, nur ganz Geringes zurückzahlte, und einige seiner Besit-zungen ihrem heiligen Dienste für immer zu eigen gab. Im Glauben, dass er durch diese fromme Tat sich ewigen Ruhm erworben hat, und mit dem Wunsche, dass auch wir solcher Gnade teilhaftig werden, erkennen wir seine Handlung an und wollen sie bestätigen. Daher tun wir den jetzt und in der Zukunft lebenden Menschen kund, dass er zum Dienste der Niederlassung des Johanniterordens zu Jerusalem folgendes seiner Besitzungen gott-ergeben dargebracht hat: Seine Kapelle in Burg mit den dazugehörigen Wachszinsigen und die Tischgemein- 10 schaft für die dortigen Geistlichen und vom Hof Remscheid sechs Mark und auch die Kirche dieser Ortschaft nebst den dritten Teil ihres Zehnten und auch je eine Hufe in Hoddinbegge und in Hurterode, zwei Hufen in Kö-nigsspitze und dazu die Mühle in Dürscheid. Daher sollen diese durch die Freigiebigkeit meines Vaters seligen Angedenkens gemachten Widmungen und andere sicher bezeugten Schenkungen der Vasallen unter unserem Schutz unangefochten bestehen bleiben und dem Gottesdienst für immer dienen. Damit diese Abmachung durch keine List, durch keine Machenschaften irgendeines Menschen verletzt oder ungültig gemacht werden kann, bestätigen wir dies durch das Zeugnis dieser Urkunde, durch unser Siegel und vor allem durch die Autorität des allmächtigen Gottes. Gegeben im Jahr 1217 nach der Geburt des Herrn, beim Aufbruch zum Kriegszug ins Heilige Land zur Ehre des Heiligen Kreuzes.22 Außerdem gibt diese unsere Urkunde dem Lampert von Scherf die Erlaubnis, der oben erwähnten Kapelle einen Zins von zwölf Denaren zu stiften. In dieser im Original erhaltenen Urkunde wird von Adolf III. eine große Anzahl von Schenkungen bestätigt, die unabdingbare Vorraussetzung für die Daseinssicherung der Johanniterkommende war. Adolf III. konnte sich sicher sein, dass ihm mit diesem Versprechen ein sehr guter Ruf nach Palästina vorauseilte, der ihm auf dem Kreuzzug von Nutzen sein konnte. Die großzügige Bestätigung der Privi-legien der Johanniter war also auch eine Versicherung für sein Unternehmen; denn im Nahen Osten ging zu dieser Zeit nichts ohne die dort mächtigen Ordensritter. Leider endete Adolfs Reise schon ein Jahr später vor Damietta in Ägypten mit seinem Tod. Auch sein Bruder und Nachfolger Engelbert II., der als Erzbischof von Köln und Verwalter des Reiches unter Friedrich II. das Bergische Grafen-schloss zu einer mächtigen Hofburg ausbaute, unterstützte die Tätigkeit des geistlichen Ritterordens. Er schenkte dem Hospital in Burg u. a. den Lehnshof Buhell, den Bücheler Hof in der Pfarrei Herken-rath (He 6; Lac. II, 130). Obwohl der Vorgang nicht belegt ist, könnte von diesem Hof aus im 13. Jh. die Gründung der Kommende Herrenstrunden erfolgt sein (1277 urkundlich belegt).23 Dieses Johanni-terhospital machte zum Ende des 14. Jahrhunderts allmählich dem Zentrum Burg den Vorrang streitig. Seit 1354 sind beide Kommenden bis zur Auflösung des Ordens 1803 von einem gemeinsamen Kom-tur verwaltet worden. Ebenfalls im 13. Jahrhundert ist von Burg aus die Johanniter-Niederlassung Marienhagen gegründet worden. Für die Kommende Burg sind 1252 vier Brüder und ein Provisor belegt, eine ähnliche Größe, vermutlich auch kleiner ist für Marienhagen vorstellbar.24 Die Gründung in Marienhagen, die vom Stammsitz der Grafen von Berg ausging, dürfte auch politisch motiviert gewesen sein, denn sie fiel in die intensiven Auseinandersetzungen mit dem Grafen von Sayn um die Herrschaftsgebiete im Bergischen. Mit Marienhagen platzierten die Grafen von Berg eine Kommende im Gebiet der Grafen von Sayn und erhielten somit Einfluss in deren Territorium.25 Nicht viel anders verläuft die Geschichte des Nachbarortes Drabenderhöhe, für den Herzog Wilhelm I. von Berg 1391 das Zehntrecht erwarb und Johanniter dorthin holte. Die Herzöge von Berg protegier-ten den Ritterorden und nutzten die kirchliche Gelegenheit, sich herrschaftlichen Einfluss im Bereich ihres Gegners zu verschaffen. Von daher überließen sie die Pfarrei auch nicht komplett den Johanni-tern, sondern teilten sich mit dem Orden das Recht die Pfarrstelle zu besetzen, wodurch sie mehr Ein-flussmöglichkeiten behielten. Entsprechend erreichten sie im sogenannten Siegburger Vergleich 1604, dass sie und die Grafen von Sayn jeweils eine Hälfte des Ortes erhielten.26 Auch für Marienberghausen in unmittelbarer Nähe wird eine ähnliche Pfarrgeschichte angenommen, doch durch das Fehlen jegli-cher schriftlicher Nachrichten ist das nicht nachweisbar. Erst 1228, drei Jahre nach dem gewaltsamen Tod Engelberts II., wird die Johanniterkirche St. Johann- Baptist durch eine Urkunde von Herzog Heinrich von Limburg, Graf von Berg und seiner Gemahlin Irmgard in Burg genannt.27 Diese bezeugen, dass sich eine Familie in die Wachszinsigkeit der Johanni-terkirche zu Burg begeben hat. 22 St. A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 5. bearbeitet von Bernhard Vollmer, a. a. O. S. 16 23 Nach G. Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler erfolgte 1224 die Gründung der Johanniter - Kommende Herrenstrunden zusammen mit der Kommende Herkenrath, 1328 Ballei, 1803 aufgehoben. 24 Verena Kessel, Weltgericht und Seelenwaage, Bensberg 2010, S. 52 25 Verena Kessel, a. a. O. S. 52. 26 Verena Kessel, a. a. O. S. 66. 27 Lacomblet, UB. II, Nr. 155. 11 Wir, Heinrich, Herzog von Limburg und Graf von Berg, und Irmgard, unsere Gemahlin, tun allen, die diese Ur-kunde lesen, kund, dass Herbord, seine Brüder, seine Frau Mechthild und ihre Kinder sich in die Wachszinsigkeit der Kirche des heiligen Johannes in unserem Schloss Burg begeben haben mit der Verpflichtung, am Feste des heiligen Servatius dem Altare der genannten Kirche jährlich zwei Kölner Denare zu entrichten. Bei Erbfolge sollen zwölf Denare in gleicher Weise gezahlt werden. Geschehen in der neuen Burg im September des Jahres des Heils 1228 unter den Zeugen Wolbert, Pfarrer dieser Kirche; Adolf von Stammheim, Truchseß; und der Burg-mann Gottschalk. Damit aber diese Abmachung unangetastet und unverändert bestehen bleiben soll, haben wir diese Urkunde mit unserem Siegel versehen lassen.28 Eine weitere Urkunde von 128029 nennt sowohl die Kirche St. Johannis, als auch die Kapelle des hei-ligen Pankratius in der neuen Burg. Diesmal ist es der Großmeister des Johanniterordens, Hermann von Brunshorn, der die Bewidmung der Johanniterkirche zu Burg durch Graf Adolf V. von Berg und dessen Gemahlin mit Reliquien und Kleinodien ihrer dortigen Kapelle bezeugt. Allen Christgläubigen, die diese Urkunde lesen, entbietet Bruder Hermann von Brunshorn, Großmeister des Jo-hanniterordens zu Jerusalem für Deutschland, Böhmen, Dakien, Österreich, Polen, Mähren, und Vertreter des Großmeisters für Ungarn, seinen Gruß im Namen des Heilandes. Der Edelherr Adolf, Graf, und die edle Herrin Elisabeth, Gräfin von Berg, haben um Gottes Willen ein silbernes, vergoldetes Bild der heiligen Jungfrau mit zwei Engeln aus gleichem Material an ihrer Seite,30 eine silberne Taube, enthaltend eine goldene Kapsel für die Hos-tie, Umhänge, Messgewänder, Dalmatiken, feinste Leinentücher, Altarschmuck, einen Goldring mit einem Zahn des heiligen Apollinaris mit allen Reliquien ihrer Kapelle auf Burg unserem Orden und seinen Burgleuten, welche jeweils am genannten Ort der Burg sind, gemeinsam voll guten Willens geschenkt mit dem Bedeuten, dass alle genannten Dinge unteilbar und untrennbar dort bleiben sollen und dass mit diesen Gegenständen in unserer Kirche des heiligen Johannes und in der Kapelle des heiligen Pankratius in dem genannten Burg, wie es das Kirchenjahr erfordert, immer dem Herrn gedient werde. Daher haben wir, die wir gegenüber dem Willen des Herrn Grafen und der Gräfin unseren Willen zu versichern wünschen, beschlossen und mit der Autorität des ganzen Ordens den einzelnen Komturen aufgetragen und den Brüdern, welche jeweils an dem schon oft genann-ten Orte sich aufhalten werden, nachdrücklich befohlen, alles Obenerwähnte sorgfältig zu bewachen und zu be-wahren und unter keinen Umständen zu dulden, dass diese Schenkungen durch irgendjemand unseres Ordens, durch eine geistliche oder weltliche Person auf irgendeine Weise veräußert oder dem Zweck dieser Stiftung ent-zogen werden. Dafür stellen wir diese Urkunde bekräftigt durch unser Siegel aus. Gegeben im Jahre des Herrn 1280 am Tage der Himmelfahrt der seligen Jungfrau.31 Noch in den folgenden Jahrhunderten erhielt die Burger Kommende aus Besitztümern der Bergischen Landesherren beachtliche Zuwendungen. Aber auch vermögende Burgmannen machten den Johanni-tern Stiftungen, die ihren Besitz mehrten. Am 6. Juni 1350 verkaufen Hermann van dem Steynwege und seine Ehefrau Hedwig Sote dem Johanniterkon-vent zu Burg aus ihrem dortigen Haus, Hof und Garten eine Jahresrente von acht französischen Tournosen. Es siegeln zwei dortige Burgmannen.32 Am 13. Juli 1359 verkaufen der Ritter Heinrich von Schönrode und seine Frau Elisabeth ihrem Oheim, dem Jo-hanniter Pilgrim von Rode auf Lebenszeit ihre Wiese zu Burg, ihre halbe Fischereigerechtsame und eine Hühner-rente daselbst.33 Um eine Vergrößerung des Komturhauses zu ermöglichen, überlassen in einer Urkunde vom 15. No-vember 1362 die Witwe Gerhards, Gräfin Margarete von Berg und Ravensberg und ihr Sohn Wilhelm von Jülich den Brüdern des Hauses im Hospital St. Johannis von Jerusalem auf Schloss Burg den unte-ren Teil eines zwischen deren Burglehen und dem Burglehen Gerhard Schynkerls gelegenen Turmes, dessen obere Hälfte sie von dem letzteren erwerben, unter Vorbehalt seiner Benutzung bei Kriegsge-fahr und unter der Bedingung, dass dadurch die Sicherung der Befestigung niemals beeinträchtigt werden dürfe34 Dieser Johanniterturm, der später zum katholischen Pfarrhaus umgebaut wurde, be- 28 St. A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 8. Bearbeitet von Bernhard Vollmer a. a. O. S. 17 29 Lacomblet, UB. II, Nr. 740 30 Hier handelt es sich vermutlich um ein byzantinisches Kunstwerk. 31 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 29. Bearbeitet von Bernhard Vollmer a. a. O. S. 18. 32 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 114. Vollmer, S. 22. 33 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 149. Vollmer, S. 23. 34St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 156. Th. J. Lacomblet, UB. Bd. III Nr. 629, Vollmer, S. 24. 12 grenzte zusammen mit dem Diebsturm des Hochschlosses den Bereich des Hospitals mit der Kirche der Johanniter, das im äußeren Burgbering erbaut worden war. Bemerkenswert ist die damalige Auf-teilung des Turms in Ober- und Untergeschoss auf zwei Besitzer. Am 4. April 1363 verpachtet Wilhelm von Jülich, Graf von Berg und Ravensberg, auf Vorschlag sei-ner Räte dem Komtur und den Brüdern des Johanniterhauses auf Schloss Burg zwei innerhalb der Mauern gelegene Gärten, vormalige Burglehen. Gleichzeitig tauscht der Ritter Heinrich von Schönro-de sein dortiges Burglehen gegen das des Gerhard von Waldenburg gen. Schenkern und übereignet es einschließlich zweier Hausstätten den Johannitern.35 Zur Geschichte der Johanniter36Der Orden der Johanniter entwickelte sich aus einem vor dem ersten Kreuzzug in Jerusalem erbauten Hospital, weshalb die Mitglieder eine Zeit lang auch Hospitalier oder Hospitalsritter hießen. An anderer Stelle heißt es, dass Kaufleute, die aus Jerusalem nach Amalfi ge-kommen waren, dort 1070 für die Pilger, die zum Heiligen Grabe wallfahrten, ein Kloster und ein Hospital erbaut hatten. Die Einrichtung erkor sich Johannes den Täufer zum Schutzpatron und wurde Wiege der „milites hospitales sancti Johannis“. Damit hatte sich noch vor dem Templerorden und vor dem Deutschherrenorden der Johanniterorden als die älteste Gemeinschaft unter den drei religiösen Ritterbünden gebildet. Die Brüder folgten der Augustinerregel, gelobten Armut, Gehorsam und Keuschheit und schworen, Jerusalem gegen die Muslime zu verteidigen. Bald schon erwies sich die Bewaffnung der Ordensritter, die aus adligem Geschlecht stammten, als notwendig. Gerard, das erste Oberhaupt mit dem Titel eines Rektors, gab dem Orden die erste Regel und schrieb als Ordenstracht einen schwarzen Umhang mit weißem achtzackigem Kreuz vor. Von Papst Calixtus II.37 wurde später die inzwischen vervollständigte Ordensregel anerkannt, nach der die Mitglieder des Ordens sich als Ritter oder Priester oder Laienbrüder den satzungsmäßigen Aufgaben des Pilgerschutzes, der Seelsor-ge oder der Krankenpflege zu widmen hatten. Seit 1259 wurden die Leiter des Ordens als Großmeister bezeichnet. Im 12./13. Jahrhundert waren die Johanniter die stärkste militärische Macht im Nahen Osten. Als um 1300 die letzten Kreuzfahrerbastionen fielen, verließen auch die Johanniter das Heilige Land. Sie verlegten sich 1291 erst nach Zypern und richteten 1309 ihr Hauptquartier auf Rhodos ein. 1312 übernahmen sie einen Teil des Besitzes des aufgehobenen Templerordens. Sie konnten sich auf Rhodos zwar 200 Jahre lang dem Druck des Osmanischen Reiches erwehren, mussten aber 1522 die Insel den Türken überlassen. Um 1530 wurden sie von Karl V. mit der Insel Malta belehnt und nann-ten sich fortan Malteser. Während der Französischen Revolution nahm Napoleon mit seinen Truppen die Insel ein und verdrängte den Orden nach Triest, später nach Rom. Der Malteserorden spielte in Europa bis ins 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle und hat auch heute noch seine karitative Zielset-zung beibehalten. Die Niederlassungen des Johanniterordens am Niederrhein reichen bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück. Um 1150 siedelten sich in Duisburg die ersten Angehörigen des Hospitalordens an, um den Wallfahrern zum Heiligen Grab Unterkunft zu bieten. Eine um 1155 ge-schriebene Urkunde berichtet von der Einweihung der Hospitalkirche St. Marien in Duisburg, die dem Johanniterorden gehörte. (He 1; I, 387) 1176 wird der Orden auf Schloss Burg ansässig. Der Bau der Kirche St. Johannis in Schloss Burg Obwohl die Burger Ordenskirche St. Johannes der Täufer erstmals 1228, also nach dem Tod Engel-berts II. genannt wird, dürfte sie früher, letztmöglich aber unter seiner Regentschaft entstanden sein. Paul Clemen nimmt an, dass sie bereits vor 1200 erbaut worden ist und folgt dabei der Ansicht Gerhard August Fischers, der vor dem Wiederaufbau von Schloss Burg auch die Martinskirche nach ihren Ursprüngen untersuchte.38 (Karte, Abb. 3) Kubach und Verbeek verweisen die Entstehung da-gegen ins 1. Viertel des 13. Jahrhunderts.39 Sicherlich war der erste romanische Palas der Burg zur Aufnahme 35 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden, Johanniter Nr. 158. Vollmer, S. 25. 36 Textteil nach Paul Luchtenberg, „Die Johanniter auf Schloss Burg“ 37 Papst Calixtus II. 1119-1124 38 Paul Clemen, Die Bau- und Kunstdenkmale des Rheinlandes, Köln 1894, S. 215-216. 39 Hans Erich Kubach / Albert Verbeek, „Romanische Baukunst an Rhein und Maas“: Katalog der vorromani-schen und romanischen Denkmäler, Bd.1-3, Berlin 1976. S. 167-168. 13 Abb. 4: Schloss Burg, innerer Bering und Fundstücke von dort. Der innere Schlosshof vor 1900 noch ohne Bergfried, links die Burgkapelle. Zeichnung von G.A. Fischer, Archiv des Schlossbauvereins. 14 einer Johanniterkommende beengt und die daran angebaute Pankratiuskapelle als Ordenskirche von bescheidenen Verhältnissen. Solange aber kein anderer Kirchenraum zur Verfügung stand, wurde dort die heilige Messe für den Burgherrn und sein Gefolge gelesen. Vermutlich wurde dort auch getauft, doch ob das schon an dem romanischen Taufbecken geschah, das sich heute noch in der Martinskirche befindet, ist nicht nachweisbar.40 Die Kommende in Burg war wie alle Niederlassungen des Johanniterordens finanziell allein auf sich gestellt und sein Gedeihen auf Stiftungen der Bergischen Grafen und des Adels angewiesen. Ob ihre frühen Einkünfte schon bald für einen kostenträchtigen Kirchenneubau ausgereicht hätten ist deshalb ebenso ungewiss wie die Frage, ob Engelbert I.41 oder Adolf III.,42 der 14-jährig die Nachfolge antrat, die Stifter waren. Beide Grafen rüsteten sich mit langer Anlaufzeit auf die sehr kostspieligen und ris-kanten Kreuzzüge. Da sie von diesen Abenteuern nicht zurückkehrten und in Burg keine reiche Beute aus dem Heiligen Land zu verteilen war, dürfte die Bauaufgabe einer Johanniterkirche letztlich bei Engelbert II.43 verblieben sein. Zumindest verfügte der Erzbischof und Bergische Landesherr über große Geldmittel und gut ausgebildete kölnische Handwerker, um einen solchen Bau in kurzer Zeit errichten zu lassen. Dazu kam, dass Engelbert bei dem Bauvorhaben zu seinem großen Palas auch eine neue Schlosskapel-le errichten ließ und die Verfügbarkeit dieses kleineren Gotteshauses neu regeln musste. Als Erzbi-schof von Köln, Landesherr und Reichspolitiker mit großem Aufgabenbereich benötigte er seine neue Kapelle am Hochschloss zukünftig für seine private Andacht und auch für repräsentative Zwecke. Der Name des Patrons St. Pankratius wurde von der alten, ererbten Burgkapelle auf die neue, an den Palas angebaute Schlosskapelle übertragen, wobei die geistlichen Brüder der Johanniter die Verpflichtung zum Lesen der Messe dort behielten. Die Kommende der Johanniter erhielt zusätzlich eine neue, nach ihren Vorstellungen gebaute Kirche, die nach der Tradition des Ordens Johannes dem Täufer geweiht wurde. Auch für Pfarraufgaben der wachsenden Burggemeinde war St. Johannis vorgesehen, so dass sie zum Zeitpunkt der Weihe zur Pfarr- und Taufkirche des zukünftigen Ortes Burg wurde. Die kirch-liche Neuorganisation und der aufwändige Bau von St. Johannis, sprechen für Erzbischof Engelbert I. von Köln als Urheber der Dinge (Abb.5). Diese Kirche, die außerhalb des inneren Burgrings unmittelbar am unteren Tor der Vorburg entstand, war bis zur Säkularisation 1803 im Besitz der Johanniter und stets auch die Pfarrkirche der Freiheit Burg. Als im Jahre 1553 der Pfarrer und mehrheitlich die Gemeinde Burg die lutherischen Lehre an-nahmen, gerieten die Johanniter in eine merkwürdige Situation. Als katholische Eigentümer aller kirchlichen Einrichtungen nebst Schule mussten sie sich der protestantischen Mehrheit fügen, die Be-nutzung der Kirche zulassen und Zugeständnisse in der Besoldung von Pfarrer, Küster und Lehrer machen. Auch dem Unterhalt der betreffenden Gebäude mussten sie nachkommen; denn die fürstliche Landesregierung bestand auf unbedingte Erfüllung aller berechtigten protestantischen Forderungen. Bei der 1589 im Bergischen Land durchgeführten Kirchenvisitation wurde festgestellt, dass in Burg der Gottesdienst ganz im Sinne der Reformation abgehalten wurde. Diese Ruhe war aber 1593 vorbei; denn es hatte sich wieder eine katholische Gemeinschaft gebildet, die mit einem neuen Ordenskom-mandeur den Lutheranern die Kirche streitig machte. Die Machtverhältnisse schwankten ständig, bis die Gegenreformation unter Herzog Wolfgang Wilhelm Pfalzgraf bey Rhein44 einsetzte. 1621 wurde auf Befehl des Herzogs durch den Johanniterkommandeur die Kirche mit allem Zubehör den Protes-tanten genommen. Diese waren durchaus nicht entmutigt, sondern darauf vertrauend, dass in allen umliegenden Orten protestantische Mehrheiten waren, versuchten sie die Kirche zurückzubekommen. Der Streit zog sich mehr oder weniger gewaltsam bis 1647 hin und lieferte unter der Bezeichnung „Burger Kirchenkrieg“ Stoff für viele Geschichten und Berichte. Er endete aber letztlich nach dem Willen der Johanniter mit Unterstützung des Amtmanns und Kellners von Burg mit dem Nutzungs-recht der Katholiken an der Kirche.45 40 Nähere Einzelheiten zum Taufbecken im Teil Ausstattung der Kirche. 41 Engelbert I. Graf von Berg 1160-1189, auf dem Kreuzzug mit Barbarossa 1189 bei Kovin erschlagen. 42 Adolf III. Graf von Berg 1189-1218, auf dem Kreuzzug in Ägypten beim Sturm auf Damietta gefallen. 43 Engelbert I. Erzbischof von Köln seit dem 29. Februar 1216; als Engelbert II. Graf von Berg seit 1218, 1225 von seinem Verwandten Friedrich von Isenburg bei Gevelsberg ermordet. 44 Herzog Wolfgang Wilhelm 1614-1653, in der Klosterkirche St. Andreas zu Düsseldorf begraben. 45 Roth, a.a.O. S. 72-75. 15 Abb. 5: Siegel des Kölner Erzbischofs Engelbert I. Zerstörung, Wiederaufbau und Säkularisation Die Geschehnisse des Streits um das Besitzrecht der Kirche spielten sich als Nebenschauplatz des Dreißigjährigen Krieges ab, während dessen Schloss Burg 1632 von den Schweden belagert, wahr-scheinlich auch beschossen und erheblich beschädigt wurde. Die Schweden haben Schloss Burg auch eingenommen, das geht aus einem Brief vom 4. Dezember 1632 von Herzog Wolfgang Wilhelm (1614-1653) an den schwedischen Befehlshaber Baudissin hervor, in dem er sich über die Drangsalie-rungen der Schweden beschwert. „Das Kriegsvolk hat sich unseres Amtshauses Burg bemächtigt. Einige Kompanien Dragoner quartierten sich in Wipperfürth und Radevormwald gewaltsam ein. 1500 Pferde und 600 Stück Vieh sind den Bewohnern geraubt worden. Sie beklagen sich auch über den Verlust ihrer Möbel und anderer Hausutensilien. Die Soldaten scheuten sich nicht, sie, soweit sie keine Verwendung dafür hatten, vor den Augen der Besitzer zu zerschlagen und zu verbrennen. Männer und Frauen, Adelige nicht ausgenommen, sind ihrer Kleider beraubt und aus dem Lande vertrieben worden.“46 In dem Schreiben wird die Einnahme der Burg bestätigt, doch wie es geschah ist nur zu vermuten. Die Schweden konnten ihre Kanonen nur von Osten, also jenseits des Halsgrabens auf der Anhöhe in Stel-lung bringen. Von dort wird eine Beschießung an der Schildmauer und an erreichbaren Teilen des Hochschlosses erhebliche Schäden angerichtet haben. Doch dieser Angriff dürfte die Kirche nicht getroffen haben; denn sie lag dabei im Schutz des Hochschlosses und somit im Schatten der Angriffs-seite. Von Süden, Westen und Norden her konnte das Schlossgelände und damit auch die Kirche nicht unter Feuer genommen werden, da die Steilhänge des Bergsporns eine Geschützstellung unmöglich machten. Nach Abzug der Schweden sind in den darauf folgenden Jahren Reparaturen und Verstär-kungen an den Festungswerken ausgeführt worden. Im Winter 1637 drang das Heer des kaiserlichen Generalfeldmarschalls von Götz in das Fürstentum Berg ein und belegte fast alle Städte mit Einquar-tierungen. Das Amtshaus von Burg war wegen seiner entlegenen und geschützten Lage als Fruchtde-pot eingerichtet worden und viele brachten ihre wertvolle Habe dorthin. Die Besetzung der Burg ver-zögerte sich zunächst, was aus dem angsterfüllten Briefverkehr des Kellners mit dem Landesherrn Wolfgang Wilhelm hervorgeht. Ob die Soldateska Schloss Burg letztlich verschonte, ist nicht mehr in Erfahrung gebracht worden. Vermutlich gelang es Wolfgang Wilhelm, die drohende Gefahr abzuwen-den. Wir wissen, dass er mit den Götzschen Heerführern in brieflichen Verkehr trat und versuchte, die Kriegsnot in seinem Lande zu lindern.47 46 Fritz Hinrichs, Schloss Burg im Dreißigjährigen Krieg, in: Rom. Berge 1961/62 S.163. 47 Fritz Hinrichs, a. a. O. S. 164 ff. 16 Abb. 6: Schloss Burg, der Bollwerkturm im äußeren Bering, eine freie Rekonstruktion des Wiederaufbaus. Zeichnung von Ludwig Arntz 1917, Archiv Schloss Burg Die Götzschen Heerhaufen räumten das Fürstentum im März 1638. Doch 1642 bemächtigten sich wiederum kaiserliche Truppen der Armee des Feldmarschalls von Holzapfel des Landes und diesmal auch der Festung Burg. Sein Unterführer Heinrich von Plettenberg verlegte seinen Wohnsitz dorthin, was aus seinen Briefen von dort hervorgeht. Mit relativ freundlichen Schreiben bat er die Amtsvorste-her der umgebenden Orte um Stroh für die Mannschaften und um Futter für die Pferde, mit dem Ver-sprechen, Land und Leute zu schonen. Oberst von Plettenberg blieb bis zum Schluss des Krieges auf Burg und vermutlich hat man sich mit ihm in dieser Zeit eingerichtet. Doch zum Zeitpunkt des Frie-densschlusses kam es zur Katastrophe. Bevor 1648 die kaiserliche Besatzung unter seinem Befehl die Burg aufgab, zerstörte sie auf Weisung des Westfälischen Friedenschlusses durch Sprengung den Bergfried und einen Großteil der Verteidigungsanlagen. Vermutlich gingen mit Ausnahme des großen Palas fast alle Nebengebäude in Flammen auf. Bei dem brachialen Vorgehen wurden auch die Kirchen der Burg schwer in Mitleidenschaft gezogen. Infolge der Sprengung des Bergfrieds zerschlugen und erdrückten die fallenden Gesteinsmassen die nahe stehende Kapelle am Palas des Hochschlosses. Der Johanniter- und Pfarrkirche wurde die Lage am unteren Tor der äußeren Umwehrung zum Verhängnis. Beim Zerstörungswerk dort stürzte die Kirche größtenteils ein.48 Doch sind die damaligen Schäden eher auf Geschosstreffer als auf eine Sprengung zurückzuführen. Ein Beschuss der Kirche kann nur vom Burginneren, bzw. vom Gelände der Vorburg erfolgt sein. Etwaige Geschütze standen damals in dem der Kirche benachbarten Batterie- oder Bollwerkturm (Abb.6), von wo aus zum Schutz des Hoch-schlosses das westliche untere Burggelände gegen Eindringlinge bestrichen werden konnte. Für das Vernichtungswerk der abrückenden Besatzung, kamen zwei Möglichkeiten in Betracht. Entweder haben die Soldaten mit den Geschützen vom Batterieturm aus den Johanniterturm unter Feuer ge-nommen um ihn als Teil der Wehranlage auszuschalten und in voller Absicht dabei auch die Johanni-terkirche mit mehrfachen Treffern zusammengeschossen. Oder die danach erfolgte Sprengung des Batterieturms löste mit den darin gelagerten Pulvervorräten eine derart heftige Explosion aus, dass Luftdruck und wegfliegende Mauerteile die Kirche trafen und völlig zerstörten. Rudolf Roth schreibt 1921 in seinem Buch „Schloss Burg an der Wupper“ von einem Beschuss der Kirche, was die Verfas-ser später anhand der Schäden bestätigen können. Die Besatzung, die über Jahre untätig in den 48 Zu den Zerstörungen an der Kirche siehe auch S. 25 ff. 17 Abb. 7: Schloss Burg, ehemalige Johanniterkirche, heute Pfarrkirche St. Martinus. Foto der Verfasser von 2010 Burgmauern verbrachte, wird beim Abzug vermutlich jede Disziplin fallen gelassen haben. Es wurde rücksichtslos alles zusammengeschossen, was sich den Kanonen als Ziel bot. Eine spätere Aufzeichnung von 1692 sagt, dass bei der Schleifung der Festungswerke sogar „Pferd-stall, Backhauß und Brawhauß“ ihrer Dächer beraubt seien, so dass „nichts mehr unter Dach stehet als das hohe Gebew und die Kellnerey“. Über den Zustand der Johanniterkirche und ihrer Nebengebäude wird dagegen nichts berichtet, doch ist anzunehmen, dass Johanniter und Gemeinde zu dieser Zeit ihr Gotteshaus wieder errichtet, sowie Komtur- und Pfarrhaus mit dem Torturm repariert hatten. Erst 67 Jahre nach der Zerstörung – im Jahre 1715 - wird die erste authentische Abbildung der Kirche von Erich Philipp Ploennies, dem Kartographen der „Topographia Ducatus Montani“ gezeichnet und zwar als Teil einer Gesamtansicht von Schloss Burg (Abb.1). Auf der Ansicht ist die Kirche im wieder auf-gebauten Zustand zu sehen, hat einen gotischen Anbau und einen Dachreiter. Das Pfarrhaus ist ein Fachwerkbau, der mit dem Johanniterturm eine Einheit bildet. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde die Johanniterkommende wie alle Or-densklöster in Deutschland aufgehoben und ihr Besitz von der Landesregierung eingezogen. Bei Auf-lösung der Niederlassung wurde die Ordenskirche als Pfarrkirche der katholischen Gemeinde Ober-burg übergeben und erhielt später den Patronatsnamen St. Martinus. Mit der Enteignung der Johanni-ter ging die Verpflichtung zur Bauunterhaltung der kirchlichen Einrichtungen in Burg auf den Landes-herrn über. Das war nach 1815 der preußische Fiskus und in seiner Nachfolge das Landeshochbauamt in NRW. Kurzbeschreibung des heutigen Kirchengebäudes mit seinen Veränderungen Die Kirche, wie sie sich uns heute darstellt, ist denkbar einfach gebaut. Äußerlich ein quaderförmiger verputzter Baukörper ohne jegliche Zier mit einem verschieferten Satteldach (Abb.7 u. 8). Über der eingerückten dreiseitigen Apsis im Osten erhebt sich ein schlanker verschieferter Turm mit geknickter 18 achtseitiger Schieferpyramide, der 1771 errichtet worden ist. Im oberen Teil des Turmschafts hängt eine Glocke von Eberhard Petit aus dem Jahr 1790.49 Abb. 8: Schloss Burg, Inneres von St. Martinus nach Osten. Foto der Verfasser 2010. Die Nordwand des Langhauses hat drei Fenster mit gedrücktem Spitzbogen im Bereich der westlichen Hälfte, der östliche Teil ist geschlossen. Die Südseite hat im westlichen Bereich gleichartige Fenster, die den nördlichen ungefähr gegenüberstehen. Östlich sind zwei weitere Fenster vorhanden, die aber höher liegen und kleiner sind. Zwei ähnlich große Fenster befinden sich auf der Ostwand des Kir-chenschiffs jeweils rechts und links neben dem Apsisanbau. Die Apsis besitzt nur ein großes rundbo-giges Fenster in der Ostwand. Auf der Mitte der Südseite der Kirche ist ein früher noch sichtbares ehemaliges Portal im Putz angedeutet (Abb.9 und) Im Jahre 1959 ist an der Südseite, auf dem einsti-gen Kinderfriedhof eine Sakristei angebaut worden. Abb. 9: Schloss Burg, St. Martinuskirche, Südwand mit ehemaligem romanischem Portal, 49 Die Familie Petit ist in mehreren Generationen als Glockengießer in Gescher / Westfalen tätig. 19 davor der Kinderfriedhof, auf dem sich heute die Sakristei befindet. Aufnahme: Pfarrarchiv St. Martin vor 1950 Abb. 10: 20 Abb. 11: Schloss Burg, St. Martinuskirche, Westportal von Manfred Saul. Aufnahme der Verfasser 2011 In der Mitte der Westwand, die im unteren Bereich verstärkt wurde und bis auf ein Eulenloch im Gie-bel fensterlos ist, befindet sich das einzige Portal der Kirche. Seine zweiflügelige Holztür ist auf den Mittelleisten mit einer Schnitzerei des Bildhauers Manfred Saul aus Hennef gestaltet (Abb. 11). Die übereinander angeordneten Menschen symbolisieren das Wort „Einer trage des anderen Last“. Die Tür sitzt in einem romanischen Gewände aus grauem Trachyt, bestehend aus Sturz und Leibung. Im Portalbogen über dem trapezförmigen Sturz ist ein modern gearbeitetes Johanniterkreuz. Aufgrund der Mauerverstärkung ergibt sich zum Kirchenraum ein kurzer Vorraum, der eine gerader Decke besitzt. Auf der Innenseite der Westwand befindet sich nördlich des Eingangs eine Bogennische, die auf ein früheres Portal zurückzuführen ist. In der Ecke zur Südwand ist ein auffallend hervortretender Sockel, und rechts davon eine aus der Mauer hervortretende Halbsäule zu sehen. Dem schlichten Äußeren entspricht auf den ersten Blick auch der Innenraum, einer einfachen Saalkir-che mit Holzbalkendecke und darauf liegender doppelter Verbretterung. Die über 10 m langen Balken sind mittig im Dachwerk aufgehängt. Der Blick vom Eingang geht ungehindert bis zur Ostwand mit ihren Augenfenstern und einem ungegliederten runden Triumphbogen, dahinter eine kleine dreiseitige Apsis die um drei Stufen erhöht ist (Abb.8). Die gemauerte Altarmensa mit einer gekehlten Platte ist ungewöhnlich groß und einige Zentimeter aus der Apsis hervorgerückt. In der Südwand des Altar-raums eine kleine Rundbogennische (Armarium oder Lavabo), ihr gegenüber bündig in der Nordwand ein einfacher verschließbarer Sakramentsschrank (Tabernakel) aus spätgotischer Zeit. Dieser besteht aus einem geraden Sandsteingewände mit einer eisenbeschlagenen Holztür, die mit zwei Schlüsseln geöffnet wird. Auf der Südseite ist der Zugang zur Sakristei von 1959, die einen Vorraum mit einer Außentür besitzt. Als Besonderheit der Martinskirche sind im Inneren Apsis und östlicher Kirchenraum durch eine Ar-kadenstellung gegliedert. Die schwarzen Schiefersäulen weisen Eckblattbasen und vorzüglich gearbei-tete spätstaufische Blattkapitelle auf. Ihre Herkunft ist bislang nicht nachgewiesen, doch nach Ausweis der Kapitelle müssen sie während der Bautätigkeit unter Engelbert II., 1218-25, entstanden sein.50 Zwei der Kapitelle – rechts und links vom Altar - mussten rekonstruiert werden, da die Originale bei der Aufstellung des Barockaltars 1804 zerschlagen wurden. 50 Kubach /Verbeek, a. a. O. 21 Die hölzerne, graublau gefasste Ausstattung der Kirche, bestehend aus Bänken, Beichtstuhl und We-stempore ist einheitlich im schlichten spätbarocken Stil angefertigt. Auf der Empore, die über eine neuzeitliche Spindeltreppe zu erreichen ist, steht eine Orgel mit dreiteiligem klassizistischem Pros-pekt. Abb. 12: Schloss Burg, Inneres von St. Martinus um 1920 mit dem Barockaltar aus Altenberg und einer dazu angepassten Chorausstattung. Foto: Stadtarchiv Solingen An sakralen Kunstwerken finden sich auf der Nordwand ein spätgotisches Kruzifix und zwei barocke Plastiken, der Erzengel Gabriel und der hl. Georg. Ihnen gegenüber eine neuzeitliche Plastik des Erz-bischofs Engelbert I. An den beiden Seitenwänden unterhalb der Fenster hängen 17 Tafeln eines Kreuzwegs mit auf Kupfer gemalten Szenen im Stil der Nazarener. Die neugotische Holzrahmung ist mit ihrer Fassung noch original. Nördlich des Apsisbogens steht der romanische Taufstein, das älteste Ausstattungsstück der Kirche. Die beiden Fenster in der Ostwand und das Apsisfenster sind mit mo-dernen Glasmalereien des Künstlers Peter Hecker gestaltet. Alle übrigen Fenster in der Kirche sind einfach verglast. Seit ihrer Erbauung vor 800 Jahren hat die Johannes- und spätere Martinuskirche ihr ursprüngliches Aussehen weitgehend verloren. In den ersten 300 Jahren wird die Kirche vermutlich fast völlig unver-ändert geblieben sein, abgesehen von Einrichtungen und Kunstwerken, die in die Kirche gestellt wur-den. Erst zum Ende des 15. Jahrhunderts, als an vielen Kirchen des Bergischen Landes Erweiterungen vorgenommen wurden, oder zurzeit der Spätgotik nach 1511, als unter Herzog Johann III.51 Schloss Burg vornehmlich als Jagdschloss eingerichtet wurde und der Palas seine Fachwerkaufbauten bekam, wird auf der Nordseite ein zweistöckiger Sakristeianbau mit einem polygonalen Abschluss angefügt worden sein. 1526 dürfte bei der Hochzeit der Tochter Sybille mit Johann Friedrich von Sachsen auf Schloss Burg die Trauung in der Johanniterkirche stattgefunden haben.52 1631 ist von einem Turmbau, vermutlich einem Dachreiter in den Aufzeichnungen der Johanniter zu lesen.53 Die größten Veränderungen ergaben sich durch die Zerstörungen bei der Sprengung der Befesti-gungswerke 1648. Bis auf den gotischen Anbau und wenige Teile der Umfassungsmauern stürzte die 51 Herzog Johann III. der Friedfertige, *1490, 1496 verlobt, 1510 verh. mit Maria von Jülich Berg, 1511-1539, Landesherr. 52 Anna von Kleve, ebenfalls Tochter von Johann und Maria wurde eine der Ehefrauen Heinrich VIII. v. Engl. 53 Clemen, a. a. O. , Burg, S. 43. 22 Kirche völlig ein. Noch im 17. Jahrhundert errichtete man auf den verbliebenen Resten die Außen-mauern neu und übernahm dabei die äußere Hülle des romanischen Vorgängerbaus, aus dem sich im Inneren 16,70 m für die Länge, 8,50 m für die Breite und 7,70 m Raumhöhe ergeben. Der Wiederaufbau geschah in den einfachsten Formen, wobei neben einer wesentlichen Änderung der Fenstergestaltung die Kirche im Inneren zwischen Klerikern und Gemeinde geteilt wurde. In der da-mals eingebauten Trennwand befanden sich unten ein großer Durchgangsbogen und darüber ein Ni-schenbogen mit nach Osten weisender Empore, auf der die Orgel eingebaut war (Abb.10). Der Orga-nist erreichte die Empore vom Oberstock des Sakristeianbaus. Vermutlich ließen die Johanniter zu dieser Zeit in den neu geschaffenen Chorraum die Bogenstellungen mit den romanischen Säulen ein-bauen. Der auf der Zeichnung von Ploennies 1715 sichtbare Dachreiter dürfte ebenfalls aus der Wie-deraufbauphase des späten 17. Jahrhunderts stammen. Er wurde 1771 durch den größeren Turm über der Apsis ersetzt und später mit einem zweistimmigen Geläut ausgerüstet: einer Glocke von Petit, gegossen 1790 und der sogenannten Malteserglocke von 1799, die 1887 wegen Beschädigung umge-gossen wurde. Seit dieser Zeit sind von den Johannitern nur noch geringfügige, bzw. keine Erhal-tungsarbeiten an der Kirche durchgeführt worden. Die Gemeinde, die völlig mittellos dem Verfall nicht Einhalt gebieten konnte, wandte sich an die Landesregierung, die 1801/02 eine Renovierung durchführen ließ. Dabei wurde der nördliche spätgotische Anbau abgebrochen und durch eine kleine Sakristei ersetzt. Im Inneren entfernte man die Chorwand und erneuerte Dach, Fenster und Kirchen-raum. 1803 wurde nach Auflösung der Kommende die Kirche der Gemeinde übergeben. Der Pfarrer erbat sich 1804 von der Regierung einen Bildaltar aus dem Kloster Altenberg, ein barockes Kunstwerk, das bis 1964 in der Kirche blieb (Abb. 12). Ansonsten unterblieb im 19. Jahrhundert fast jede Erneuerung, obwohl Clemen und Fischer diese mit Hinweis auf die romanischen Säulen gern durchgesetzt hätten.54 Erst 1909 erfolgte eine gründliche Erneuerung der Kirche, bei der sowohl innen als auch außen der Putz erneuert wurde, sich aber ansonsten keine großen Veränderungen ergaben. Vermutlich musste im Zweiten Weltkrieg die jüngere Glocke von 1887 abgegeben werden, die nicht wieder ersetzt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind über mehrere Jahre umfangreiche Sanierungen durchgeführt wor-den. 1959 erbaute man die jetzige Sakristei an der Südseite der Kirche, der einfache Anbau auf der Nordseite wurde abgerissen. Ab 1960 wurde bei Trockenlegung des Gebäudes der gesamte Außenputz abgeschlagen und erneuert, die Kirche im Inneren instand gesetzt und nach den Vorstellungen des II. Vatikanischen Konzils eingerichtet. Von der relativ einheitlichen barocken Ausstattung sind damals sowohl die Kommunionbank als auch die Kanzel entfernt und vermutlich zerstört worden. Das aus Altenberg stammende Altarretabel mit einem Kreuzigungsgemälde nach der Art des van Dyck, der bis dahin 160 Jahre in der Apsis stand, wurde ebenfalls aus der Kirche genommen.55 Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Johanniterkirche Abgesehen von der schmuckvollen Gestaltung des östlichen Kirchenraums mit der romanisch erschei-nenden Arkadengliederung ist in der Martinskirche von einstiger spätromanischer Harmonie oder ei-nem mittelalterlichen Flair nichts mehr zu spüren. Selbst die barocke Gestaltung, die mit dem Wieder-aufbau vorgenommen wurde, ist inzwischen weitgehend zurückgenommen worden. Die Ansicht des einfachen Saales entspricht dem Eindruck, den wir von anderen Kirchenräumen aus der nachreforma-torischen Zeit haben. In der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts wurden fast alle ländlichen Kirchen als Saalbauten errichtet. Dabei treffen wir vor allem in evangelischen Kirchen auf umfangreiche Empo-reneinbauten, die reichlichen Platz für die Besucher des Predigtgottesdienstes bereitstellen. In Burg ist aber neben der Chorwand nur die heute noch vorhandene Westempore errichtet worden, der übrige Raum blieb von Einbauten frei. 54 Paul Clemen, Schreiben vom 11.2.1908 an die Regierung. In: Archiv des Erzbistums Köln, Akten des Pfarrar-chivs von St. Martinus zu Burg an der Wupper, 123 ( AEK PfA. Burg.) 55 Die Angabe Killings, der Altar sei in die ev. Kreuzkirche in Düsseldorf gekommen, ist nicht richtig. 23 Bei der Frage, ob der heutige Kirchensaal in dieser Form als mittelalterlicher Innenraum vorzustellen ist, muss zunächst auf Kubach und Verbeek verwiesen werden. In ihrem Werk „Romanische Baukunst an Rhein und Maas - Katalog der vorromanischen und romanischen Denkmäler“ wird auf den Seiten 167-168 die kath. Pfarrkirche St. Martin, ehem. St. Johann genannt und zum Vergleich auf St. Katha-rina in Blankenberg / Sieg verwiesen: „Ein ähnlicher flachgedeckter Saalbau von 9,6 X 16 m Weite Abb. 13: Schloss Burg, Ansicht von Nordosten mit St. Martinskirche. Zeichnung von Stahl 1908 Archiv des Schlossbauvereins mit eingezogenem gewölbten Chor entstand 1246/48 in Blankenberg an der Sieg als Nonnenkloster und Pfarrkirche.“ Kubach und Verbeek bringen uns mit diesem Hinweis einer Lösung aber nicht nä-her, denn G. Dehio erklärt schon 1967 im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler - Das Rheinland auf S. 232, dass auch ... „das einschiffige flachgedeckte Langhaus (der Katharinenkirche in Blanken-berg) nach Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg 1686 weitgehend erneuert worden ist.“ 24 Abb. 14: Grundrisse von Ritterordenskirchen um 1220. Links: die Kirche der Deutschherren von Ramersdorf, rechts: die Johanniterkirche von Nieder-Weisel in Hessen. Zeichnungen maßstäblich angenähert Es entstanden sowohl in Blankenberg als auch in Burg barockzeitliche Saalbauten des 17. Jahrhun-derts, womit eine realistische Einschätzung des Ursprünglichen dieser Kirchenräume von Kubach und Verbeek nicht gegeben ist. Die frühen romanischen Basiliken des 12. Jahrhunderts weisen zwar flach gedeckte Mittelschiffe von großer Breite auf, werden aber durch die Hochschiffswände und durch die Öffnungen der Seitenschiffe zu harmonischen Einheiten gegliedert. Daneben sind kleine Saalkirchen erhalten geblieben, die aber wie in Refrath wesentlich älter sind und mit den romanischen Kirchen des ausgehenden 12. und des beginnenden 13. Jahrhunderts wenig gemein haben. In dieser Zeit wurden Kirchenräume fast ausnahmslos eingewölbt, wobei besonders die Spätromanik große Bogenspannwei-ten umging, um daraus resultierende niedrige und gedrungen erscheinende Räume zu vermeiden. Die Lösung war dabei immer der mehrschiffige Kirchenraum, insbesondere die mehrschiffige Halle, die uns aus der Zeit des Übergangs von der Romanik zur Gotik begegnet. Kreist man die Zahl der infrage kommenden Kirchenbauten enger ein, geben weder Schloss Burg noch die Reste anderer Johanniterniederlassungen im westlichen Deutschland Auskunft über ursprüngliche Anlagen für Krankenpflege und Seelsorge. Obwohl die gewaltigen Festungen des Ordens in Palästina (Krak de Chevalier / Syrien), auf Kos, Rhodos und später auf Malta von einer regen und ausgeklügel-ten Bautätigkeit der Johanniter zeugen, ist von einer speziellen Baukunst des Ordens wenig bekannt. In Deutschland haben sich aber Kirchenräume der Johanniter und der ebenfalls mit Krankenpflege befassten Deutschherren erhalten, die bestimmte Baugewohnheiten dieser Orden erkennen lassen. Dabei ist aber nicht an die nach dem Dreißigjährigen Krieg neu gestalteten barocken Saalbauten der Johanniter zu denken, wie sie in Herrenstrunden, Borken, Herford und Steinfurt-Burgsteinfurt erhalten sind. Ebenso wie die Johanniterkirche von Burg oder die Katharinenkirche in Blankenberg haben die genannten Ordenskirchen vereinfachende Umbauten erfahren, die kaum noch ihre ursprüngliche Bau-gestalt erahnen lassen. Eine Ausnahme bildet die um 1310 erbaute einschiffige Kirche der Kommende von Marienhagen, einem noch ganz erhaltenen gewölbten frühgotischen Saalbau mit Apsis. 25 Bei der Suche nach älteren Kirchen, die in ihrer Konzeption dem Grundriss der Burger Ordenskirche nahe kommen, bietet sich unter wenigen Vergleichsbeispielen die Johanniterkirche in Nieder-Weisel in Hessen an,56 die um 1200 durch Stiftungen des Grafen Kuno I. von Münzenberg errichtet wurde. Auch die Kapelle der Deutschordenskommende Ramersdorf am Rhein, die 1846 auf den Alten Fried-hof in Bonn übertragen wurde und so der Vernichtung entging, zeigt bestimmte Merkmale einer Hos-pitaliterkirche (Abb. 14). 57 Während die Pfarr- und Klosterkirchen des 12. Jahrhunderts zumeist dem basilikalen Raummuster folgen, sind die genannten Ordenskirchen nach 1200 als „moderne“ weite Gewölbehallen gebaut wor-den. Wahrscheinlich ließen sich Johanniter und Deutschherren als Pflegeorden von der Praxis leiten, ihre Kirchenhallen neben der Nutzung als Gottesdienstraum jederzeit auch als Lazarett gebrauchen zu können. Nach ihren Erfahrungen aus den Kreuzzügen war eine feste Unterbringung zur Pflege von Verwundeten und Kranken wichtig. Diese Unternehmungen, wie auch andere Kriegszüge im Heimat-land waren oft mit hohem Blutzoll oder völliger Erschöpfung der Teilnehmer verbunden; deshalb kam es auf die mögliche Genesung jedes Mannes an, weil er zur Machterhaltung des jeweiligen Landes-herrn gebraucht wurde. Zu früher Zeit waren die Kirchenräume nicht bestuhlt, man nahm stehend an der zumeist kurzen heili-gen Messe teil. Die Kirchen waren also leer, so dass jederzeit eine Umnutzug als Krankensaal erfolgen konnte. Die Johanniterkirche von Nieder-Weisel zeichnet sich außerdem durch ihre Doppelstöckigkeit aus; denn bei ihr ist ein weiterer Krankensaal über dem Kircheraum angelegt.58 Obwohl auch dieser Abb. 15: Schloss Burg, Grundriss und Querschnitt durch die Martinskirche von Fischer. Zeichnung aus: Clemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 1894. über eine eigene Altarapsis verfügt, sind beide Räume durch eine Öffnung im Zwischengewölbe ver-bunden. Die zu Pflegenden konnten also akustisch an allen Messen und Chorgesängen im Haus teil-nehmen. Sie sollten von ihrem Lager aus die Feier der Messe verfolgen, da den Johannitern die Gene-sung an Leib und Seele galt. Dies ist der Grund für die Anlage einer relativ flachen Altarapsis in den Johanniterkirchen, die ohne Chorraum direkt an das Kirchenschiff anschließen. Die Kirchen von Nie-der- Weisel und Ramersdorf zeigen wenig tiefe, allseits gut einsehbare Apsiden, in denen die Altäre direkt unter dem Apsisbogen stehen. Dieses Prinzip ist auch in der unverändert gebliebenen frühgoti- 56 Hinweis auf Nieder Weisel erstmals bei Johannes Fahmüller, Die katholische Pfarrkirche St. Martin in Solin-gen- Schloss Burg in: Romerike Berge Heft 1, 1998, S. 10. 57 Versetzung durch Johann Claudius v. Lassaulx, rheinischer Baumeister, * 1781 †1848 in Koblenz. 58 Der Bau von Nieder-Weisel blieb um 1200 unvollendet, da der Stifter Kuno I. starb. Den oberen Krankensaal bauten die Johanniter auf eigene Kosten erst um 1550 aus. 26 schen Kirche in Marienhagen nachzuvollziehen, wo die polygonale Apsis ohne Chor unmittelbar am Kirchenschiff steht. Auch in Burg ist eine kurze, gut einsehbare Apsis vorhanden und der Altar deutlich in Richtung der Gemeinschaft der Betenden gerückt. Zudem versinnbildlichte das Armutsideal der Johanniter, wie auch ihr gemeinschaftliches Zusammenleben unter anderem darin, dass im Inneren der Kirche auf eine bauliche Unterscheidung zwischen Priester und Laienraum verzichtet wurde.59 Ein mit Schranken abgeschlossener Mönchschor, wie er bei Benediktinern und Zisterziensern im Mittelalter vorgeschrie-ben und üblich war, ist in einer frühen Johanniterkirche nicht anzutreffen. Deshalb können wir davon ausgehen, dass auch in Burg die ursprüngliche Ordenskirche keinen Klerikerchor besaß. Erst beim Wiederaufbau nach 1648 setzten sich die Ordensherren durch den Bau der Trennwand vom übrigen Kirchenvolk ab (Abb. 10). Eine hervortretende Eigenheit der Kreuzritter-Ordensbauten ist auf der einen Seite der Verzicht auf überflüssige Bauzier, andererseits aber die Verpflichtung zu einer soliden Bauweise. Dazu gehört die Gewohnheit, Kirchen, Versammlungsräume und Unterkünfte der Ordensburgen möglichst mit steiner-nen Decken – also Gewölben – auszurüsten. Allgemein verbreitete sich seit der Mitte des 12. Jahrhun-derts zur Verminderung der Brandgefahr eine Einwölbung fast aller Kirchenräume, wodurch die be-deutende Langlebigkeit dieser Bauten erreicht wurde. Den Johannitern ging es darüber hinaus um ein gleichmäßiges Raumklima und die Voraussetzung für hygienisch saubere, von Ungeziefer freie Unter-künfte. Entsprechend dieser Maßstäbe sind auch die Kirchen Nieder-Weisel und Ramersdorf vollständig ein-gewölbt (Abb. 14). Nach der Baugewohnheit der Spätromanik um 1220 finden wir in beiden Sakral-räumen sogenannte Hängekuppeln, leichte kuppelige Gewölbe mit Rundbogengurten an allen Seiten der quadratischen Joche und aus konstruktiven Gründen an den Schmalseiten der rechteckigen Gewöl-bejoche den gedrückten Spitzbogen. Bei diesen Beispielen stellt sich natürlich die Frage, warum in der ehemaligen Johanniterkirche in Schloss Burg nur eine flache Holzbalkendecke vorhanden ist. Könnte auch diese Kirche eine Gewöl-bedecke besessen haben, bevor sie am Ende des Dreißigjährigen Krieges zerstört wurde? Leider fehlen darüber und wie lange sie als Ruine gestanden hat, die Nachrichten. Ebenso ist dem Ausmaß der Zer-störungen an der Kirche bislang nicht genau nachgegangen worden. Die Foto-Dokumentation des unverputzten Kirchenbaus Um ein Bild von den damaligen Schäden zu bekommen, bzw. die Reste der einstigen romanischen Kirche, die die Zerstörung von 1648 übergelassen hatte, erfassen zu können, stehen uns zwei Aussa-gen zur Verfügung. 1. Die Bauaufnahme von Gerhard August Fischer von 1890 mit ihren Angaben (Abb.15). 2. Eine fotografische Dokumentation der äußeren Kirchenmauern nach Entfernung des Verputzes im Jahr 1960 (Abb.16-21). Vermutlich war zurzeit der Bauaufnahme, die Fischer von der Kirche um 1890 vornahm, der äußere Kalkverputz soweit verwittert und abgefallen, dass die Mauerstruktur mit Baufugen und Materialun-terschieden größtenteils sichtbar wurde. Daraus schloss Fischer auf die mittelalterlichen Reste und zeichnete in seinen Grundriss auf der Südseite noch etwa 8,70 m romanisches Mauerwerk ein sowie an der Nordseite 7,70 m. Auch Ostwand und Apsis sind von ihm als mittelalterlich gekennzeichnet wor-den. Das Mauerwerk des gesamten Westteils der Kirche schrieb er dem Wiederaufbau des 17 Jahrhun-derts zu. Fischer machte neben Zeichnungen von Grund- und Aufriss auch eine Textbeschreibung der Kirche, die dann in Paul Clemens „Bau- und Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“ wiedergegeben wur-den. Nach Fischers Angaben blieb 1648 auch die romanische Bogenstellung in Chor und Apsis erhal- 59 Scheurmann / Hoffmann, Sakralbauten – Förderprojekte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2001, S. 128. 27 ten. Die Kunsthistoriker60 folgen heute dieser Vorstellung aber nicht mehr, deshalb muss die Frage nach der Herkunft der kleinen Säulen in der Wandarkatur gesondert behandelt werden. Die Fotografien des unverputzten Kirchengebäudes, die man 1960 bei den Sanierungsarbeiten anfer-tigte, werden sowohl im veröffentlichten Aufsatz über die Martinuskirche von Johannes Fahmüller aus dem Jahr 1998 als auch 2006 im Kirchenführer des Burger Gemeindemitglieds Robert Killing er-wähnt. Beide nennen als Quelle Kubach und Verbeek, denen bei der Erstellung ihres Werkes „Roma-nische Baukunst an Rhein und Maas“ von 1976 wohl ebenfalls die betreffenden Fotografien aus dem Archiv des Rheinischen Denkmalamts bzw. des damaligen Staatl. Hochbauamts zur Auswertung vor-lagen. Während der langjährigen Instandsetzung der Kirche, wobei auch die neue Sakristei auf der Südseite angebaut wurde, war 1960 der gesamte Außenputz eine zeitlang entfernt worden. Nach Angaben Fahmüllers und Killings erwogen Pfarrer und Gemeinde, die Kirche der romantischen Steinsichtigkeit der Burg anzupassen, um sie optisch besser in das mittelalterlich erscheinende Gesamtbild einzubinden. Das Flickwerk aus Bruchsteinen, Tuff und Ziegeln ließ sie aber von dem Vorhaben Abstand nehmen und die Kirche kam wieder unter Putz. Killing berichtet in seinem Kirchenführer, eine teilweise Er-neuerung des Verputzes erfolgte wegen aufsteigender Feuchtigkeit im Sockelbereich noch einmal anlässlich der Renovierung 1999/2000.61 Kubach und Verbeek erwähnen, dass 1960 nach Freilegung der Mauern eine Beobachtung des Mau-erwerks durchgeführt wurde, jedoch ohne genaues Aufmaß, eine Bodenuntersuchung sei nicht durch-geführt worden. Sie betonen, die von Fischer entdeckten nicht genau gegenüberliegenden vertikalen Baufugen begrenzen nicht einen älteren Ostteil, sondern nur einen Abschnitt der Erneuerung. Diese Einschätzung fußte auf der Beobachtung, dass beim Durchbruch des Zugangs zur neuen Sakristei an der Südseite des Chors im Mauerwerk alte Tuffsteine mit anhaftendem Wandputz wieder verwendet waren. Demgegenüber schreiben sie, dass die Laibungen der beiden Rundbogenfenster an der Südseite Abb. 16: Schloss Burg, Martinuskirche von Südwest. Aufnahme: Pfarrarchiv St. Martin, Burg um 1960 60 Kubach/Verbeek, a. a. O. S. 168; auch Johannes Fahmüller, a. a. O. S. 4. 61 Robert Killing, Die St. Martinuskirche in Burg a. d. Wupper, Burg 2006. S. 7. 28 über dem Sakristeizugang, ebenso wie an der östlichen Chorwand nachträglich erweitert (kenntlich an den kurzen Bogensteinen) und nach unten verlängert worden sind.62 Die Angaben Kubach und Verbeeks scheinen sich hier zu widersprechen; denn die nachträgliche Er-weiterung der Fenster im Chorteil weist auf das von Fischer beschriebene ältere Mauerwerk an dieser Stelle. Der Fund wieder verwendeter Steine beim Durchbruch darunter kann auf partielle Reparatur des beschädigten Mauerwerks zurückzuführen sein. Fahmüller geht wie Fischer davon aus, dass die östlichen Bauteile des Schiffes offensichtlich noch zum mittelalterlichen Bestand gehören.63 Mit Ein-schränkung schließen sich auch die Verfasser dieser Ansicht an; denn die Plätze der Rundbogenfenster im südöstlichen Mauerteil folgen einer anderen Regel als alle übrigen Fensterachsen. Wie sich später ergeben wird, sind sie mit dem einstigen Südportal aufschlussreich für die gesamte ursprüngliche Durchfensterung des ehemals romanischen Kirchengebäudes. Die Südwand (Abb.16) Die drei wesentlich größeren spitzbogigen Fenster im westlichen Teil der Südwand und ihre Gegen-stücke auf der Nordwand sind tatsächlich ein Ergebnis des Wiederaufbaus nach 1648. Die vorliegende Fotografie der Südseite zeigt eindeutig die Situation, die sich damals ergeben hat. Auf der Fläche der drei Fenster muss sich eine große Bresche im Mauerwerk befunden haben, die anscheinend durch ei-nen Kanonentreffer aus unmittelbarer Nähe hervorgerufen worden war. Das Geschoss drückte die Wand nicht nur nach innen, sondern flog durch den Kirchenraum um dann die Nordwand in noch grö-ßerer Breite nach außen zu werfen. Deutlich ist auf dem Foto zu sehen, wie altes Mauerwerk die Bre-sche umrahmt: Im unteren Bildbereich ist der ursprüngliche Sockel durchgehend aus Bruch- und Hau-steinen aufgemauert. Darüber ist in geringer ungleichmäßiger Höhe Mischmauerwerk aus Tuff und Hausteinen zu erkennen, dass sowohl nach Osten wie nach Westen ansteigt, also andeutungsweise eine Rundung erkennen lässt, wie sie bei einer Bresche durch einen Geschosstreffer hervorgerufen wird. Diese Lücke ist insgesamt mit fast einheitlich großen Tuffsteinen und dem Einbau der drei gro-ßen Fenster wieder geschlossen worden. Rechts im Bild ist im alten Mauerwerk eine ehemalige Rund-bogenpforte mit romanischen Bogensteinen und Gewände aus Trachyt zu erkennen. Das kleine Portal liegt in der Mitte der Südwand und ist mit Tuffsteinen vermauert worden, ein Zeichen, das dieses nach 1648 geschehen ist. Darüber steigt die benannte Baufuge, die den östlichen noch mittelalterlichen Mauerteil markiert, bis auf die Höhe der Fensterkämpfer um sich dann nach rechts unserem Blick zu entziehen. Bemerkenswert ist aber der Zustand auf der westlichen Seite der Bresche. Weder von Fischer und Clemen noch von Kubach und Verbeek ist vermerkt worden, dass die Westwand ebenfalls als romani-sches Mauerwerk erhalten blieb. Die Südwestecke des Gebäudes besteht noch vollständig aus Trachytquadern, die zur Süd- und Westwand umgreifen. Daran schließt sich das Mischmauerwerk aus Tuff und großen Trachytsteinen teilweise bis zur Leibung des ersten Fensters an. Zur Westseite hin ist also im Gegensatz zu allen bisherigen Beschreibungen viel romanische Substanz erhalten geblieben. Vermutlich ging die Wucht des Geschosses beim Einschlag parallel zur Westwand, die zwar extrem durchgeschüttelt wurde, aber insgesamt stehen blieb. Die vorgebaute etwa ein Meter dicke Verstär-kung aus Tuffstein zeigt, dass ihre Standfestigkeit danach gesichert werden musste. Die Westseite (Abb.17) Auch das Foto der westlichen Kirchenseite bestätigt, dass es sich um romanisches Mauerwerk handelt. Es besteht hier fast vollständig aus Tuffstein und ist mit einer Kalkschlämme bedeckt, die selbst beim Abschlagen der Putzschicht haften blieb. Das Foto erfasst die Front- und Giebelfläche oberhalb der mit einem verschieferten Pultdach versehenen Mauerverstärkung, die nach 1648 vorgesetzt wurde. Der sichtbare mittlere Wandabschnitt ist stärker aufgebaut und in dieser Form in den kurzen linken Giebel-abschnitt hochgeführt. Die übrige Giebelfläche tritt um gut eine Steinstärke zurück, was aber auch für die untere rechte Wandseite zutrifft. Durch eine senkrechte unregelmäßige Abarbeitung ist der Über-gang zur Reduzierung der Wand hier kaum erkennbar, wird aber rechts unten im Bild durch das sich verbreiternde Schieferdach deutlich. Die Oberkante des dickeren Mauerbereichs ist mit einem einge-lassenen Holzbalken als Traufe abgedeckt worden. Die erkennbar unterschiedlichen Mauerstärken der Westwand sind von Fischer im Grundriss seiner Bauaufnahme mit einer gestrichelten Linie dokumen-tiert, aber nicht weiter kommentiert worden (Abb.15). 62 Kubach/Verbeek, a. a. O. S. 168. 63 Fahmüller, a. a. O. S. 3. 29 Der Grund der Bauweise erschließt sich erst bei genauerer Betrachtung, da die Putzmörtelschlämmung fast vollständig alle Bauspuren verwischt. Kaum erkennbar sind auf der Wand zwei große nebenei-nander liegende Rundbogen angeordnet, die romanischen Ursprungs sind. Sie sind beim Wiederaufbau zur Festigung der Wandstruktur zugemauert worden; denn die einst sehr prägnante Mauerwerksgliede-rung ist bereits auf der Ploennies-Zeichnung von Schloss Burg nicht mehr zu sehen. Die Größe der Bögen lässt weder auf Fenster noch auf Portale schließen; denn diese sind in der Romanik wesentlich kleiner ausgeführt worden. Die Annahme Killings, der zurückgehend auf den Bericht Rudolf Roths erwähnt,64 dass sich hier ein oberer Zugang in die Kirche befunden haben soll, bestätigt sich dadurch nicht. Eine Tür, die man über eine Brücke vom Pfarrhaus erreichen konnte, ist nicht möglich, da das Pultdach der unteren Mauerverstärkung viel zu weit hinaufreicht. Auch die Vorstellung, die Bögen könnten als Emporenöffnungen zum Kircheninneren gedient haben, führt ins Leere. Dafür hätte ein westlicher Anbau vorhanden sein müssen, der nicht nur optisch schwer vorstellbar ist, sondern auch der üblichen Bauweise der Hospitalbrüder widersprochen hätte. Entscheidend ist aber, dass die Bögen für eine Durchgängigkeit zum Kirchenraum viel zu hoch in die Wand gesetzt worden sind. Die Verfasser sehen hier zwei ursprünglich freiliegende romanische Blendbögen, die die Wand ver-stärkend architektonisch aufgliederten. Die Westseite war mit dem Hauptportal auch die Schauseite des sonst sehr schlichten Kirchengebäudes, dem damit ein repräsentatives Aussehen verliehen wurde. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich in jedem der beiden Blendbogenflächen ein Rundbogenfens-ter befand.65 Dazu berichtet Rudolf Roth, bei der Erneuerung des Innenputzes seien oben an der inne-ren Westwand zwei Rundbogentüröffnungen sichtbar geworden.66 Was man 1909 als Türen annahm, waren nach Meinung der Verfasser aber ehemalige Fensteröffnungen nach Westen. Abb. 17: Schloss Burg, Westgiebel der Martinuskirche um 1960. Im romanischen Mauerwerk sind oben rechts ein ehemaliger Zugang und unterhalb des Balkens zwei zugesetzte Blendbögen zu erkennen, rechts ist ungleichmäßig abgearbeitetes Mauerwerk. Aufnahme: Pfarrarchiv St. Martin 64 Rudolf Roth, Schloss Burg an der Wupper, seine Geschichte und Entwicklung chronologisch geschildert.“ Burg an der Wupper 1922. Robert Killing, Die St. Martinskirche in Burg a. d. Wupper, Solingen-Burg 2006, o. S. 65 Nachweis von Fenstern an diesen Stellen durch die Abnahme eines Putzstreifens im Inneren. 66 Rudolf Roth, a. a. O. S. 86. 30 Abb. 18: Schloss Burg, St. Martinuskirche, hier der oben rechts am Westgiebel sichtbare vermauerte Durchgang, im Inneren des Westgiebels. Aufnahme der Verfasser 2010 Mit dieser Fassadengliederung steht die Burger Johanneskirche aber nicht allein. Zum Vergleich bietet sich am Westteil der Stiftskirche in Gräfrath ähnliches Mauerwerk mit großen Rundbogenblenden und eingesetzten Fenstern an. Gräfrath erfuhr zu Beginn des 13. Jahrhunderts – also zur Bauzeit in Burg - seine Vollendung. Bemerkenswert ist, dass ähnlich wie in Burg auch in Gräfrath für das Westportal ein Türsturz in Trapezform geschaffen wurde. Die Frage eines Anbaus an der Westseite stellt sich aber bei der rechts oben im Giebel erkennbaren vermauerten kleineren Öffnung. Diese ist heute im Inneren als Segmentbogennische zu sehen, eine ehemalige Tür, durch die man anscheinend von außen den Dachraum erreichen konnte (Abb.18). Da die Öffnung heute 1,65 X 0,80 misst, könnte die Schwelle dieses Zugangs ursprünglich niedriger gele-gen haben, was aber nur bei einer gewölbten Kirche möglich war. Zur Erbauungszeit hat man zumeist Im Inneren der Kirche eine Treppe zum Dach vermieden, um die Einheit des Kirchenraums, wie auch das betreffende Jochgewölbe nicht zu stören. Deshalb sind seit der Spätromanik bis zur Spätgotik vielerorts schlanke runde oder achteckige Türme mit einer Spindel- oder Wendeltreppe außen an die Gebäude angebaut worden, deren unterer Eingang vom Kirchenraum aus erfolgte (Abb.22-24). Nach-vollziehbar ist dies, wenn man sich die heute im Inneren der Martinskirche befindliche moderne Wen-deltreppe auf der Außenseite vorstellt. Demnach stand vor der südlichen Westwand ein Treppenturm, dessen vermauerter Eingang sich im Inneren der Kirche in der Westwand noch nachweisen lassen müsste. Über die Wendeltreppe stieg man nach oben und gelangte durch die heute noch sichtbare Tür in den Dachraum. Ein in die Westwand eingegliederter Treppenturm erklärt nicht nur die geringe Wandstärke in diesem Bereich, auch die erwähnte senkrechte Abarbeitung des äußeren Mauerwerks ließe sich auf die einstige Verbindung mit einem solch schmalen hochstrebenden Anbau zurückführen. Der Treppenturm stützte die Westwand wie ein Rückgrat und nahm als Gegenpart zur Apsis die Längsschubkraft der Gewölbe auf. Vermutlich hat der stützende Bauteil die Westwand beim Beschuss 1648 zunächst vor dem Einsturz bewahrt, ist dann aber wohl selbst zerstört worden. Der Bau eines Treppenturms machte es notwendig, das Hauptportal auf der nördlichen Seite der Westwand anzulegen. Entsprechend sind sowohl die Mittelachsen der Treppenturmzugänge im Kir-chenraum wie am Dachboden, als auch die Mittelachse des ehemaligen Portals 2,20 m von der Mitte der Kirche angelegt worden. Es waren nicht nur ausgeglichene Proportionen auf der Westschauseite zu schaffen, sondern auch die Architektur der Kirchenhalle machte einen seitlich versetzten Zugang er- 31 forderlich.67 Erst nach dem Wiederaufbau zur einfachen Saalkirche und dem Bau der unteren West-wandverstärkung schloss man diesen Zugang und gestaltete ihn anfangs zu einer Nische für das Tauf-becken um, während ein neues Portal mittig eingebrochen wurde. Seine Rundrahmung aus Tuffstein fasst einen Türsturz aus Trachyt ein, der zweifellos versetzt worden ist (Abb.11). Ein zweiter Sturz soll im Boden vor der Türschwelle verlegt worden sein.68 Ein weiteres, bisher nicht beachtetes Indiz für die mittelalterliche Westwand findet sich auf der Innen-seite des Giebels auf dem Dachboden. Der Innengiebel zeigt eine waagerechte und zwei seitlich be-findliche senkrechte Nuten zur Aufnahme des Balkenwerks vom früheren Dachstuhl. Der Giebel be-fand sich nicht wie heute unter der Dachhaut, sondern stand ehemals mit der Mauerkrone frei. Bei dieser romanischen Bauweise wird das Dachwerk innen am Giebel verankert, um vom Winddruck nicht verschoben und an der Anschlusskehle undicht zu werden. Aus den Nuten innerhalb der Giebel-mauer lässt sich auch das Gebinde des mittelalterlichen Dachstuhls ablesen. Im Gegensatz zum heuti-gen Hängewerk für die freitragende Balkendecke des Kirchenschiffs fehlte im romanischen Dach die mittlere Hängesäule. Die große Nut in der Mitte des Giebels zur Aufnahme der Hängesäule mit den beiden Kopfbändern ist erst später aus der Wand herausgestemmt worden. Ein Hinweis, dass ehemals wohl keine Balkendecke im Kirchenschiff vorhanden war. Apsis und Ostwand (Abb.19) Im Gegensatz zum Westgiebel sind unter dem Dach auf der östlichen Giebelwand die ursprünglich erforderlichen Nuten nicht zu sehen. Der Ostgiebel ist demnach am Ende des Dreißigjährigen Krieges zerstört und in glatter Form wiederaufgebaut worden. Dabei ist im unteren Bereich des Giebels eine niedrige Öffnung als Zugang zum ehemaligen Dachraum der Apsis gelassen worden. Damals war die dreiseitige Apsis noch mit einem Kegel- oder Zeltdach versehen. Die dritte Fotografie, aus nordöstli-cher Richtung aufgenommen, zeigt Einzelheiten der Apsis sowie der Ostwand mit ihrer Ecke zur Nordseite im unverputzten Zustand. Auf der rechten Seite steht noch die frühere Sakristei als verschie-ferter Anbau mit einem Pultdach, die in Fachwerkbauweise aus dem Jahr 1801 der schlichte Nachfol-ger des einstigen spätgotischen Sakristeibaus aus der Zeit um 1500 war. Dieser hatte auf der abge-wandten Nordseite die Beschießung überstanden; denn auf der Zeichnung von Ploennies von 1715 ist er noch zu sehen. Möglicherweise ist auf seine stützende Wirkung die Erhaltung der östlichen Umfas-sungsmauern des Kirchenschiffs zurückzuführen. Die Fotografie zeigt, dass auch der nordöstliche Teil der Kirche ganz aus Tuffstein erstellt worden ist. Die an der Ecke des Kirchenschiffs aufeinander gesetzten Quader, die bereits in Höhe des Fensterbo- 67 Dazu weiter unten zum Inneren der Kirche. 68 Kubach / Verbeek a. a. O. S. 168. 32 Abb. 19: Schloss Burg, St. Martinuskirche von Nordost um 1960. Aufnahme: Pfarrarchiv St. Martin. gens enden, lassen noch mittelalterliches Mauerwerk erkennen. Das bestätigt uns auch das Fenster der Stirnwand; denn es gehört zu jenen Öffnungen, die nach Angaben Kubach und Verbeeks nachträglich erweitert wurden. Erkenntlich ist dieses an den abgearbeiteten kurzen Bogensteinen; denn aus stati-schen Gründen wurde ursprünglich mit hochkant vermauerten Tuffsteinen eingewölbt. Rein optisch trifft dies zwar auch für das einzige Fenster auf der Ostseite der Apsis zu, doch hier ist erkennbar, dass die Öffnung nach barocker Bauweise noch wesentlich breiter angelegt ist. Die einst vorhandene Verglasung ging nach Angaben Killings bei einem Bombenangriff am 4.11.1944 zu Bruch, worauf es zugemauert wurde.69 Die äußere Apsis besteht aus einer glatten, einheitlich ansatz-losen Tuffmauerung mit Gerüstlöchern, die ebenfalls an der ehemaligen Bresche in der Südseite anzu-treffen sind. Diese Kriterien weisen im Gegensatz zu Fischers Bauforschung auf einen vollständig neuen Aufbau des Altarraums hin. Wäre er – wie Fischer vermutet – noch der Romanik zuzurechnen, so hätte er als dreiseitiger Baukörper auf jeder Seite die Spuren eines ehemaligen Fensters aufweisen müssen. Die polygonale Form der Apsis geht in einen steinernen Sockel des viereckigen Turmschafts über, der dann als verschieferter Fachwerkbau hochgeführt ist. Auffallend ist der auf den Tuffmauern der Apsis gemauerte Turmschaft aus Bruchsteinen, ein Anzeichen dafür, dass zur Zeit der Aufrichtung des Turms um 1771 Tuffmaterial in Burg nicht mehr verfügbar war. 69 Robert Killing, Die St. Martinuskirche. 33 Abb. 20: Schloss Burg, St. Martinuskirche, Blick in das Apsisgewölbe des 17. Jahrhunderts Unten: die darin als Gewölbekonsolen eingebauten romanischen Kapitelle. Aufnahmen der Verfasser 2010 Die neu errichtete Apsis und die nur noch im unteren Teil vorhandenen Trachytquader an der Nordost-ecke, sowie die fehlenden Balkennuten im inneren Giebel lassen vermuten, dass auch dieser Teil der Kirche beim Vernichtungswerk 1648 erheblich beschädigt wurde. Zudem hat man beim Wiederaufbau auf die traditionell übliche, symbolhafte Dreifensterordnung für den Altar verzichtet, um nach den Vorstellungen der Barockzeit ein einziges großes Ostfenster zu realisieren. Im Inneren wurde die Ap-sis dagegen nach alter Vorschrift zur Gestaltung des Allerheiligsten wieder eingewölbt. Doch das Ap-sisgewölbe in Form eines flachen Kreuzgratgewölbes lässt vermuten, dass die Kenntnis über die ur-sprünglich richtige Gestaltung mit einem Halbgewölbe oder einer Kalotte, nicht mehr vorhanden war.70 Die Maurer verarbeiteten beim Wiederaufbau vier kleinere Kapitelle zu Gewölbekonsolen (Abb. 20). Offensichtlich hatten diese romanischen Werkteile einst eine andere Funktion. Ihre Unter-seiten zeigen viereckige Zapfen, die als Anschluss für einen Wanddienst gedacht waren. Gesamtaufnahme von Nordosten (Abb.21) 70 Schon 1618 gab es nach zeitgenössischer Aussage im Rheinland keinen erfahrenen Architekten mehr, so dass z. B. die Jesuitenkirchen in Köln vom Elsässer Christof Wamser und in Bonn 1686 vom Graubündner Jacob de Candrea errichtet wurden. Roland Günter, Kunstreiseführer Rheinland, Bindlach 1988, S. 51 und 76. 34 Eine weitere Fotografie von 1960 zeigt die Kirche als ganzes Objekt von Nordosten. Ihre Ansicht in hellem unverputztem Mauerwerk lässt darauf schließen, dass in Schloss Burg beide Sakralbauten des Erzbischofs Engelbert komplett aus Tuffstein gebaut waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird auch seine private Kapelle im Hochschloss, die 1648 ebenfalls zerstört wurde und vollständig verschwand, aus diesem relativ teuren Importmaterial gebaut worden sein. Der leichte bimsartige Stein ließ sich aufgrund seines einheitlichen Formats gut und schnell verarbeiten, eignete sich aber nicht als Sicht-mauerwerk, sondern musste verputzt werden. Wahrscheinlich wurden die Bauten dann mit einer ge- Abb. 21: Schloss Burg, St. Martinuskirche mit Pfarrhaus von Nordost. Aufnahme: Stadtarchiv Solingen 1960 malten Quaderung phantasievoll farbig gefasst und standen als leuchtende Heiligtümer im Gegensatz zu allen anderen Teilen der mittelalterlichen Festung, die in dunklem Bruchstein errichtet waren. Unklar bleibt zunächst, was bei der Zerstörung der Kirche im Inneren geschehen ist. Man kann davon ausgehen, dass mit den einfallenden Mauern auch die Balken des Dachwerks nachgestürzt sind, bzw. das Dach durch weitere Einschläge vollständig zerstört wurde. Damit einhergehend stürzte auch die Decke des Kirchenraums in voller Länge ein. Die heutige Dachkonstruktion ist ganz aus Nadelholz gebaut, enthält also keine mittelalterlichen Teile mehr, die zumeist aus Eichenholz erstellt waren. Im Gegensatz zur heutigen Deckengestaltung, bei der sich die Balken sichtbar aneinanderreihen, verklei-dete man beim Wiederaufbau die Deckenkonstruktion mit einem barocken Spiegelgewölbe aus Holz-leisten und Gipsverputz. Auf einer Innenansicht der Kirche mit dem barocken Hauptaltar und den im Stil angenäherten Seitenaltären ist diese Deckengestaltung noch zu sehen (Abb.12). Ein Spiegelge-wölbe war zeitgemäß und trug zur Einheitlichkeit des barocken Kirchenraums bei, was aber später wohl nicht mehr so gesehen wurde. Leider ist es bei einer der jüngeren Sanierungen entfernt worden. 35 Paderborn, St. Bartholomäuskapelle am Dom, zur Zeit Bischof Meinwerks um 1017 als operaios graecos von istrischen bzw. byzantinischen Werkleuten errichtet. Diese kleine Hallenkirche gibt uns eine Vorstellung, unter welchem Einfluss die Johanniter 200 Jahre später ihre Kirche in Schloss Burg erbaut haben. Abbildung von 1965 Rekonstruktion der romanischen Kirche (Abb.22-25) Die Verfasser haben das Ausmaß der Zerstörungen, bzw. die noch stehen gebliebenen mittelalterlichen Außenmauern der Kirche lokalisieren und beschreiben können. Das Kirchenschiff ist nach 1648 auf den Resten der noch stehenden Mauern wieder aufgebaut worden, wobei die ursprünglichen romani-schen Raummaße nicht verändert wurden und somit erhalten blieben. Die Abmessungen sowie die beiden am alten Platz befindlichen südöstlichen Fenster des Gebäudes sind Schlüssel zur Rekonstruk-tion der ehemals romanischen Kirche. Hier stellt sich die Frage, ob neben den Vergleichsbeispielen von Nieder-Weisel und Ramersdorf auch die Johanniterkirche in Schloss Burg eine Gewölbedecke besessen hat, bevor sie am Ende des Dreißigjährigen Krieges zerstört wurde. Der Kircheraum von Burg hat eine Abmessung von 8,50 m x 16,70 m, ist also innerhalb der üblichen Toleranzen doppelt so lang wie breit. Dieses Maßverhältnis erlaubt eine quadratische Einteilung der Kirchengrundfläche, die wiederum Vorraussetzung für den romanischen Gewölbebau ist. Man könnte die Fläche in zwei große Gewölbejoche einteilen, wie sie in den Mittelschiffen großer romanischer Basiliken oder auch in einschiffigen Landkirchen des 12./13. Jahrhunderts in Norddeutschland und im Weserraum anzutreffen sind. Doch diese weiten Konstruktionen erforderten ein massiges Außenmau-erwerk, um den sehr hohen Seitendruck der Gewölbe abzufangen. Zudem setzen bei einer einschiffi-gen Kirche so weit gespannte Gewölbe sehr tief an, was eine düstere und bedrückende Wirkung her-vorruft. In der Burger Johanniterkirche, die der Spätromanik zuzurechnen ist, dürften die Verhältnisse kleinteiliger und damit auch wesentlich eleganter angelegt gewesen sein. Zum Vergleich weisen die Baumuster von Nieder Weisel und Ramersdorf Gewölbejoche von etwa 4 X 4 m auf. Dieses Maß lässt sich unverändert auch auf Burg übertragen; denn die Innenabmessungen von 8,50 x 16,70 m, bzw. das Verhältnis von 1:2 ergibt eine Fläche, die man in acht gleichmäßige Quadrate zu ebenfalls 4 x 4 m einteilen kann. In der Praxis entsteht dabei ein zweischiffiger Hallenraum, in dessen Mittelachse drei Säulen oder Pfeiler stehen, die jeweils vier Gewölbejoche auf beiden Seiten stützen. Die zweischiffige Einwölbung schränkt die Höhe eines kleinen Kirchenraums kaum ein und übt relativ wenig Seiten-druck auf die Außenmauern aus. Entsprechend ist das Seitenmauerwerk der Johanniterkirche in Burg weniger als 100 cm stark. Nur die Ostwand ist aufgrund des großen Chorbogens mit ca. 110 cm etwas stabiler angelegt worden. Der in der Längsachse der Kirche zunehmende Schub der Gewölbe wurde im Osten von der Apsis aufgefangen, während im Westen der Treppenturm diese Stützfunktion über- 36 Abb.22 37 Tuffstein Tuff ist ein vulkanisches Gestein, mit relativ weicher und poröser Struktur. Aufgrund seiner geringen Härte lässt sich der Stein nach der Gewinnung problemlos mit einer Säge in gleichmäßige Formate zerteilen und bei der Verarbeitung am Bau mit dem Kellenschlag zurichten. In der Eifel am Mittel-rhein gewonnen und dort formatiert, wurden die Steine im Mittelalter mit Schiffen an ihre Einsatzorte bis nach Friesland und Holland gebracht, ehe ihn dort der vor Ort hergestellte Ziegelstein im 13. Jahr-hundert verdrängte. Das römische und romanische Köln und so gut wie alle romanischen Sakralbauten am Rhein sind aus Tuff errichtet worden. Bemerkenswert hat sich der sonst so weiche Stein als Bau-stoff großer Gebäude über Jahrhunderte bestens bewährt. Natürlich entsteht auch bei ihm Zerfall durch Verwitterung, so dass die meisten Kirchen längst eine neue Außenhaut bekommen haben. Vorteilhaft sind geringes Gewicht, eine gewisse Flexibilität, der ihn trotz seiner Weichheit zähe macht und seine Atmungsfähigkeit, aufgenommene Feuchtigkeit schnell wieder an die Außenluft abzugeben. Auf dem Dachboden der Martinuskirche gibt verbliebenes Tuffmaterial Aufschluss über die Maße der an der Kirche verwendeten Steine. Die Tuffsteine sind größer als die gängigen Ziegelmaße, dagegen aber wesentlich leichter. In der Regel entsprechen sie mit ca. 30 cm Länge, 15 cm Breite und 8-9 cm Höhe dem mittelalterlichen Fußmaß: 1 Fuß lang, ½ Fuß breit und bei ihrer Vermauerung ergeben 3 mit Mör-tel versetzte Schichten wiederum 1 Fuß. Die Bauleute hatten also ein leicht zu verarbeitendes Material zur Verfügung, das ihnen die Möglichkeit zu recht präzisem Bauen gab. Bei dieser Gelegenheit ergibt sich natürlich auch die Frage, wie das „Importmaterial“ Tuff vom Mittel-rhein nach Burg transportiert wurde. Zunächst wurden die Steine bei Neuwied auf Transportschiffe verladen und rheinabwärts bis zu den Landestellen der Bergischen Grafen gebracht. Über den Land-transport der schweren Lasten, die zumeist mit Ochsengespannen durchgeführt wurden, ist bei von Mehring, Geschichte der Burgen, 9. Heft, S. 76-7871 näheres zu erfahren. Dieser schreibt: Nach der gräflichen Residenz Burg führten früher von allen Orten viele sehr benutzte Wege, die teils noch unter den Namen Burgstraßen bekannt sind. So ging z. B. ein solcher Weg von der unteren Burg aus, der bis zur Instandstellung der Mülheim-Wermelskirchener Landstraße 1774/76 häufig befahren wurde. Er ist stellenweise noch unter dem Namen Burg- oder Kölnische Straße bekannt, bei dem Neu-enkotten setzte er durch die Wupper, lief dann an Strohn vorbei und neben der Wupper heran zur Mündung des Sengbaches. Von dort ging es über Herscheid, Weidenbach, Grünscheid nach Nagels-baum zur Hahner Straße. Dann führte der Weg bei Nonnenbruch vorbei nach Quettingen und weiter zwischen Opladen und Schaafstall auf die Landstraße. Bei Herscheid zweigte die durch das große Grünscheid nach Leichlingen führende Burgstraße ab. Der Weg war der geradeste von Burg nach Wiesdorf, das früher der Hauptsitz des Fruchthandels war und woher die Einwohner von Burg Rog-gen, Weizen usw. bezogen. 71 Aus der Zusammenstellung von Julius Günther, Heerwege und Verkehrsstraßen in alter Zeit, in: Die Heimat, Nr. 14, Solingen 1938. S.54. 38 Abb. 23 39 nahm. Wie die Vergleichskirchen von Ramersdorf und Niederweisel zeigen, mussten diese Bauten mit der Größenordnung der Gewölbejoche von 4 X 4 m auch später nicht mit Stütz- oder Strebepfeilern gesichert werden. Der in den Mauern der Johanniterkirche fast ausschließlich verwendete Tuff- oder Bimsstein kam auch für die Gewölbe zum Einsatz. Sein geringes Gewicht, das genormte, handliche Maß und seine Saugfähigkeit machten ihn zum idealen Werkstoff für den Gewölbebau. Eine Einwöl-bung des Kirchenraums erfolgte erst nach der Überdachung des Gebäudes. Dabei wurden die Gurt und Scheidebögen zwischen den einzelnen Jochen auf Lehrbögen gesetzt und dann in freier Aufmauerung die Gewölbekappen eingezogen. Die Saugfähigkeit des leichten Tuffmaterials erleichterte ein rasches Ansetzen der Steine zur gekrümmten Kappenform.72 Die problemlose Einfügung eines zweischiffigen Gewölbesystems in die Burger Johanniterkirche wird von verbliebenen romanischen Strukturen bestätigt. So stammen die beiden erwähnten östlichen Fens-ter in der Südwand der Kirche noch aus dem Ursprungsbau. Trotz Vergrößerung beim Wiederaufbau behielten sie ihre Plätze aus romanischer Zeit73 und stehen nun bei der Rekonstruktion genau unter dem Scheitel der Schildbögen. Wie einst geplant, spenden sie ihr Licht den beiden südöstlichen Ge-wölbejochen. Führt man die Regel ihrer Abstände nach Westen fort, so ergibt sich eine genaue Eintei-lung für zwei weitere Fenster, so dass sich demnach vier Fensterachsen auf der Südseite befanden. Da die romanischen Kirchen in vollendeter Art symmetrisch ausgeführt wurden, sind auf der Nordseite ebenfalls vier Fenster für die vier hintereinander folgenden Gewölbejoche anzunehmen. Ein weiteres Indiz für die Zweischiffigkeit der Kirche ist das ursprünglich auf der nördlichen West-wand gelegene Hauptportal. Die Vorstellungsrekonstruktion vom Blick nach Osten in das Kirchen-schiff zeigt, wie seine seitliche Stellung dem Eintretenden nicht nur einen unverstellten Blick bis zum Altar gewährte, sondern bringt auch die bei einer Hallenkirche gewollte Schrägansicht durch die Säu-len zur Geltung (Abb.25). Das ebenfalls bereits erwähnte Rundbogenportal in der Mitte der Südwand befindet sich in der Rekonstruktion zwischen dem 2. und 3. Fenster. In die einstige Einwölbung fügt sich auch der Apsisbogen, der im heutigen Kirchensaal optisch ver-hältnismäßig niedrig erscheint. Er stammt aber wahrscheinlich aus der romanischen Erbauungszeit; denn seine Höhe entsprach dem System der gesamten Gurt- und Scheidebögen zwischen den einzel-nen Gewölbejochen. Die verbleibende Höhe bis zum Balkenwerk des Dachstuhls wurde einst von den Gewölbekuppeln eingenommen. Da die in der Flucht der Stützen verlaufende mittlere Scheidbogenli-nie nicht über dem Apsisbogen enden konnte, musste sie zwischen den beiden östlichen Jochen geteilt und zu den Seiten des Apsisbogens übergeführt werden. Diese Bautechnik, die um 1200 problemlos beherrscht wurde, ist auch an anderen spätromanischen Kirchen im Rheinland oder in Westfalen wie-derzufinden. 74 Die vorhandene dreiseitige, also polygonale Apsis fällt aus dem in der Romanik üblichen Bauschema heraus; denn sowohl Ramersdorf als auch Niederweisel weisen halbrunde Apsiden auf. Die Burger Apsis ist aber wohl ursprünglich, da vorhandene Grundmauern wieder verwendet werden konnten. Außerdem sind in den Apsisbogen auf der Nordseite der Sakramentsschrank und gegenüber eine Ni-sche eingelassen, beides Teile aus vorbarocker Zeit. Erwähnenswert ist dabei auch die zeitgleich er-baute Markuskapelle in Altenberg, die ebenfalls mit einer polygonalen Apsis versehen worden ist. Zur Vervollständigung des ursprünglichen Kirchenraums befand sich in der Apsis aber statt des flachen Kreuzgratgewölbes ein unterteiltes steigendes Halbgewölbe. Auch das große Ostfenster der Apsis entspricht nicht den gebräuchlichen Formen der Romanik. Anderen Beispielen zufolge wurde jede Seite des Apsispolygons von einem schmalen hohen Fenster durchbrochen. Damit wäre die in der Romanik übliche Dreifenstergruppe, die Dreieinigkeit Gottes im Allerheiligsten symbolisierend, auch in Burg gegeben gewesen. Zudem bekam der Altar durch die Stellung der drei Fenster die ihm gebüh-rende Ausleuchtung als Mittelpunkt des Kirchenraums. 72 Beim Wiederaufleben der mittelalterlichen Baukünste im 19. Jahrhundert, sind sehr viele Gewölbe in den Kirchen mit Tuff- bzw. Bimssteinen ausgeführt worden. 73 Kubach / Verbeek weisen erstmals darauf hin, a. a. O. S. 168 74 Zum Vergleich die zeitgleich erbaute Matthiaskapelle der Burg Kobern, oder die Nikolaikapelle in Soest. 40 Abb. 24 Neben dieser Erklärung zur ursprünglichen Gestaltung der Burger Johanniterkirche ergänzen die Ver-fasser mit maßstabsgerechten Zeichnungen und Ansichtsskizzen des Außenbaus und Innenraums ihre 41 Vorstellung von einer gewölbten spätromanischen Kirche (Abb.22-27). In den heute vorhandenen Kirchenraum mit seinen noch ursprünglichen mittelalterlichen Abmessungen ist ein Gewölbesystem rekonstruiert, das zu einem zweischiffigen Kirchenraum führt. Mit dieser Zweischiffigkeit steht die Burger Kirche um 1220 im rheinisch-bergischen Raum zwar allein, doch sie ist auch ohnehin ein Ein-zelstück in der Region. Der zweischiffige Raum ist in den Ordensbauten der Kreuzritter sehr häufig anzutreffen. Beginnend in den Johanniterpalästen von Rhodos, Kos und Malta, begegnet er in den Räumen der weitläufigen Marienburg / Ostpreußen sowie in der Georgskapelle in Riga / Lettland. Die Bauweise ist aber keine Eigenheit der Johanniter, sondern findet sich bereits 1135 im Kreuzgang von Königslutter, in Kapitelsälen, Dormitorien und Refektorien verschiedener Zisterzienserklöster (Eber-bach, Maulbronn, Walkenried). Nach dem Vorbild der um 1200 errichteten Nikolaikapelle in Soest, ist Zweischiffigkeit oftmals ein Merkmal kleinerer Kirchen im Siedlungsgebiet der Ostsee, ist sehr zahl-reich auf Gotland ausgeführt worden und findet sich an der ältesten Kirche des Baltikums in Uex-küll/ Lettland. Im Rheinland fand die Zweischiffigkeit erst in der Gotik nach 1400 wieder Verbreitung. Wiederum war es die Klosterkirche von Gräfrath, die als ehemals romanische Basilika während des Höhepunktes der Katharinenwallfahrt einen Umbau zu einer zweischiffigen gotischen Hallenkirche erfuhr. Die zweischiffige Klosterkirche Bornhofen am Rhein wurde 1434 geweiht. In Düsseldorf gründete Herzog Gerhard 1443 das Kreuzherrenkloster mit einer zweischiffigen Kirche. Auch im Köln-Jülicher Um-land sind mehrere zweischiffige Kirchen aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Wäre uns die Burger Ordenskirche in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben, könnte man sie wahrscheinlich zusammenfassend so beschreiben: - Die einstige Johanniterkirche Sankt Johann Baptist und heutige katholische Pfarrkirche St. Martin im äußeren Bering von Schloss Burg, ist eine spätromanische zweischiffige Hallenkirche von höchster baulicher Prägnanz und Durchsichtigkeit. Drei schlanke Säulen mit Schaftringen stützen ein System gebuster, kuppeliger Gewölbe über schmale in die Gewölbesubstanz eingeschmolzene Gurtbögen. Die einzelnen Joche sind nach vorhandenem Maßverhältnis des Raumes durchgehend quadratisch angelegt und passen sich im Osten durch einen geteilten Gurtbogen den Gegebenheiten des zentralen Apsisbo-gens an. Die Apsis wird aus einem dreiseitigen Raum gebildet, der ohne vorgelegten Chorraum den Altar beherbergt. Während im Altarraum drei hohe, schmale Rundbogenfenster die Bedeutung des Altars hervorheben, geben kleine, hoch sitzende Fenster in beiden Kirchenschiffen von allen Seiten ein gleichmäßiges, feierliches Licht. Die zahlreichen hohen Kuppeln zeigen Charaktereigenschaften aus der byzantinischen Zisternen-Baukunst, ebenso entstanden die beiden Augenfenster in der Stirnwand nach ostchristlichen Vorbildern, Bauformen die vermutlich durch die Kreuzzüge vermittelt worden sind. In gewisser Weise erinnert der Kirchenraum an die Bartholomäuskapelle am Dom zu Paderborn, die bereits 200 Jahre früher – um 1017 - von byzantinischen Werkleuten errichtet worden war. Sehr ähnlich ist in Burg eine schlichte luftige Halle nach der Philosophie der Johanniter erbaut worden, um Gottesdienstraum, Taufkirche und gleichzeitig ein Ort zur Genesung Kranker und Verwundeter zu sein. Wie das ältere Beispiel in Paderborn besitzt auch die Burger Johanniterkirche trotz geringer Grö-ße eine besondere Akustik. Es ist die Form der gebusten leichten Gewölbeschalen aus Tuff, sie schwingen bei leisester Musik und Gesang und halten den Ton wie ein Geigenkörper. Vermutlich gab es eine Wechselwirkung von der Baugestaltung zum Gregorianischen Chorgesang, um den Raumklang in den Heilungsprozess einzubringen. Wie bei der Klangschale ist eine solche Musiktherapie geeignet, die gesamte seelische und körperliche Verfassung eines kranken oder verwundeten Menschen positiv zu beeinflussen. - Doch nicht nur akustische Reize, sondern auch positive optische Eindrücke sollten den Genesenden erfreuen. Man darf davon ausgehen, dass die Burger Johanniterkirche neben der äußerlichen Quader-bemalung auch im Inneren eine farbige Gestaltung erhalten hat. So war auch die spätromanische Ra-mersdorfer Deutschordenskapelle seit ihrer Entstehungszeit vollständig ausgemalt.75 Die gezeichneten Überlieferungen sind ein Zeugnis für eine außerordentlich phantasievolle Kunst, die sich besonders in den Gewölbekuppeln zeigte, deren Anblick für die liegenden Patienten als ein Teil der Heilungsthera- 75 Vor der Versetzung der Kapelle 1846-47 nach Bonn, beauftragte J.C. v. Lassaulx den Maler Christian Hohe mit genauen Farbbildern der damals weitgehend erhaltenen Wandmalereien, sie sind beim Rheinischen Denk-malamt archiviert. Freundlicher Hinweis von Frau Dr. Irmingard Achter in Bonn. 42 Abb. 25: Schloss Burg ehem. Johanniterkirche, Längsschnitt. Rekonstruktionszeichnung der Verfasser 2011 43 Abb. 26: Schloss Burg, ehem. Johanniterkirche, Inneres nach Osten als Netz. Rekonstruktion der Verfasser 2011 44 Abb. 27: Schloss Burg, ehem. Johanniterkirche, Blick ins Innere nach Osten. Rekonstruktionsvorstellung der Verfasser 2011 45 pie gedacht war. Ein noch näher liegender Vergleich ist mit der ehemaligen Johanniterkirche in Mari-enhagen bei Wiehl möglich, die als nahezu unveränderter Baukörper erhalten geblieben ist. Die um 1310 entstandene frühgotische Kirche ist ähnlich der Burger Kirche ein reiner schlichter Putzbau, der aber bei seiner Fertigstellung eine farbige Bemalung erhielt. Von dieser frühen Ausmalung sind in der Apsis bemerkenswerte Reste erhalten, die ein sehr genaues Bild über die damals übliche Raumfassung eines sakralen Gebäudes vermitteln. Große Teile der Wandfläche zeigen eine figürliche Malerei, wie wir sie aus der Buchmalerei der Manesseschen Liederhandschrift kennen. Sie weist mit noch statuari-scher Haltung der Figuren auf eine frühere Stufe als die Chorschrankenmalerei im Kölner Dom. Zu der figürlichen Darstellung tritt eine ebenso hervorragende ornamentale Malerei mit Blattwerk- und Palmettenfriesen, die noch tiefe Wesenszüge der romanischen Kunst aufweist. Verena Kessel, die sich mit der Malerei in den Oberbergischen Bunten Kirchen eingehend befasst hat, nennt die Malerei in Marienhagen trotz ihres rudimentären Zustandes von exquisiter, hoher Qualität, hinter der das Können eines außerordentlich fähigen Künstlers steht. „Sowohl das theologisch anspruchsvolle Programm als auch die Qualität der Wandmalerei lassen wieder die Johanniter als Auftraggeber erkennen. Sie dürf-ten auf Grund der Kölner Niederlassungen ihres Ordens in der Domstadt einen Künstler gefunden haben, der in Marienhagen Wandmalereien schuf, die keinen Vergleich mit Köln zu scheuen brau-chen.“ 76 Wenn wir schon in einer untergeordneten Ordensniederlassung wie Marienhagen eine ehemals so be-deutende künstlerische Ausgestaltung der Kirche vorfinden, wie mag dann das Gotteshaus der Johan-niter in der Residenz Schloss Burg dekoriert gewesen sein. Aufgrund der Verwendung von Tuffstein war auch diese Kirche ein reiner Putzbau, dessen Architektur nur durch eine Bemalung akzentuiert werden konnte. Da in der Romanik der Bau und seine künstlerische Gestaltung auf lange Lebensdauer ausgerichtet war, wird die Malerei ähnlich wie in der Apsis von Marienhagen a fresco – also auf den frischen Putz aufgetragen worden sein. Somit war die Johanneskirche der Johanniterkommende in Burg nicht nur ein architektonisches Juwel, sondern wird auch durch eine hochwertige figürliche und ornamentale Bemalung hervorgetreten sein. Die Zerstörung 1648 ließ alles mit einem Schlag unterge-hen. Sollte von der Farbfassung etwas übrig geblieben gewesen sein, so wird man es 1909 beim Ab-schlagen des Innenputzes beseitigt haben. Der spätgotische Sakristeianbau Die ideale spätromanische Gestalt der ursprünglichen Lazarettkirche der Johanniter ist im Laufe der Zeit verändert worden. Oftmals nahm man in der Baugeschichte der Kirchen Eingriffe mit wenig Rücksicht auf Vorhandenes vor, wobei zumeist größere Fenster für mehr Licht im Kirchenraum ein-gebrochen wurden. Ob solche Maßnahmen schon früh an der Johanniterkirche durchgeführt wurden, lässt sich nicht mehr nachweisen. Vermutlich geschah dies erst beim Wiederaufbau nach 1648. Lange vor dieser Zeit entstand an der Nordseite der Kirche aber ein Seitentrakt, über dessen Zweck vielfach gerätselt wurde. Dieser Anbau, auf der Zeichnung des Geometers und Architekten Ploennies im Jahr 1715 von Schloss Burg erkennbar (Abb.1 und 28), ist leider schon 1801 abgebrochen worden, doch muss er eine hervortretende Bedeutung gehabt haben. Da er mit seinem polygonalen Schluss spätgoti-sche Züge trägt, könnte er auf die Bauaktivitäten von Herzog Wilhelm II. um 1485 zurückzuführen sein.77 Aus diesem Jahr sind Baurechnungen erhalten, die in der Dokumentensammlung Bernhard Vollmers auszugsweise wiedergegeben sind. Vermutlich handelt es sich um umfangreiche Arbeiten; denn allein die am 17. Februar 1486 von dem Landrentmeister Hermann von Hammerstein ausgefertigte Baurech-nung umfasst 36 Seiten. Zu dieser Zeit bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts sind vermutlich verschie-dene Veränderungen an Schloss Burg durchgeführt worden. Um Hofstaat und den zahlreichen Gästen mehr Platz zu bieten, wurde der Palas auf Schloss Burg nach Süden erweitert, die Schlossküche neuen Erfordernissen angepasst und die spätgotischen Fachwerkaufbauten am Palas errichtet. Auch der ver-spielt wirkende Anbau an der Johanniterkirche entspricht dem Geschmack dieser Zeit, dem Schloss Burg die charakteristische Dachlandschaft verdankt, die später von Ploennies dokumentiert wurde. 76 Verena Kessel, a. a. O. S. 62. 77St.A. Düsseldorf: Jülich-Berg I Nr. 1322 und Nr. 1349. 46 Abb. 28: Schloss Burg, der vor dem Hochschloss liegende Bereich der Johanniterkommende mit Kirche, Komturhaus, Torturm und Nebengebäude. Detail der Zeichnung von Ploennies 1715 Spätestens wird die Erweiterung der Kirche während der Regierungszeit von Johann III. dem Friedfer-tigen (1511-1539) geschehen sein. In Glaubensfragen stand der Herzog der sich entwickelnden Re-formation offen gegenüber, doch seine Gattin Maria von Jülich Berg beharrte streng auf die katholi-sche Lehre. Das Herzogspaar, das 1496 im kindlichen Alter auf Schloss Burg verlobt worden war, nutzte die alte Residenz mehrfach als Jagdschloss. Über den Zweck des Anbaus berichtet Roth, dass im Untergeschoss über Jahrhunderte die Sakristei untergebracht war und das Obergeschoss als Krankenstation diente. Bei dem vorhandenen architekto-nischen Aufwand ist es durchaus möglich, dass das Obergeschoss des Traktes wohl ursprünglich als Kirchenloge oder Oratorium des Herzogs von Berg, bzw. des adligen Gefolges gedient hat. Dies ent-spricht der Gewohnheit, seit dem 16. Jahrhundert, besonders aber zur Zeit der Renaissance, seitlich in vielen Kirchen mehr oder weniger geschlossene Logen oder Priechen einzurichten.78 Sie dienten dem Adel beim Besuch des Gottesdienstes als äußeres Zeichen seines höheren Standes und als Abgrenzung zu den übrigen Kirchenbesuchern. Abb. 29: Prinzessin Sibylla von Cleve-Berg, von Lukas Cranach 1526 Abb. aus Roth, Schloss Burg 1922 78 Die Bezeichnung „Prieche“ ist besonders in Norddeutschland für eine Loge in der Kirche gebräuchlich 47 Der Bau eines Oratoriums oder Loge könnte zurzeit der Herzöge Wilhelm und Johann Sinn machen; denn für ihre Gesellschaften war neben Jagd und Fest der Kirchgang noch selbstverständlich. In der Pankratiuskapelle des Hochschlosses war für zahlreiche Besucher kein ausreichender Raum und eine Erweiterung wird nicht möglich gewesen sein. Dieser Bau ließ sich in seiner abgeschlossenen Struktur als Burgkapelle nicht verändern oder erweitern.79 Man wird also bei den großen Jagden und Festlich-keiten auf Schloss Burg die Johanniter- und Pfarrkirche zur Feier der hl. Messe aufgesucht haben. Dem Herzog und seiner Familie stand dabei der Anbau mit seiner Herrscherloge zur Verfügung. Da die Jagden und Feste aber nur zu bestimmten Zeiten stattfanden, konnte dieses Oratorium ansonsten als Krankensaal mit verschließbarer Verbindung zum Gottesdienstraum genutzt werden. Obwohl Schloss Burg zu dieser Zeit schon viel von seiner Bedeutung verloren hatte, war der Ort noch immer die alte Residenz mit großer Tradition. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird man hier am 25. November 1496 den Erbvertrag zur Klever Union in Anwesenheit hoher Würdenträger geschlossen haben. Die damit verbundene Verlobung der beiden Fürstenkinder Maria von Jülich Berg und Johann von Kleve sollte als Symbol einer dauerhaften Verbindung geschehen. Bei der großen Bedeutung für die beiden Herzogtümer ist die Zeremonie wahrscheinlich mit einer heiligen Messe umrahmt und das Versprechen der beiden Kinder vom Kölner Erzbischof in der Johanniterkirche gesegnet worden. Und noch ein weiteres Ereignis in der Familie des Landesherrn fand sicherlich in der Johanniterkirche statt. Im Jahr 1526 lud die herzogliche Familie noch einmal zahlreiche Gäste nach Schloss Burg ein, um in der alten Residenz die Hochzeit ihrer Tochter Sybille (Abb.29) mit Johann Friedrich von Sachsen groß zu feiern. Die festliche Trauung des Brautpaars wird wahrscheinlich auch hier vor dem Kölner Erzbi-schof unter großer Anteilnahme des Adels in der Johanniterkirche vollzogen worden sein. Die Baumeister Fischer und Arntz haben auf ihren Plänen von Schloss Burg an der Johanniterkirche den Grundriss des mehrseitigen nördlichen Anbaus eingezeichnet (Abb.3). Anscheinend sind bei Gra-bungen Mauerreste gefunden und vermessen worden, die sich unmittelbar an das nordöstliche Gewöl-bejoch anschlossen. Danach bestand der Anbau aus einem Raum von etwa 4 X 5 m im Quadrat, dem ein dreiseitiger apsisartiger Abschluss nach Norden angefügt war. Fischer sah bei der Rekonstruktion des Grundrisses ein Fenster nach Westen und jeweils eines in den Seiten des Polygons. Er folgte dabei dem Zeichner Ploennies, der auf seiner Abbildung die Fensterachsen übereinander anordnet und den Anbau damit zweistöckig wiedergibt. Ein polygonaler Abschluss dieses Gebäudes machte aber nur mit einer entsprechenden Innenarchitektur Sinn. Die apsisartige Form lässt auf eine Einwölbung des obe-ren Saales schließen und ein Rekonstruktionsversuch der Verfasser im Stil der damaligen Zeit führt zu einem weit heruntergezogenen Rippengewölbe mit tief profilierten Kappen über dem Polygon (Abb.30). Schlanke, ebenfalls tief herabreichende Fenster gaben dem Saal gleichmäßig helles Licht und erlaubten von der Höhe einen weiten Blick in das Tal der Wupper. Unter der wohl vielfältigen Verwendung des kleinen Saales war auch seit Beginn des 17. Jahrhunderts eine Nutzung als Schule; denn 1607 berief der Burger Priester Wilhelm Thamerich den Hitdorfer Mi-chael Garnich als Schullehrer und Küster an die Johanniskirche.80 Rudolf Roth bezeichnet die Schule von Oberburg über der Kirchensakristei als „gemütliches helles Stübchen“ in der bis 1801 unterrichtet worden ist. Dann war sie in solch baufälligem Zustand, dass sie abgerissen wurde. Die geschilderten Zerfallsanzeichen rührten mit Sicherheit noch von den Erschütterungen her, die durch die Beschießung der Kirche von 1648 herrührten. Vieles deutet auf rissige Gewölbe, deren Kappen ihre Kraftschlüssig-keit verloren hatten und ist typisch für Schäden, die durch Seitendruck auseinanderdriftender Gewöl-beteile auf die Außenmauern entstehen. Nach Roth war damals die gesamte Kirche in völlig desolatem Zustand, da die Johanniter aus Interesselosigkeit über viele Jahre hin die nötigen Unterhaltungsarbei-ten nicht mehr durchgeführt hatten, und die Kirchengemeinde selbst über keine Mittel verfügte. 79 Vgl. A. Sassen / C. Sassen, „Eine Doppelkapelle Engelberts II. in Schloss Burg“, Solingen 2009. S. 79. 80 Rudlf Roth, Die Kirche zu Burg an der Wupper, in: Schloss Burg an der Wupper, Burg 1921. S. 48 Abb. 30: Schloss Burg, ehem. Johanniterkirche Das Oratorium und späterer Schulraum im Oberstock des Sakristeianbaus Rekonstruktionsvorstellung der Verfasser 49 Abb. 31: Schloss Burg, St. Martinuskirche. Zeichnung von G.A. Fischer in: Clemen, Die Denkmäler der Rheinprovinz, 1894. Der Wiederaufbau nach 1648 und die Herkunft der romanischen Säulen Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war die Johanniter- und Pfarrkirche zum überwiegenden Teil zerschossen und eingestürzt. Für die Johanniter, besonders aber für die Gemeinde in Oberburg eine Katastrophe, zumal zuvor jahrelang der Streit um die Besitzrechte hin und hergegangen war. Dazu kam für die Johanniter noch der Verlust der Burgkapelle, die bei der Sprengung des Bergfrieds einge-stürzt war und für immer verloren ging. Der Wiederaufbau ihrer Ordenskirche erfolgte, wie es zumeist aus Kostengründen üblich ist, in den einfachsten Formen. Eine Wiederherstellung in alter gewölbter Form kam nicht mehr infrage, da die barocke Baukunst solche Räume frei gestaltete und nach Jahr-zehnten des Stillstandes kaum noch ein Handwerker über Kenntnisse des Gewölbebaus verfügte. Am stehen gebliebenen Ostteil befand sich noch der besagte Sakristeianbau, von der Nordwand des Kirchenschiffs standen 7,80 m und von der Südwand 8,70 m. Außerdem war die Westwand mit ihrem Giebel noch erhalten. Der dort anscheinend beschädigte Treppenturm wurde abgetragen und das Mate-rial mit den brauchbaren Steinen aus dem Trümmerschutt zur Wiedererrichtung der Außenmauern verwendet. Was an der Johanniskirche an Material fehlte, wurde vermutlich von der zerfallenden Pan-kratiuskapelle im Hochschloss herausgesucht oder abgetragen und nach hier verbracht. Es liegt 50 Abb. 32: Freckenhorst / Westfalen, ehem. Damenstiftskirche aus dem 12. Jh. Beispiel einer romanischen Wandarkatur im Chor und im Süd-Seitenschiff. Aufnahme: LWL – Amt für Denkmalpflege. nahe, dass man in der Not der Zeit das Kirchenschiff von Ost nach West wieder aufbaute. Nach dem Bau der Apsis könnte zunächst der stehen gebliebene Ostteil mit einer Wand abschlossen (Abb. 30) und für den Gottesdienst hergerichtet worden sein, bevor man die Kirche nach Westen fertig stellte. Damals wurde in 4,75 m Entfernung parallel zur Ostwand eine lettnerartige Mauer errichtet, die einen Durchgangsbogen und darüber einen Nischenbogen zur Aufnahme einer Orgel besaß. Mit der Trenn-wand, die man noch vor der Säkularisation 1801/02 wieder entfernte, wurde für die Mitglieder des Johanniterordens ein gesonderter Chorraum geschaffen. Die bis heute erhaltene markante Wandarkade aus spätromanischen Säulen zierte diesen Chorraum und gab ihm ein mittelalterliches Gepräge. Die Besonderheit der kleinen Schiefersäulen liegt in der Schönheit der aus Kalksandstein gearbeiteten Blattkapitelle, deren Herkunft bislang rätselhaft war (Abb.34). Gerhard August Fischer, der als Architekt von Schloss Burg für die Dokumentation der Denkmäler des Rheinlandes auch den Bau der Burger Kirche aufzeichnete, war wie der Landeskonservator Paul Clemen davon überzeugt, dass die Bogenreihe mit den romanischen Säulen zum ursprüngliche Bau der Johanniterkirche gehört. Beide berufen sich auf das ganz ähnliche Beispiel einer Wanddekoration in der Kapelle der Pfalz zu Nimwegen. Zweifelsfrei waren in der Romanik Wandarkaturen üblich, wie auch das Beispiel im Hochchor und den Seitenschiffen der Stiftskirche Freckenhorst in Westfalen zeigt (Abb.32). Auch die um 1220 in Kobern an der Mosel erbaute Matthiaskapelle ist in reichem Maß damit ausgestattet worden. Doch Nimwegen, Freckenhorst und Kobern dienten im gewissen Rahmen auch der Repräsentation und standen ganz im Gegensatz zum Armutsideal der Johanniter. Einen Chor mit einer aufwendigen und teuren Schmuckarkade hervorzuheben, war nicht mit ihrer ursprünglichen Anschauung vereinbar. Die Orden der Hospitalbrüder verzichteten auf eine besondere Betonung des Chorraums, deshalb ist in den ursprünglichen Johanniterkirchen eine bauliche Unterscheidung zwi-schen Priester und Laienraum nicht zu finden. Die Vorstellungen vom Armutsideal der Johanniter änderten sich zwar ebenso, wie die strengen Vor-schriften zur einfachen aber soliden Bauweise gelockert wurden. Diese Erscheinungen treten aber erst später auf und zeigen sich offensichtlich im Wiederaufbau der Burger Kirche nach dem Dreißigjähri-gen Krieg. Mit einer Mauer im Ostteil sonderten sich die Ordensleute von der übrigen Gemeinde ab und schmückten ihren Chorraum mit dem Einbau der Wandarkade. Dies geschah aber erst mehr als 450 Jahre nach der ersten Weihe der Kirche und hat mit den ursprünglichen Idealen des Ordens nichts zu tun. Die Meinung, die Fischer und Clemen 1894 in den „Bau und Kunstdenkmälern des Rheinlan-des“ vertreten, ist deshalb zu überdenken. 51 Abb. 33 52 Abb. 34: Schloss Burg, St. Martinuskirche, alle Kapitelle der Säulenstellung im Chor. Aufnahmen der Verfasser 2010 53 Abb. 35: spätromanische Säulenkapitelle um 1220 im Vergleich: links: Schloss Burg, rechts: Hilden, unten: Rheinkassel Aufnahmen der Verfasser 54 Abb. 36: Schloss Burg, Säulenbasen, oben: aus dem Bauschutt des Burghofs, dokumentiert von Fischer; unten: aus dem Chor der St. Martinuskirche. Form und gleiche Größe lassen auf die einstige Palaskapelle als gemeinsamen Herkunftsort schließen. Auch das Taufbecken mit seiner Eckblattzier am Mittelfuß ist in diese Gruppe zeitlich einzuordnen. 55 Sowohl die Recherchen der Kunsthistoriker Kubach und Verbeek für ihren Katalog der romanischen Baukunst von 1976 als auch die folgenden Veröffentlichungen von Irmingard Achter und Johannes Fahmüller verweisen dagegen auf eine wahrscheinliche Zweitverwendung der Säulen. Letztere suchen ihren Ursprung im Hochschloss von Burg. Fahmüller ging der Vermutung ihrer einstigen Verwendung an den inneren Fensterleibungen des Rittersaales nach, stieß aber auf ein notwendig größeres Maß der dortigen Begleitsäulen. Dieses bestätigt sich mit den glaubhaften Angaben Fischers; denn man hatte im Bauschutt des Palas Originalvorlagen zur Rekonstruktion der Rittersaalsäulen gefunden. Die Kunsthistorikerin Achter näherte sich der Herkunftsfrage der rätselhaften Säulen von einer ande-ren Seite. Sie war in der spätromanischen Reformationskirche in Hilden (Abb.37) auf eine denkwürdi-ge Ähnlichkeit der dortigen Emporensäulen mit den Arkadensäulen in der Johanniterkirche von Burg gestoßen. „Die Übereinstimmung der Hildener Emporenkapitelle mit denen aus Burg ist hinsichtlich Material, Technik und Formen der Blätter und Deckplatten überraschend und weist auf die gleiche Werkstatt hin. Eine etwa gleichzeitige Entstehung ist kaum von der Hand zu weisen.“ (Abb.35) Achter ist aber überzeugt, dass die Säulen erst im 17. Jahrhundert in die Martinskirche übertragen wurden, nachdem sie ursprünglich im Hochschloss Burg gestanden haben. Und dies hatte Erzbischof Engelbert von Berg nach der zeitgenössischen Quelle des Caesarius von Heisterbach auf eigene Kos-ten erbaut (…ad novum castrum, quod ipse beatus episcopus de propriis expensis edificaverat…). Aufgrund der wechselseitigen Erkenntnisse Achters konnte letztlich die Entstehung der Hildener Kir-che sicher dem ersten Viertel des 13. Jahrhunderts und somit dem Bauherrn Erzbischof Engelbert von Berg zugeordnet werden (Abb.37). Der Bau war in vielen Nachschlagewerken wesentlich später, sozu-sagen als Nachzügler der Romanik datiert worden.81 Da Hilden aber in Wirklichkeit eine Vorreiterrolle spielt und die früheste völlig eingewölbte Emporenkirche des Rheinlandes ist, kommt ihr zur Klärung baugeschichtlicher Verhältnisse eine hohe Bedeutung zu. Die Kirche in Hilden gehörte zum erzbi-schöflich- kölnischen Tafelhof, der bereits 1176 als Pfandbesitz in die Hand des Grafen Engelbert I. von Berg gekommen war. Mit seinem Sohn Engelbert II., dem natürlich daran gelegen war, den Pfandbesitz zu seinem Landbesitz zu machen, trafen hier dynastische und erzbischöfliche Interessen zusammen. Die gleiche rechtliche Stellung als Pfand nahm übrigens auch Schwelm ein, wo Engelbert ebenfalls eine Kirche gebaut hat. Das erfahren wir nebenher in der „Vita Engelberti " des Mönchs Caesarius von Heisterbach: „Am Tag seiner Ermordung sei Engelbert auf dem Weg nach Schwelm gewesen, um dort eine Kirche zu weihen“. Sie ist leider nicht mehr erhalten und auch quellenmäßig kaum zu erfassen.82 Die aus ihrer Bauzeit noch fast vollkommen erhaltene Hildener Kirche besaß ursprünglich noch keine Pfarr-Rechte, sondern war eine Filiale der Pfarrei Richrath und wird im Liber valoris der Erzdiözese Köln als Capella Heilden aufgeführt. Erst 1312 wird sie als selbständige Pfarrei bezeugt. Ihre aufwän-dige Bauform erklärt sich daraus, dass sie eine Eigenkirche des sehr engagierten Erzbischofs Engel-bert I. war. Eine herausragende Persönlichkeit der Politik und vor allem der Kirche wie er, ließ sich eine Hofkapelle bauen, deren Baumeister wohl einer der Besten seiner Zeit war.83 Die übereinstimmende Form der Burger Säulenkapitelle mit denen in Hilden verweist auf die Zeit Engelberts und wahrscheinlich auf eine Steinmetzwerkstatt derselben Bauhütte. Vermutlich arbeitete sie unter der Leitung eines Werkmeisters, der im Auftrag Engelberts verschiedene Kirchen errichtete. Ihre Aufwändigkeit und die Ähnlichkeit zu den Kapitellen des Hildener Sakralraums weisen auf die Möglichkeit, dass sie vor ihrem Einbau in die Johanniterkirche bereits Teil eines sakralen Gebäudes gewesen sind. Aus den geschichtlichen Gegebenheiten geht hervor, dass in Burg zu gleicher Zeit Hochschloss und Johanniterkirche entstanden sind. Mit dem Bau des Hochschlosses wurde aber auch die dazugehörige Privatkapelle errichtet. Ihr Standplatz und späterer Verfall sind erwähnt, doch wie diese Kapelle am Palas Engelberts ausgesehen hat, entzieht sich unserer Kenntnis, da sie nach der Beschädigung 1648 irgendwann spurlos verschwand. Die fast ausschließliche Verwendung von Tuffstein an der Johanni- 81 Irmingard Achter (LVR) ging wegen anderer Aufgaben der Herkunft der Burger Säulen nicht weiter nach. 82 Ulrike Unger, Die Reformationskirche in Hilden, in: Rom. Berge Heft 1, 1998, S. 27-33. 83 Ulrike Unger, a. a. O. S. 33. 56 Abb. 37: Hilden, Reformationskirche, einst Kirche des Hofes von Erzbischof Engelbert I. um 1220 Zeichnung: signiert (?) um 1900. terkirche und die damit verbundenen architektonischen Möglichkeiten wie eine Einwölbung, lassen auch bei der Schlosskapelle den Baustoff Tuff mit seiner vielfältigen Anwendung erwarten. Gemessen am Aufwand in Hilden und in Mündelheim und die Tatsache, dass sie die private Kirche in der Resi-denz eines Erzbischofs und Landesherrn war, wird sie mit Sicherheit ein Sakralbau mit hervortretender Architektur gewesen sein. Der Rittersaal von Schloss Burg hatte nach der Bauforschung und den Funden Fischers an den Fensterleibungen Säulenstellungen in anderer Größenordnung und mit Kapi-tellen, die zur frühgotischen Knospenform weisen. Eine weitere Steigerung architektonischer Aus-schmückung fand hier nicht statt – dürfte aber in der Burgkapelle zu erwarten gewesen sein. Die ver-bliebenen ästhetischen Säulen mit ihren phantasievollen Kapitellformen sind wahrscheinlich nur ein Abglanz dessen, was dort einst vorhanden war. Die Wissenschaft über den deutschen Burgenbau lehrt, dass in der Regel die Kapelle vor allen anderen Räumen der Burg eine besondere Architektur und baukünstlerische Ausschmückung erfuhr. Ihre direkte Verbindung mit dem Wohnbau, so wie einst in Schloss Burg anzutreffen, war zu allererst ein Zeugnis der Frömmigkeit des Bauherrn, eine Einstel-lung die noch vor der Repräsentation stand. Der Burgenkundler Ulrich Stevens sieht zwar das Reprä-sentationsbedürfnis Eng
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Autor | Sassen, Andreas |
Titel | Die ehemalige Kirche des Hospitals St. Johannis in Jerusalem in Schloss Burg |
Übergeordneter Titel | Beiträge zur Heimatgeschichte / Band 11 |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Signatur | 17L5387 |
Katkey | 6550993 |
HBZ-ID | HT016912219 |
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Volltext | Beiträge zur Heimatgeschichte Die ehemalige Kirche des Hospitals St. Johannis von Jerusalem in Schloss Burg Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2011 2 3 Beiträge zur Heimatgeschichte Band 11 Die ehemalige Kirche des Hospitals St. Johannis von Jerusalem in Schloss Burg Zur Bau und Kunstgeschichte der Pfarrkirche St. Martinus in Solingen-Burg Johanniterkreuz über dem Portal der Martinuskirche Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2011 4 Andreas Sassen / Claudia Sassen Die ehemalige Kirche des Hospitals St. Johannis von Jerusalem in Schloss Burg an der Wupper Zur Bau und Kunstgeschichte der katholischen Pfarrkirche St. Martinus in Solingen-Burg Inhalt: Aus der Geschichte von Schloss Burg an der Wupper Zerstörungen und Aufgabe der Burg Zur Entstehungsgeschichte der Johanniterkommende in Schloss Burg Zur Geschichte der Johanniter Der Bau der Kirche St. Johannis in Schloss Burg Die Zerstörung der Kirche, Wiederaufbau und Säkularisation Kurzbeschreibung des heutigen Kirchengebäudes mit seinen Veränderungen Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Johanniterkirche Die Foto-Dokumentation des unverputzten Kirchenbaus Südwand / Westseite / Apsis und Ostwand / Gesamtansicht von Nordosten Rekonstruktion der romanischen Kirche Der spätgotische Sakristeianbau Der Wiederaufbau nach 1648 und die Herkunft der romanischen Säulen Der Einbau der Säulen in die Johanniterkirche und ihre Bedeutung Der Turm über der Apsis mit seiner Glocke Die Ausstattung der Kirche Der romanische Taufstein Der romanische Altar Tabernakel, Wandnische, Kruzifixe, zwei Chorstühle, 17 Kreuzweggemälde Die Zeit der Auflösung der Johanniterkommende (Roth) Der Bau der Marienkapelle und die Einrichtung der Vikarie Oberburg (Roth) Der Bau des neuen Pfarrhauses (Roth) Literaturnachweis 5 Die kleine katholische Pfarrkirche St. Martinus von Solingen-Burg, die im Mittelpunkt dieser For-schungsarbeit steht, war bis 1803 im Besitz einer Johanniter- bzw. Malteserkommende, deren Ge-schichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Die Kommende war eng mit der einstigen Residenz der Bergischen Grafen und Herzöge verbunden. Ihre Kirche bauten die Johanniter als Gotteshaus und Lazarett. 1648 wurde sie zerstört, doch trotz der Verluste blieben im barocken Wiederaufbau Spuren erhalten, die den ursprünglichen Bau nacherlebbar machen. Die Verfasser machen in ihrer Arbeit auf diese größtenteils verdeckten romanischen Spuren aufmerksam und deuten sie mit verschiedenen Re-konstruktions- Vorstellungen. Völlige Gewissheit über alle aufgezeigten Vermutungen wird man erst bei einer der zukünftigen Sanierungen bekommen, wenn diese von eingehenden Bauforschungen be-gleitet werden. Abb. 1: Schloss Burg. Detail einer Ansicht aus Topographia Ducatus Montani von Erich Philipp Ploennies 1715. Diese älteste Ansicht von Schloss Burg war eine der Grundlagen für die Rekonstruktion der Anlage von G. A. Fischer. Abb. Staatsarchiv Düsseldorf. Aus der Geschichte von Schloss Burg Der Ort Burg befindet sich an der tief eingeschnittenen Mündung des Eschbachs in die Wupper. Schloss und Oberburg liegen malerisch auf der äußersten Kuppe eines Höhenzuges, das einstige Fi-scherdorf Unterburg im schluchtartigen Eschbachtal. Ausgangspunkt der Siedlung war das zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtete Schloss der Grafen von Berg, die damals ihren bisherigen Stammsitz auf dem „alten Berge“ bei Odenthal den Zisterziensern überließen. Der im 15. Jahrhundert zur Freiheit erhobene Ort führte ursprünglich zum Unterschied von Altenberg den Namen „Neuer Berg“ oder „Neue Burg“. Seit dem ausgehenden Mittelalter war Burg ein bedeutender Tuchmacherort, dessen Blütezeit vom Ende des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts andauerte.1 Nach der Überlieferung begann Graf Adolf II.2 von Berg um 1118 mit der Errichtung einer Burg auf den Grundmauern einer älteren Befestigungsanlage auf dem Neuen Berge. Die romanischen Bauten dieser ersten Burg über der Wupper bildeten das Kernstück der späteren großen Befestigung von 1 Dehio, Rheinland, 1967, S. 109. 2 Adolf II. *um 1090, 1115 Graf von Berg, nach 1160 Mönch in Altenberg, † 1160-1170. (n. Laute) 6 Schloss Burg. Ihren alten Stammsitz übergaben Graf Adolf II. von Berg und sein Bruder Eberhard3 1133 einem Konvent des Zisterzienserordens aus Morimond (heute Bistum Langres, Frankreich). Ent-sprechend ihren Lebensgewohnheiten und ihrem Wirtschaftssystem verlegten die Zisterziensermönche das Kloster bald nach der Gründung ins Tal der Dhünn. Der Name des ehemaligen bergischen Gra-fenstammsitzes Altenberg wurde für den Konvent weitergeführt. Das Zisterzienserkloster Altenberg, eines der reichsten und berühmtesten Klöster des rheinisch-bergischen Raumes, bestand bis zur Säku-larisation 1803. Etwa 100 Jahre nach der Gründung der Burg baute Graf Engelbert II.4 von Berg während seiner kur-zen Herrschaft ab 1218 die Anlage zu einer weiträumigen Hofburg aus. Er war als Erzbischof Engel-bert I. von Köln auch Herzog von Westfalen und wurde, nachdem sein älterer Bruder Adolf III.5 auf dem Kreuzzug bei der Belagerung Damiettes6 in Ägypten zu Tode gekommen war, bergischer Lan-desherr. Als 1220 Kaiser Friedrich II.7 seinen 9-jährigen Sohn Heinrich (VII.) zum römisch-deutschen König erklärt hatte, übernahm Engelbert als dessen Erzieher auch die Regentschaft und wurde Stell-vertreter des Kaisers in Deutschland. Ab 1218 ließ er den repräsentativen zweigeschossigen Palas mit dem sich unmittelbar anschließenden Kemenatenbau und die Schlosskapelle errichten. Mit Engelbert, der 1225 als Opfer einer Verschwörung bei Gevelsberg ermordet wurde,8 starb die männliche Linie der Grafen von Berg aus. Nach ihm ging durch die Ehe seiner Nichte Irmgard die Herrschaft von Berg auf die Limburger Grafen über, die die Burg weiterhin als bevorzugte Residenz nutzten. Erst nach der Erhebung der Grafen in den Herzogsstand und der Verlegung der Hofhaltung in die neue Haupt-stadt Düsseldorf im Jahre 1380, diente sie nur noch als gelegentlicher Aufenthaltsort. Doch ab 1485, zur Zeit der Spätgotik und der Renaissance lebte die Bautätigkeit in Burg wieder auf.9 Der Palas wurde umgestaltet, mit Fachwerkaufbauten versehen und der Kemenatenbau nach Süden erweitert. Später wurde Burg mehrfach als Witwensitz genutzt.10 Im Jahre 1528 entstand ein neues inneres Torhaus am Palas und in den weiteren Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts mit stärkeren äußeren Befestigungen auch ein Vorgänger des großen Batterieturms in der Burganlage.11 Zerstörungen und Aufgabe der Burg Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurde Schloss Burg 1632 von schwedischen Truppen bela-gert, seine Befestigungsanlagen und auch ein Teil der Gebäude innerhalb der Burg durch Beschuss beschädigt. Die kaiserliche Besatzung sprengte bei ihrem Abzug 1648 den noch intakten Rest der Ver-teidigungsanlagen und den Bergfried, wobei die Palaskapelle im Hochschloss und auch die Kirche der Johanniter zerstört wurden. Der große Palas blieb davon aber verschont und ist um 1700 teilweise wieder instand gesetzt worden. Die von 1715 erhaltene Ansicht vom Kartographen Ploennies zeigt noch die Fachwerkaufbauten des 16. Jahrhunderts (Abb. 1). Der Hauptbau diente bis 1807 als Sitz herzoglicher Rentmeister und Richter des Amtes Bornefeld.12 Während dieser Zeit fanden aber erheb-liche Eingriffe in die Bausubstanz der Burg statt. Man legte die großen Stall- und Wirtschaftsgebäude nieder und auch die spätgotischen Fachwerkaufbauten des Palas verschwanden. Danach benutzte man die großen Räume für gewerbliche Zwecke; im Rittersaal webte man Wollde-cken, die „Burger Schaazen“. Doch der preußische Fiskus als Eigentümer der Burg war an einer wei-tergehenden Erhaltung nicht mehr interessiert und versuchte nach 1820 mehrmals die Anlage zu ver- 3 Eberhard (Everhard) * um 1090, urkundl. 1115-20 Laie, seit 1120-21 Mönch in Morimond, seit 1143 Abt in St. Georgenberg (Georgenthal) in Thüringen. † 1142-1152. (n. Laute) 4 Engelbert II. *8.11.1185 (*7.11.1186) 1216-25 als Engelbert I. Erzbischof v. Köln, seit 1218 Graf v. Berg, † 7.11.1225 bei Gevelsberg. (n.Laute). 5 Adolf III. Graf von Berg, *um 1175, †7.8.1218 bei Damiette in Ägypten (n. Laute) 6 Damietta, Verw.-Bez. Dumyat, Ägypten, liegt an der Mittelmeerküste, im Nildelta nahe Port Said. 7 Friedrich der II. (Kaiser des Hl. Röm. Reiches) 1194-1250. 8 Siehe auch das Wandbild zu Engelbert im Rittersaal von Burg. 9 Von 1485 sind zwei Rechnungen über Bauarbeiten in Burg vorhanden. St.A. Düsseldorf: Jülich Berg I Nr. 1322 fol. und 1349. Vollmer a. a. O. S. 38. 10 St.A. Düsseldorf: Jülich-Berg Urkk. Nr. 2000 ( von 1535) und Nr. 2028 (von 1539). 11 Der heutige Batterieturm ist ein Neubau von 1914. 12 Roselt, Schloss Burg, S. 8. 7 Abb. 2: Schloss Burg, die Ruine des Palas bei einer Begehung des Vereins zur Erhaltung der Ruinen von Schloss Burg im Jahre 1887 Aufnahme: Archiv des Schlossbauvereins äußern. 1839 benutzte die katholische Gemeinde den Palas der Burg als Schulgebäude, beendete den Unterricht darin aber bald wegen Baufälligkeit der Gemäuer. Vermutlich waren die notwendigen In-standhaltungen an Dächern und Einrichtungen bereits länger unterblieben, als man die Gebäude 1849 aufgab. Das aus Eichenholz bestehende Dachwerk und die Zwischendecken wurden zur Materialge-winnung für das neue preußische Landgericht in Elberfeld ausgebaut und das übrige Mauerwerk dem Verfall preisgegeben (Abb.2). Zur Entstehungsgeschichte der Johanniterkommende in Schloss Burg Mit dem Schicksal der Burg war stets auch die heutige katholische Pfarrkirche St. Martinus verbun-den, die nahe dem unteren Tor im äußeren Burgring, unterhalb des Hochschlosses zu finden ist. Sie ist eine ehemalige Komturkirche des Johanniterordens, der während der Kreuzzugsbewegungen im 12. Jahrhundert am Niederrhein seine ersten Niederlassungen gründete. Die Geschichte der Johanniter-Kommende im Bergischen Land beginnt mit Engelbert,13 dem Sohn des Grafen Adolf II. von Berg. Er war mit Friedrich Barbarossa14 1158 im Belagerungsheer vor Mailand, als der Kaiser dort den Johanniterorden auf Bitten des Großmeisters seines besonderen Schutzes versi-cherte. Das Wirken der Johanniter unter den Pilgern und Kreuzfahrern nach Palästina und ihre Pflege von Verwundeten und Kranken bei den Kriegszügen des Kaisers war vermutlich der Anlass dafür, dass Engelbert später als Graf von Berg zum Stifter der Johanniterkommende in Burg wurde. Die Stif-tung des „Hospitals St. Johannis von Jerusalem in Burg“ diente zwar karitativen Zwecken, war aber mit Sicherheit auch politisch begründet; denn die Grafen von Berg traten über mehrere Generationen bei der Erweiterung ihres Territoriums als weitsichtige Planer auf. Unter anderem vermehrten sie ihren Einfluss mit Hilfe der Kirche, z. B. im Jahre 1170 mit dem Erwerb der Vogteirechte des Kölner Sever-instiftes. Die Urkundenlage aus der Zeit der ersten Grafen von Berg ist sehr dünn, so dass die Geschichtsschrei-bung oftmals nur durch Zeugnisse mit anscheinend nebensächlichen Dingen zu einer folgerichtigen 13 Engelbert I.,*1130, Graf von Berg 1160 bzw. 1165-1189. 14 Friedrich I. Barbarossa, *1129, 1152 König, 1155 Kaiser des Hl. Röm. Reiches Dt. Nation, † 1190 im Saleph. 8 Übersicht der geschichtlichen Entwicklung kommt. In der von Bernhard Vollmer 1953 veröffentlich-ten Urkundensammlung von Schloss Burg wird bei der frühesten Erwähnung der „Neuen Burg“ im Jahr 1160 eine dem hl. Pankratius geweihte Kapelle im inneren Burgring genannt.15 Graf Adolf II. bezeugt in dieser Urkunde, dass Werner von Berghausen und dessen Frau Wendelmodis der Pankrati-uskirche auf Schloss Burg 20 Morgen Land nebst Haus und Hof aufgetragen und von dieser als Altar-zinsige für sich und ihre Erben lehnsweise zurückerhalten haben. Als kirchliche Urkunde ist sie lateinisch abgefasst und lautet in der Übersetzung:16 Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Diejenigen, die Gotteshäusern irgendeinen Vorteil oder Gewinn verschaffen durch eine Schenkung oder durch Bestätigung und Schutz der Schenkungen, werden mit himmlischer Gnade belohnt. Die sie mit Willen hingegen beschädigen, oder es unterlassen, die Stiftungen mit der nötigen Vorsicht zu schützen, haben strafende Vergel-tung zu erwarten. Aus dieser Überlegung heraus bezeuge ich, Adolf, Graf von Berg, den jetzigen und zukünftigen Menschen, dass ein gewisser Werner von Berghausen und seine Ehefrau Wendelmodis 20 Morgen Land mit Haus und Hof, der dem heiligen Pankratius geweihten Kirche in unserer Burg aufgetragen haben. Diesen Besitz erhalten die Stifter als Lehen zurück unter der Bedingung, dass sie selbst und ihre Söhne bzw. ihre Erben gegen eine jährliche Abgabe von zwei Pfennigen Altarzinsige des genannten Märtyrers werden. Zur Bekräftigung dieses Rechtsaktes ließ ich diese Urkunde ausfertigen und mit einem Siegel versehen. Denen aber, die sie absichtlich und mutwillig verletzen oder entkräften, sei die Strafe Gottes und des Märtyrers Pankratius angedroht. Mit gläubi-gem Gebet aber wünsche ich denen, die sie bewahren, für die Gegenwart Frieden und für die Zukunft die ewige Seligkeit. Amen. Geschehen in Schloss Burg im Jahre 1160 nach der Geburt des Herrn, in der VIII. Indiktion, der 11. Epakte und der V. Konkurrente unter der Herrschaft des glorreichen Herrn Friedrich, während mein Sohn Engelbert bei der Belagerung von Mailand unter ihm Kriegsdienst leistete, unter dem verehrungswürdigen Herrn Rainald, erwähl-tem Erzbischof von Köln. In Anwesenheit vieler Zeugen, unter denen: Reinbod, Oliver, Gottschalk Schat, Wolfhart von Grünscheid, Gerhard von Burg, Heinrich von Herbede, Egilmar von Flittard genannt seien.17 Die Beliebtheit des Kirchenpatrons Pankratius hatte zu dieser Zeit schon eine lange Tradition. Sein Patrozinium geht auf Kaiser Arnulf von Kärnten18 zurück, der 896 von einem Italienzug Reliquien des Heiligen mitbrachte. Die Verehrung des Heiligen blühte auf, er wurde Patron der Ritter und des Adels und besonders viele Burg- und Schlosskapellen seinem Namen geweiht.19 Die St. Pankratiuskapelle in Schloss Burg übergab Graf Engelbert I. den Johannitern zur Ausübung ihrer Tätigkeit, als er um 1176 dem Orden Zutritt zu seiner Burg gewährte.20 Die damals ausgestellte Stiftungsurkunde ist verschollen und deshalb auch nicht in der Urkundensammlung Vollmers enthalten. Die Johanniterkommende Burg veranlasste nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges die Anfertigung einer Kopie,21 um die Rechtmäßigkeit ihrer Privilegien und ihres Besitzes auf Schloss Burg aufrecht zu erhalten. Sie bestä-tigt die geschichtlichen Vorgänge der Gründung: „Ich, Graf Engelbert, habe mit Zustimmung meiner Gattin dem Hl. Johannes und den Armen Christi im Hospital zu unserm Seelenheil die Kirche Remscheid und hundert Mark zu geben gelobt, die ich noch nicht entrichtet habe.“ Um dieses Gelübde einzulösen, überließ der Burgherr nach jener Urkunde den Johannitern einen Fronhof bei der Kirche in Remscheid, für den sie einen jährlichen Zins von sechs Mark zu zahlen hat-ten, und übergab ihnen gleichzeitig auch die Kapelle in der Burg samt ihren Einkünften. Überdies wurde den Geistlichen des Ordens die Haus- und Tischgemeinschaft im Grafenschloss zugesichert, „also geschehen unter der Regierung des glorreichsten Kaisers Friedrich (Barbarossa) und des Erzbischofs Philipp von Köln“ (He 2a) 15 LACOMBLET, UB. I. Nr. 401. 16 Alle folgenden Urkundentexte und Erklärungen gehen zurück auf den Staatsarchivdirektor Dr. Bernhard Vollmer, Ausgewählte Quellen zur Geschichte von Schloss, Amt und Freiheit Burg an der Wupper, Opladen 1958. Die Übertragung lateinisch verfasster Urkunden darin erfolgte von Karl-Friedrich Bartlewski. 17 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden, Johanniter Nr. 2, Bernhard Vollmer, a .a. O. S. 13 18 Arnulf v. Kärnten * 850 Moosburg / Kärnten, † 899 Regensburg. 896 Kaiser d. Hl. Röm. Reiches. 19 Verena Kessel, Weltgericht und Seelenwaage, Bensberg 2010, S. 16. 20 LACOMBLET, UB. II, Nr. 66, Urk. v. Jahre 1217. Vgl. HAARLESS, in der Berg. Zs. XXIII, S. 251. 21 Zu dieser Urkundenkopie siehe auch Kapitel zur Herkunft der romanischen Säulen. 9 Abb. 3: Schloss Burg an der Wupper, Plan der Burganlage um 1917 von Fischer und Arntz. Archiv des Schlossbauvereins Auch wenn das Original der Gründungsurkunde von Engelbert I. verloren gegangen ist, und auf der Urkundenkopie des 17. Jahrhunderts vielleicht der Verdacht der Fälschung liegen sollte, wird durch eine erhaltene Urkunde seines Sohnes, des Grafen Adolf III., Engelbert I. als Begründer der Kommen-de genannt. 1217 bestätigt Graf Adolf III. von Berg beim Antritt seines Kreuzzuges, bei dem er vor der ägyptischen Stadt Damietta starb, die dem Johanniterhospital zu Burg von seinem Vater gemach-ten Schenkungen der dortigen Kapelle mit ihren Wachszinsigen, sowie den dortigen Johannitern die Tischgemeinschaft und sonstige Einkünfte und Besitzungen. Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Ich, Adolf, von Gottes Gnaden Graf von Berg, gebe den jetzt und künftig lebenden Menschen für alle Zeit folgen-des zur Kenntnis: Während unsere Nichtigkeit nichts den göttlichen Gaben Gleichwertiges zurückzugeben ver-mag, erkennt man eine so große Herablassung göttlicher Gnade, dass, während sie uns sehr Großes gewährt, sie von uns für die gnadenreichsten Geschenke nur sehr Geringes empfängt, und dass, wenn wir selbst einem Schützling etwas gewähren, wir nicht von dem Unsrigen geben, sondern von dem Seinigen. Das freilich hatte der fromme Eifer meines Vaters seligen Angedenkens andächtig und sorgfältig bedacht, als er der göttlichen Güte, die ihm großes Ansehen und viel Ruhm gegeben hatte, nur ganz Geringes zurückzahlte, und einige seiner Besit-zungen ihrem heiligen Dienste für immer zu eigen gab. Im Glauben, dass er durch diese fromme Tat sich ewigen Ruhm erworben hat, und mit dem Wunsche, dass auch wir solcher Gnade teilhaftig werden, erkennen wir seine Handlung an und wollen sie bestätigen. Daher tun wir den jetzt und in der Zukunft lebenden Menschen kund, dass er zum Dienste der Niederlassung des Johanniterordens zu Jerusalem folgendes seiner Besitzungen gott-ergeben dargebracht hat: Seine Kapelle in Burg mit den dazugehörigen Wachszinsigen und die Tischgemein- 10 schaft für die dortigen Geistlichen und vom Hof Remscheid sechs Mark und auch die Kirche dieser Ortschaft nebst den dritten Teil ihres Zehnten und auch je eine Hufe in Hoddinbegge und in Hurterode, zwei Hufen in Kö-nigsspitze und dazu die Mühle in Dürscheid. Daher sollen diese durch die Freigiebigkeit meines Vaters seligen Angedenkens gemachten Widmungen und andere sicher bezeugten Schenkungen der Vasallen unter unserem Schutz unangefochten bestehen bleiben und dem Gottesdienst für immer dienen. Damit diese Abmachung durch keine List, durch keine Machenschaften irgendeines Menschen verletzt oder ungültig gemacht werden kann, bestätigen wir dies durch das Zeugnis dieser Urkunde, durch unser Siegel und vor allem durch die Autorität des allmächtigen Gottes. Gegeben im Jahr 1217 nach der Geburt des Herrn, beim Aufbruch zum Kriegszug ins Heilige Land zur Ehre des Heiligen Kreuzes.22 Außerdem gibt diese unsere Urkunde dem Lampert von Scherf die Erlaubnis, der oben erwähnten Kapelle einen Zins von zwölf Denaren zu stiften. In dieser im Original erhaltenen Urkunde wird von Adolf III. eine große Anzahl von Schenkungen bestätigt, die unabdingbare Vorraussetzung für die Daseinssicherung der Johanniterkommende war. Adolf III. konnte sich sicher sein, dass ihm mit diesem Versprechen ein sehr guter Ruf nach Palästina vorauseilte, der ihm auf dem Kreuzzug von Nutzen sein konnte. Die großzügige Bestätigung der Privi-legien der Johanniter war also auch eine Versicherung für sein Unternehmen; denn im Nahen Osten ging zu dieser Zeit nichts ohne die dort mächtigen Ordensritter. Leider endete Adolfs Reise schon ein Jahr später vor Damietta in Ägypten mit seinem Tod. Auch sein Bruder und Nachfolger Engelbert II., der als Erzbischof von Köln und Verwalter des Reiches unter Friedrich II. das Bergische Grafen-schloss zu einer mächtigen Hofburg ausbaute, unterstützte die Tätigkeit des geistlichen Ritterordens. Er schenkte dem Hospital in Burg u. a. den Lehnshof Buhell, den Bücheler Hof in der Pfarrei Herken-rath (He 6; Lac. II, 130). Obwohl der Vorgang nicht belegt ist, könnte von diesem Hof aus im 13. Jh. die Gründung der Kommende Herrenstrunden erfolgt sein (1277 urkundlich belegt).23 Dieses Johanni-terhospital machte zum Ende des 14. Jahrhunderts allmählich dem Zentrum Burg den Vorrang streitig. Seit 1354 sind beide Kommenden bis zur Auflösung des Ordens 1803 von einem gemeinsamen Kom-tur verwaltet worden. Ebenfalls im 13. Jahrhundert ist von Burg aus die Johanniter-Niederlassung Marienhagen gegründet worden. Für die Kommende Burg sind 1252 vier Brüder und ein Provisor belegt, eine ähnliche Größe, vermutlich auch kleiner ist für Marienhagen vorstellbar.24 Die Gründung in Marienhagen, die vom Stammsitz der Grafen von Berg ausging, dürfte auch politisch motiviert gewesen sein, denn sie fiel in die intensiven Auseinandersetzungen mit dem Grafen von Sayn um die Herrschaftsgebiete im Bergischen. Mit Marienhagen platzierten die Grafen von Berg eine Kommende im Gebiet der Grafen von Sayn und erhielten somit Einfluss in deren Territorium.25 Nicht viel anders verläuft die Geschichte des Nachbarortes Drabenderhöhe, für den Herzog Wilhelm I. von Berg 1391 das Zehntrecht erwarb und Johanniter dorthin holte. Die Herzöge von Berg protegier-ten den Ritterorden und nutzten die kirchliche Gelegenheit, sich herrschaftlichen Einfluss im Bereich ihres Gegners zu verschaffen. Von daher überließen sie die Pfarrei auch nicht komplett den Johanni-tern, sondern teilten sich mit dem Orden das Recht die Pfarrstelle zu besetzen, wodurch sie mehr Ein-flussmöglichkeiten behielten. Entsprechend erreichten sie im sogenannten Siegburger Vergleich 1604, dass sie und die Grafen von Sayn jeweils eine Hälfte des Ortes erhielten.26 Auch für Marienberghausen in unmittelbarer Nähe wird eine ähnliche Pfarrgeschichte angenommen, doch durch das Fehlen jegli-cher schriftlicher Nachrichten ist das nicht nachweisbar. Erst 1228, drei Jahre nach dem gewaltsamen Tod Engelberts II., wird die Johanniterkirche St. Johann- Baptist durch eine Urkunde von Herzog Heinrich von Limburg, Graf von Berg und seiner Gemahlin Irmgard in Burg genannt.27 Diese bezeugen, dass sich eine Familie in die Wachszinsigkeit der Johanni-terkirche zu Burg begeben hat. 22 St. A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 5. bearbeitet von Bernhard Vollmer, a. a. O. S. 16 23 Nach G. Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler erfolgte 1224 die Gründung der Johanniter - Kommende Herrenstrunden zusammen mit der Kommende Herkenrath, 1328 Ballei, 1803 aufgehoben. 24 Verena Kessel, Weltgericht und Seelenwaage, Bensberg 2010, S. 52 25 Verena Kessel, a. a. O. S. 52. 26 Verena Kessel, a. a. O. S. 66. 27 Lacomblet, UB. II, Nr. 155. 11 Wir, Heinrich, Herzog von Limburg und Graf von Berg, und Irmgard, unsere Gemahlin, tun allen, die diese Ur-kunde lesen, kund, dass Herbord, seine Brüder, seine Frau Mechthild und ihre Kinder sich in die Wachszinsigkeit der Kirche des heiligen Johannes in unserem Schloss Burg begeben haben mit der Verpflichtung, am Feste des heiligen Servatius dem Altare der genannten Kirche jährlich zwei Kölner Denare zu entrichten. Bei Erbfolge sollen zwölf Denare in gleicher Weise gezahlt werden. Geschehen in der neuen Burg im September des Jahres des Heils 1228 unter den Zeugen Wolbert, Pfarrer dieser Kirche; Adolf von Stammheim, Truchseß; und der Burg-mann Gottschalk. Damit aber diese Abmachung unangetastet und unverändert bestehen bleiben soll, haben wir diese Urkunde mit unserem Siegel versehen lassen.28 Eine weitere Urkunde von 128029 nennt sowohl die Kirche St. Johannis, als auch die Kapelle des hei-ligen Pankratius in der neuen Burg. Diesmal ist es der Großmeister des Johanniterordens, Hermann von Brunshorn, der die Bewidmung der Johanniterkirche zu Burg durch Graf Adolf V. von Berg und dessen Gemahlin mit Reliquien und Kleinodien ihrer dortigen Kapelle bezeugt. Allen Christgläubigen, die diese Urkunde lesen, entbietet Bruder Hermann von Brunshorn, Großmeister des Jo-hanniterordens zu Jerusalem für Deutschland, Böhmen, Dakien, Österreich, Polen, Mähren, und Vertreter des Großmeisters für Ungarn, seinen Gruß im Namen des Heilandes. Der Edelherr Adolf, Graf, und die edle Herrin Elisabeth, Gräfin von Berg, haben um Gottes Willen ein silbernes, vergoldetes Bild der heiligen Jungfrau mit zwei Engeln aus gleichem Material an ihrer Seite,30 eine silberne Taube, enthaltend eine goldene Kapsel für die Hos-tie, Umhänge, Messgewänder, Dalmatiken, feinste Leinentücher, Altarschmuck, einen Goldring mit einem Zahn des heiligen Apollinaris mit allen Reliquien ihrer Kapelle auf Burg unserem Orden und seinen Burgleuten, welche jeweils am genannten Ort der Burg sind, gemeinsam voll guten Willens geschenkt mit dem Bedeuten, dass alle genannten Dinge unteilbar und untrennbar dort bleiben sollen und dass mit diesen Gegenständen in unserer Kirche des heiligen Johannes und in der Kapelle des heiligen Pankratius in dem genannten Burg, wie es das Kirchenjahr erfordert, immer dem Herrn gedient werde. Daher haben wir, die wir gegenüber dem Willen des Herrn Grafen und der Gräfin unseren Willen zu versichern wünschen, beschlossen und mit der Autorität des ganzen Ordens den einzelnen Komturen aufgetragen und den Brüdern, welche jeweils an dem schon oft genann-ten Orte sich aufhalten werden, nachdrücklich befohlen, alles Obenerwähnte sorgfältig zu bewachen und zu be-wahren und unter keinen Umständen zu dulden, dass diese Schenkungen durch irgendjemand unseres Ordens, durch eine geistliche oder weltliche Person auf irgendeine Weise veräußert oder dem Zweck dieser Stiftung ent-zogen werden. Dafür stellen wir diese Urkunde bekräftigt durch unser Siegel aus. Gegeben im Jahre des Herrn 1280 am Tage der Himmelfahrt der seligen Jungfrau.31 Noch in den folgenden Jahrhunderten erhielt die Burger Kommende aus Besitztümern der Bergischen Landesherren beachtliche Zuwendungen. Aber auch vermögende Burgmannen machten den Johanni-tern Stiftungen, die ihren Besitz mehrten. Am 6. Juni 1350 verkaufen Hermann van dem Steynwege und seine Ehefrau Hedwig Sote dem Johanniterkon-vent zu Burg aus ihrem dortigen Haus, Hof und Garten eine Jahresrente von acht französischen Tournosen. Es siegeln zwei dortige Burgmannen.32 Am 13. Juli 1359 verkaufen der Ritter Heinrich von Schönrode und seine Frau Elisabeth ihrem Oheim, dem Jo-hanniter Pilgrim von Rode auf Lebenszeit ihre Wiese zu Burg, ihre halbe Fischereigerechtsame und eine Hühner-rente daselbst.33 Um eine Vergrößerung des Komturhauses zu ermöglichen, überlassen in einer Urkunde vom 15. No-vember 1362 die Witwe Gerhards, Gräfin Margarete von Berg und Ravensberg und ihr Sohn Wilhelm von Jülich den Brüdern des Hauses im Hospital St. Johannis von Jerusalem auf Schloss Burg den unte-ren Teil eines zwischen deren Burglehen und dem Burglehen Gerhard Schynkerls gelegenen Turmes, dessen obere Hälfte sie von dem letzteren erwerben, unter Vorbehalt seiner Benutzung bei Kriegsge-fahr und unter der Bedingung, dass dadurch die Sicherung der Befestigung niemals beeinträchtigt werden dürfe34 Dieser Johanniterturm, der später zum katholischen Pfarrhaus umgebaut wurde, be- 28 St. A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 8. Bearbeitet von Bernhard Vollmer a. a. O. S. 17 29 Lacomblet, UB. II, Nr. 740 30 Hier handelt es sich vermutlich um ein byzantinisches Kunstwerk. 31 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 29. Bearbeitet von Bernhard Vollmer a. a. O. S. 18. 32 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 114. Vollmer, S. 22. 33 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 149. Vollmer, S. 23. 34St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden Nr. 156. Th. J. Lacomblet, UB. Bd. III Nr. 629, Vollmer, S. 24. 12 grenzte zusammen mit dem Diebsturm des Hochschlosses den Bereich des Hospitals mit der Kirche der Johanniter, das im äußeren Burgbering erbaut worden war. Bemerkenswert ist die damalige Auf-teilung des Turms in Ober- und Untergeschoss auf zwei Besitzer. Am 4. April 1363 verpachtet Wilhelm von Jülich, Graf von Berg und Ravensberg, auf Vorschlag sei-ner Räte dem Komtur und den Brüdern des Johanniterhauses auf Schloss Burg zwei innerhalb der Mauern gelegene Gärten, vormalige Burglehen. Gleichzeitig tauscht der Ritter Heinrich von Schönro-de sein dortiges Burglehen gegen das des Gerhard von Waldenburg gen. Schenkern und übereignet es einschließlich zweier Hausstätten den Johannitern.35 Zur Geschichte der Johanniter36Der Orden der Johanniter entwickelte sich aus einem vor dem ersten Kreuzzug in Jerusalem erbauten Hospital, weshalb die Mitglieder eine Zeit lang auch Hospitalier oder Hospitalsritter hießen. An anderer Stelle heißt es, dass Kaufleute, die aus Jerusalem nach Amalfi ge-kommen waren, dort 1070 für die Pilger, die zum Heiligen Grabe wallfahrten, ein Kloster und ein Hospital erbaut hatten. Die Einrichtung erkor sich Johannes den Täufer zum Schutzpatron und wurde Wiege der „milites hospitales sancti Johannis“. Damit hatte sich noch vor dem Templerorden und vor dem Deutschherrenorden der Johanniterorden als die älteste Gemeinschaft unter den drei religiösen Ritterbünden gebildet. Die Brüder folgten der Augustinerregel, gelobten Armut, Gehorsam und Keuschheit und schworen, Jerusalem gegen die Muslime zu verteidigen. Bald schon erwies sich die Bewaffnung der Ordensritter, die aus adligem Geschlecht stammten, als notwendig. Gerard, das erste Oberhaupt mit dem Titel eines Rektors, gab dem Orden die erste Regel und schrieb als Ordenstracht einen schwarzen Umhang mit weißem achtzackigem Kreuz vor. Von Papst Calixtus II.37 wurde später die inzwischen vervollständigte Ordensregel anerkannt, nach der die Mitglieder des Ordens sich als Ritter oder Priester oder Laienbrüder den satzungsmäßigen Aufgaben des Pilgerschutzes, der Seelsor-ge oder der Krankenpflege zu widmen hatten. Seit 1259 wurden die Leiter des Ordens als Großmeister bezeichnet. Im 12./13. Jahrhundert waren die Johanniter die stärkste militärische Macht im Nahen Osten. Als um 1300 die letzten Kreuzfahrerbastionen fielen, verließen auch die Johanniter das Heilige Land. Sie verlegten sich 1291 erst nach Zypern und richteten 1309 ihr Hauptquartier auf Rhodos ein. 1312 übernahmen sie einen Teil des Besitzes des aufgehobenen Templerordens. Sie konnten sich auf Rhodos zwar 200 Jahre lang dem Druck des Osmanischen Reiches erwehren, mussten aber 1522 die Insel den Türken überlassen. Um 1530 wurden sie von Karl V. mit der Insel Malta belehnt und nann-ten sich fortan Malteser. Während der Französischen Revolution nahm Napoleon mit seinen Truppen die Insel ein und verdrängte den Orden nach Triest, später nach Rom. Der Malteserorden spielte in Europa bis ins 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle und hat auch heute noch seine karitative Zielset-zung beibehalten. Die Niederlassungen des Johanniterordens am Niederrhein reichen bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück. Um 1150 siedelten sich in Duisburg die ersten Angehörigen des Hospitalordens an, um den Wallfahrern zum Heiligen Grab Unterkunft zu bieten. Eine um 1155 ge-schriebene Urkunde berichtet von der Einweihung der Hospitalkirche St. Marien in Duisburg, die dem Johanniterorden gehörte. (He 1; I, 387) 1176 wird der Orden auf Schloss Burg ansässig. Der Bau der Kirche St. Johannis in Schloss Burg Obwohl die Burger Ordenskirche St. Johannes der Täufer erstmals 1228, also nach dem Tod Engel-berts II. genannt wird, dürfte sie früher, letztmöglich aber unter seiner Regentschaft entstanden sein. Paul Clemen nimmt an, dass sie bereits vor 1200 erbaut worden ist und folgt dabei der Ansicht Gerhard August Fischers, der vor dem Wiederaufbau von Schloss Burg auch die Martinskirche nach ihren Ursprüngen untersuchte.38 (Karte, Abb. 3) Kubach und Verbeek verweisen die Entstehung da-gegen ins 1. Viertel des 13. Jahrhunderts.39 Sicherlich war der erste romanische Palas der Burg zur Aufnahme 35 St.A. Düsseldorf: Herrenstrunden, Johanniter Nr. 158. Vollmer, S. 25. 36 Textteil nach Paul Luchtenberg, „Die Johanniter auf Schloss Burg“ 37 Papst Calixtus II. 1119-1124 38 Paul Clemen, Die Bau- und Kunstdenkmale des Rheinlandes, Köln 1894, S. 215-216. 39 Hans Erich Kubach / Albert Verbeek, „Romanische Baukunst an Rhein und Maas“: Katalog der vorromani-schen und romanischen Denkmäler, Bd.1-3, Berlin 1976. S. 167-168. 13 Abb. 4: Schloss Burg, innerer Bering und Fundstücke von dort. Der innere Schlosshof vor 1900 noch ohne Bergfried, links die Burgkapelle. Zeichnung von G.A. Fischer, Archiv des Schlossbauvereins. 14 einer Johanniterkommende beengt und die daran angebaute Pankratiuskapelle als Ordenskirche von bescheidenen Verhältnissen. Solange aber kein anderer Kirchenraum zur Verfügung stand, wurde dort die heilige Messe für den Burgherrn und sein Gefolge gelesen. Vermutlich wurde dort auch getauft, doch ob das schon an dem romanischen Taufbecken geschah, das sich heute noch in der Martinskirche befindet, ist nicht nachweisbar.40 Die Kommende in Burg war wie alle Niederlassungen des Johanniterordens finanziell allein auf sich gestellt und sein Gedeihen auf Stiftungen der Bergischen Grafen und des Adels angewiesen. Ob ihre frühen Einkünfte schon bald für einen kostenträchtigen Kirchenneubau ausgereicht hätten ist deshalb ebenso ungewiss wie die Frage, ob Engelbert I.41 oder Adolf III.,42 der 14-jährig die Nachfolge antrat, die Stifter waren. Beide Grafen rüsteten sich mit langer Anlaufzeit auf die sehr kostspieligen und ris-kanten Kreuzzüge. Da sie von diesen Abenteuern nicht zurückkehrten und in Burg keine reiche Beute aus dem Heiligen Land zu verteilen war, dürfte die Bauaufgabe einer Johanniterkirche letztlich bei Engelbert II.43 verblieben sein. Zumindest verfügte der Erzbischof und Bergische Landesherr über große Geldmittel und gut ausgebildete kölnische Handwerker, um einen solchen Bau in kurzer Zeit errichten zu lassen. Dazu kam, dass Engelbert bei dem Bauvorhaben zu seinem großen Palas auch eine neue Schlosskapel-le errichten ließ und die Verfügbarkeit dieses kleineren Gotteshauses neu regeln musste. Als Erzbi-schof von Köln, Landesherr und Reichspolitiker mit großem Aufgabenbereich benötigte er seine neue Kapelle am Hochschloss zukünftig für seine private Andacht und auch für repräsentative Zwecke. Der Name des Patrons St. Pankratius wurde von der alten, ererbten Burgkapelle auf die neue, an den Palas angebaute Schlosskapelle übertragen, wobei die geistlichen Brüder der Johanniter die Verpflichtung zum Lesen der Messe dort behielten. Die Kommende der Johanniter erhielt zusätzlich eine neue, nach ihren Vorstellungen gebaute Kirche, die nach der Tradition des Ordens Johannes dem Täufer geweiht wurde. Auch für Pfarraufgaben der wachsenden Burggemeinde war St. Johannis vorgesehen, so dass sie zum Zeitpunkt der Weihe zur Pfarr- und Taufkirche des zukünftigen Ortes Burg wurde. Die kirch-liche Neuorganisation und der aufwändige Bau von St. Johannis, sprechen für Erzbischof Engelbert I. von Köln als Urheber der Dinge (Abb.5). Diese Kirche, die außerhalb des inneren Burgrings unmittelbar am unteren Tor der Vorburg entstand, war bis zur Säkularisation 1803 im Besitz der Johanniter und stets auch die Pfarrkirche der Freiheit Burg. Als im Jahre 1553 der Pfarrer und mehrheitlich die Gemeinde Burg die lutherischen Lehre an-nahmen, gerieten die Johanniter in eine merkwürdige Situation. Als katholische Eigentümer aller kirchlichen Einrichtungen nebst Schule mussten sie sich der protestantischen Mehrheit fügen, die Be-nutzung der Kirche zulassen und Zugeständnisse in der Besoldung von Pfarrer, Küster und Lehrer machen. Auch dem Unterhalt der betreffenden Gebäude mussten sie nachkommen; denn die fürstliche Landesregierung bestand auf unbedingte Erfüllung aller berechtigten protestantischen Forderungen. Bei der 1589 im Bergischen Land durchgeführten Kirchenvisitation wurde festgestellt, dass in Burg der Gottesdienst ganz im Sinne der Reformation abgehalten wurde. Diese Ruhe war aber 1593 vorbei; denn es hatte sich wieder eine katholische Gemeinschaft gebildet, die mit einem neuen Ordenskom-mandeur den Lutheranern die Kirche streitig machte. Die Machtverhältnisse schwankten ständig, bis die Gegenreformation unter Herzog Wolfgang Wilhelm Pfalzgraf bey Rhein44 einsetzte. 1621 wurde auf Befehl des Herzogs durch den Johanniterkommandeur die Kirche mit allem Zubehör den Protes-tanten genommen. Diese waren durchaus nicht entmutigt, sondern darauf vertrauend, dass in allen umliegenden Orten protestantische Mehrheiten waren, versuchten sie die Kirche zurückzubekommen. Der Streit zog sich mehr oder weniger gewaltsam bis 1647 hin und lieferte unter der Bezeichnung „Burger Kirchenkrieg“ Stoff für viele Geschichten und Berichte. Er endete aber letztlich nach dem Willen der Johanniter mit Unterstützung des Amtmanns und Kellners von Burg mit dem Nutzungs-recht der Katholiken an der Kirche.45 40 Nähere Einzelheiten zum Taufbecken im Teil Ausstattung der Kirche. 41 Engelbert I. Graf von Berg 1160-1189, auf dem Kreuzzug mit Barbarossa 1189 bei Kovin erschlagen. 42 Adolf III. Graf von Berg 1189-1218, auf dem Kreuzzug in Ägypten beim Sturm auf Damietta gefallen. 43 Engelbert I. Erzbischof von Köln seit dem 29. Februar 1216; als Engelbert II. Graf von Berg seit 1218, 1225 von seinem Verwandten Friedrich von Isenburg bei Gevelsberg ermordet. 44 Herzog Wolfgang Wilhelm 1614-1653, in der Klosterkirche St. Andreas zu Düsseldorf begraben. 45 Roth, a.a.O. S. 72-75. 15 Abb. 5: Siegel des Kölner Erzbischofs Engelbert I. Zerstörung, Wiederaufbau und Säkularisation Die Geschehnisse des Streits um das Besitzrecht der Kirche spielten sich als Nebenschauplatz des Dreißigjährigen Krieges ab, während dessen Schloss Burg 1632 von den Schweden belagert, wahr-scheinlich auch beschossen und erheblich beschädigt wurde. Die Schweden haben Schloss Burg auch eingenommen, das geht aus einem Brief vom 4. Dezember 1632 von Herzog Wolfgang Wilhelm (1614-1653) an den schwedischen Befehlshaber Baudissin hervor, in dem er sich über die Drangsalie-rungen der Schweden beschwert. „Das Kriegsvolk hat sich unseres Amtshauses Burg bemächtigt. Einige Kompanien Dragoner quartierten sich in Wipperfürth und Radevormwald gewaltsam ein. 1500 Pferde und 600 Stück Vieh sind den Bewohnern geraubt worden. Sie beklagen sich auch über den Verlust ihrer Möbel und anderer Hausutensilien. Die Soldaten scheuten sich nicht, sie, soweit sie keine Verwendung dafür hatten, vor den Augen der Besitzer zu zerschlagen und zu verbrennen. Männer und Frauen, Adelige nicht ausgenommen, sind ihrer Kleider beraubt und aus dem Lande vertrieben worden.“46 In dem Schreiben wird die Einnahme der Burg bestätigt, doch wie es geschah ist nur zu vermuten. Die Schweden konnten ihre Kanonen nur von Osten, also jenseits des Halsgrabens auf der Anhöhe in Stel-lung bringen. Von dort wird eine Beschießung an der Schildmauer und an erreichbaren Teilen des Hochschlosses erhebliche Schäden angerichtet haben. Doch dieser Angriff dürfte die Kirche nicht getroffen haben; denn sie lag dabei im Schutz des Hochschlosses und somit im Schatten der Angriffs-seite. Von Süden, Westen und Norden her konnte das Schlossgelände und damit auch die Kirche nicht unter Feuer genommen werden, da die Steilhänge des Bergsporns eine Geschützstellung unmöglich machten. Nach Abzug der Schweden sind in den darauf folgenden Jahren Reparaturen und Verstär-kungen an den Festungswerken ausgeführt worden. Im Winter 1637 drang das Heer des kaiserlichen Generalfeldmarschalls von Götz in das Fürstentum Berg ein und belegte fast alle Städte mit Einquar-tierungen. Das Amtshaus von Burg war wegen seiner entlegenen und geschützten Lage als Fruchtde-pot eingerichtet worden und viele brachten ihre wertvolle Habe dorthin. Die Besetzung der Burg ver-zögerte sich zunächst, was aus dem angsterfüllten Briefverkehr des Kellners mit dem Landesherrn Wolfgang Wilhelm hervorgeht. Ob die Soldateska Schloss Burg letztlich verschonte, ist nicht mehr in Erfahrung gebracht worden. Vermutlich gelang es Wolfgang Wilhelm, die drohende Gefahr abzuwen-den. Wir wissen, dass er mit den Götzschen Heerführern in brieflichen Verkehr trat und versuchte, die Kriegsnot in seinem Lande zu lindern.47 46 Fritz Hinrichs, Schloss Burg im Dreißigjährigen Krieg, in: Rom. Berge 1961/62 S.163. 47 Fritz Hinrichs, a. a. O. S. 164 ff. 16 Abb. 6: Schloss Burg, der Bollwerkturm im äußeren Bering, eine freie Rekonstruktion des Wiederaufbaus. Zeichnung von Ludwig Arntz 1917, Archiv Schloss Burg Die Götzschen Heerhaufen räumten das Fürstentum im März 1638. Doch 1642 bemächtigten sich wiederum kaiserliche Truppen der Armee des Feldmarschalls von Holzapfel des Landes und diesmal auch der Festung Burg. Sein Unterführer Heinrich von Plettenberg verlegte seinen Wohnsitz dorthin, was aus seinen Briefen von dort hervorgeht. Mit relativ freundlichen Schreiben bat er die Amtsvorste-her der umgebenden Orte um Stroh für die Mannschaften und um Futter für die Pferde, mit dem Ver-sprechen, Land und Leute zu schonen. Oberst von Plettenberg blieb bis zum Schluss des Krieges auf Burg und vermutlich hat man sich mit ihm in dieser Zeit eingerichtet. Doch zum Zeitpunkt des Frie-densschlusses kam es zur Katastrophe. Bevor 1648 die kaiserliche Besatzung unter seinem Befehl die Burg aufgab, zerstörte sie auf Weisung des Westfälischen Friedenschlusses durch Sprengung den Bergfried und einen Großteil der Verteidigungsanlagen. Vermutlich gingen mit Ausnahme des großen Palas fast alle Nebengebäude in Flammen auf. Bei dem brachialen Vorgehen wurden auch die Kirchen der Burg schwer in Mitleidenschaft gezogen. Infolge der Sprengung des Bergfrieds zerschlugen und erdrückten die fallenden Gesteinsmassen die nahe stehende Kapelle am Palas des Hochschlosses. Der Johanniter- und Pfarrkirche wurde die Lage am unteren Tor der äußeren Umwehrung zum Verhängnis. Beim Zerstörungswerk dort stürzte die Kirche größtenteils ein.48 Doch sind die damaligen Schäden eher auf Geschosstreffer als auf eine Sprengung zurückzuführen. Ein Beschuss der Kirche kann nur vom Burginneren, bzw. vom Gelände der Vorburg erfolgt sein. Etwaige Geschütze standen damals in dem der Kirche benachbarten Batterie- oder Bollwerkturm (Abb.6), von wo aus zum Schutz des Hoch-schlosses das westliche untere Burggelände gegen Eindringlinge bestrichen werden konnte. Für das Vernichtungswerk der abrückenden Besatzung, kamen zwei Möglichkeiten in Betracht. Entweder haben die Soldaten mit den Geschützen vom Batterieturm aus den Johanniterturm unter Feuer ge-nommen um ihn als Teil der Wehranlage auszuschalten und in voller Absicht dabei auch die Johanni-terkirche mit mehrfachen Treffern zusammengeschossen. Oder die danach erfolgte Sprengung des Batterieturms löste mit den darin gelagerten Pulvervorräten eine derart heftige Explosion aus, dass Luftdruck und wegfliegende Mauerteile die Kirche trafen und völlig zerstörten. Rudolf Roth schreibt 1921 in seinem Buch „Schloss Burg an der Wupper“ von einem Beschuss der Kirche, was die Verfas-ser später anhand der Schäden bestätigen können. Die Besatzung, die über Jahre untätig in den 48 Zu den Zerstörungen an der Kirche siehe auch S. 25 ff. 17 Abb. 7: Schloss Burg, ehemalige Johanniterkirche, heute Pfarrkirche St. Martinus. Foto der Verfasser von 2010 Burgmauern verbrachte, wird beim Abzug vermutlich jede Disziplin fallen gelassen haben. Es wurde rücksichtslos alles zusammengeschossen, was sich den Kanonen als Ziel bot. Eine spätere Aufzeichnung von 1692 sagt, dass bei der Schleifung der Festungswerke sogar „Pferd-stall, Backhauß und Brawhauß“ ihrer Dächer beraubt seien, so dass „nichts mehr unter Dach stehet als das hohe Gebew und die Kellnerey“. Über den Zustand der Johanniterkirche und ihrer Nebengebäude wird dagegen nichts berichtet, doch ist anzunehmen, dass Johanniter und Gemeinde zu dieser Zeit ihr Gotteshaus wieder errichtet, sowie Komtur- und Pfarrhaus mit dem Torturm repariert hatten. Erst 67 Jahre nach der Zerstörung – im Jahre 1715 - wird die erste authentische Abbildung der Kirche von Erich Philipp Ploennies, dem Kartographen der „Topographia Ducatus Montani“ gezeichnet und zwar als Teil einer Gesamtansicht von Schloss Burg (Abb.1). Auf der Ansicht ist die Kirche im wieder auf-gebauten Zustand zu sehen, hat einen gotischen Anbau und einen Dachreiter. Das Pfarrhaus ist ein Fachwerkbau, der mit dem Johanniterturm eine Einheit bildet. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde die Johanniterkommende wie alle Or-densklöster in Deutschland aufgehoben und ihr Besitz von der Landesregierung eingezogen. Bei Auf-lösung der Niederlassung wurde die Ordenskirche als Pfarrkirche der katholischen Gemeinde Ober-burg übergeben und erhielt später den Patronatsnamen St. Martinus. Mit der Enteignung der Johanni-ter ging die Verpflichtung zur Bauunterhaltung der kirchlichen Einrichtungen in Burg auf den Landes-herrn über. Das war nach 1815 der preußische Fiskus und in seiner Nachfolge das Landeshochbauamt in NRW. Kurzbeschreibung des heutigen Kirchengebäudes mit seinen Veränderungen Die Kirche, wie sie sich uns heute darstellt, ist denkbar einfach gebaut. Äußerlich ein quaderförmiger verputzter Baukörper ohne jegliche Zier mit einem verschieferten Satteldach (Abb.7 u. 8). Über der eingerückten dreiseitigen Apsis im Osten erhebt sich ein schlanker verschieferter Turm mit geknickter 18 achtseitiger Schieferpyramide, der 1771 errichtet worden ist. Im oberen Teil des Turmschafts hängt eine Glocke von Eberhard Petit aus dem Jahr 1790.49 Abb. 8: Schloss Burg, Inneres von St. Martinus nach Osten. Foto der Verfasser 2010. Die Nordwand des Langhauses hat drei Fenster mit gedrücktem Spitzbogen im Bereich der westlichen Hälfte, der östliche Teil ist geschlossen. Die Südseite hat im westlichen Bereich gleichartige Fenster, die den nördlichen ungefähr gegenüberstehen. Östlich sind zwei weitere Fenster vorhanden, die aber höher liegen und kleiner sind. Zwei ähnlich große Fenster befinden sich auf der Ostwand des Kir-chenschiffs jeweils rechts und links neben dem Apsisanbau. Die Apsis besitzt nur ein großes rundbo-giges Fenster in der Ostwand. Auf der Mitte der Südseite der Kirche ist ein früher noch sichtbares ehemaliges Portal im Putz angedeutet (Abb.9 und) Im Jahre 1959 ist an der Südseite, auf dem einsti-gen Kinderfriedhof eine Sakristei angebaut worden. Abb. 9: Schloss Burg, St. Martinuskirche, Südwand mit ehemaligem romanischem Portal, 49 Die Familie Petit ist in mehreren Generationen als Glockengießer in Gescher / Westfalen tätig. 19 davor der Kinderfriedhof, auf dem sich heute die Sakristei befindet. Aufnahme: Pfarrarchiv St. Martin vor 1950 Abb. 10: 20 Abb. 11: Schloss Burg, St. Martinuskirche, Westportal von Manfred Saul. Aufnahme der Verfasser 2011 In der Mitte der Westwand, die im unteren Bereich verstärkt wurde und bis auf ein Eulenloch im Gie-bel fensterlos ist, befindet sich das einzige Portal der Kirche. Seine zweiflügelige Holztür ist auf den Mittelleisten mit einer Schnitzerei des Bildhauers Manfred Saul aus Hennef gestaltet (Abb. 11). Die übereinander angeordneten Menschen symbolisieren das Wort „Einer trage des anderen Last“. Die Tür sitzt in einem romanischen Gewände aus grauem Trachyt, bestehend aus Sturz und Leibung. Im Portalbogen über dem trapezförmigen Sturz ist ein modern gearbeitetes Johanniterkreuz. Aufgrund der Mauerverstärkung ergibt sich zum Kirchenraum ein kurzer Vorraum, der eine gerader Decke besitzt. Auf der Innenseite der Westwand befindet sich nördlich des Eingangs eine Bogennische, die auf ein früheres Portal zurückzuführen ist. In der Ecke zur Südwand ist ein auffallend hervortretender Sockel, und rechts davon eine aus der Mauer hervortretende Halbsäule zu sehen. Dem schlichten Äußeren entspricht auf den ersten Blick auch der Innenraum, einer einfachen Saalkir-che mit Holzbalkendecke und darauf liegender doppelter Verbretterung. Die über 10 m langen Balken sind mittig im Dachwerk aufgehängt. Der Blick vom Eingang geht ungehindert bis zur Ostwand mit ihren Augenfenstern und einem ungegliederten runden Triumphbogen, dahinter eine kleine dreiseitige Apsis die um drei Stufen erhöht ist (Abb.8). Die gemauerte Altarmensa mit einer gekehlten Platte ist ungewöhnlich groß und einige Zentimeter aus der Apsis hervorgerückt. In der Südwand des Altar-raums eine kleine Rundbogennische (Armarium oder Lavabo), ihr gegenüber bündig in der Nordwand ein einfacher verschließbarer Sakramentsschrank (Tabernakel) aus spätgotischer Zeit. Dieser besteht aus einem geraden Sandsteingewände mit einer eisenbeschlagenen Holztür, die mit zwei Schlüsseln geöffnet wird. Auf der Südseite ist der Zugang zur Sakristei von 1959, die einen Vorraum mit einer Außentür besitzt. Als Besonderheit der Martinskirche sind im Inneren Apsis und östlicher Kirchenraum durch eine Ar-kadenstellung gegliedert. Die schwarzen Schiefersäulen weisen Eckblattbasen und vorzüglich gearbei-tete spätstaufische Blattkapitelle auf. Ihre Herkunft ist bislang nicht nachgewiesen, doch nach Ausweis der Kapitelle müssen sie während der Bautätigkeit unter Engelbert II., 1218-25, entstanden sein.50 Zwei der Kapitelle – rechts und links vom Altar - mussten rekonstruiert werden, da die Originale bei der Aufstellung des Barockaltars 1804 zerschlagen wurden. 50 Kubach /Verbeek, a. a. O. 21 Die hölzerne, graublau gefasste Ausstattung der Kirche, bestehend aus Bänken, Beichtstuhl und We-stempore ist einheitlich im schlichten spätbarocken Stil angefertigt. Auf der Empore, die über eine neuzeitliche Spindeltreppe zu erreichen ist, steht eine Orgel mit dreiteiligem klassizistischem Pros-pekt. Abb. 12: Schloss Burg, Inneres von St. Martinus um 1920 mit dem Barockaltar aus Altenberg und einer dazu angepassten Chorausstattung. Foto: Stadtarchiv Solingen An sakralen Kunstwerken finden sich auf der Nordwand ein spätgotisches Kruzifix und zwei barocke Plastiken, der Erzengel Gabriel und der hl. Georg. Ihnen gegenüber eine neuzeitliche Plastik des Erz-bischofs Engelbert I. An den beiden Seitenwänden unterhalb der Fenster hängen 17 Tafeln eines Kreuzwegs mit auf Kupfer gemalten Szenen im Stil der Nazarener. Die neugotische Holzrahmung ist mit ihrer Fassung noch original. Nördlich des Apsisbogens steht der romanische Taufstein, das älteste Ausstattungsstück der Kirche. Die beiden Fenster in der Ostwand und das Apsisfenster sind mit mo-dernen Glasmalereien des Künstlers Peter Hecker gestaltet. Alle übrigen Fenster in der Kirche sind einfach verglast. Seit ihrer Erbauung vor 800 Jahren hat die Johannes- und spätere Martinuskirche ihr ursprüngliches Aussehen weitgehend verloren. In den ersten 300 Jahren wird die Kirche vermutlich fast völlig unver-ändert geblieben sein, abgesehen von Einrichtungen und Kunstwerken, die in die Kirche gestellt wur-den. Erst zum Ende des 15. Jahrhunderts, als an vielen Kirchen des Bergischen Landes Erweiterungen vorgenommen wurden, oder zurzeit der Spätgotik nach 1511, als unter Herzog Johann III.51 Schloss Burg vornehmlich als Jagdschloss eingerichtet wurde und der Palas seine Fachwerkaufbauten bekam, wird auf der Nordseite ein zweistöckiger Sakristeianbau mit einem polygonalen Abschluss angefügt worden sein. 1526 dürfte bei der Hochzeit der Tochter Sybille mit Johann Friedrich von Sachsen auf Schloss Burg die Trauung in der Johanniterkirche stattgefunden haben.52 1631 ist von einem Turmbau, vermutlich einem Dachreiter in den Aufzeichnungen der Johanniter zu lesen.53 Die größten Veränderungen ergaben sich durch die Zerstörungen bei der Sprengung der Befesti-gungswerke 1648. Bis auf den gotischen Anbau und wenige Teile der Umfassungsmauern stürzte die 51 Herzog Johann III. der Friedfertige, *1490, 1496 verlobt, 1510 verh. mit Maria von Jülich Berg, 1511-1539, Landesherr. 52 Anna von Kleve, ebenfalls Tochter von Johann und Maria wurde eine der Ehefrauen Heinrich VIII. v. Engl. 53 Clemen, a. a. O. , Burg, S. 43. 22 Kirche völlig ein. Noch im 17. Jahrhundert errichtete man auf den verbliebenen Resten die Außen-mauern neu und übernahm dabei die äußere Hülle des romanischen Vorgängerbaus, aus dem sich im Inneren 16,70 m für die Länge, 8,50 m für die Breite und 7,70 m Raumhöhe ergeben. Der Wiederaufbau geschah in den einfachsten Formen, wobei neben einer wesentlichen Änderung der Fenstergestaltung die Kirche im Inneren zwischen Klerikern und Gemeinde geteilt wurde. In der da-mals eingebauten Trennwand befanden sich unten ein großer Durchgangsbogen und darüber ein Ni-schenbogen mit nach Osten weisender Empore, auf der die Orgel eingebaut war (Abb.10). Der Orga-nist erreichte die Empore vom Oberstock des Sakristeianbaus. Vermutlich ließen die Johanniter zu dieser Zeit in den neu geschaffenen Chorraum die Bogenstellungen mit den romanischen Säulen ein-bauen. Der auf der Zeichnung von Ploennies 1715 sichtbare Dachreiter dürfte ebenfalls aus der Wie-deraufbauphase des späten 17. Jahrhunderts stammen. Er wurde 1771 durch den größeren Turm über der Apsis ersetzt und später mit einem zweistimmigen Geläut ausgerüstet: einer Glocke von Petit, gegossen 1790 und der sogenannten Malteserglocke von 1799, die 1887 wegen Beschädigung umge-gossen wurde. Seit dieser Zeit sind von den Johannitern nur noch geringfügige, bzw. keine Erhal-tungsarbeiten an der Kirche durchgeführt worden. Die Gemeinde, die völlig mittellos dem Verfall nicht Einhalt gebieten konnte, wandte sich an die Landesregierung, die 1801/02 eine Renovierung durchführen ließ. Dabei wurde der nördliche spätgotische Anbau abgebrochen und durch eine kleine Sakristei ersetzt. Im Inneren entfernte man die Chorwand und erneuerte Dach, Fenster und Kirchen-raum. 1803 wurde nach Auflösung der Kommende die Kirche der Gemeinde übergeben. Der Pfarrer erbat sich 1804 von der Regierung einen Bildaltar aus dem Kloster Altenberg, ein barockes Kunstwerk, das bis 1964 in der Kirche blieb (Abb. 12). Ansonsten unterblieb im 19. Jahrhundert fast jede Erneuerung, obwohl Clemen und Fischer diese mit Hinweis auf die romanischen Säulen gern durchgesetzt hätten.54 Erst 1909 erfolgte eine gründliche Erneuerung der Kirche, bei der sowohl innen als auch außen der Putz erneuert wurde, sich aber ansonsten keine großen Veränderungen ergaben. Vermutlich musste im Zweiten Weltkrieg die jüngere Glocke von 1887 abgegeben werden, die nicht wieder ersetzt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind über mehrere Jahre umfangreiche Sanierungen durchgeführt wor-den. 1959 erbaute man die jetzige Sakristei an der Südseite der Kirche, der einfache Anbau auf der Nordseite wurde abgerissen. Ab 1960 wurde bei Trockenlegung des Gebäudes der gesamte Außenputz abgeschlagen und erneuert, die Kirche im Inneren instand gesetzt und nach den Vorstellungen des II. Vatikanischen Konzils eingerichtet. Von der relativ einheitlichen barocken Ausstattung sind damals sowohl die Kommunionbank als auch die Kanzel entfernt und vermutlich zerstört worden. Das aus Altenberg stammende Altarretabel mit einem Kreuzigungsgemälde nach der Art des van Dyck, der bis dahin 160 Jahre in der Apsis stand, wurde ebenfalls aus der Kirche genommen.55 Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Johanniterkirche Abgesehen von der schmuckvollen Gestaltung des östlichen Kirchenraums mit der romanisch erschei-nenden Arkadengliederung ist in der Martinskirche von einstiger spätromanischer Harmonie oder ei-nem mittelalterlichen Flair nichts mehr zu spüren. Selbst die barocke Gestaltung, die mit dem Wieder-aufbau vorgenommen wurde, ist inzwischen weitgehend zurückgenommen worden. Die Ansicht des einfachen Saales entspricht dem Eindruck, den wir von anderen Kirchenräumen aus der nachreforma-torischen Zeit haben. In der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts wurden fast alle ländlichen Kirchen als Saalbauten errichtet. Dabei treffen wir vor allem in evangelischen Kirchen auf umfangreiche Empo-reneinbauten, die reichlichen Platz für die Besucher des Predigtgottesdienstes bereitstellen. In Burg ist aber neben der Chorwand nur die heute noch vorhandene Westempore errichtet worden, der übrige Raum blieb von Einbauten frei. 54 Paul Clemen, Schreiben vom 11.2.1908 an die Regierung. In: Archiv des Erzbistums Köln, Akten des Pfarrar-chivs von St. Martinus zu Burg an der Wupper, 123 ( AEK PfA. Burg.) 55 Die Angabe Killings, der Altar sei in die ev. Kreuzkirche in Düsseldorf gekommen, ist nicht richtig. 23 Bei der Frage, ob der heutige Kirchensaal in dieser Form als mittelalterlicher Innenraum vorzustellen ist, muss zunächst auf Kubach und Verbeek verwiesen werden. In ihrem Werk „Romanische Baukunst an Rhein und Maas - Katalog der vorromanischen und romanischen Denkmäler“ wird auf den Seiten 167-168 die kath. Pfarrkirche St. Martin, ehem. St. Johann genannt und zum Vergleich auf St. Katha-rina in Blankenberg / Sieg verwiesen: „Ein ähnlicher flachgedeckter Saalbau von 9,6 X 16 m Weite Abb. 13: Schloss Burg, Ansicht von Nordosten mit St. Martinskirche. Zeichnung von Stahl 1908 Archiv des Schlossbauvereins mit eingezogenem gewölbten Chor entstand 1246/48 in Blankenberg an der Sieg als Nonnenkloster und Pfarrkirche.“ Kubach und Verbeek bringen uns mit diesem Hinweis einer Lösung aber nicht nä-her, denn G. Dehio erklärt schon 1967 im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler - Das Rheinland auf S. 232, dass auch ... „das einschiffige flachgedeckte Langhaus (der Katharinenkirche in Blanken-berg) nach Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg 1686 weitgehend erneuert worden ist.“ 24 Abb. 14: Grundrisse von Ritterordenskirchen um 1220. Links: die Kirche der Deutschherren von Ramersdorf, rechts: die Johanniterkirche von Nieder-Weisel in Hessen. Zeichnungen maßstäblich angenähert Es entstanden sowohl in Blankenberg als auch in Burg barockzeitliche Saalbauten des 17. Jahrhun-derts, womit eine realistische Einschätzung des Ursprünglichen dieser Kirchenräume von Kubach und Verbeek nicht gegeben ist. Die frühen romanischen Basiliken des 12. Jahrhunderts weisen zwar flach gedeckte Mittelschiffe von großer Breite auf, werden aber durch die Hochschiffswände und durch die Öffnungen der Seitenschiffe zu harmonischen Einheiten gegliedert. Daneben sind kleine Saalkirchen erhalten geblieben, die aber wie in Refrath wesentlich älter sind und mit den romanischen Kirchen des ausgehenden 12. und des beginnenden 13. Jahrhunderts wenig gemein haben. In dieser Zeit wurden Kirchenräume fast ausnahmslos eingewölbt, wobei besonders die Spätromanik große Bogenspannwei-ten umging, um daraus resultierende niedrige und gedrungen erscheinende Räume zu vermeiden. Die Lösung war dabei immer der mehrschiffige Kirchenraum, insbesondere die mehrschiffige Halle, die uns aus der Zeit des Übergangs von der Romanik zur Gotik begegnet. Kreist man die Zahl der infrage kommenden Kirchenbauten enger ein, geben weder Schloss Burg noch die Reste anderer Johanniterniederlassungen im westlichen Deutschland Auskunft über ursprüngliche Anlagen für Krankenpflege und Seelsorge. Obwohl die gewaltigen Festungen des Ordens in Palästina (Krak de Chevalier / Syrien), auf Kos, Rhodos und später auf Malta von einer regen und ausgeklügel-ten Bautätigkeit der Johanniter zeugen, ist von einer speziellen Baukunst des Ordens wenig bekannt. In Deutschland haben sich aber Kirchenräume der Johanniter und der ebenfalls mit Krankenpflege befassten Deutschherren erhalten, die bestimmte Baugewohnheiten dieser Orden erkennen lassen. Dabei ist aber nicht an die nach dem Dreißigjährigen Krieg neu gestalteten barocken Saalbauten der Johanniter zu denken, wie sie in Herrenstrunden, Borken, Herford und Steinfurt-Burgsteinfurt erhalten sind. Ebenso wie die Johanniterkirche von Burg oder die Katharinenkirche in Blankenberg haben die genannten Ordenskirchen vereinfachende Umbauten erfahren, die kaum noch ihre ursprüngliche Bau-gestalt erahnen lassen. Eine Ausnahme bildet die um 1310 erbaute einschiffige Kirche der Kommende von Marienhagen, einem noch ganz erhaltenen gewölbten frühgotischen Saalbau mit Apsis. 25 Bei der Suche nach älteren Kirchen, die in ihrer Konzeption dem Grundriss der Burger Ordenskirche nahe kommen, bietet sich unter wenigen Vergleichsbeispielen die Johanniterkirche in Nieder-Weisel in Hessen an,56 die um 1200 durch Stiftungen des Grafen Kuno I. von Münzenberg errichtet wurde. Auch die Kapelle der Deutschordenskommende Ramersdorf am Rhein, die 1846 auf den Alten Fried-hof in Bonn übertragen wurde und so der Vernichtung entging, zeigt bestimmte Merkmale einer Hos-pitaliterkirche (Abb. 14). 57 Während die Pfarr- und Klosterkirchen des 12. Jahrhunderts zumeist dem basilikalen Raummuster folgen, sind die genannten Ordenskirchen nach 1200 als „moderne“ weite Gewölbehallen gebaut wor-den. Wahrscheinlich ließen sich Johanniter und Deutschherren als Pflegeorden von der Praxis leiten, ihre Kirchenhallen neben der Nutzung als Gottesdienstraum jederzeit auch als Lazarett gebrauchen zu können. Nach ihren Erfahrungen aus den Kreuzzügen war eine feste Unterbringung zur Pflege von Verwundeten und Kranken wichtig. Diese Unternehmungen, wie auch andere Kriegszüge im Heimat-land waren oft mit hohem Blutzoll oder völliger Erschöpfung der Teilnehmer verbunden; deshalb kam es auf die mögliche Genesung jedes Mannes an, weil er zur Machterhaltung des jeweiligen Landes-herrn gebraucht wurde. Zu früher Zeit waren die Kirchenräume nicht bestuhlt, man nahm stehend an der zumeist kurzen heili-gen Messe teil. Die Kirchen waren also leer, so dass jederzeit eine Umnutzug als Krankensaal erfolgen konnte. Die Johanniterkirche von Nieder-Weisel zeichnet sich außerdem durch ihre Doppelstöckigkeit aus; denn bei ihr ist ein weiterer Krankensaal über dem Kircheraum angelegt.58 Obwohl auch dieser Abb. 15: Schloss Burg, Grundriss und Querschnitt durch die Martinskirche von Fischer. Zeichnung aus: Clemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 1894. über eine eigene Altarapsis verfügt, sind beide Räume durch eine Öffnung im Zwischengewölbe ver-bunden. Die zu Pflegenden konnten also akustisch an allen Messen und Chorgesängen im Haus teil-nehmen. Sie sollten von ihrem Lager aus die Feier der Messe verfolgen, da den Johannitern die Gene-sung an Leib und Seele galt. Dies ist der Grund für die Anlage einer relativ flachen Altarapsis in den Johanniterkirchen, die ohne Chorraum direkt an das Kirchenschiff anschließen. Die Kirchen von Nie-der- Weisel und Ramersdorf zeigen wenig tiefe, allseits gut einsehbare Apsiden, in denen die Altäre direkt unter dem Apsisbogen stehen. Dieses Prinzip ist auch in der unverändert gebliebenen frühgoti- 56 Hinweis auf Nieder Weisel erstmals bei Johannes Fahmüller, Die katholische Pfarrkirche St. Martin in Solin-gen- Schloss Burg in: Romerike Berge Heft 1, 1998, S. 10. 57 Versetzung durch Johann Claudius v. Lassaulx, rheinischer Baumeister, * 1781 †1848 in Koblenz. 58 Der Bau von Nieder-Weisel blieb um 1200 unvollendet, da der Stifter Kuno I. starb. Den oberen Krankensaal bauten die Johanniter auf eigene Kosten erst um 1550 aus. 26 schen Kirche in Marienhagen nachzuvollziehen, wo die polygonale Apsis ohne Chor unmittelbar am Kirchenschiff steht. Auch in Burg ist eine kurze, gut einsehbare Apsis vorhanden und der Altar deutlich in Richtung der Gemeinschaft der Betenden gerückt. Zudem versinnbildlichte das Armutsideal der Johanniter, wie auch ihr gemeinschaftliches Zusammenleben unter anderem darin, dass im Inneren der Kirche auf eine bauliche Unterscheidung zwischen Priester und Laienraum verzichtet wurde.59 Ein mit Schranken abgeschlossener Mönchschor, wie er bei Benediktinern und Zisterziensern im Mittelalter vorgeschrie-ben und üblich war, ist in einer frühen Johanniterkirche nicht anzutreffen. Deshalb können wir davon ausgehen, dass auch in Burg die ursprüngliche Ordenskirche keinen Klerikerchor besaß. Erst beim Wiederaufbau nach 1648 setzten sich die Ordensherren durch den Bau der Trennwand vom übrigen Kirchenvolk ab (Abb. 10). Eine hervortretende Eigenheit der Kreuzritter-Ordensbauten ist auf der einen Seite der Verzicht auf überflüssige Bauzier, andererseits aber die Verpflichtung zu einer soliden Bauweise. Dazu gehört die Gewohnheit, Kirchen, Versammlungsräume und Unterkünfte der Ordensburgen möglichst mit steiner-nen Decken – also Gewölben – auszurüsten. Allgemein verbreitete sich seit der Mitte des 12. Jahrhun-derts zur Verminderung der Brandgefahr eine Einwölbung fast aller Kirchenräume, wodurch die be-deutende Langlebigkeit dieser Bauten erreicht wurde. Den Johannitern ging es darüber hinaus um ein gleichmäßiges Raumklima und die Voraussetzung für hygienisch saubere, von Ungeziefer freie Unter-künfte. Entsprechend dieser Maßstäbe sind auch die Kirchen Nieder-Weisel und Ramersdorf vollständig ein-gewölbt (Abb. 14). Nach der Baugewohnheit der Spätromanik um 1220 finden wir in beiden Sakral-räumen sogenannte Hängekuppeln, leichte kuppelige Gewölbe mit Rundbogengurten an allen Seiten der quadratischen Joche und aus konstruktiven Gründen an den Schmalseiten der rechteckigen Gewöl-bejoche den gedrückten Spitzbogen. Bei diesen Beispielen stellt sich natürlich die Frage, warum in der ehemaligen Johanniterkirche in Schloss Burg nur eine flache Holzbalkendecke vorhanden ist. Könnte auch diese Kirche eine Gewöl-bedecke besessen haben, bevor sie am Ende des Dreißigjährigen Krieges zerstört wurde? Leider fehlen darüber und wie lange sie als Ruine gestanden hat, die Nachrichten. Ebenso ist dem Ausmaß der Zer-störungen an der Kirche bislang nicht genau nachgegangen worden. Die Foto-Dokumentation des unverputzten Kirchenbaus Um ein Bild von den damaligen Schäden zu bekommen, bzw. die Reste der einstigen romanischen Kirche, die die Zerstörung von 1648 übergelassen hatte, erfassen zu können, stehen uns zwei Aussa-gen zur Verfügung. 1. Die Bauaufnahme von Gerhard August Fischer von 1890 mit ihren Angaben (Abb.15). 2. Eine fotografische Dokumentation der äußeren Kirchenmauern nach Entfernung des Verputzes im Jahr 1960 (Abb.16-21). Vermutlich war zurzeit der Bauaufnahme, die Fischer von der Kirche um 1890 vornahm, der äußere Kalkverputz soweit verwittert und abgefallen, dass die Mauerstruktur mit Baufugen und Materialun-terschieden größtenteils sichtbar wurde. Daraus schloss Fischer auf die mittelalterlichen Reste und zeichnete in seinen Grundriss auf der Südseite noch etwa 8,70 m romanisches Mauerwerk ein sowie an der Nordseite 7,70 m. Auch Ostwand und Apsis sind von ihm als mittelalterlich gekennzeichnet wor-den. Das Mauerwerk des gesamten Westteils der Kirche schrieb er dem Wiederaufbau des 17 Jahrhun-derts zu. Fischer machte neben Zeichnungen von Grund- und Aufriss auch eine Textbeschreibung der Kirche, die dann in Paul Clemens „Bau- und Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“ wiedergegeben wur-den. Nach Fischers Angaben blieb 1648 auch die romanische Bogenstellung in Chor und Apsis erhal- 59 Scheurmann / Hoffmann, Sakralbauten – Förderprojekte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2001, S. 128. 27 ten. Die Kunsthistoriker60 folgen heute dieser Vorstellung aber nicht mehr, deshalb muss die Frage nach der Herkunft der kleinen Säulen in der Wandarkatur gesondert behandelt werden. Die Fotografien des unverputzten Kirchengebäudes, die man 1960 bei den Sanierungsarbeiten anfer-tigte, werden sowohl im veröffentlichten Aufsatz über die Martinuskirche von Johannes Fahmüller aus dem Jahr 1998 als auch 2006 im Kirchenführer des Burger Gemeindemitglieds Robert Killing er-wähnt. Beide nennen als Quelle Kubach und Verbeek, denen bei der Erstellung ihres Werkes „Roma-nische Baukunst an Rhein und Maas“ von 1976 wohl ebenfalls die betreffenden Fotografien aus dem Archiv des Rheinischen Denkmalamts bzw. des damaligen Staatl. Hochbauamts zur Auswertung vor-lagen. Während der langjährigen Instandsetzung der Kirche, wobei auch die neue Sakristei auf der Südseite angebaut wurde, war 1960 der gesamte Außenputz eine zeitlang entfernt worden. Nach Angaben Fahmüllers und Killings erwogen Pfarrer und Gemeinde, die Kirche der romantischen Steinsichtigkeit der Burg anzupassen, um sie optisch besser in das mittelalterlich erscheinende Gesamtbild einzubinden. Das Flickwerk aus Bruchsteinen, Tuff und Ziegeln ließ sie aber von dem Vorhaben Abstand nehmen und die Kirche kam wieder unter Putz. Killing berichtet in seinem Kirchenführer, eine teilweise Er-neuerung des Verputzes erfolgte wegen aufsteigender Feuchtigkeit im Sockelbereich noch einmal anlässlich der Renovierung 1999/2000.61 Kubach und Verbeek erwähnen, dass 1960 nach Freilegung der Mauern eine Beobachtung des Mau-erwerks durchgeführt wurde, jedoch ohne genaues Aufmaß, eine Bodenuntersuchung sei nicht durch-geführt worden. Sie betonen, die von Fischer entdeckten nicht genau gegenüberliegenden vertikalen Baufugen begrenzen nicht einen älteren Ostteil, sondern nur einen Abschnitt der Erneuerung. Diese Einschätzung fußte auf der Beobachtung, dass beim Durchbruch des Zugangs zur neuen Sakristei an der Südseite des Chors im Mauerwerk alte Tuffsteine mit anhaftendem Wandputz wieder verwendet waren. Demgegenüber schreiben sie, dass die Laibungen der beiden Rundbogenfenster an der Südseite Abb. 16: Schloss Burg, Martinuskirche von Südwest. Aufnahme: Pfarrarchiv St. Martin, Burg um 1960 60 Kubach/Verbeek, a. a. O. S. 168; auch Johannes Fahmüller, a. a. O. S. 4. 61 Robert Killing, Die St. Martinuskirche in Burg a. d. Wupper, Burg 2006. S. 7. 28 über dem Sakristeizugang, ebenso wie an der östlichen Chorwand nachträglich erweitert (kenntlich an den kurzen Bogensteinen) und nach unten verlängert worden sind.62 Die Angaben Kubach und Verbeeks scheinen sich hier zu widersprechen; denn die nachträgliche Er-weiterung der Fenster im Chorteil weist auf das von Fischer beschriebene ältere Mauerwerk an dieser Stelle. Der Fund wieder verwendeter Steine beim Durchbruch darunter kann auf partielle Reparatur des beschädigten Mauerwerks zurückzuführen sein. Fahmüller geht wie Fischer davon aus, dass die östlichen Bauteile des Schiffes offensichtlich noch zum mittelalterlichen Bestand gehören.63 Mit Ein-schränkung schließen sich auch die Verfasser dieser Ansicht an; denn die Plätze der Rundbogenfenster im südöstlichen Mauerteil folgen einer anderen Regel als alle übrigen Fensterachsen. Wie sich später ergeben wird, sind sie mit dem einstigen Südportal aufschlussreich für die gesamte ursprüngliche Durchfensterung des ehemals romanischen Kirchengebäudes. Die Südwand (Abb.16) Die drei wesentlich größeren spitzbogigen Fenster im westlichen Teil der Südwand und ihre Gegen-stücke auf der Nordwand sind tatsächlich ein Ergebnis des Wiederaufbaus nach 1648. Die vorliegende Fotografie der Südseite zeigt eindeutig die Situation, die sich damals ergeben hat. Auf der Fläche der drei Fenster muss sich eine große Bresche im Mauerwerk befunden haben, die anscheinend durch ei-nen Kanonentreffer aus unmittelbarer Nähe hervorgerufen worden war. Das Geschoss drückte die Wand nicht nur nach innen, sondern flog durch den Kirchenraum um dann die Nordwand in noch grö-ßerer Breite nach außen zu werfen. Deutlich ist auf dem Foto zu sehen, wie altes Mauerwerk die Bre-sche umrahmt: Im unteren Bildbereich ist der ursprüngliche Sockel durchgehend aus Bruch- und Hau-steinen aufgemauert. Darüber ist in geringer ungleichmäßiger Höhe Mischmauerwerk aus Tuff und Hausteinen zu erkennen, dass sowohl nach Osten wie nach Westen ansteigt, also andeutungsweise eine Rundung erkennen lässt, wie sie bei einer Bresche durch einen Geschosstreffer hervorgerufen wird. Diese Lücke ist insgesamt mit fast einheitlich großen Tuffsteinen und dem Einbau der drei gro-ßen Fenster wieder geschlossen worden. Rechts im Bild ist im alten Mauerwerk eine ehemalige Rund-bogenpforte mit romanischen Bogensteinen und Gewände aus Trachyt zu erkennen. Das kleine Portal liegt in der Mitte der Südwand und ist mit Tuffsteinen vermauert worden, ein Zeichen, das dieses nach 1648 geschehen ist. Darüber steigt die benannte Baufuge, die den östlichen noch mittelalterlichen Mauerteil markiert, bis auf die Höhe der Fensterkämpfer um sich dann nach rechts unserem Blick zu entziehen. Bemerkenswert ist aber der Zustand auf der westlichen Seite der Bresche. Weder von Fischer und Clemen noch von Kubach und Verbeek ist vermerkt worden, dass die Westwand ebenfalls als romani-sches Mauerwerk erhalten blieb. Die Südwestecke des Gebäudes besteht noch vollständig aus Trachytquadern, die zur Süd- und Westwand umgreifen. Daran schließt sich das Mischmauerwerk aus Tuff und großen Trachytsteinen teilweise bis zur Leibung des ersten Fensters an. Zur Westseite hin ist also im Gegensatz zu allen bisherigen Beschreibungen viel romanische Substanz erhalten geblieben. Vermutlich ging die Wucht des Geschosses beim Einschlag parallel zur Westwand, die zwar extrem durchgeschüttelt wurde, aber insgesamt stehen blieb. Die vorgebaute etwa ein Meter dicke Verstär-kung aus Tuffstein zeigt, dass ihre Standfestigkeit danach gesichert werden musste. Die Westseite (Abb.17) Auch das Foto der westlichen Kirchenseite bestätigt, dass es sich um romanisches Mauerwerk handelt. Es besteht hier fast vollständig aus Tuffstein und ist mit einer Kalkschlämme bedeckt, die selbst beim Abschlagen der Putzschicht haften blieb. Das Foto erfasst die Front- und Giebelfläche oberhalb der mit einem verschieferten Pultdach versehenen Mauerverstärkung, die nach 1648 vorgesetzt wurde. Der sichtbare mittlere Wandabschnitt ist stärker aufgebaut und in dieser Form in den kurzen linken Giebel-abschnitt hochgeführt. Die übrige Giebelfläche tritt um gut eine Steinstärke zurück, was aber auch für die untere rechte Wandseite zutrifft. Durch eine senkrechte unregelmäßige Abarbeitung ist der Über-gang zur Reduzierung der Wand hier kaum erkennbar, wird aber rechts unten im Bild durch das sich verbreiternde Schieferdach deutlich. Die Oberkante des dickeren Mauerbereichs ist mit einem einge-lassenen Holzbalken als Traufe abgedeckt worden. Die erkennbar unterschiedlichen Mauerstärken der Westwand sind von Fischer im Grundriss seiner Bauaufnahme mit einer gestrichelten Linie dokumen-tiert, aber nicht weiter kommentiert worden (Abb.15). 62 Kubach/Verbeek, a. a. O. S. 168. 63 Fahmüller, a. a. O. S. 3. 29 Der Grund der Bauweise erschließt sich erst bei genauerer Betrachtung, da die Putzmörtelschlämmung fast vollständig alle Bauspuren verwischt. Kaum erkennbar sind auf der Wand zwei große nebenei-nander liegende Rundbogen angeordnet, die romanischen Ursprungs sind. Sie sind beim Wiederaufbau zur Festigung der Wandstruktur zugemauert worden; denn die einst sehr prägnante Mauerwerksgliede-rung ist bereits auf der Ploennies-Zeichnung von Schloss Burg nicht mehr zu sehen. Die Größe der Bögen lässt weder auf Fenster noch auf Portale schließen; denn diese sind in der Romanik wesentlich kleiner ausgeführt worden. Die Annahme Killings, der zurückgehend auf den Bericht Rudolf Roths erwähnt,64 dass sich hier ein oberer Zugang in die Kirche befunden haben soll, bestätigt sich dadurch nicht. Eine Tür, die man über eine Brücke vom Pfarrhaus erreichen konnte, ist nicht möglich, da das Pultdach der unteren Mauerverstärkung viel zu weit hinaufreicht. Auch die Vorstellung, die Bögen könnten als Emporenöffnungen zum Kircheninneren gedient haben, führt ins Leere. Dafür hätte ein westlicher Anbau vorhanden sein müssen, der nicht nur optisch schwer vorstellbar ist, sondern auch der üblichen Bauweise der Hospitalbrüder widersprochen hätte. Entscheidend ist aber, dass die Bögen für eine Durchgängigkeit zum Kirchenraum viel zu hoch in die Wand gesetzt worden sind. Die Verfasser sehen hier zwei ursprünglich freiliegende romanische Blendbögen, die die Wand ver-stärkend architektonisch aufgliederten. Die Westseite war mit dem Hauptportal auch die Schauseite des sonst sehr schlichten Kirchengebäudes, dem damit ein repräsentatives Aussehen verliehen wurde. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich in jedem der beiden Blendbogenflächen ein Rundbogenfens-ter befand.65 Dazu berichtet Rudolf Roth, bei der Erneuerung des Innenputzes seien oben an der inne-ren Westwand zwei Rundbogentüröffnungen sichtbar geworden.66 Was man 1909 als Türen annahm, waren nach Meinung der Verfasser aber ehemalige Fensteröffnungen nach Westen. Abb. 17: Schloss Burg, Westgiebel der Martinuskirche um 1960. Im romanischen Mauerwerk sind oben rechts ein ehemaliger Zugang und unterhalb des Balkens zwei zugesetzte Blendbögen zu erkennen, rechts ist ungleichmäßig abgearbeitetes Mauerwerk. Aufnahme: Pfarrarchiv St. Martin 64 Rudolf Roth, Schloss Burg an der Wupper, seine Geschichte und Entwicklung chronologisch geschildert.“ Burg an der Wupper 1922. Robert Killing, Die St. Martinskirche in Burg a. d. Wupper, Solingen-Burg 2006, o. S. 65 Nachweis von Fenstern an diesen Stellen durch die Abnahme eines Putzstreifens im Inneren. 66 Rudolf Roth, a. a. O. S. 86. 30 Abb. 18: Schloss Burg, St. Martinuskirche, hier der oben rechts am Westgiebel sichtbare vermauerte Durchgang, im Inneren des Westgiebels. Aufnahme der Verfasser 2010 Mit dieser Fassadengliederung steht die Burger Johanneskirche aber nicht allein. Zum Vergleich bietet sich am Westteil der Stiftskirche in Gräfrath ähnliches Mauerwerk mit großen Rundbogenblenden und eingesetzten Fenstern an. Gräfrath erfuhr zu Beginn des 13. Jahrhunderts – also zur Bauzeit in Burg - seine Vollendung. Bemerkenswert ist, dass ähnlich wie in Burg auch in Gräfrath für das Westportal ein Türsturz in Trapezform geschaffen wurde. Die Frage eines Anbaus an der Westseite stellt sich aber bei der rechts oben im Giebel erkennbaren vermauerten kleineren Öffnung. Diese ist heute im Inneren als Segmentbogennische zu sehen, eine ehemalige Tür, durch die man anscheinend von außen den Dachraum erreichen konnte (Abb.18). Da die Öffnung heute 1,65 X 0,80 misst, könnte die Schwelle dieses Zugangs ursprünglich niedriger gele-gen haben, was aber nur bei einer gewölbten Kirche möglich war. Zur Erbauungszeit hat man zumeist Im Inneren der Kirche eine Treppe zum Dach vermieden, um die Einheit des Kirchenraums, wie auch das betreffende Jochgewölbe nicht zu stören. Deshalb sind seit der Spätromanik bis zur Spätgotik vielerorts schlanke runde oder achteckige Türme mit einer Spindel- oder Wendeltreppe außen an die Gebäude angebaut worden, deren unterer Eingang vom Kirchenraum aus erfolgte (Abb.22-24). Nach-vollziehbar ist dies, wenn man sich die heute im Inneren der Martinskirche befindliche moderne Wen-deltreppe auf der Außenseite vorstellt. Demnach stand vor der südlichen Westwand ein Treppenturm, dessen vermauerter Eingang sich im Inneren der Kirche in der Westwand noch nachweisen lassen müsste. Über die Wendeltreppe stieg man nach oben und gelangte durch die heute noch sichtbare Tür in den Dachraum. Ein in die Westwand eingegliederter Treppenturm erklärt nicht nur die geringe Wandstärke in diesem Bereich, auch die erwähnte senkrechte Abarbeitung des äußeren Mauerwerks ließe sich auf die einstige Verbindung mit einem solch schmalen hochstrebenden Anbau zurückführen. Der Treppenturm stützte die Westwand wie ein Rückgrat und nahm als Gegenpart zur Apsis die Längsschubkraft der Gewölbe auf. Vermutlich hat der stützende Bauteil die Westwand beim Beschuss 1648 zunächst vor dem Einsturz bewahrt, ist dann aber wohl selbst zerstört worden. Der Bau eines Treppenturms machte es notwendig, das Hauptportal auf der nördlichen Seite der Westwand anzulegen. Entsprechend sind sowohl die Mittelachsen der Treppenturmzugänge im Kir-chenraum wie am Dachboden, als auch die Mittelachse des ehemaligen Portals 2,20 m von der Mitte der Kirche angelegt worden. Es waren nicht nur ausgeglichene Proportionen auf der Westschauseite zu schaffen, sondern auch die Architektur der Kirchenhalle machte einen seitlich versetzten Zugang er- 31 forderlich.67 Erst nach dem Wiederaufbau zur einfachen Saalkirche und dem Bau der unteren West-wandverstärkung schloss man diesen Zugang und gestaltete ihn anfangs zu einer Nische für das Tauf-becken um, während ein neues Portal mittig eingebrochen wurde. Seine Rundrahmung aus Tuffstein fasst einen Türsturz aus Trachyt ein, der zweifellos versetzt worden ist (Abb.11). Ein zweiter Sturz soll im Boden vor der Türschwelle verlegt worden sein.68 Ein weiteres, bisher nicht beachtetes Indiz für die mittelalterliche Westwand findet sich auf der Innen-seite des Giebels auf dem Dachboden. Der Innengiebel zeigt eine waagerechte und zwei seitlich be-findliche senkrechte Nuten zur Aufnahme des Balkenwerks vom früheren Dachstuhl. Der Giebel be-fand sich nicht wie heute unter der Dachhaut, sondern stand ehemals mit der Mauerkrone frei. Bei dieser romanischen Bauweise wird das Dachwerk innen am Giebel verankert, um vom Winddruck nicht verschoben und an der Anschlusskehle undicht zu werden. Aus den Nuten innerhalb der Giebel-mauer lässt sich auch das Gebinde des mittelalterlichen Dachstuhls ablesen. Im Gegensatz zum heuti-gen Hängewerk für die freitragende Balkendecke des Kirchenschiffs fehlte im romanischen Dach die mittlere Hängesäule. Die große Nut in der Mitte des Giebels zur Aufnahme der Hängesäule mit den beiden Kopfbändern ist erst später aus der Wand herausgestemmt worden. Ein Hinweis, dass ehemals wohl keine Balkendecke im Kirchenschiff vorhanden war. Apsis und Ostwand (Abb.19) Im Gegensatz zum Westgiebel sind unter dem Dach auf der östlichen Giebelwand die ursprünglich erforderlichen Nuten nicht zu sehen. Der Ostgiebel ist demnach am Ende des Dreißigjährigen Krieges zerstört und in glatter Form wiederaufgebaut worden. Dabei ist im unteren Bereich des Giebels eine niedrige Öffnung als Zugang zum ehemaligen Dachraum der Apsis gelassen worden. Damals war die dreiseitige Apsis noch mit einem Kegel- oder Zeltdach versehen. Die dritte Fotografie, aus nordöstli-cher Richtung aufgenommen, zeigt Einzelheiten der Apsis sowie der Ostwand mit ihrer Ecke zur Nordseite im unverputzten Zustand. Auf der rechten Seite steht noch die frühere Sakristei als verschie-ferter Anbau mit einem Pultdach, die in Fachwerkbauweise aus dem Jahr 1801 der schlichte Nachfol-ger des einstigen spätgotischen Sakristeibaus aus der Zeit um 1500 war. Dieser hatte auf der abge-wandten Nordseite die Beschießung überstanden; denn auf der Zeichnung von Ploennies von 1715 ist er noch zu sehen. Möglicherweise ist auf seine stützende Wirkung die Erhaltung der östlichen Umfas-sungsmauern des Kirchenschiffs zurückzuführen. Die Fotografie zeigt, dass auch der nordöstliche Teil der Kirche ganz aus Tuffstein erstellt worden ist. Die an der Ecke des Kirchenschiffs aufeinander gesetzten Quader, die bereits in Höhe des Fensterbo- 67 Dazu weiter unten zum Inneren der Kirche. 68 Kubach / Verbeek a. a. O. S. 168. 32 Abb. 19: Schloss Burg, St. Martinuskirche von Nordost um 1960. Aufnahme: Pfarrarchiv St. Martin. gens enden, lassen noch mittelalterliches Mauerwerk erkennen. Das bestätigt uns auch das Fenster der Stirnwand; denn es gehört zu jenen Öffnungen, die nach Angaben Kubach und Verbeeks nachträglich erweitert wurden. Erkenntlich ist dieses an den abgearbeiteten kurzen Bogensteinen; denn aus stati-schen Gründen wurde ursprünglich mit hochkant vermauerten Tuffsteinen eingewölbt. Rein optisch trifft dies zwar auch für das einzige Fenster auf der Ostseite der Apsis zu, doch hier ist erkennbar, dass die Öffnung nach barocker Bauweise noch wesentlich breiter angelegt ist. Die einst vorhandene Verglasung ging nach Angaben Killings bei einem Bombenangriff am 4.11.1944 zu Bruch, worauf es zugemauert wurde.69 Die äußere Apsis besteht aus einer glatten, einheitlich ansatz-losen Tuffmauerung mit Gerüstlöchern, die ebenfalls an der ehemaligen Bresche in der Südseite anzu-treffen sind. Diese Kriterien weisen im Gegensatz zu Fischers Bauforschung auf einen vollständig neuen Aufbau des Altarraums hin. Wäre er – wie Fischer vermutet – noch der Romanik zuzurechnen, so hätte er als dreiseitiger Baukörper auf jeder Seite die Spuren eines ehemaligen Fensters aufweisen müssen. Die polygonale Form der Apsis geht in einen steinernen Sockel des viereckigen Turmschafts über, der dann als verschieferter Fachwerkbau hochgeführt ist. Auffallend ist der auf den Tuffmauern der Apsis gemauerte Turmschaft aus Bruchsteinen, ein Anzeichen dafür, dass zur Zeit der Aufrichtung des Turms um 1771 Tuffmaterial in Burg nicht mehr verfügbar war. 69 Robert Killing, Die St. Martinuskirche. 33 Abb. 20: Schloss Burg, St. Martinuskirche, Blick in das Apsisgewölbe des 17. Jahrhunderts Unten: die darin als Gewölbekonsolen eingebauten romanischen Kapitelle. Aufnahmen der Verfasser 2010 Die neu errichtete Apsis und die nur noch im unteren Teil vorhandenen Trachytquader an der Nordost-ecke, sowie die fehlenden Balkennuten im inneren Giebel lassen vermuten, dass auch dieser Teil der Kirche beim Vernichtungswerk 1648 erheblich beschädigt wurde. Zudem hat man beim Wiederaufbau auf die traditionell übliche, symbolhafte Dreifensterordnung für den Altar verzichtet, um nach den Vorstellungen der Barockzeit ein einziges großes Ostfenster zu realisieren. Im Inneren wurde die Ap-sis dagegen nach alter Vorschrift zur Gestaltung des Allerheiligsten wieder eingewölbt. Doch das Ap-sisgewölbe in Form eines flachen Kreuzgratgewölbes lässt vermuten, dass die Kenntnis über die ur-sprünglich richtige Gestaltung mit einem Halbgewölbe oder einer Kalotte, nicht mehr vorhanden war.70 Die Maurer verarbeiteten beim Wiederaufbau vier kleinere Kapitelle zu Gewölbekonsolen (Abb. 20). Offensichtlich hatten diese romanischen Werkteile einst eine andere Funktion. Ihre Unter-seiten zeigen viereckige Zapfen, die als Anschluss für einen Wanddienst gedacht waren. Gesamtaufnahme von Nordosten (Abb.21) 70 Schon 1618 gab es nach zeitgenössischer Aussage im Rheinland keinen erfahrenen Architekten mehr, so dass z. B. die Jesuitenkirchen in Köln vom Elsässer Christof Wamser und in Bonn 1686 vom Graubündner Jacob de Candrea errichtet wurden. Roland Günter, Kunstreiseführer Rheinland, Bindlach 1988, S. 51 und 76. 34 Eine weitere Fotografie von 1960 zeigt die Kirche als ganzes Objekt von Nordosten. Ihre Ansicht in hellem unverputztem Mauerwerk lässt darauf schließen, dass in Schloss Burg beide Sakralbauten des Erzbischofs Engelbert komplett aus Tuffstein gebaut waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird auch seine private Kapelle im Hochschloss, die 1648 ebenfalls zerstört wurde und vollständig verschwand, aus diesem relativ teuren Importmaterial gebaut worden sein. Der leichte bimsartige Stein ließ sich aufgrund seines einheitlichen Formats gut und schnell verarbeiten, eignete sich aber nicht als Sicht-mauerwerk, sondern musste verputzt werden. Wahrscheinlich wurden die Bauten dann mit einer ge- Abb. 21: Schloss Burg, St. Martinuskirche mit Pfarrhaus von Nordost. Aufnahme: Stadtarchiv Solingen 1960 malten Quaderung phantasievoll farbig gefasst und standen als leuchtende Heiligtümer im Gegensatz zu allen anderen Teilen der mittelalterlichen Festung, die in dunklem Bruchstein errichtet waren. Unklar bleibt zunächst, was bei der Zerstörung der Kirche im Inneren geschehen ist. Man kann davon ausgehen, dass mit den einfallenden Mauern auch die Balken des Dachwerks nachgestürzt sind, bzw. das Dach durch weitere Einschläge vollständig zerstört wurde. Damit einhergehend stürzte auch die Decke des Kirchenraums in voller Länge ein. Die heutige Dachkonstruktion ist ganz aus Nadelholz gebaut, enthält also keine mittelalterlichen Teile mehr, die zumeist aus Eichenholz erstellt waren. Im Gegensatz zur heutigen Deckengestaltung, bei der sich die Balken sichtbar aneinanderreihen, verklei-dete man beim Wiederaufbau die Deckenkonstruktion mit einem barocken Spiegelgewölbe aus Holz-leisten und Gipsverputz. Auf einer Innenansicht der Kirche mit dem barocken Hauptaltar und den im Stil angenäherten Seitenaltären ist diese Deckengestaltung noch zu sehen (Abb.12). Ein Spiegelge-wölbe war zeitgemäß und trug zur Einheitlichkeit des barocken Kirchenraums bei, was aber später wohl nicht mehr so gesehen wurde. Leider ist es bei einer der jüngeren Sanierungen entfernt worden. 35 Paderborn, St. Bartholomäuskapelle am Dom, zur Zeit Bischof Meinwerks um 1017 als operaios graecos von istrischen bzw. byzantinischen Werkleuten errichtet. Diese kleine Hallenkirche gibt uns eine Vorstellung, unter welchem Einfluss die Johanniter 200 Jahre später ihre Kirche in Schloss Burg erbaut haben. Abbildung von 1965 Rekonstruktion der romanischen Kirche (Abb.22-25) Die Verfasser haben das Ausmaß der Zerstörungen, bzw. die noch stehen gebliebenen mittelalterlichen Außenmauern der Kirche lokalisieren und beschreiben können. Das Kirchenschiff ist nach 1648 auf den Resten der noch stehenden Mauern wieder aufgebaut worden, wobei die ursprünglichen romani-schen Raummaße nicht verändert wurden und somit erhalten blieben. Die Abmessungen sowie die beiden am alten Platz befindlichen südöstlichen Fenster des Gebäudes sind Schlüssel zur Rekonstruk-tion der ehemals romanischen Kirche. Hier stellt sich die Frage, ob neben den Vergleichsbeispielen von Nieder-Weisel und Ramersdorf auch die Johanniterkirche in Schloss Burg eine Gewölbedecke besessen hat, bevor sie am Ende des Dreißigjährigen Krieges zerstört wurde. Der Kircheraum von Burg hat eine Abmessung von 8,50 m x 16,70 m, ist also innerhalb der üblichen Toleranzen doppelt so lang wie breit. Dieses Maßverhältnis erlaubt eine quadratische Einteilung der Kirchengrundfläche, die wiederum Vorraussetzung für den romanischen Gewölbebau ist. Man könnte die Fläche in zwei große Gewölbejoche einteilen, wie sie in den Mittelschiffen großer romanischer Basiliken oder auch in einschiffigen Landkirchen des 12./13. Jahrhunderts in Norddeutschland und im Weserraum anzutreffen sind. Doch diese weiten Konstruktionen erforderten ein massiges Außenmau-erwerk, um den sehr hohen Seitendruck der Gewölbe abzufangen. Zudem setzen bei einer einschiffi-gen Kirche so weit gespannte Gewölbe sehr tief an, was eine düstere und bedrückende Wirkung her-vorruft. In der Burger Johanniterkirche, die der Spätromanik zuzurechnen ist, dürften die Verhältnisse kleinteiliger und damit auch wesentlich eleganter angelegt gewesen sein. Zum Vergleich weisen die Baumuster von Nieder Weisel und Ramersdorf Gewölbejoche von etwa 4 X 4 m auf. Dieses Maß lässt sich unverändert auch auf Burg übertragen; denn die Innenabmessungen von 8,50 x 16,70 m, bzw. das Verhältnis von 1:2 ergibt eine Fläche, die man in acht gleichmäßige Quadrate zu ebenfalls 4 x 4 m einteilen kann. In der Praxis entsteht dabei ein zweischiffiger Hallenraum, in dessen Mittelachse drei Säulen oder Pfeiler stehen, die jeweils vier Gewölbejoche auf beiden Seiten stützen. Die zweischiffige Einwölbung schränkt die Höhe eines kleinen Kirchenraums kaum ein und übt relativ wenig Seiten-druck auf die Außenmauern aus. Entsprechend ist das Seitenmauerwerk der Johanniterkirche in Burg weniger als 100 cm stark. Nur die Ostwand ist aufgrund des großen Chorbogens mit ca. 110 cm etwas stabiler angelegt worden. Der in der Längsachse der Kirche zunehmende Schub der Gewölbe wurde im Osten von der Apsis aufgefangen, während im Westen der Treppenturm diese Stützfunktion über- 36 Abb.22 37 Tuffstein Tuff ist ein vulkanisches Gestein, mit relativ weicher und poröser Struktur. Aufgrund seiner geringen Härte lässt sich der Stein nach der Gewinnung problemlos mit einer Säge in gleichmäßige Formate zerteilen und bei der Verarbeitung am Bau mit dem Kellenschlag zurichten. In der Eifel am Mittel-rhein gewonnen und dort formatiert, wurden die Steine im Mittelalter mit Schiffen an ihre Einsatzorte bis nach Friesland und Holland gebracht, ehe ihn dort der vor Ort hergestellte Ziegelstein im 13. Jahr-hundert verdrängte. Das römische und romanische Köln und so gut wie alle romanischen Sakralbauten am Rhein sind aus Tuff errichtet worden. Bemerkenswert hat sich der sonst so weiche Stein als Bau-stoff großer Gebäude über Jahrhunderte bestens bewährt. Natürlich entsteht auch bei ihm Zerfall durch Verwitterung, so dass die meisten Kirchen längst eine neue Außenhaut bekommen haben. Vorteilhaft sind geringes Gewicht, eine gewisse Flexibilität, der ihn trotz seiner Weichheit zähe macht und seine Atmungsfähigkeit, aufgenommene Feuchtigkeit schnell wieder an die Außenluft abzugeben. Auf dem Dachboden der Martinuskirche gibt verbliebenes Tuffmaterial Aufschluss über die Maße der an der Kirche verwendeten Steine. Die Tuffsteine sind größer als die gängigen Ziegelmaße, dagegen aber wesentlich leichter. In der Regel entsprechen sie mit ca. 30 cm Länge, 15 cm Breite und 8-9 cm Höhe dem mittelalterlichen Fußmaß: 1 Fuß lang, ½ Fuß breit und bei ihrer Vermauerung ergeben 3 mit Mör-tel versetzte Schichten wiederum 1 Fuß. Die Bauleute hatten also ein leicht zu verarbeitendes Material zur Verfügung, das ihnen die Möglichkeit zu recht präzisem Bauen gab. Bei dieser Gelegenheit ergibt sich natürlich auch die Frage, wie das „Importmaterial“ Tuff vom Mittel-rhein nach Burg transportiert wurde. Zunächst wurden die Steine bei Neuwied auf Transportschiffe verladen und rheinabwärts bis zu den Landestellen der Bergischen Grafen gebracht. Über den Land-transport der schweren Lasten, die zumeist mit Ochsengespannen durchgeführt wurden, ist bei von Mehring, Geschichte der Burgen, 9. Heft, S. 76-7871 näheres zu erfahren. Dieser schreibt: Nach der gräflichen Residenz Burg führten früher von allen Orten viele sehr benutzte Wege, die teils noch unter den Namen Burgstraßen bekannt sind. So ging z. B. ein solcher Weg von der unteren Burg aus, der bis zur Instandstellung der Mülheim-Wermelskirchener Landstraße 1774/76 häufig befahren wurde. Er ist stellenweise noch unter dem Namen Burg- oder Kölnische Straße bekannt, bei dem Neu-enkotten setzte er durch die Wupper, lief dann an Strohn vorbei und neben der Wupper heran zur Mündung des Sengbaches. Von dort ging es über Herscheid, Weidenbach, Grünscheid nach Nagels-baum zur Hahner Straße. Dann führte der Weg bei Nonnenbruch vorbei nach Quettingen und weiter zwischen Opladen und Schaafstall auf die Landstraße. Bei Herscheid zweigte die durch das große Grünscheid nach Leichlingen führende Burgstraße ab. Der Weg war der geradeste von Burg nach Wiesdorf, das früher der Hauptsitz des Fruchthandels war und woher die Einwohner von Burg Rog-gen, Weizen usw. bezogen. 71 Aus der Zusammenstellung von Julius Günther, Heerwege und Verkehrsstraßen in alter Zeit, in: Die Heimat, Nr. 14, Solingen 1938. S.54. 38 Abb. 23 39 nahm. Wie die Vergleichskirchen von Ramersdorf und Niederweisel zeigen, mussten diese Bauten mit der Größenordnung der Gewölbejoche von 4 X 4 m auch später nicht mit Stütz- oder Strebepfeilern gesichert werden. Der in den Mauern der Johanniterkirche fast ausschließlich verwendete Tuff- oder Bimsstein kam auch für die Gewölbe zum Einsatz. Sein geringes Gewicht, das genormte, handliche Maß und seine Saugfähigkeit machten ihn zum idealen Werkstoff für den Gewölbebau. Eine Einwöl-bung des Kirchenraums erfolgte erst nach der Überdachung des Gebäudes. Dabei wurden die Gurt und Scheidebögen zwischen den einzelnen Jochen auf Lehrbögen gesetzt und dann in freier Aufmauerung die Gewölbekappen eingezogen. Die Saugfähigkeit des leichten Tuffmaterials erleichterte ein rasches Ansetzen der Steine zur gekrümmten Kappenform.72 Die problemlose Einfügung eines zweischiffigen Gewölbesystems in die Burger Johanniterkirche wird von verbliebenen romanischen Strukturen bestätigt. So stammen die beiden erwähnten östlichen Fens-ter in der Südwand der Kirche noch aus dem Ursprungsbau. Trotz Vergrößerung beim Wiederaufbau behielten sie ihre Plätze aus romanischer Zeit73 und stehen nun bei der Rekonstruktion genau unter dem Scheitel der Schildbögen. Wie einst geplant, spenden sie ihr Licht den beiden südöstlichen Ge-wölbejochen. Führt man die Regel ihrer Abstände nach Westen fort, so ergibt sich eine genaue Eintei-lung für zwei weitere Fenster, so dass sich demnach vier Fensterachsen auf der Südseite befanden. Da die romanischen Kirchen in vollendeter Art symmetrisch ausgeführt wurden, sind auf der Nordseite ebenfalls vier Fenster für die vier hintereinander folgenden Gewölbejoche anzunehmen. Ein weiteres Indiz für die Zweischiffigkeit der Kirche ist das ursprünglich auf der nördlichen West-wand gelegene Hauptportal. Die Vorstellungsrekonstruktion vom Blick nach Osten in das Kirchen-schiff zeigt, wie seine seitliche Stellung dem Eintretenden nicht nur einen unverstellten Blick bis zum Altar gewährte, sondern bringt auch die bei einer Hallenkirche gewollte Schrägansicht durch die Säu-len zur Geltung (Abb.25). Das ebenfalls bereits erwähnte Rundbogenportal in der Mitte der Südwand befindet sich in der Rekonstruktion zwischen dem 2. und 3. Fenster. In die einstige Einwölbung fügt sich auch der Apsisbogen, der im heutigen Kirchensaal optisch ver-hältnismäßig niedrig erscheint. Er stammt aber wahrscheinlich aus der romanischen Erbauungszeit; denn seine Höhe entsprach dem System der gesamten Gurt- und Scheidebögen zwischen den einzel-nen Gewölbejochen. Die verbleibende Höhe bis zum Balkenwerk des Dachstuhls wurde einst von den Gewölbekuppeln eingenommen. Da die in der Flucht der Stützen verlaufende mittlere Scheidbogenli-nie nicht über dem Apsisbogen enden konnte, musste sie zwischen den beiden östlichen Jochen geteilt und zu den Seiten des Apsisbogens übergeführt werden. Diese Bautechnik, die um 1200 problemlos beherrscht wurde, ist auch an anderen spätromanischen Kirchen im Rheinland oder in Westfalen wie-derzufinden. 74 Die vorhandene dreiseitige, also polygonale Apsis fällt aus dem in der Romanik üblichen Bauschema heraus; denn sowohl Ramersdorf als auch Niederweisel weisen halbrunde Apsiden auf. Die Burger Apsis ist aber wohl ursprünglich, da vorhandene Grundmauern wieder verwendet werden konnten. Außerdem sind in den Apsisbogen auf der Nordseite der Sakramentsschrank und gegenüber eine Ni-sche eingelassen, beides Teile aus vorbarocker Zeit. Erwähnenswert ist dabei auch die zeitgleich er-baute Markuskapelle in Altenberg, die ebenfalls mit einer polygonalen Apsis versehen worden ist. Zur Vervollständigung des ursprünglichen Kirchenraums befand sich in der Apsis aber statt des flachen Kreuzgratgewölbes ein unterteiltes steigendes Halbgewölbe. Auch das große Ostfenster der Apsis entspricht nicht den gebräuchlichen Formen der Romanik. Anderen Beispielen zufolge wurde jede Seite des Apsispolygons von einem schmalen hohen Fenster durchbrochen. Damit wäre die in der Romanik übliche Dreifenstergruppe, die Dreieinigkeit Gottes im Allerheiligsten symbolisierend, auch in Burg gegeben gewesen. Zudem bekam der Altar durch die Stellung der drei Fenster die ihm gebüh-rende Ausleuchtung als Mittelpunkt des Kirchenraums. 72 Beim Wiederaufleben der mittelalterlichen Baukünste im 19. Jahrhundert, sind sehr viele Gewölbe in den Kirchen mit Tuff- bzw. Bimssteinen ausgeführt worden. 73 Kubach / Verbeek weisen erstmals darauf hin, a. a. O. S. 168 74 Zum Vergleich die zeitgleich erbaute Matthiaskapelle der Burg Kobern, oder die Nikolaikapelle in Soest. 40 Abb. 24 Neben dieser Erklärung zur ursprünglichen Gestaltung der Burger Johanniterkirche ergänzen die Ver-fasser mit maßstabsgerechten Zeichnungen und Ansichtsskizzen des Außenbaus und Innenraums ihre 41 Vorstellung von einer gewölbten spätromanischen Kirche (Abb.22-27). In den heute vorhandenen Kirchenraum mit seinen noch ursprünglichen mittelalterlichen Abmessungen ist ein Gewölbesystem rekonstruiert, das zu einem zweischiffigen Kirchenraum führt. Mit dieser Zweischiffigkeit steht die Burger Kirche um 1220 im rheinisch-bergischen Raum zwar allein, doch sie ist auch ohnehin ein Ein-zelstück in der Region. Der zweischiffige Raum ist in den Ordensbauten der Kreuzritter sehr häufig anzutreffen. Beginnend in den Johanniterpalästen von Rhodos, Kos und Malta, begegnet er in den Räumen der weitläufigen Marienburg / Ostpreußen sowie in der Georgskapelle in Riga / Lettland. Die Bauweise ist aber keine Eigenheit der Johanniter, sondern findet sich bereits 1135 im Kreuzgang von Königslutter, in Kapitelsälen, Dormitorien und Refektorien verschiedener Zisterzienserklöster (Eber-bach, Maulbronn, Walkenried). Nach dem Vorbild der um 1200 errichteten Nikolaikapelle in Soest, ist Zweischiffigkeit oftmals ein Merkmal kleinerer Kirchen im Siedlungsgebiet der Ostsee, ist sehr zahl-reich auf Gotland ausgeführt worden und findet sich an der ältesten Kirche des Baltikums in Uex-küll/ Lettland. Im Rheinland fand die Zweischiffigkeit erst in der Gotik nach 1400 wieder Verbreitung. Wiederum war es die Klosterkirche von Gräfrath, die als ehemals romanische Basilika während des Höhepunktes der Katharinenwallfahrt einen Umbau zu einer zweischiffigen gotischen Hallenkirche erfuhr. Die zweischiffige Klosterkirche Bornhofen am Rhein wurde 1434 geweiht. In Düsseldorf gründete Herzog Gerhard 1443 das Kreuzherrenkloster mit einer zweischiffigen Kirche. Auch im Köln-Jülicher Um-land sind mehrere zweischiffige Kirchen aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Wäre uns die Burger Ordenskirche in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben, könnte man sie wahrscheinlich zusammenfassend so beschreiben: - Die einstige Johanniterkirche Sankt Johann Baptist und heutige katholische Pfarrkirche St. Martin im äußeren Bering von Schloss Burg, ist eine spätromanische zweischiffige Hallenkirche von höchster baulicher Prägnanz und Durchsichtigkeit. Drei schlanke Säulen mit Schaftringen stützen ein System gebuster, kuppeliger Gewölbe über schmale in die Gewölbesubstanz eingeschmolzene Gurtbögen. Die einzelnen Joche sind nach vorhandenem Maßverhältnis des Raumes durchgehend quadratisch angelegt und passen sich im Osten durch einen geteilten Gurtbogen den Gegebenheiten des zentralen Apsisbo-gens an. Die Apsis wird aus einem dreiseitigen Raum gebildet, der ohne vorgelegten Chorraum den Altar beherbergt. Während im Altarraum drei hohe, schmale Rundbogenfenster die Bedeutung des Altars hervorheben, geben kleine, hoch sitzende Fenster in beiden Kirchenschiffen von allen Seiten ein gleichmäßiges, feierliches Licht. Die zahlreichen hohen Kuppeln zeigen Charaktereigenschaften aus der byzantinischen Zisternen-Baukunst, ebenso entstanden die beiden Augenfenster in der Stirnwand nach ostchristlichen Vorbildern, Bauformen die vermutlich durch die Kreuzzüge vermittelt worden sind. In gewisser Weise erinnert der Kirchenraum an die Bartholomäuskapelle am Dom zu Paderborn, die bereits 200 Jahre früher – um 1017 - von byzantinischen Werkleuten errichtet worden war. Sehr ähnlich ist in Burg eine schlichte luftige Halle nach der Philosophie der Johanniter erbaut worden, um Gottesdienstraum, Taufkirche und gleichzeitig ein Ort zur Genesung Kranker und Verwundeter zu sein. Wie das ältere Beispiel in Paderborn besitzt auch die Burger Johanniterkirche trotz geringer Grö-ße eine besondere Akustik. Es ist die Form der gebusten leichten Gewölbeschalen aus Tuff, sie schwingen bei leisester Musik und Gesang und halten den Ton wie ein Geigenkörper. Vermutlich gab es eine Wechselwirkung von der Baugestaltung zum Gregorianischen Chorgesang, um den Raumklang in den Heilungsprozess einzubringen. Wie bei der Klangschale ist eine solche Musiktherapie geeignet, die gesamte seelische und körperliche Verfassung eines kranken oder verwundeten Menschen positiv zu beeinflussen. - Doch nicht nur akustische Reize, sondern auch positive optische Eindrücke sollten den Genesenden erfreuen. Man darf davon ausgehen, dass die Burger Johanniterkirche neben der äußerlichen Quader-bemalung auch im Inneren eine farbige Gestaltung erhalten hat. So war auch die spätromanische Ra-mersdorfer Deutschordenskapelle seit ihrer Entstehungszeit vollständig ausgemalt.75 Die gezeichneten Überlieferungen sind ein Zeugnis für eine außerordentlich phantasievolle Kunst, die sich besonders in den Gewölbekuppeln zeigte, deren Anblick für die liegenden Patienten als ein Teil der Heilungsthera- 75 Vor der Versetzung der Kapelle 1846-47 nach Bonn, beauftragte J.C. v. Lassaulx den Maler Christian Hohe mit genauen Farbbildern der damals weitgehend erhaltenen Wandmalereien, sie sind beim Rheinischen Denk-malamt archiviert. Freundlicher Hinweis von Frau Dr. Irmingard Achter in Bonn. 42 Abb. 25: Schloss Burg ehem. Johanniterkirche, Längsschnitt. Rekonstruktionszeichnung der Verfasser 2011 43 Abb. 26: Schloss Burg, ehem. Johanniterkirche, Inneres nach Osten als Netz. Rekonstruktion der Verfasser 2011 44 Abb. 27: Schloss Burg, ehem. Johanniterkirche, Blick ins Innere nach Osten. Rekonstruktionsvorstellung der Verfasser 2011 45 pie gedacht war. Ein noch näher liegender Vergleich ist mit der ehemaligen Johanniterkirche in Mari-enhagen bei Wiehl möglich, die als nahezu unveränderter Baukörper erhalten geblieben ist. Die um 1310 entstandene frühgotische Kirche ist ähnlich der Burger Kirche ein reiner schlichter Putzbau, der aber bei seiner Fertigstellung eine farbige Bemalung erhielt. Von dieser frühen Ausmalung sind in der Apsis bemerkenswerte Reste erhalten, die ein sehr genaues Bild über die damals übliche Raumfassung eines sakralen Gebäudes vermitteln. Große Teile der Wandfläche zeigen eine figürliche Malerei, wie wir sie aus der Buchmalerei der Manesseschen Liederhandschrift kennen. Sie weist mit noch statuari-scher Haltung der Figuren auf eine frühere Stufe als die Chorschrankenmalerei im Kölner Dom. Zu der figürlichen Darstellung tritt eine ebenso hervorragende ornamentale Malerei mit Blattwerk- und Palmettenfriesen, die noch tiefe Wesenszüge der romanischen Kunst aufweist. Verena Kessel, die sich mit der Malerei in den Oberbergischen Bunten Kirchen eingehend befasst hat, nennt die Malerei in Marienhagen trotz ihres rudimentären Zustandes von exquisiter, hoher Qualität, hinter der das Können eines außerordentlich fähigen Künstlers steht. „Sowohl das theologisch anspruchsvolle Programm als auch die Qualität der Wandmalerei lassen wieder die Johanniter als Auftraggeber erkennen. Sie dürf-ten auf Grund der Kölner Niederlassungen ihres Ordens in der Domstadt einen Künstler gefunden haben, der in Marienhagen Wandmalereien schuf, die keinen Vergleich mit Köln zu scheuen brau-chen.“ 76 Wenn wir schon in einer untergeordneten Ordensniederlassung wie Marienhagen eine ehemals so be-deutende künstlerische Ausgestaltung der Kirche vorfinden, wie mag dann das Gotteshaus der Johan-niter in der Residenz Schloss Burg dekoriert gewesen sein. Aufgrund der Verwendung von Tuffstein war auch diese Kirche ein reiner Putzbau, dessen Architektur nur durch eine Bemalung akzentuiert werden konnte. Da in der Romanik der Bau und seine künstlerische Gestaltung auf lange Lebensdauer ausgerichtet war, wird die Malerei ähnlich wie in der Apsis von Marienhagen a fresco – also auf den frischen Putz aufgetragen worden sein. Somit war die Johanneskirche der Johanniterkommende in Burg nicht nur ein architektonisches Juwel, sondern wird auch durch eine hochwertige figürliche und ornamentale Bemalung hervorgetreten sein. Die Zerstörung 1648 ließ alles mit einem Schlag unterge-hen. Sollte von der Farbfassung etwas übrig geblieben gewesen sein, so wird man es 1909 beim Ab-schlagen des Innenputzes beseitigt haben. Der spätgotische Sakristeianbau Die ideale spätromanische Gestalt der ursprünglichen Lazarettkirche der Johanniter ist im Laufe der Zeit verändert worden. Oftmals nahm man in der Baugeschichte der Kirchen Eingriffe mit wenig Rücksicht auf Vorhandenes vor, wobei zumeist größere Fenster für mehr Licht im Kirchenraum ein-gebrochen wurden. Ob solche Maßnahmen schon früh an der Johanniterkirche durchgeführt wurden, lässt sich nicht mehr nachweisen. Vermutlich geschah dies erst beim Wiederaufbau nach 1648. Lange vor dieser Zeit entstand an der Nordseite der Kirche aber ein Seitentrakt, über dessen Zweck vielfach gerätselt wurde. Dieser Anbau, auf der Zeichnung des Geometers und Architekten Ploennies im Jahr 1715 von Schloss Burg erkennbar (Abb.1 und 28), ist leider schon 1801 abgebrochen worden, doch muss er eine hervortretende Bedeutung gehabt haben. Da er mit seinem polygonalen Schluss spätgoti-sche Züge trägt, könnte er auf die Bauaktivitäten von Herzog Wilhelm II. um 1485 zurückzuführen sein.77 Aus diesem Jahr sind Baurechnungen erhalten, die in der Dokumentensammlung Bernhard Vollmers auszugsweise wiedergegeben sind. Vermutlich handelt es sich um umfangreiche Arbeiten; denn allein die am 17. Februar 1486 von dem Landrentmeister Hermann von Hammerstein ausgefertigte Baurech-nung umfasst 36 Seiten. Zu dieser Zeit bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts sind vermutlich verschie-dene Veränderungen an Schloss Burg durchgeführt worden. Um Hofstaat und den zahlreichen Gästen mehr Platz zu bieten, wurde der Palas auf Schloss Burg nach Süden erweitert, die Schlossküche neuen Erfordernissen angepasst und die spätgotischen Fachwerkaufbauten am Palas errichtet. Auch der ver-spielt wirkende Anbau an der Johanniterkirche entspricht dem Geschmack dieser Zeit, dem Schloss Burg die charakteristische Dachlandschaft verdankt, die später von Ploennies dokumentiert wurde. 76 Verena Kessel, a. a. O. S. 62. 77St.A. Düsseldorf: Jülich-Berg I Nr. 1322 und Nr. 1349. 46 Abb. 28: Schloss Burg, der vor dem Hochschloss liegende Bereich der Johanniterkommende mit Kirche, Komturhaus, Torturm und Nebengebäude. Detail der Zeichnung von Ploennies 1715 Spätestens wird die Erweiterung der Kirche während der Regierungszeit von Johann III. dem Friedfer-tigen (1511-1539) geschehen sein. In Glaubensfragen stand der Herzog der sich entwickelnden Re-formation offen gegenüber, doch seine Gattin Maria von Jülich Berg beharrte streng auf die katholi-sche Lehre. Das Herzogspaar, das 1496 im kindlichen Alter auf Schloss Burg verlobt worden war, nutzte die alte Residenz mehrfach als Jagdschloss. Über den Zweck des Anbaus berichtet Roth, dass im Untergeschoss über Jahrhunderte die Sakristei untergebracht war und das Obergeschoss als Krankenstation diente. Bei dem vorhandenen architekto-nischen Aufwand ist es durchaus möglich, dass das Obergeschoss des Traktes wohl ursprünglich als Kirchenloge oder Oratorium des Herzogs von Berg, bzw. des adligen Gefolges gedient hat. Dies ent-spricht der Gewohnheit, seit dem 16. Jahrhundert, besonders aber zur Zeit der Renaissance, seitlich in vielen Kirchen mehr oder weniger geschlossene Logen oder Priechen einzurichten.78 Sie dienten dem Adel beim Besuch des Gottesdienstes als äußeres Zeichen seines höheren Standes und als Abgrenzung zu den übrigen Kirchenbesuchern. Abb. 29: Prinzessin Sibylla von Cleve-Berg, von Lukas Cranach 1526 Abb. aus Roth, Schloss Burg 1922 78 Die Bezeichnung „Prieche“ ist besonders in Norddeutschland für eine Loge in der Kirche gebräuchlich 47 Der Bau eines Oratoriums oder Loge könnte zurzeit der Herzöge Wilhelm und Johann Sinn machen; denn für ihre Gesellschaften war neben Jagd und Fest der Kirchgang noch selbstverständlich. In der Pankratiuskapelle des Hochschlosses war für zahlreiche Besucher kein ausreichender Raum und eine Erweiterung wird nicht möglich gewesen sein. Dieser Bau ließ sich in seiner abgeschlossenen Struktur als Burgkapelle nicht verändern oder erweitern.79 Man wird also bei den großen Jagden und Festlich-keiten auf Schloss Burg die Johanniter- und Pfarrkirche zur Feier der hl. Messe aufgesucht haben. Dem Herzog und seiner Familie stand dabei der Anbau mit seiner Herrscherloge zur Verfügung. Da die Jagden und Feste aber nur zu bestimmten Zeiten stattfanden, konnte dieses Oratorium ansonsten als Krankensaal mit verschließbarer Verbindung zum Gottesdienstraum genutzt werden. Obwohl Schloss Burg zu dieser Zeit schon viel von seiner Bedeutung verloren hatte, war der Ort noch immer die alte Residenz mit großer Tradition. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird man hier am 25. November 1496 den Erbvertrag zur Klever Union in Anwesenheit hoher Würdenträger geschlossen haben. Die damit verbundene Verlobung der beiden Fürstenkinder Maria von Jülich Berg und Johann von Kleve sollte als Symbol einer dauerhaften Verbindung geschehen. Bei der großen Bedeutung für die beiden Herzogtümer ist die Zeremonie wahrscheinlich mit einer heiligen Messe umrahmt und das Versprechen der beiden Kinder vom Kölner Erzbischof in der Johanniterkirche gesegnet worden. Und noch ein weiteres Ereignis in der Familie des Landesherrn fand sicherlich in der Johanniterkirche statt. Im Jahr 1526 lud die herzogliche Familie noch einmal zahlreiche Gäste nach Schloss Burg ein, um in der alten Residenz die Hochzeit ihrer Tochter Sybille (Abb.29) mit Johann Friedrich von Sachsen groß zu feiern. Die festliche Trauung des Brautpaars wird wahrscheinlich auch hier vor dem Kölner Erzbi-schof unter großer Anteilnahme des Adels in der Johanniterkirche vollzogen worden sein. Die Baumeister Fischer und Arntz haben auf ihren Plänen von Schloss Burg an der Johanniterkirche den Grundriss des mehrseitigen nördlichen Anbaus eingezeichnet (Abb.3). Anscheinend sind bei Gra-bungen Mauerreste gefunden und vermessen worden, die sich unmittelbar an das nordöstliche Gewöl-bejoch anschlossen. Danach bestand der Anbau aus einem Raum von etwa 4 X 5 m im Quadrat, dem ein dreiseitiger apsisartiger Abschluss nach Norden angefügt war. Fischer sah bei der Rekonstruktion des Grundrisses ein Fenster nach Westen und jeweils eines in den Seiten des Polygons. Er folgte dabei dem Zeichner Ploennies, der auf seiner Abbildung die Fensterachsen übereinander anordnet und den Anbau damit zweistöckig wiedergibt. Ein polygonaler Abschluss dieses Gebäudes machte aber nur mit einer entsprechenden Innenarchitektur Sinn. Die apsisartige Form lässt auf eine Einwölbung des obe-ren Saales schließen und ein Rekonstruktionsversuch der Verfasser im Stil der damaligen Zeit führt zu einem weit heruntergezogenen Rippengewölbe mit tief profilierten Kappen über dem Polygon (Abb.30). Schlanke, ebenfalls tief herabreichende Fenster gaben dem Saal gleichmäßig helles Licht und erlaubten von der Höhe einen weiten Blick in das Tal der Wupper. Unter der wohl vielfältigen Verwendung des kleinen Saales war auch seit Beginn des 17. Jahrhunderts eine Nutzung als Schule; denn 1607 berief der Burger Priester Wilhelm Thamerich den Hitdorfer Mi-chael Garnich als Schullehrer und Küster an die Johanniskirche.80 Rudolf Roth bezeichnet die Schule von Oberburg über der Kirchensakristei als „gemütliches helles Stübchen“ in der bis 1801 unterrichtet worden ist. Dann war sie in solch baufälligem Zustand, dass sie abgerissen wurde. Die geschilderten Zerfallsanzeichen rührten mit Sicherheit noch von den Erschütterungen her, die durch die Beschießung der Kirche von 1648 herrührten. Vieles deutet auf rissige Gewölbe, deren Kappen ihre Kraftschlüssig-keit verloren hatten und ist typisch für Schäden, die durch Seitendruck auseinanderdriftender Gewöl-beteile auf die Außenmauern entstehen. Nach Roth war damals die gesamte Kirche in völlig desolatem Zustand, da die Johanniter aus Interesselosigkeit über viele Jahre hin die nötigen Unterhaltungsarbei-ten nicht mehr durchgeführt hatten, und die Kirchengemeinde selbst über keine Mittel verfügte. 79 Vgl. A. Sassen / C. Sassen, „Eine Doppelkapelle Engelberts II. in Schloss Burg“, Solingen 2009. S. 79. 80 Rudlf Roth, Die Kirche zu Burg an der Wupper, in: Schloss Burg an der Wupper, Burg 1921. S. 48 Abb. 30: Schloss Burg, ehem. Johanniterkirche Das Oratorium und späterer Schulraum im Oberstock des Sakristeianbaus Rekonstruktionsvorstellung der Verfasser 49 Abb. 31: Schloss Burg, St. Martinuskirche. Zeichnung von G.A. Fischer in: Clemen, Die Denkmäler der Rheinprovinz, 1894. Der Wiederaufbau nach 1648 und die Herkunft der romanischen Säulen Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war die Johanniter- und Pfarrkirche zum überwiegenden Teil zerschossen und eingestürzt. Für die Johanniter, besonders aber für die Gemeinde in Oberburg eine Katastrophe, zumal zuvor jahrelang der Streit um die Besitzrechte hin und hergegangen war. Dazu kam für die Johanniter noch der Verlust der Burgkapelle, die bei der Sprengung des Bergfrieds einge-stürzt war und für immer verloren ging. Der Wiederaufbau ihrer Ordenskirche erfolgte, wie es zumeist aus Kostengründen üblich ist, in den einfachsten Formen. Eine Wiederherstellung in alter gewölbter Form kam nicht mehr infrage, da die barocke Baukunst solche Räume frei gestaltete und nach Jahr-zehnten des Stillstandes kaum noch ein Handwerker über Kenntnisse des Gewölbebaus verfügte. Am stehen gebliebenen Ostteil befand sich noch der besagte Sakristeianbau, von der Nordwand des Kirchenschiffs standen 7,80 m und von der Südwand 8,70 m. Außerdem war die Westwand mit ihrem Giebel noch erhalten. Der dort anscheinend beschädigte Treppenturm wurde abgetragen und das Mate-rial mit den brauchbaren Steinen aus dem Trümmerschutt zur Wiedererrichtung der Außenmauern verwendet. Was an der Johanniskirche an Material fehlte, wurde vermutlich von der zerfallenden Pan-kratiuskapelle im Hochschloss herausgesucht oder abgetragen und nach hier verbracht. Es liegt 50 Abb. 32: Freckenhorst / Westfalen, ehem. Damenstiftskirche aus dem 12. Jh. Beispiel einer romanischen Wandarkatur im Chor und im Süd-Seitenschiff. Aufnahme: LWL – Amt für Denkmalpflege. nahe, dass man in der Not der Zeit das Kirchenschiff von Ost nach West wieder aufbaute. Nach dem Bau der Apsis könnte zunächst der stehen gebliebene Ostteil mit einer Wand abschlossen (Abb. 30) und für den Gottesdienst hergerichtet worden sein, bevor man die Kirche nach Westen fertig stellte. Damals wurde in 4,75 m Entfernung parallel zur Ostwand eine lettnerartige Mauer errichtet, die einen Durchgangsbogen und darüber einen Nischenbogen zur Aufnahme einer Orgel besaß. Mit der Trenn-wand, die man noch vor der Säkularisation 1801/02 wieder entfernte, wurde für die Mitglieder des Johanniterordens ein gesonderter Chorraum geschaffen. Die bis heute erhaltene markante Wandarkade aus spätromanischen Säulen zierte diesen Chorraum und gab ihm ein mittelalterliches Gepräge. Die Besonderheit der kleinen Schiefersäulen liegt in der Schönheit der aus Kalksandstein gearbeiteten Blattkapitelle, deren Herkunft bislang rätselhaft war (Abb.34). Gerhard August Fischer, der als Architekt von Schloss Burg für die Dokumentation der Denkmäler des Rheinlandes auch den Bau der Burger Kirche aufzeichnete, war wie der Landeskonservator Paul Clemen davon überzeugt, dass die Bogenreihe mit den romanischen Säulen zum ursprüngliche Bau der Johanniterkirche gehört. Beide berufen sich auf das ganz ähnliche Beispiel einer Wanddekoration in der Kapelle der Pfalz zu Nimwegen. Zweifelsfrei waren in der Romanik Wandarkaturen üblich, wie auch das Beispiel im Hochchor und den Seitenschiffen der Stiftskirche Freckenhorst in Westfalen zeigt (Abb.32). Auch die um 1220 in Kobern an der Mosel erbaute Matthiaskapelle ist in reichem Maß damit ausgestattet worden. Doch Nimwegen, Freckenhorst und Kobern dienten im gewissen Rahmen auch der Repräsentation und standen ganz im Gegensatz zum Armutsideal der Johanniter. Einen Chor mit einer aufwendigen und teuren Schmuckarkade hervorzuheben, war nicht mit ihrer ursprünglichen Anschauung vereinbar. Die Orden der Hospitalbrüder verzichteten auf eine besondere Betonung des Chorraums, deshalb ist in den ursprünglichen Johanniterkirchen eine bauliche Unterscheidung zwi-schen Priester und Laienraum nicht zu finden. Die Vorstellungen vom Armutsideal der Johanniter änderten sich zwar ebenso, wie die strengen Vor-schriften zur einfachen aber soliden Bauweise gelockert wurden. Diese Erscheinungen treten aber erst später auf und zeigen sich offensichtlich im Wiederaufbau der Burger Kirche nach dem Dreißigjähri-gen Krieg. Mit einer Mauer im Ostteil sonderten sich die Ordensleute von der übrigen Gemeinde ab und schmückten ihren Chorraum mit dem Einbau der Wandarkade. Dies geschah aber erst mehr als 450 Jahre nach der ersten Weihe der Kirche und hat mit den ursprünglichen Idealen des Ordens nichts zu tun. Die Meinung, die Fischer und Clemen 1894 in den „Bau und Kunstdenkmälern des Rheinlan-des“ vertreten, ist deshalb zu überdenken. 51 Abb. 33 52 Abb. 34: Schloss Burg, St. Martinuskirche, alle Kapitelle der Säulenstellung im Chor. Aufnahmen der Verfasser 2010 53 Abb. 35: spätromanische Säulenkapitelle um 1220 im Vergleich: links: Schloss Burg, rechts: Hilden, unten: Rheinkassel Aufnahmen der Verfasser 54 Abb. 36: Schloss Burg, Säulenbasen, oben: aus dem Bauschutt des Burghofs, dokumentiert von Fischer; unten: aus dem Chor der St. Martinuskirche. Form und gleiche Größe lassen auf die einstige Palaskapelle als gemeinsamen Herkunftsort schließen. Auch das Taufbecken mit seiner Eckblattzier am Mittelfuß ist in diese Gruppe zeitlich einzuordnen. 55 Sowohl die Recherchen der Kunsthistoriker Kubach und Verbeek für ihren Katalog der romanischen Baukunst von 1976 als auch die folgenden Veröffentlichungen von Irmingard Achter und Johannes Fahmüller verweisen dagegen auf eine wahrscheinliche Zweitverwendung der Säulen. Letztere suchen ihren Ursprung im Hochschloss von Burg. Fahmüller ging der Vermutung ihrer einstigen Verwendung an den inneren Fensterleibungen des Rittersaales nach, stieß aber auf ein notwendig größeres Maß der dortigen Begleitsäulen. Dieses bestätigt sich mit den glaubhaften Angaben Fischers; denn man hatte im Bauschutt des Palas Originalvorlagen zur Rekonstruktion der Rittersaalsäulen gefunden. Die Kunsthistorikerin Achter näherte sich der Herkunftsfrage der rätselhaften Säulen von einer ande-ren Seite. Sie war in der spätromanischen Reformationskirche in Hilden (Abb.37) auf eine denkwürdi-ge Ähnlichkeit der dortigen Emporensäulen mit den Arkadensäulen in der Johanniterkirche von Burg gestoßen. „Die Übereinstimmung der Hildener Emporenkapitelle mit denen aus Burg ist hinsichtlich Material, Technik und Formen der Blätter und Deckplatten überraschend und weist auf die gleiche Werkstatt hin. Eine etwa gleichzeitige Entstehung ist kaum von der Hand zu weisen.“ (Abb.35) Achter ist aber überzeugt, dass die Säulen erst im 17. Jahrhundert in die Martinskirche übertragen wurden, nachdem sie ursprünglich im Hochschloss Burg gestanden haben. Und dies hatte Erzbischof Engelbert von Berg nach der zeitgenössischen Quelle des Caesarius von Heisterbach auf eigene Kos-ten erbaut (…ad novum castrum, quod ipse beatus episcopus de propriis expensis edificaverat…). Aufgrund der wechselseitigen Erkenntnisse Achters konnte letztlich die Entstehung der Hildener Kir-che sicher dem ersten Viertel des 13. Jahrhunderts und somit dem Bauherrn Erzbischof Engelbert von Berg zugeordnet werden (Abb.37). Der Bau war in vielen Nachschlagewerken wesentlich später, sozu-sagen als Nachzügler der Romanik datiert worden.81 Da Hilden aber in Wirklichkeit eine Vorreiterrolle spielt und die früheste völlig eingewölbte Emporenkirche des Rheinlandes ist, kommt ihr zur Klärung baugeschichtlicher Verhältnisse eine hohe Bedeutung zu. Die Kirche in Hilden gehörte zum erzbi-schöflich- kölnischen Tafelhof, der bereits 1176 als Pfandbesitz in die Hand des Grafen Engelbert I. von Berg gekommen war. Mit seinem Sohn Engelbert II., dem natürlich daran gelegen war, den Pfandbesitz zu seinem Landbesitz zu machen, trafen hier dynastische und erzbischöfliche Interessen zusammen. Die gleiche rechtliche Stellung als Pfand nahm übrigens auch Schwelm ein, wo Engelbert ebenfalls eine Kirche gebaut hat. Das erfahren wir nebenher in der „Vita Engelberti " des Mönchs Caesarius von Heisterbach: „Am Tag seiner Ermordung sei Engelbert auf dem Weg nach Schwelm gewesen, um dort eine Kirche zu weihen“. Sie ist leider nicht mehr erhalten und auch quellenmäßig kaum zu erfassen.82 Die aus ihrer Bauzeit noch fast vollkommen erhaltene Hildener Kirche besaß ursprünglich noch keine Pfarr-Rechte, sondern war eine Filiale der Pfarrei Richrath und wird im Liber valoris der Erzdiözese Köln als Capella Heilden aufgeführt. Erst 1312 wird sie als selbständige Pfarrei bezeugt. Ihre aufwän-dige Bauform erklärt sich daraus, dass sie eine Eigenkirche des sehr engagierten Erzbischofs Engel-bert I. war. Eine herausragende Persönlichkeit der Politik und vor allem der Kirche wie er, ließ sich eine Hofkapelle bauen, deren Baumeister wohl einer der Besten seiner Zeit war.83 Die übereinstimmende Form der Burger Säulenkapitelle mit denen in Hilden verweist auf die Zeit Engelberts und wahrscheinlich auf eine Steinmetzwerkstatt derselben Bauhütte. Vermutlich arbeitete sie unter der Leitung eines Werkmeisters, der im Auftrag Engelberts verschiedene Kirchen errichtete. Ihre Aufwändigkeit und die Ähnlichkeit zu den Kapitellen des Hildener Sakralraums weisen auf die Möglichkeit, dass sie vor ihrem Einbau in die Johanniterkirche bereits Teil eines sakralen Gebäudes gewesen sind. Aus den geschichtlichen Gegebenheiten geht hervor, dass in Burg zu gleicher Zeit Hochschloss und Johanniterkirche entstanden sind. Mit dem Bau des Hochschlosses wurde aber auch die dazugehörige Privatkapelle errichtet. Ihr Standplatz und späterer Verfall sind erwähnt, doch wie diese Kapelle am Palas Engelberts ausgesehen hat, entzieht sich unserer Kenntnis, da sie nach der Beschädigung 1648 irgendwann spurlos verschwand. Die fast ausschließliche Verwendung von Tuffstein an der Johanni- 81 Irmingard Achter (LVR) ging wegen anderer Aufgaben der Herkunft der Burger Säulen nicht weiter nach. 82 Ulrike Unger, Die Reformationskirche in Hilden, in: Rom. Berge Heft 1, 1998, S. 27-33. 83 Ulrike Unger, a. a. O. S. 33. 56 Abb. 37: Hilden, Reformationskirche, einst Kirche des Hofes von Erzbischof Engelbert I. um 1220 Zeichnung: signiert (?) um 1900. terkirche und die damit verbundenen architektonischen Möglichkeiten wie eine Einwölbung, lassen auch bei der Schlosskapelle den Baustoff Tuff mit seiner vielfältigen Anwendung erwarten. Gemessen am Aufwand in Hilden und in Mündelheim und die Tatsache, dass sie die private Kirche in der Resi-denz eines Erzbischofs und Landesherrn war, wird sie mit Sicherheit ein Sakralbau mit hervortretender Architektur gewesen sein. Der Rittersaal von Schloss Burg hatte nach der Bauforschung und den Funden Fischers an den Fensterleibungen Säulenstellungen in anderer Größenordnung und mit Kapi-tellen, die zur frühgotischen Knospenform weisen. Eine weitere Steigerung architektonischer Aus-schmückung fand hier nicht statt – dürfte aber in der Burgkapelle zu erwarten gewesen sein. Die ver-bliebenen ästhetischen Säulen mit ihren phantasievollen Kapitellformen sind wahrscheinlich nur ein Abglanz dessen, was dort einst vorhanden war. Die Wissenschaft über den deutschen Burgenbau lehrt, dass in der Regel die Kapelle vor allen anderen Räumen der Burg eine besondere Architektur und baukünstlerische Ausschmückung erfuhr. Ihre direkte Verbindung mit dem Wohnbau, so wie einst in Schloss Burg anzutreffen, war zu allererst ein Zeugnis der Frömmigkeit des Bauherrn, eine Einstel-lung die noch vor der Repräsentation stand. Der Burgenkundler Ulrich Stevens sieht zwar das Reprä-sentationsbedürfnis Eng |
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